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Er liebte es jetzt, seines Sieges über den Ottawahäuptling öfters mit Selbstbewußtsein zu gedenken, bis ihm der Graf lächelnd riet, dies ja nicht den Saulteux gegenüber zu tun, da dies die nächsten Verwandten Peschewas seien, worauf der gute Michael seine Heldentaten nicht mehr erwähnte.

Als sie jetzt zur Reise gerüstet waren, führte sie Athoree hinaus zu einem engen, nur dem Kundigen bemerkbaren Felsenpfade, welchen sie nicht ohne Mühe emporstiegen.

Auf die Höhe der Felsen gelangt, betraten sie dichten Wald, der durch das Vorwiegen riesenhafter Schwarztannen einen düsteren Charakter hatte. Dafür war er aber von Unterholz ziemlich frei und erschwerte nicht wesentlich das Gehen.

Eine Zeitlang schritten sie längs des Flusses einher, der tief unter ihnen dahinfloß, dessen dumpfes Rauschen immer stärker und stärker zu ihnen drang, bis sie endlich die Stromschnellen zu Gesicht bekamen.

Brausend wälzte der Fluß hier seine stattliche Wassermenge in schäumenden und springenden Kaskaden durch ein felsiges Bett, ein Bild ungezügelter Naturkraft, von wilder Schönheit.

Doch es war nicht Zeit, die Wunder der Natur zu betrachten, Athoree schritt vorüber und die andern folgten ihm, ohne mehr als einen flüchtigen Blick auf die niedersausenden Wasser werfen zu können.

Als das Geräusch der Fälle schwächer wurde, äußerte der Graf zu Athoree: »Der Häuptling scheint diese Gegend zu kennen?«

»Er ist hier aufgewachsen,« entgegnete der.

Der Fluß machte eine Biegung nach Westen und sie verließen sein Ufer, rasch und lautlos in die düstern Wälder eindringend, die hie und da felsiges, ansteigendes Terrain zeigten.

So waren sie in anstrengendem Marsche einige Stunden fortgeschritten, als Athoree zur Ueberraschung des hinter ihm schreitenden Grafen mit heftiger Gebärde »Halt!« gebot und ihnen leise aber deutlich zurief: »Niederlegen!«

Alle gehorchten schnell, waren aber nicht wenig erstaunt über diesen unerwarteten Befehl.

Athoree legte noch in bezeichnender Weise den Finger auf die Lippen, ihnen so Schweigen einschärfend, und verschwand, sich gebückt und vorsichtig durch den Wald bewegend.

Beunruhigt, aber doch der Weisung folgend, blieben alle am Boden liegen, der Rückkehr des Indianers harrend.

Nach wenigen Minuten erschien dieser wieder und, eine seltene Erscheinung, in wahrnehmbarer Aufregung.

Er winkte zu folgen, nachdem er seiner Mutter einige Worte zugeflüstert hatte, welche auf die alte Frau einen starken Eindruck machten, und schritt voran, sie einen zur Linken ihrer bisherigen Richtung liegenden, mit Büschen bewachsenen Felsen hinaufführend.

Oben angekommen, forderte er sie wieder auf, sich niederzulassen.

Der Fels, der an der Seite, von welcher sie seinen Gipfel erreicht hatten, nur eine mäßige Steigung aufwies, fiel nach der andern etwa dreißig Fuß tief steil ab. Sein Rand war mit dichten Büschen umsäumt und einige hoch emporragende Tannen krönten seinen Gipfel.

»Was bedeutet das, Athoree?« fragte leise der Graf.

»Komm,« flüsterte der und kroch vorsichtig durch die Büsche bis an den Rand des Felsens.

Edgar folgte ihm.

Dort bog der Indianer die Büsche auseinander, ließ den Grafen einen Blick hinauswerfen und sagte: »Sieh!«

Der Graf sah von oben in ein verhältnismäßig offenes Terrain, denn der nackte Felsboden duldete keine dichte Vegetation, auch fernerhin standen die Bäume lichter, hinter diesen aber erhoben sich jäh und hoch ansteigende Felsenmassen.

Mit nicht geringem Schrecken gewahrte Edgar, dem ausgestreckten Finger des Indianers folgend, eine Schar Wilder, welche, einer hinter dem andern gehend, sich zwischen dem Felsgestein hindurchwanden.

»Athoree, was ist das?«

Mit einer Stimme, deren Beben von hoher Aufregung des Sprechenden zeugte, entgegnete er: »Wyandots auf dem Kriegspfade.«

»Um Gottes willen, gegen wen?«

»Gegen Saulteux. Saulteux kommen hierher, in die Wigwams der Wyandots zu fallen, diese ziehen aus, ihnen den Weg zu verlegen.«

Der Graf erschrak nicht wenig über diese Mitteilung.

Ein Kampf zwischen den roten Leuten drohte alle seine Hoffnungen zu zerstören.

»Was beginnen wir, Freund?«

»Müssen warten. Vielleicht nicht fechten.«

Auch die andern waren, Johnson ausgenommen, durch diese Nachricht peinlich überrascht.

Sumach hielt die Hände vor das runzelvolle Gesicht.

Leise und eindringlich sprach der Sohn zu ihr, sie schien zu widersprechen und endlich nachzugeben.

Hierauf zog Athoree zwei Schwungfedern des Falken aus seinem Gewande, warf seine Mütze ab, kauerte vor seiner Mutter nieder, welche die Federn geschickt in seinem dichten Haar befestigte, so daß sie hoch emporragten und dem Kopfe des Wyandots, dessen Augen gleich denen eines Raubtieres blitzten, etwas überaus Wildes gaben.

Angestrengt lauschten alle.

Fernher klang der Hall einer abgefeuerten Büchse. Da, wieder und wieder. Dumpf drang Schlachtruf der Indianer zu ihnen.

Hohe Aufregung hatte sich der Hörer bemächtigt bei diesen kriegerischen Lauten. Athoree stand horchend, einem Panther gleich, der zum Sprunge ansetzt, da.

Die Schüsse wurden zahlreicher, dann klangen sie wieder nur vereinzelt herüber, aber — die auf dem Fels Weilenden vernahmen es mit Schrecken, das Feuer kam näher, ein Zeichen, daß die Huronen zurückgingen.

Näher und näher erklang der scharfe Laut der Büchsen. Es war klar, die Wyandots wichen vor ihren Feinden, langsam, jeden Fuß ihres Bodens verteidigend.

Der Graf und die andern lagen in den Büschen am Rande des Felsens und schauten hinab, die Büchsen in der Hand.

In ihrem Gesichtskreis erschien eine kleine Schar Indianer, welche rasch zurückspringend und Deckungen suchend, sich niederwarfen und eifrig luden.

Bald krachten auch ihre Schüsse auf den vom Fels aus unsichtbaren Feind, der das Feuer viel stärker erwiderte.

Athoree erhob sich und sagte in der Sprache seines Volkes zu seiner Mutter: »Die Kinder der Wyandots weichen.«

»Sumach hört es.«

»Athoree wird fechten in den Reihen seiner Brüder.«

»Athoree geht in den Tod.«

»Soll der Enkel Meschepesches, des großen Panthers, zurückbleiben wie eine Squaw, wenn die Wyandots fechten und sterben?«

Sumach antwortete nicht, sie bebte und hielt die Hand vor die Augen.

Eine starke Schar der feindlichen Indianer, der Saulteux, greulich bemalt, mit wehenden Skalplocken, drang, vom Fels aus deutlich sichtbar, in raschen Sprüngen vor, dicht am steilen Abhang des Felsens mußte sie ihr Weg vorbeiführen, augenscheinlich war es darauf abgesehen, den in der Front stark engagierten Huronen in die Flanke zu fallen.

Athoree berührte des Grafen Schulter: »Der Wyandot kämpfte für dich, jetzt fechte Gutherz für den Wyandot.«

Er riß die Büchse an die Wange, feuerte in die andringenden Saulteux und ließ einen so gellenden Schrei erschallen, daß die Wälder ringsum widerhallten: »Der Pfeil der Wyandots ist da.«

Mit rasender Schnelligkeit glitt er hierauf den Fels hinab und den blinkenden Tomahawk schwingend, stürmte er in wilden Sprüngen auf die Gegner seines Volkes los.

»Feuer!« schrie bei diesem Anblick der kampflustige Ire und schoß; Johnson, Heinrich, selbst der Graf, er nur mit Widerstreben, feuerten ihre Büchsen in den stutzend haltenden Haufen der Saulteux ab.

Auf seiten der Huronen erhob sich von neuem gellendes Geschrei und alle, die von oben gesehen werden konnten, und dem starken Laute nach zu urteilen auch die andern durch Baum und Fels unsichtbaren, stürzten zu wildem Angriff vor.

In panischen Schrecken durch das ganz unerwartete Feuer von der Spitze des Felsens versetzt, hinter dem rasend anstürmenden Athoree eine starke Schar vermutend, ergriffen die Saulteux die Flucht, hastig verfolgt von den Huronen.

Athoree war verschwunden.

Einzelne Schüsse wurden noch gehört, dann herrschte Schweigen wie vorher.

Die Männer auf dem Felsen saßen stumm und sahen sich betroffen an.

»Das, fürchte ich, Heinrich, zerstört alle meine Hoffnungen,« sagte mit trübem Ernste der Graf.

»Und doch war es nötig, daß wir Feuer gaben, die vordringenden Wilden, welche uns in der Schlachtreihe ihrer Feinde erblickten, und in Gesellschaft eines Huronen, hätten uns in der Hitze des Kampfes sicher nicht geschont.«

»Du wirst recht haben.« Zu Johnson fuhr er in englischer Sprache fort: »Es ist sehr schlimm für uns, daß wir in diesem Bruderzwiste auch unsre Büchsen sprechen ließen.«

Ehe dieser noch antworten konnte, sagte Michael: »Euer Gnaden werden verzeihen, aber ich konnte doch den Athoree, da er nun einmal kämpfen wollte, nicht allein unter die Wilden stürzen lassen, ohne einen Schuß für ihn abzugeben; der rote Mann hat mich auch herausgehauen und ein Bursche aus Leitrim läßt keinen Freund sitzen.«

»Ja, mein guter Michael, du hast wie ein treuer Gefährte gehandelt, aber nichtsdestoweniger ist unsre Beteiligung am Kampfe für meine weiteren Schritte bei den Saulteux sehr bedenklich.«

»Ich bin der Meinung, Herr Graf,« nahm Johnson das Wort, »daß, wenn mir in den Bereich der siegreich vordringenden Gegner der Huronen gekommen wären, unsre Skalpe jetzt an ihren Gürteln hingen. In seiner Wut schont der Wilde nichts. Auch mußten sie uns in dieser Position für ihre Feinde halten. Unser Feuer war Notwehr.«

Der Graf entgegnete: »Ich gebe zu, es war eine traurige Notwendigkeit ... Athoree gesellte sich zu seinen Stammesgenossen und wir konnten ihn, der so oft für mich gekämpft hat, nicht verlassen. — Ob er gefallen oder verwundet ist, da er nicht zurückkommt?«

Sumach sagte: »Athoree nicht kommen, nicht jetzt. Wyandots ihn nicht sehen dürfen.«

 

»Wie, nicht sehen? Jetzt, wo er durch sein und unser Eingreifen ihnen den Sieg verschafft hat?«

Die Alte schüttelte den Kopf: »Nicht sehen, Wyandot ihn nicht sehen.«

Die Büsche wurden auf der Seite, von wo sie gekommen waren, auseinandergebogen und ein alter hochgewachsener Indianer trat aus ihnen hervor.

Sein Auge überflog die Gruppe und haftete dann an Sumach.

»Die Mutter Athorees, des befiederten Pfeiles der Wyandots, kehrt zu ihrem Volke zurück?«

Die Alte neigte ihr Haupt.

»Die Wyandots haben den Schlachtruf des Enkels der großen Häuptlinge vernommen, aber mein Auge ist trübe, es sieht den befiederten Pfeil nicht.«

Die Alte wiegte das Haupt hin und her, entgegnete aber nichts.

Der Indianer wartete kurze Zeit auf Antwort, sagte: »Sumach ist willkommen,« und wandte sich dann an den Grafen in verständlichem Englisch mit den Worten: »Die weißen Männer haben die Waffen erhoben für die Wyandots gegen jene Wölfe aus den Felsbergen. Die Wyandots danken ihnen. Die Bleichgesichter sind an den Feuern des Volkes willkommen.«

Edgar erhob sich, ging auf den Huronen zu und sagte: »Wir mußten in den Kampf eingreifen, Hurone, wir fochten für unsern Freund Athoree und zu unsrer eigenen Sicherheit, da uns ein Zufall in die Schlachtlinie geführt hatte, das ist alles. Ich habe auf dem Wege zu den Dörfern der Saulteux am wenigsten Ursache, Streit mit ihnen zu suchen.«

»Der weiße Mann ist ein Freund der Saulteux.«

»Ich suche ihre Dörfer in friedlicher Absicht auf und glaubte nicht, in eine kriegerische Verwicklung zu geraten.«

Der Indianer richtete einige Fragen an Sumach, welche diese beantwortete.

»Der weiße Mann ist kein Feind der Saulteux, Sumach sagt mir, warum er sie aufsucht. Die Wyandots sind dennoch dankbar und die Freunde der Bleichgesichter. Sie werden nicht laut sagen, daß die weißen Männer ihre Büchsen abgefeuert haben, sie können ruhig zu den Saulteux ziehen, diese werden es nicht wissen, niemand weiß es.«

Der Graf faßte wieder Hoffnung, denn wenn die Huronen darüber schwiegen, konnte ihren Feinden wohl kaum eine Ahnung davon aufsteigen, von wem die Büchsen aus den den Felsrand umsäumenden Büschen abgefeuert waren, von dem außerdem ein Huronenkrieger hinabgeeilt war.

»Gut,« sagte er. »Die Saulteux dürfen nicht wissen, daß wir unsre Büchsen auf sie abschossen. Die Wyandots sind Männer und unsre Freunde, sie werden schweigen.«

»Sie werden schweigen.«

Ein kräftiger Schritt wurde hörbar und durch die Büsche ward die Uniform eines Offiziers der Staatentruppen sichtbar.

Gleich darauf trat der junge Krieger zwischen den Zweigen hervor und warf einen staunenden Blick auf die Gruppe.

»Was ist das? Landsleute hier? Mein Gott, wie kommt ihr denn in das Indianergemetzel?«

Edgar erklärte es ihm mit kurzen Worten.

»Nun, das ist ein eigener Zufall. Aber es ist gut, daß Sie halfen, diesen mörderischen Hunden heimzuleuchten, sie hätten bei ihrer viel stärkeren Kriegsmannschaft die Huronen sämtlich massakriert. Ich bin mit dem Auftrag ausgesandt, Frieden zwischen den Roten zu stiften, und leider zu spät gekommen, um diesen blutigen Zusammenstoß zu verhindern. Es wird doch wohl notwendig sein, den Saulteux einen solchen Friedensbruch für immer zu verleiden.« Er wandte sich dann an den Huronen: »Konntest du, alter, kluger Hayesta, diesen Kampf nicht vermeiden?«

»Wenn wir freiwillig unsre Skalpe hingaben, ja. Der Saulteux kam auf unsre Reservation und schoß auf meine jungen Leute, da wehrten sie sich.«

»Diese Wilden,« erläuterte der junge Offizier dem Grafen, »liegen beständig im Hader mit unsern Huronen. Sie beschuldigten die letzteren, einen ihrer Männer meuchlerisch getötet zu haben, und ich bin abgeschickt, den Fall zu untersuchen. Unterdes haben sie sich selbst Genugtuung zu verschaffen gesucht. Verwünschtes Volk! Wieviel Leute hast du denn verloren, Hayesta?«

»Fünfzehn Krieger der Wyandots gingen in die seligen Jagdgründe.«

»Und die Saulteux werden natürlich auch Haare gelassen haben.«

»Ließen zwanzig fünf Tote liegen.«

»Da haben wir es. Eine blutige Rasse.«

Er ließ sich dann, während der alte Indianer, der erste Häuptling der Huronen, sich mit Sumach besprach, in eine Unterhaltung mit Edgar ein, der ihm offen die Absicht mitteilte, welche ihn hierhergeführt hatte.

»Hoffentlich bleibt Ihr Eingreifen in den Kampf verborgen; den Saulteux bekannt, würde es Ihrem Zwecke nicht nur hinderlich sein, sondern Ihnen auch Gefahren bringen, wenn Sie sich auf das Gebiet dieses Volkes wagen. Ich gebe Ihnen den Rat, sich schleunigst von den Huronen zu trennen und Ihre Marschroute etwas zu ändern. Es ist nicht unmöglich, daß die Befürchtung, für diesen Friedensbruch, wenn auch nur durch Entziehung ihrer Rationen, bestraft zu werden und die hier erhaltene Schlappe die Saulteux etwas gefügiger gemacht haben und sie Ihnen deshalb leichter Gehör geben.«

Es ward nun beschlossen, den Weitermarsch unverzüglich, trotz der Abwesenheit Athorees, unter Führung Johnsons anzutreten, und sich soweit als möglich von den Huronen zu entfernen.

Sumach erklärte, bei ihrem Volke bleiben zu wollen, und flüsterte dem Grafen, als er lebewohl sagte, zu: »Geh nur, Gutherz, Athoree schon kommen, Gutherz nicht verlassen.«

Sie verabschiedeten sich von dem jungen Staatenoffizier und von dem alten Huronen, der dem Grafen mit Wärme versicherte, daß er stets bei den Wyandots willkommen sei, und drangen wieder in den Wald ein.

Nach einem anstrengenden Marsche über Felsen und Berge hinweg, während das Land um sie wilder und bergiger wurde, lagerten sie am Abend an der Seite eines Felsens, welcher sie vor dem rauhen Wind schützte, der in der Höhe, welche sie bereits erreicht hatten, schon empfindlich kalt war.

Kaum hatten sie Feuer angezündet, als zu aller Freude Athoree unter den Bäumen hervortrat und sich so ruhig, als ob er sie eben verlassen hätte, an ihrer Seite niederließ.

Nach gemessener Pause sagte der Graf: »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Häuptling, schon fürchtete ich, du seiest in deine glücklichen Jagdgründe gegangen.«

»Die Saulteux heulen vor Angst, wenn ein Krieger der Wyandots den Schlachtruf erhebt. Drei der Hunde fielen unter meinen Streichen.«

»Mein Freund Athoree ist ein großer Krieger, ein Held seines Volkes, die Wyandots werden sein Lob singen.«

Ernst entgegnete der Indianer: »Manitou hat mich über das Wasser gesandt, die Wyandots werden ihres befiederten Pfeiles gedenken. — Sumach zurückgeblieben? Gut. Alte Frau hier nichts nützen.«

»So schätzenswert Johnsons Walderfahrung ist, so würden wir doch ohne dich, Athoree, kaum hier Erfolge erzielen. Nur eines fürchte ich, daß du als Hurone hier in die Hand deiner Feinde fallen wirst.«

»Saulteux blind wie neugeborene Hunde. Athoree nicht sehen, nur ihn fühlen. Du sehen, wie Saulteux laufen, er laufen noch.«

»Ich würde es zeitlebens bedauern, wenn dich hier infolge deiner Anhänglichkeit an mich ein Unglück träfe.«

»Was für Unglück? Sterben als Krieger? Müssen alle sterben. Wyandots jetzt das Totenlied für Athoree singen. Das gut.«

»Welche Schritte werden mir nun zunächst tun müssen? Hältst du es für ratsam, daß ich in das Dorf der Saulteux gehe, ihnen Geschenke anbiete und offen mit ihnen verhandle?«

»Morgen sagen. Athoree erst sehen. Kennen hier jeden Schritt, als junger Krieger hier oftmals auf Skalp lauern. Mehr als einmal ganzer Stamm hinter mir her. Athoree nicht fangen.«

»Um so besser, wenn du diese wilde Gegend kennst.«

»Ihm kennen gut genug, so gut als Saulteux.«

Sie verbrachten die Nacht unter dem Schütze des Felsens.

Mit Tagesanbruch erhoben sie sich und schritten unter Athorees Führung immer höher in die Felsenwildnis hinein.

Düstere Nadelhölzer umgaben sie auf allen Höhen. An Abgründen vorbei über schäumende Gießbäche ging der Weg, oftmals gefährlich genug, einmal rettete nur Johnsons Riesenkraft den Iren vor einem jähen Absturz.

In tiefster Einsamkeit lagen diese Felsenschlünde da, in deren verschlungenem Labyrinthe sich Athoree mit wunderbarer Sicherheit zurecht fand.

Es war eine Gegend von wilder, großartiger Schönheit, durch welche sie ihr verstohlener Pfad führte, aber von jener Schönheit, welche schaudernde Bewunderung abnötigt.

Jetzt begriff der Graf, wie schwierig es war, die Saulteux in ihrem eigenen Lande zu bekriegen.

Still war es hier oben zwischen den zerrissenen Felsen, nur der heisere Schrei eines Adlers, der sich von seinem Horst erhob, aufgescheucht durch den seine Einsamkeit störenden Menschenfuß, unterbrach hie und da das feierliche Schweigen dieser rauhen Wildnis.

Die Sonne stand fast im Zenith, als Athoree vor einer Felsenöffnung Halt machte.

Ein schmaler Pfad hatte sie zu dieser emporgeführt. Vor derselben befand sich ein tiefer Abgrund, aus dem das Rauschen eines Wildbaches empordrang.

Der tiefe Felsenspalt war durch einen Baumstamm überbrückt; drüben mußte der Weg abwärts führen, da sie jenseits einen entfernten, bewaldeten Höhenzug erblickten.

Neben der dunklen Felsöffnung erhoben sich junge Tannen und Birken und verdeckten sie fast zur Hälfte. Auch drüben auf der Felswand, zu welcher der Baumstamm leitete, zeigte sich junges Holz, über das hinwegeilend das Auge auf düsterem Nadelwald ausruhte, während der Blick nicht ins Tal zu dringen vermochte.

Rechts und links erhoben sich starre Felsmassen, deren Gipfel von Wald gekrönt war, wie in gleicher Weise die Wand, in welcher sich die Oeffnung befand. Athoree schritt über den dicken Baum hin und legte sich jenseits in den Büschen nieder.

Nach einigen Minuten kehrte er zurück und forderte die Männer auf, in den Felsen zu treten, dessen Oeffnung sie zu einer geräumigen Höhle führte.

Auch hier zeigten Feuerstätten an, daß sie öfters besucht wurde.

Der Raum war groß und dunkel in seinem rückwärts liegenden Teile.

Athoree blickte aufmerksam um sich und ging dann nach dem Innern der Höhle zu und verschwand dort hinter einem Vorsprung.

Als er zurückkehrte, forderte er den Grafen und Johnson auf, ihm zu folgen.

Er führte sie in einen engen Gang, welcher nach oben auslief.

Gebückt konnte ein Mensch, wenn auch mit Schwierigkeit, darin gehen.

Bald erblickten sie durch eine Spalte Tageslicht.

Der Indianer deutete darauf hin und sagte zu Johnson: »Toter Mann sehr stark, er gehen und sehen, ob dort Felsblock fortschieben. Saulteux legen ihn davor.«

Johnson bewegte sich darauf zu und bemerkte, näher gekommen, daß die Oeffnung, welche gerade groß genug war, einen Menschen durchzulassen, von zwei schweren Felsstücken verschlossen war.

Er strengte seine herkulische Kraft an und es gelang ihm, den einen Felsblock zur Seite zu drücken. Die Oeffnung war groß genug, um es zu ermöglichen, daß Johnson, wenn auch mit Mühe, hindurchkroch. Er befand sich hiernach auf der Höhe des Felsens im dichten Walde.

Mit geringerer Anstrengung gelang es ihm hier, den zweiten stattlichen Felsblock zur Seite zu wälzen.

Der Graf und Athoree folgten Johnson jetzt, und der letztere ging in den Wald hinein.

Dann hieb er, zurückkommend, einige junge Tannen mit seinem Tomahawk ab und stellte sie vor den Höhleneingang. Sich zwischen diesen durchwindend, gelangten sie in den Gang und gingen wieder zur Höhle zurück.

»Jetzt hier bleiben. Alles ganz still. Nicht Feuer anmachen, Dorf der Saulteux nahe. Athoree gehen und nach ihnen sehen.«

»Man wird dich entdecken, Athoree.«

»Saulteux können nicht denken, daß Huronenkrieger hier, halten für ihren Krieger, wenn von ferne sehen. Kommen nah — nun« — er legte die Hand ans Messer — »dann machen stumm. Saulteux alle in Dorf, klagen um ihre Toten, alle sehr betrübt.«

»Und wenn mir während deiner Abwesenheit entdeckt werden?«

»Dann gehen mit Saulteux in Dorf, sagen, kommen als Freund, bringen Geschenke. Nicht sagen, daß von Wyandots kommen, von See.«

»Gut, wir wollen tun, wie du sagst.«

Athoree entfernte sich über den Baumstamm und verschwand in den Büschen.

Die andern streckten sich auf ihren wollenen Decken zur Ruhe aus, und abwechselnd hielt einer nach dem andern am Eingang Wache, um nicht durch einen unerwarteten Besuch ganz unvorbereitet überrascht zu werden.

Der Tag verging dem Grafen in mannigfachen Gemütsbewegungen. Was würde er, so nahe dem ersehnten und so mühevoll erreichten Ziel, erfahren?

 

Unruhig ging er oft hin und her.

Einmal traute er sich über den Baumstamm hinüber und wagte einen Blick in das Tal zu werfen.

Dasselbe war ausgedehnt genug, und sein Grund, den ein Bach durchfloß, mit Wiesengras bedeckt.

An einem Ende hatte er Hütten der hier hausenden Indianer gewahrt.

Dann war er durch den engen Gang, welcher von der Höhle nach oben führte, gegangen und hatte sich draußen im Walde umgesehen, der, wie er jetzt an andern, auch von unten aus sichtbaren Berg- und Felsspitzen bemerkte, doch bedeutend höher lag, als der zur Höhle führende untere Eingang.

Ihr von Gefahren umgebener, verschwiegener Zug hierher, das seltsame Asyl, welches ihnen der Fels bot, die ganze wildromantische Umgebung, hatten etwas phantastisch Geheimnisvolles, welches sehr wohl zu seiner aufgeregten Stimmung paßte, ohne seine Unruhe indessen zu beschwichtigen.

Eine unsägliche Sehnsucht nach der Schwester bemächtigte sich seiner; dann dachte er des Greises in der fernen Heimat, er sah ihn in seinem Lehnstuhl sitzen und den Diener fragen, ob kein Brief von Amerika gekommen sei.

Was werden die nächsten Stunden bringen?

Ein Trost für ihn war die Anwesenheit Heinrichs, mit welchem er über die Heimat und die Schwester reden konnte in den lieben deutschen Lauten.

Der Tag verging und Athoree kam nicht zurück.

Des Grafen Unruhe steigerte sich noch. Wenn dem Indianer ein Unglück zugestoßen war, wenn er verhindert wurde, zu ihnen zurückzukehren, so waren sie hier inmitten des Gebietes eines durch seine jüngsten kriegerischen Erlebnisse erbitterten Indianerstammes in keiner beneidenswerten Lage, da sie es heimlich in einer verstohlenen Weise betreten hatten, welche sie verdächtig machen mußte.

Die Nacht schritt vor und der Indianer kam nicht.

Während die andern schliefen, saß Edgar in dem Eingang an der Höhle, blickte zu den Sternen auf und horchte hinaus auf Athorees leichten Schritt.

Dumpf tönte das Brausen des Wildbachs zu ihm herauf.

Endlich sank auch er in einen unruhigen Schlummer.

Mitternacht war schon lange vorüber, als endlich der Wyandot schattenhaft über den Baumstamm huschte und in die Höhle trat.

Er weckte den Grafen.

»Nun?« fragte begierig der Graf.

»Kommen mit, Gutherz, selbst sehen.«

»Hast du meine Schwester gefunden?«

»Weiße Frau sehen, ja.«

Der Graf zitterte in fieberhafter Aufregung.

»Wo? Wo? Athoree!«

»Kommen, sehen, dann handeln.«

»Vorwärts, Freund, ich bin bereit. O, noch nie hat eine Botschaft so gewaltig mein Herz bewegt. Und doch? O Gott, Gott, laß hier keine Täuschung stattfinden. Komm!«

»Erst Johnson reden.«

Er weckte ihn.

»Gutherz und Athoree jetzt weiße Frau suchen,« sagte er zu ihm. »Saulteux nimmer gutwillig sie geben, müssen fortnehmen. Hierher bringen. Der tote Mann muß sich, sobald die Sonne über die Berge scheint, in die Büsche dort legen und eifrig in das Tal hinunterspähen. Kommen die Saulteux hinter uns her, muß er im Notfall die Büchse sprechen lassen. Der tote Mann hat verstanden?«

»Ich verstehe dich ganz gut, Indianer. Aber eine gewaltsame Befreiung der Gefangenen hetzt uns die ganze Meute auf den Hals und wie aus diesem Land herauskommen mit einer Frau?«

Ruhig erwiderte ihm der Hurone: »Saulteux nicht wissen, daß wir hier. Wenn weiße Frau fort, er denken, sie in Wald gehen, und suchen dort. Er nimmer denken, daß hierher gehen in Höhle. Fels machen keine Spur. Wenn erst hier oben, und werfen den Baum dort hinab, sie müssen großen Weg machen, um auf andre Seite zu kommen. Viele Pfade führen hinab, er nicht wissen, welchen wir wählen. Ich würden sagen: Geben Saulteux Geschenke für weiße Frau, aber er nehmen Geschenke und behalten weiße Frau; zu lange schon hier verbergen, geben nicht für Geschenke her, ich Saulteux kennen. Wir dann nimmer aus den Bergen herauskommen, fallen in Abgrund, das alles.«

»Wenn du der Meinung bist, hier könne nur gewaltsame Entführung helfen, so muß sie gewagt werden, und Sie, mein treuer Freund, werden uns beistehen.«

»Ja, Herr Graf, ich stehe Ihnen bei.«

Edgar weckte noch Heinrich, der in hoher Erregung die Nachricht vernahm, daß die weiße Frau gefunden sei, und gab ihm im Sinne Athorees ähnliche Instruktionen, wie dieser Johnson gegeben hatte.

»Verlassen Sie sich auf mich, Herr Graf, in diesem Felslabyrinthe kann der ganze Stamm gegen mein Mausergewehr anstürmen und ich weise ihm die Wege. Ich werde, wenn es nötig sein sollte, Ihren Rückzug decken.«

Der Graf schüttelte ihm und Johnson die Hände und folgte Athoree. Er hatte auf des Indianers Rat schon im Fort indianische Fußbekleidung und Gamaschen angelegt, sein Schritt war deshalb so geräuschlos, wie der des Indianers.

Sie überschritten den Baum und stiegen einen schmalen, beim Sternenlichte eben noch erkennbaren Felsenpfad hinab, der abwechselnd von Gestein oder Büschen umgrenzt war.

Nur die wunderbare, fast instinktive Sicherheit des Indianers bewahrte den Grafen bei diesem nächtlichen Marsche vor Unheil.

Als sie unten waren, schlug der Indianer, statt das Tal zu betreten, von neuem einen felsigen Pfad ein, der sie an demselben langhingestreckten Berge, an dessen Seite sie eben herabgekommen waren, wieder emporführte.

Endlich graute der Tag und ihr Weg wurde sichtbarer.

Vorsichtig schritten sie weiter. Athoree mit den Schritten einer Katze, lauschend und mit den dunklen Augen jeden Busch durchforschend.

Bei jeder Wendung des Weges kroch er erst voran, um die Sicherheit desselben zu erkunden.

So waren sie auf rauhem Pfade, zwischen Gestrüpp und wirr umherliegendem Felsgestein hindurch an eine Stelle gelangt, von wo sie von hoch oben herab in das Dorf der Saulteux hineinsehen konnten.

Dreißig bis vierzig Hütten lagen zerstreut dort im Tale, teils an dem Bache, der es durchfloß, teils an Felsen angelehnt.

Vorsichtig lugten sie durch die Büsche hinab.

Die Bewohner der Wigwams schliefen größtenteils noch. Nur hie und da zeigte sich ein schläfriges Weib, welches Wasser aus dem Bache schöpfte. Männer waren nicht zu sehen.

Sie schlichen weiter, über das Dorf hinaus. In einer sehr steil ansteigenden Rinne, die wohl bei Regengüssen strömendes Wasser und Steingeröll hinab ins Tal führte, deren Seiten mit fast undurchdringlichem Buschwerk eingefaßt waren, kletterten sie hinauf, die Richtung derselben verbarg sie den Blicken aus dem Tale vollständig.

So erreichten sie nach mühevollem Aufstieg ein Felsplateau, der höchste Punkt in der näheren Umgebung des Tales. Dort legten sie sich nieder und ruhten von dem anstrengenden Marsche aus.

Hell strahlte die Sonne vom Himmel hernieder und beleuchtete die Wälder, Berge und Felsspitzen, welche sich ringsum erhoben, wie das Tal, welches unter ihnen sich ausdehnte.

Sie lagen gedeckt zwischen Steinen und Birkengestrüpp da.

Leise äußerte der Graf: »Athoree, meine Schwester wird einen solchen Weg, besonders noch in eiliger Flucht, nicht zurücklegen können.«

»Nicht Weg für Squaw. Gehen andern Weg. Noch Zeit, erst sehen, nicht gehen vor Mittag, dann alle schlafen.«

Höher und höher stieg die Sonne und sie lagen noch immer zwischen den Steinen. Graf Edgar in ungeminderter seelischer Aufregung.

Der Indianer kroch jetzt an den Rand des Plateaus und schaute von ihm in der Längsrichtung des Tales hinab.

Er winkte dem Grafen und dieser legte sich neben ihn. Beide versteckten sorgfältig die Köpfe zwischen den Birkenzweigen.

Der Graf erblickte tief unter sich einen sich isoliert im Tale erhebenden Felskegel, der eine Vertiefung gleich der Oeffnung eines Kraters hatte. In diese Vertiefung, deren Felswandungen sie vollständig von der Außenwelt abschlossen, sah der Graf hinein. Gras, Blumen und einige Büsche zeigten sich auf deren Grunde und an die Felsmauer angelehnt eine indianische Hütte, welche, aus gegerbten Häuten und Baumrinde gefertigt, hinreichenden Schutz gegen die Unbilden der Witterung zu bieten schien.

Die Einsenkung lag still und einsam vor den Augen der Lauscher da.

»Was ist das, Athoree?«

»Werden gleich sehen.«

Innerhalb des so gänzlich abgeschlossenen Raumes erschien jetzt eine alte Indianerin, ging auf das Wigwam zu und schien hineinzusprechen. Der Graf nahm sein Glas an das Auge und richtete es hinab.