Za darmo

Verwehte Spuren

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ein gedämpfter Schritt wurde hörbar und am Rande des Ufers erschien Athoree.

Er winkte Johnson und glitt, als dieser sein Fahrzeug zum Ufer trieb, gewandt in dasselbe hinein.

Auf die fragenden Blicke der Männer entgegnete er ruhig: »Saulteux da.«

Lebhaft erschrak der Graf und warf einen Blick schmerzlicher Besorgnis auf seine Schwester, die in anmutiger Freundlichkeit neben ihm saß.

Der Indianer flüsterte: »Schweigen,« nahm Michael das Ruder aus der Hand und trieb das Kanoe mit vorsichtiger Bewegung weiter. Der Bach wurde breiter und rechts und links zeigte sich Röhricht.

In dieses lenkte Athoree sein leichtes Boot, das andre folgte, und sie befanden sich eng von flüsternden Schilfhalmen eingeschlossen.

Langsam ließ der Indianer sein Boot vorwärts dringen, bis sie einen schmalen Kanal offenen Wassers erreichten.

Hier sahen sie den Himmel über sich und die Wipfel der Bäume nur in einiger Entfernung.

Die Kanoes lagen nebeneinander.

Mit flüsternder Stimme teilte der Wyandot dem Grafen mit, daß der Feind auf dem nahen Eskonaba, den sie bereits erreicht hatten, sei.

»Ist das ein Zufall oder sind sie bereits in unsrer Verfolgung begriffen?«

»Ich denken, sie verfolgen, wollen den Fluß verlegen. Muß weiter oben noch ein Bach sein, den Athoree nicht kennt, daß so rasch zu Eskonaba kommen.«

Es war so, wie er vermutete.

Die Flucht Luisens war rascher entdeckt worden, als die Flüchtlinge ahnen konnten. Der erste Häuptling der Saulteux hatte sich, wie er von Zeit zu Zeit zu tun pflegte, zu Ni-hi-tha, das ist: der Schwester, begeben, um sie nach der Rückkehr von seinem Kriegszuge zu begrüßen.

Als die Alte, welche man gebunden dort zurückgelassen hatte, Mitteilung von dem Geschehenen machte, war die Wut der Saulteux grenzenlos.

Nicht nur, daß sie die Entdeckung, daß eine weiße Frau bei ihnen gefangen gehalten werde, wegen ihren Folgen fürchteten, denn sie hatten das im verflossenen Jahre dem sie besuchenden Regierungskommissar geleugnet, trotz seiner Drohung, daß ihnen die Provisionen entzogen werden würden, wenn sie die Frau nicht auslieferten, nein, vor allem beklagten sie den Verlust eines Wesens, welches sie wie eine Heilige verehrten und liebten. Deren Anwesenheit in ihrer Mitte ihnen glückbringend deuchte, der diese abergläubischen Naturkinder gerade wegen der Störung ihrer geistigen Funktionen Prophetengabe zuschrieben.

Dies und dann die Anwesenheit eines Huronen in ihrem Dorfe und seine Tätigkeit bei der Entführung ihrer Ni-hi-tha erbitterte sie aufs äußerste.

Da die Flüchtigen den Eskonaba zu gewinnen suchen mußten, machten sich augenblicklich fünfzehn erlesene Krieger auf und ruderten mit großer Schnelligkeit einen unweit einherströmenden Wasserlauf, von dem Athoree in der Tat nicht Kenntnis hatte, hinab zum Estonaba. Eine andre Schar begann sofort die Verfolgung zu Lande.

Als die Ottawas vor drei Jahren die Ansiedlungen am Manistee überfielen, rettete Luisens Leben und das ihres Kindes nur der so plötzlich ausbrechende Wahnsinn.

Unfähig war ein Indianer, Hand an eine Geisteskranke zu legen, die seiner Anschauung nach unter dem Schutze Manitous stand.

Sie schleppten sie auf ihrer eiligen Flucht mit und verbargen sie. Bei dem harten Strafgericht, welches dann über die Ottawas hereinbrach, den fortwährenden Nachforschungen nach der weißen Frau, welche auch bei jedem amtlichen Verhöre vorgenommen wurden, legten sie der Gefangenen größere Bedeutung bei als sie hatte.

Alle die harten Urteile, welche später gefällt wurden, die Hinrichtung angesehener Häuptlinge und Krieger durch den Strick, schrieben sie wesentlich der Fortführung der geisteskranken Frau zu, von der sie annahmen, daß sie schon vor ihrer Gefangennahme sich in diesem Geisteszustande befunden habe und deshalb besonders geschätzt worden sei.

Da sie sich einmal in ein Lügengewebe verstrickt hatten und noch schlimmere Folgen fürchteten, wenn dieses zerrissen werde, schwuren sie alle bei ihrem großen Geiste, nichts zu verlauten über die gefangene weiße Frau, und da sie einsahen, daß sie deren Anwesenheit auf die Dauer nicht verborgen halten konnten, sandten sie Luise mit ihrem Kinde zu den stammverwandten Saulteux, in deren unwegsamer Heimat sie leichter jeder Nachforschung zu entziehen waren.

Diese fanden an der anmutigen Erscheinung, dem liebenswürdigen Wesen der Gefangenen großes Gefallen, und ihr hilfloser Geisteszustand machte sie ihnen zu einem Gegenstande aufrichtiger Verehrung.

Dieses Wesen, dessen Entweichen sie schmerzlich empfanden und das sie zugleich mit Gefahren bedrohte, ähnlich wie ihre Vettern, die Ottawas, sie fürchteten, Ni-hi-tha, die Schwester, war ihnen plötzlich entrissen und zwar — durch einen Todfeind, einen Wyandot.

Es war nicht zu verwundern, daß die Verfolgung mit einem ungewöhnlichen Maße von Energie ins Werk gesetzt wurde.

Athoree veranlaßte jetzt den Grafen, zu ihm in das Kanoe zu kommen, während Johnson und Michael in das andre stiegen.

Er forderte Johnson auf, das Boot in das Schilf zu treiben und dort ruhig seine Rückkehr zu erwarten, während er mit dem Grafen langsam den schmalen Kanal entlang ruderte.

Dieser machte bald eine Wendung und sie hörten dann, nur durch einen schmalen Schilfsaum von ihnen getrennt, das Rauschen des Eskonaba.

Athoree trieb das Kanoe in das Schilf hinein und beide lauschten schweigend nach dem Fluß hinaus und suchten mit ihren Blicken das Schilf zu durchdringen.

Nicht lange harrten sie, als sie vom Fluß her Stimmen vernahmen.

Wie Athoree Edgar übersetzte, schlug einer der Verfolger vor, diesen Bach zu untersuchen, was ein andrer, wohl der Führer der kleinen Schar, für zeitraubend und unnütz erklärte, da die Verfolgten weiter unten ihnen oder den zu Lande Nachsetzenden in die Hände fallen müßten.

Sie fuhren rasch an der schilfumsäumten Mündung des Baches vorüber. Es waren, wie Athoree berichtete, vier Kanoes mit fünfzehn Kriegern.

Langsam kehrten sie dann zu den andern zurück.

Erwartungsvoll sahen alle zu Athoree auf, der allein im stande war, sie drohender Gefahr zu entreißen.

»Was beginnen wir, Häuptling?«

»Feind auf Wasser, Feind auf Land — sehr schlimm. Müssen durch die Wälder zu Wyandots gehen.«

»Und wenn wir denen, welche uns aus den Felsen nachfolgen, in die Hände laufen?«

»Dann fechten,« sagte kaltblütig der Indianer, »können nichts andres tun.«

»Welche Schwierigkeiten, welche Gefahren,« stöhnte der Graf, »arme Schwester.«

»Wäre es nicht geratener,« meinte Johnson, »hier die Nacht abzuwarten und dann im Dunkel den Eskonaba hinunterzugehen?«

»Du nicht über Stromschnellen fahren, müssen landen. Saulteux an den rauschenden Wassern warten, andre in den Wäldern, besser noch, gehen hier in Wald, als weiter unten.«

»Du hast recht, Athoree, ich dachte nicht an die Stromschnellen. Aber wenn wir das jenseitige Ufer nehmen würden?«

»Drüben Sumpf, müßten hoch an Eskonaba hinauf, ehe guten Pfad finden, Schwester werden krank, Saulteux finden Spur, nehmen Skalp. Drüben nicht entrinnen, Pfad zu krumm.«

»Ich sehe, Herr Graf, es erübrigt nichts, als den Weg durch die Wälder hin nach den Dörfern der Huronen zu nehmen.«

»Ich füge mich eurer überlegenen Erfahrung.«

»Dann gehen zurück.«

Der Graf tauschte mit Johnson und Michael den Platz, und Athorees Boot voran, ruderten sie zurück, den Bach wieder hinauf.

An geeigneter Stelle ließ der Indianer halten, über einige Steine hinweg betraten sie das Land und vertieften sich von neuem in den Wald, in der Richtung nach Osten vordringend.

Bald stieg der Boden an und es zeigten sich Felsformationen.

Sie schritten eine Felsschlucht hinauf, welche von einem rauschenden Bach durchströmt wurde, der an beiden Seiten nur einen schmalen Pfad für den Fuß frei ließ.

Als die Schlucht eine Wendung machte, erblickten sie einen Wasserfall vor sich, der senkrecht in die nicht unbeträchtliche Tiefe hinabstürzte und dort in schäumenden Wellen weiter eilte.

Sie waren an der Felswand so hoch gelangt, daß das Wasser jetzt weit unter ihnen rauschte, während die Höhe des Falles über ihnen lag.

Weiter auf dem schmalen Pfade emporsteigend, gelangten sie über den Fall hinaus und erblickten einen kleinen von Felswänden umgebenen See vor sich.

Zu ihrer Rechten zeigte sich eine dunkle Oeffnung im Felsen, augenscheinlich ein Eingang zu einer der hier so häufigen Aushöhlungen des Gesteins.

Athoree schaute sich um, welchen Weg er weiter zu nehmen habe, und schon schickten sie sich auf seinen Wink an, den Fels emporzuklimmen, als der Knabe rief: »Saulteux! Da!«

Auf dem der Höhle gegenüberliegenden felsigen Ufer stand hoch aufgerichtet vor aller Augen ein Indianer, der rasch verschwand, als Athoree seine Büchse hob. — Edgar erschrak. Was er heimlich gefürchtet, daß die Verfolger sie ereilen würden, war eingetroffen.

»Dort!« Sumachs Sohn wies auf die Felsöffnung, welcher alle rasch zugingen.

Es fand sich, als sie eintraten, daß es eine hinreichend geräumige Höhle war, in welcher sie in ihrer Not Zuflucht suchten. Sie war zu Fuße nur von der Seite zu erreichen, von welcher sie selbst sie betreten hatten, denn wenige Schritte jenseits des Eingangs endete der schmale Pfad und das tiefe, klare Wasser des Sees bespülte dort den Fels. Von hier aus konnte man nur zu Boote oder auf einem Floß dem Eingang der Höhle nahe kommen. Augenblicklichen Schutz gewährte freilich dieser Zufluchtsort, aber was sollte folgen, jetzt, wo sie entdeckt waren?

Den Grafen ergriff eine tiefe Verzweiflung, als er, so nahe dem Ziele, alle seine Hoffnungen vereitelt, die Früchte seiner endlosen Mühen sich entrissen sah. An ein Entrinnen war hier nicht zu denken. Wenige Leute konnten ihnen den einzigen schmalen Pfad verlegen, der hinaus in die Wälder führte. Gefangenschaft oder Tod war ihr Los.

 

Selbst wenn der Saulteux, welchen sie gesehen hatten, nur ein vereinzelter Späher war, so war anzunehmen, daß er rasch genug Leute um sich zu versammeln vermochte, um alsbald eine nachdrückliche Verfolgung aufnehmen zu können, wenn sie es wagten, eine Flucht fortzusetzen, welche durch die Frau und das Kind in ihrer Mitte wesentlich in der gebotenen Eile gehindert wurde. Der Graf sah ein, daß nichts andres geschehen konnte, als den Zufluchtsort, den ihnen das Schicksal bot, anzunehmen.

Die Lage war trostloser als je.

Von den Verfolgern war nichts zu bemerken, aber sie kannten indianische Art hinreichend, um zu wissen, daß diese eifrige Vorbereitungen trafen, sich ihrer zu bemächtigen.

Eine schmale, dunkle Rauchsäule, welche sich über den Felsen jenseits erhob, durfte als ein Zeichen gedeutet werden, welches die Saulteux unter sich auswechselten und wohl dazu bestimmt war, die zerstreuten Krieger zu sammeln.

In einer Ecke der Höhle hatte sich Luise niedergelassen und liebkoste mit einem vor innerer Freude strahlenden Antlitz ihren Sohn.

Dem Grafen wurden die Augen feucht, als er auf dieses lieblich-trauliche Bild schaute, und ein nie gefühlter Jammer faßte ihn an.

Das war das Ende? Nach langem Suchen hat er die Schwester gefunden, sie in so herzzerreißendem Zustande gefunden, sie kühn der Gewalt der Wilden entrissen — und — jetzt?

Der Knabe dort, diese junge, unter Wilden aufgewachsene Menschenblüte? Was wurde aus ihm?

Draußen lauerte der heulende Wilde, der kein Erbarmen kannte.

Todessehnsucht bemächtigte sich des jungen, heldenhaften Mannes in dieser hoffnungslosen Lage und der Gedanke stieg in seiner Seele auf: Es sei besser, alle Qual und alle Not rasch dadurch zu enden, daß er mit seinen Lieben freiwillig in den Tod ging.

Der letzte Verzweiflungskampf im Fort Jackson war nicht ohne Nachwirkung auf seine Seele geblieben.

Johnson war wie immer still in sein Schicksal ergeben, obgleich er, seit ihm der Mörder vom Kalamazoo bekannt geworden war, eine düstere Stimmung zeigte und sein Antlitz oftmals einer finsteren Wolke glich, welche Verderben in ihrem Schoße birgt.

Athoree, dessen bronzene Gesichtszüge nichts von seinen Gedanken verrieten, stand ruhig in der Nähe des Eingangs und lauschte. Heinrichs Auge ruhte besorgt auf dem Angesicht seines Herrn und nur Michael schien seine gewöhnliche weichherzige Stimmung nicht verloren zu haben.

Er unterbrach auch zuerst das Schweigen mit der Frage: »Werden mir wieder eine Schlacht gegen diese wilden Menschen liefern müssen, Euer Gnaden?«

Der Graf richtete den gesenkten Kopf empor und sagte: »Ich fürchte, es wird nötig sein, Michael.«

»Nun,« meinte gelassen der Ire, »hat meiner Mutter Sohn sich jetzt so oft mit dem Gesindel herumgeschlagen, so soll es mir jetzt auch nicht darauf ankommen. Werden ihnen schon heimleuchten. Euer Gnaden, und die Lady wieder zu Christenmenschen bringen.«

»Mögest du ein guter Prophet sein.«

Obgleich der Eingang der so glücklich und zur rechten Zeit sich darbietenden Höhle von feindlichen Kugeln bestrichen, ja von den Felsen gegenüber auch in deren Inneres gefeuert werden konnte, waren die Insassen derselben doch vor den feindlichen Geschossen geschützt, solange sie sich vom Eingang fern hielten, wenn ihnen auch von den Innenwänden zurückprallende Kugeln Gefahr bringen konnten.

Heinrich machte den Grafen darauf aufmerksam und Luise wurde mit ihrem Kinde an eine Stelle der Höhle geführt, welche auch rikoschettierende Kugeln kaum erreichen konnten.

Da einzelne größere, von den Felswänden abgebröckelte Steine in dem Räume umherlagen, machte er sich mit Johnson daran, einige derselben in den Eingang zu wälzen, so daß wenigstens ein Schütze dahinter liegen konnte.

In dieser Tätigkeit störte sie eine Stimme, welche, wie es schien, aus ziemlicher Nähe erklang.

Hoch horchten alle auf.

»Hört mich der weiße Mann reden?« ließ sich die Stimme in englischer Sprache vernehmen. »Der Häuptling der Saulteux spricht mit ihm.«

Edgar trat nahe an den Eingang und antwortete: »Ich höre dich.«

»Der weiße Mann hat den Liebling der Saulteux mit sich genommen, meine Tochter Ni-hi-tha, er wird sie uns zurückgeben und dann in Frieden seines Weges gehen.«

»Nein, Häuptling, das kann nimmer geschehen. Deine Ni-hitha ist meine Schwester, sie gehört zu mir, zu ihrem Vater und zu ihrem Volke, sie wird mit mir gehen. Ich habe Geschenke für dich mitgebracht und sie liegen in der Höhle, in der Nähe deines Dorfes. Nimm sie, und ist es nicht genug, will ich dir noch mehr geben, so viel, bis du zufrieden bist, aber laß mir die Schwester, die ich so lange vergebens gesucht habe.«

»Der weiße Mann mag seine Geschenke behalten, Ni-hi-tha muß wieder zu uns zurückkehren.«

»Nimmermehr.«

»Wie will der weiße Mann sie davonführen? Er hat nur einen schmalen Pfad, um darauf zu gehen, und den bewachen meine Krieger. Niemand kann die Höhle verlassen, ohne unter den Kugeln meiner jungen Leute zu fallen.«

»Ich habe nur genommen, was mein ist, Indianer. Ich wünsche in Frieden von dir und deinem Volke zu scheiden, und will euch reich belohnen für die Güte, mit welcher ihr meine arme Schwester behandelt habt. Zu euch zurückkehren kann sie nicht, eher sterbe ich mit ihr gemeinsam in den Fluten dieses Sees.«

Aus dem Ton, in dem er diese letzten Worte sagte, klang die ganze Verzweiflung, aber auch die ganze Entschlossenheit seiner Seele.

Es erfolgte nicht gleich eine Antwort hierauf. Dann aber ließ sich dieselbe Stimme wieder vernehmen: »Hört mich Ni-hi-tha, meine Tochter?«

»Ja, Häuptling,« erwiderte diese freundlich und trat ebenfalls zum Eingang, »Ni-hi-tha hört dich.«

»Will das Kind nicht zu seinem Vater kommen?« Es war der bejahrte erste Häuptling der Saulteux, welcher sprach, derselbe, der zuerst die Flucht entdeckt hatte. »Ni-hi-tha weiß, daß die Saulteux sie lieben. Sie haben ihr immer das Beste gegeben, was sie hatten, und wenn im Winter der Hunger in den Wigwams herrschte, war ihre Hütte voll Wildbret.«

»Du bist ein guter Mann, Tugensik.«

»Warum will die Tochter der Saulteux nicht zu ihnen zurückkehren? Warum ist sie überhaupt von ihnen gegangen?«

»Ich mußte gehen, Häuptling, denn mein Mann wünscht es, er ließ mich rufen, und ich bin auf dem Wege zu ihm. Ich kann nicht zu dir kommen, denn Walther erwartet mich.«

Wiederum herrschte draußen Schweigen, dann sagte dieselbe Stimme: »Und will der kleine Wila nicht zu seinen roten Freunden kommen, sie lieben ihn alle, denn er hat das Herz eines Saulteux.«

»Nein, Häuptling,« antwortete des Knaben helle Kinderstimme im Indianerdialekt, »Wila will zu den Leuten seines Stammes gehen, er hat das Herz eines Deutschen und nicht das eines Saulteux.«

Nach einer Weile sprach der Häuptling: »Tugensik ist traurig, denn Ni-hi-tha will zu ihrem Volke wandeln, sie liebt es mehr als die Saulteux. Sie hat eine Schnur an ihrem Herzen befestigt und diese verbindet sie mit den Leuten ihrer Farbe. Kummer wird einziehen in die Dörfer meines Stammes, wenn Ni-hi-tha scheidet — aber die Saulteux werden sie nicht gegen ihren Willen halten. Ni-hi-tha — mag gehen mit den Bleichgesichtern. Allein sie hat einen diebischen Huronen bei sich, der sich wie ein elendes, schleichendes Wiesel bei Nacht in unser Wigwam stahl, dieser muß hier bleiben.«

Athoree hatte bisher finster und ernst der Unterredung gelauscht. So sehr er sich zu bemeistern verstand, war sein Naturell doch den wild leidenschaftlichen Ausbrüchen des indianischen Temperaments unterworfen, und da in ihrer gegenwärtigen Lage nichts mehr zu erhoffen war, er vor allem von seiten der Verfolger kein Erbarmen zu erwarten hatte, fürchtete er auch nichts mehr.

Auf die Hohnrede des Häuptlings entgegnete er in zorniger Aufwallung: »Ich höre einen Hund winseln, der angstvoll den Schwanz zwischen die Beine klemmt, wenn er die Stimme eines Wyandot vernimmt. Ich will den Hund sehen.«

Mit einem Satze war er vor der Höhle, den gellenden Kriegsruf seines Stammes ausstoßend, und feuerte seine Büchse nach links hin ab, wo er den Redenden vermutete und wo dieser auch wirklich sich befand. Aber der schlaue Saulteux stand gedeckt und die Kugel Athorees erreichte ihn nicht.

Ebenso rasch, als er hinausgestürzt war, sprang er zurück, sofort eifrig ladend.

Ein furchtbares Wutgeschrei, begleitet von Schüssen, erfüllte draußen die Luft.

Das gellende Heho! der Indianer wurde mit zehnfacher Wucht von den den See einfassenden Felswänden zurückgeworfen und hallte so in der Höhle wider. Es war ein greulicher Ausbruch tierischer Wildheit, welche sich in diesem Heulen, das nichts Menschenähnliches mehr hatte, geltend machte und die Ohren der Hörer betäubte.

Luise bot bei diesen Lauten ein Bild des furchtbarsten Entsetzens. Aufgerichtet, den Kopf vorgebeugt, die Augen weit geöffnet, bleich wie eine Tote stand sie da: »Walther! Walther!« klang es in Tönen aus ihrem Munde, welche nur die Todesangst der menschlichen Brust erpreßt. »Walther! Sie töten dich! Der Wilde! Blut! Ha — Blut — Walther —« und sie schlug in krampfhaften Zuckungen hart auf den Boden nieder.

Draußen ließen sich rasche Schritte leichter Füße vernehmen und die Feinde erschienen in ungestümem Andrang im Eingange der Höhle, mit wilder Gebärde und noch wilderem Geschrei ihre Tomahawks schwingend. Aus Rücksicht auf das Leben Luisens war ihnen die Anwendung der Schußwaffe untersagt worden.

Athoree hatte nicht geladen, der Graf sich zu seiner Schwester niedergebeugt, Michael und Heinrich standen überrascht da; schon waren die Feinde in der Höhle, als Johnson, der sich dem Eingange zunächst befand, mit der Riesenkraft, die ihm eigen war und welche der ausbrechende Kampfeszorn wohl verdoppelte, den vordersten der Eindringlinge ergriff, wie einen Säugling emporhob und mit so gewaltiger Wucht auf die andern schleuderte, daß diese sämtlich zurückgeworfen wurden. Sie stürzten mit einem solch unwiderstehlichen Anprall rückwärts auf die, welche ihnen nachdringen wollten, daß zwei davon bis in den See taumelten, die andern am Boden lagen. Von neuem faßten die ehernen Hände des gereizten Mannes zu, und zwei Feinde, die er emporriß, flogen ungestüm zur Höhle hinaus. Ein Tritt fegte den letzten hinweg, der weit ins Wasser hineinflog. Die draußen am Boden Liegenden waren mit erstaunlicher Schnelligkeit zurückgekrochen.

Der ebenso überraschend als mit wildem kriegerischem Feuer ausgeführte Angriff war abgeschlagen worden.

Tiefes Schweigen herrschte nach dem grimmen Kampfeslärm.

Edgar und der Knabe waren angstvoll um Schwester und Mutter beschäftigt, welche immer noch in Zuckungen am Boden lag.

Endlich richtete sie sich auf und schaute mit starren Blicken um sich. Dann verbarg sie schaudernd das Antlitz in den Händen und sank wieder zurück.

Der Graf ließ sich neben ihr nieder und legte ihren Kopf an seine Brust.

Es war ganz still in der Höhle und alle Blicke waren auf die unglückliche Frau gerichtet, nur der Indianer stand nach außen hin lauschend da.

So vergingen angstvolle Minuten. Eine Stimme draußen, welche wie aus der Höhe herab klang, unterbrach plötzlich das Schweigen.

Athoree zuckte zusammen bei den Lauten, er hörte die Sprache der Huronen.

»Die Saulteux,« so drang es zu seinen Ohren, »haben wiederum die Grenze der Wyandots überschritten. Wir haben einmal ihren Angriff abgewiesen und sind von neuem bereit, sie hinwegzujagen von unserm Boden, wenn sie nicht sofort freiwillig gehen. Hier stehen fünfzig meiner jungen Männer, bereit ihre Skalpe zu nehmen. Sie hingen schon an unsern Gürteln, wenn der große Vater in Washington es nicht verboten hätte, das Schlachtbeil auszugraben. Wir gehorchen ihm. Geht.«

Keine Antwort erfolgte, still blieb es draußen.

Endlich, nach einem langen angstvollen Schweigen, ließ sich dieselbe Stimme in englischer Sprache vernehmen: »Die Saulteux sind fort, ein Freund spricht zu den Bleichgesichtern, der Häuptling der Wyandots. Ist er willkommen?«

Athoree stand in sich gekehrt da, der Graf hielt seine Schwester im Arm, so trat Johnson hinaus, um der Frage zu antworten.

Auf dem schmalen Pfade, welcher zur Höhle führte, stand der alte Huronenhäuptling, den sie bereits gesehen hatten, hinter ihm und auf den Felsen ringsum eine starke Schar seiner Krieger. In trotzigem, finsterem Schweigen zog drüben die kleine Zahl der Saulteux ab.

 

»Der Huronenhäuptling ist uns willkommen, er brachte Rettung aus großer Gefahr,« begrüßte ihn Johnson.

Der Alte trat an ihm vorübergehend in die Höhle, warf einen raschen Blick auf die darin Befindlichen, ließ ihn auf Athoree haften, der mit niedergeschlagenen Blicken dort stand, zog langsam sein Messer aus der Scheide, trat dicht zu ihm, richtete die Waffe nach dessen Brust — der Sohn Sumachs atmete schwer, aber stand bewegungslos da— und fragte: »Will der Enkel Meschepesches das Messer des Häuptlings seines Volkes im Herzen fühlen, oder will er sich morgen vor dem Rat der Alten einfinden, sein Urteil zu empfangen?«

Der alte Mann sprach mit einem würdigen Ernste, dem es nicht an Feierlichkeit gebrach.

Athoree richtete die dunklen Augen auf ihn und sagte langsam: »Der Enkel Meschepesches wird morgen vor den Häuptlingen seiner Nation stehen.«

»Es ist gut.« Und Hayesta steckte das Messer wieder in die Scheide, wandte sich von ihm weg und zu Edgar, welcher das Haupt der Schwester in den Schoß ihres weinenden Kindes gelehnt und sich erhoben hatte.

Im Eingang standen Huronenkrieger, aber keiner nahm Notiz von Athoree, dieser begegnete nur ernsten Blicken.

Der Häuptling streckte Edgar mit freundlichen Blicken die Hand entgegen.

»Du fochtest für die Wyandots, als der Saulteux sie angriff; wir helfen dir, da diese Hunde deinen Skalp begehren. Das gut.«

»Du kamst zur rechten Stunde.«

»Mein Auge sah, wie die jungen Männer der Saulteux zu Boden fielen; wer besitzt die Stärke des zur Wut gereizten Bären?«

Der Graf stellte ihm Johnson vor.

Staunend blickten Hayesta und seine Leute die seltsame Gestalt des weißhaarigen Mannes an.

»Mein Bruder ficht gewaltig wie der braune Herr der Wälder, ich bewundere ihn.«

»Ich danke Gott, Indianer, daß er mir die Körperkräfte verliehen hat, die hier erforderlich waren, um Gefahr abzuwenden,« erwiderte Johnson, der nach dem rasch verloderten Kampfeszorn ruhig wie immer dastand.

Das Auge des Huronen richtete sich auf die bewußtlose Luise.

»Die Squaw ist krank. Ist sie verwundet?«

»Nein, nicht verwundet, der Schrecken stürzte sie in Krämpfe danieder, und ich fürchte, ihr Geist ist jetzt völlig umnachtet.«

Der Indianer hörte mit ehrfurchtsvollem Staunen von dem Geisteszustande Luisens.

»Der Häuptling der Bleichgesichter wird mich begleiten zu den Wigwams der Huronen, er ist willkommen.«

»Gern nehme ich deine Gastfreundschaft auf einige Tage an; doch wie gelangt meine Schwester in diesem Zustande dorthin.«

»Wir werden sie tragen, sanft, wie das Kind am Herzen der Mutter ruht.«

Er rief seinen Leuten einige Worte zu, die dann ebenso schnell als geschickt aus Aesten und ineinander geflochtenen Zweigen eine Tragbahre herstellten.

Alle verließen hierauf die Höhle und stiegen den engen Felspfad neben derselben zum Walde hinauf. Edgar trug die immer noch ohnmächtige Schwester auf der Schulter.

Oben bettete man sie auf die mit Laub und wollenen Decken zum weichen Lager hergerichtete Tragbahre, und Edgar, Johnson, Heinrich und Michael trugen sie dem voranschreitenden Indianer nach, während der Knabe traurig daneben einherging.

»Wenn meine weißen Freunde müde sind, werden Huronenkrieger die kranke Frau tragen,« sagte Hayesta.

So geschah es. Willig wechselten kräftige rote Männer mit den bisherigen Trägern während des Marsches ab.

»Fürchtet der Wyandothäuptling nicht, daß die Saulteux uns nachsetzen?«

»Sie dürfen es nicht wagen, sie sind zu schwach an Zahl. Auch werden sie von meinen jungen Kriegern beobachtet.«

»Wie kam es, daß du mit solcher Mannschaft hier wärest? Gedachtest du einen Einfall in das Land der Saulteux zu machen?«

»Nein, die Wyandots graben die Streitaxt nur aus, wenn der große Vater in Washington es befiehlt. Einmal trieb mich die Besorgnis vor einem neuen Angriff der Feinde an die Grenze unsrer Reservation, und dann dachte ich, auch meinen Freunden nützen zu können, denn der Saulteux ist falsch und redet mit zwei Zungen. Als ich den Rauch gewahrte, wußte ich, daß der Saulteux da und wo er war. So kam ich hierher.«

Der Graf teilte ihm ihre jüngsten Erlebnisse mit.

Ernst hörte Hayesta zu und nickte, als Edgar den Mut und die Geistesgegenwart Athorees rühmte, mehrmals mit dem Kopfe.

Dieser schritt in düsterem Schweigen hinter der Tragbahre her. Keiner der andern Huronen sprach mit ihm oder beachtete ihn nur, obgleich der Graf bemerkte, daß ihn verstohlen hie und da der bewundernde Blick eines jüngeren Mannes streifte.

Die seltsame Scene in der Höhle, als der Alte mit gezücktem Messer auf seinen tapferen Führer und Mitkämpfer losschritt, war ihm trotz der Besorgnis um die Schwester nicht entgangen.

Er sagte zu dem neben ihm schreitenden Häuptlinge: »Athoree ist mein Freund, der mich hierhergeleitet und treu und tapfer mit großer Hingebung an meiner Seite gefochten hat. Wie ich bemerke, ist eine Wolke zwischen ihm und seinem Volke und das tut mir leid. Was ist es, das den befiederten Pfeil den Wyandots entfremdet?«

Kurz entgegnete der Alte: »Nicht jetzt, morgen hören, darf nur vor den Häuptern der Nation davon gesprochen werden.«

Edgar teilte seine Aufmerksamkeit zwischen seiner Schwester und seinem Neffen, den der Zustand der Mutter tief betrübte.

»Wird sie sterben, Onkel Edgar?« fragte er mit Tränen in den Augen.

»Gott wird es verhüten, Wilhelm.«

»Weißt du,« sagte er leise, »da in der gräßlichen Höhle erinnerte sich zum erstenmal die Mutter daran, wie der Vater unter den Tomahawks der Bluthunde, dort am Manistee, starb, darum wird sie auch wohl so krank sein. Sie hatte es ganz vergessen und glaubte immer, der Vater würde kommen.«

»Der tödliche Schreck damals hat ihr das Erinnerungsvermögen geraubt, Wilhelm.«

»Und wird sie wieder gesund werden?«

»Wenn Gott meine innigen Gebete erhört, ja, Kind.«

»Gott wird schon hören,« entgegnete der Knabe innig, »Gott ist gut, sagte die Mutter, wenn sie mich abends beten ließ. Aber wenn er so gut ist,« fuhr er fort, »warum ließ er dann den Vater so gräßlich sterben? O, o, ich werde es nie vergessen.«

»Wer kann Gottes Ratschlüsse ergründen? Dein Vater ist jetzt in des Himmels ewiger Seligkeit.«

»Und da kommen mir auch hin, nicht wahr?«

»Wenn wir gut und brav sind, ja.«

»O, Vater war gut, Onkel.«

»Gewiß, mein Kind, das weiß ich.«

Nach einem für die Träger sehr anstrengenden Marsche bot sich endlich die Gelegenheit, die Kranke auf dem Rücken eines Baches, in einem Kanoe sanft gebettet, nach dem Dorfe der Huronen zu führen, wo sie abends anlangten und freundlich von allen empfangen wurden.

Man brachte Luise in einer Hütte unter und sorgte gastfreundlich für die Männer. Athoree suchte seine Mutter auf.

»Ich wußte wohl,« sagte der Ire zu Johnson, »daß mir glücklich aus dem Felsenloche herauskommen würden, denn Seine Gnaden stehen beim lieben Gott in besonderer Gunst. Das aber, was Ihr dort vollbracht habt, Johnson, das macht Euch niemand, selbst der stärkste Bursche in Leitrim, nicht nach. Wetter, wie die roten Halunken hinausflogen!« Und Michael lachte bei der Erinnerung an die ihm sehr vergnügliche Scene herzlich in sich hinein.