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»Ich führe Geld und Wechsel auf Chicago, Detroit und Lansing mit —«

»Pst! nicht so laut, gibt Leute im Lande, die hören zu lassen, daß Ihr Geld mitführt, nicht gut ist.«

»Habt gestern abend so ein Kleeblatt bei mir gesehen,« fiel Grover ein.

»Was ist im Winde, Bill?« fragte rasch der Alte.

»Tyron war gestern in meinen vier Wänden.«

»Bei Jove, Mann! Und Ihr nahmt den Schurken nicht fest?« schrie Baring.

»Kannte ihn niemand; erst Jones fiel es ein, nachdem die drei davongeritten waren, daß der eine von ihnen, der sich fortwährend im Schatten gehalten, der Tyron gewesen sei.«

»Der Schurke hier am Muskegon? Nun, so sei uns Gott gnädig, das wird Pferdefleisch kosten. Weiß man‘s im Lande, Grover?«

»Waren zehn Männer bei mir, wird man heute weit und breit wissen.«

»Er traut sich wieder zwischen uns? Nun, soll Michiganmänner auf seiner Fährte sehen, diesmal soll er dem Strick nicht entgehen.«

»Denke so, bin dabei.«

»Doch,« fuhr Baring bedächtig fort, »erst das eine, dann das andre. Also das müßt Ihr tun. Mann, was ich vorhin sagte. Will Euch einen Brief geben an Tom Myers in Lansing, ist bei der Landvermessung, könnt ihn im Regierungsgebäude finden, ist ein alter Freund, der wird Euch helfen. Aber,« setzte er dann nachdenklich hinzu, »Ihr könnt die Fahrt doch nicht allein machen. Ihr kennt den Wald nicht, nicht indianischen Brauch. Ihr sprecht zwar gut englisch, aber findet nicht viel Indianer, mit denen Ihr Euch damit verständigen könnt. Hm, müßt einen erfahrenen Waldmann mithaben, einen von der Grenze. Muß er nicht, Grover?«

»Kalkuliere, hast recht, Joe. Kann die Fahrt allein nicht machen, findet auf viele Tage dort keine Menschenspur. Muß einen Waldmann mitnehmen, der seinen Weg bei Nacht findet. Aber wen?«

Der Alte stieß große Dampfwolken aus und fuhr dann fort: »Will dir etwas sagen, Bill, wenn der Kerl nicht so versoffen wäre, dein Indianer, der Athoree, wie er sich nennt, wäre vielleicht der rechte Mann.«

»Hm, der Bursche wäre gut genug und im Walde sollte er das Trinken wohl lassen. Ist ein fleißiger Jäger und liegt oft wochenlang draußen, ohne Rum zu riechen. Kommt er aber dann mit Beute zurück, so säuft er acht Tage ununterbrochen.«

»Wie lange ist der rote Mann bei dir?«

»Wird an drei Jahre sein. Habe nicht über ihn zu klagen. Geht zur Jagd, bringt mir seine Beute und vertrinkt sie bei mir. Werde nicht recht klug aus dem Burschen. Erschien so vor drei Jahren, kaum daß ich mich dort niedergelassen hatte, und brachte Biberfelle, und das wiederholte er, bis er sich ganz bei mir heimisch gemacht hatte. Ist so ein Hausfaktotum geworden. Kennen ihn alle in der Gegend und hat noch kürzlich bei der wilden Jagd auf Battle gute Dienste getan.«

»Und meinst du nicht, daß man ihm die Fremden anvertrauen könnte?«

»Es ist ein eigenes Ding um den schweigsamen roten Burschen. Habe ihn oft gefragt, warum er nicht zu den Leuten seines Volkes geht, aber die Antwort bleibt er schuldig. Kalkuliere, hat etwas auf dem Kerbholz, was ihm den Aufenthalt unter den Männern seiner Farbe verleidet, ja, man weiß nicht einmal, welchem Stamme er angehört. Genaue Kenner der roten Rasse wollen behaupten, er sei ein Hurone von jenseits der Seen, andre meinen, er sei ein Seneka oder Miamis. Als ich ihn einmal nach seinem Stamme ausforschen wollte, entgegnete er: ›Warum fragst du? Du bist ein weißer Mann, ich ein roter. Frage ich dich, ob du ein Ohioman oder Michiganman bist? Ich gebe Felle, du gibst Rum, Pulver und Blei, damit gut.‹ Es war nichts aus ihm herauszubekommen.«

»Aber da er schon drei Jahre bei dir ist, mußt du ihn doch einigermaßen kennen gelernt haben?«

»Lerne du einen Indianer kennen. Es ist ja richtig, daß er eine gewisse Anhänglichkeit an uns hat, auch vor allen Dingen weiß, daß ich ihn ehrlich behandle und über das, was er bringt, und das, was er braucht, redlich Buch führe. Der Kerl hat augenblicklich über hundert Dollar bei mir gut. Auch stört der Bursche niemand, selbst im Rausche ist er still und schweigsam. Hat auch eine gewisse Liebe zu den Kindern, bringt ihnen sogar manchmal kleine Geschenke mit, und für meine Frau läuft er viele Meilen weit in jedem Wetter, wenn die einmal etwas braucht. Ist noch vorigen Winter, als der Schnee fußhoch lag und niemand zum Hause hinaus konnte, auf seinen Schneeschuhen bis Brook gelaufen, um dort Brusttee zu holen, nach welchem meine Frau jammerte, weil die Kinder so arg den Husten hatten. War fast zwei Tage unterwegs.«

»Ist ein gutes Zeichen, Grover,«

»Ja, ist es — aber — du kennst genug von den Roten, um zu wissen, daß dem besten von ihnen nie ganz zu trauen ist, ist eine launische, unzuverlässige Rasse.«

»Ueberlegt‘s. Wenn er will, ist der Indianer der rechte Mann für die Fahrt, besser als der beste Grenzer, dem der rote Mann doch immer mißtrauisch gegenübersteht.«

»Wollen mit ihm reden.«

Unterdes war es Mittag geworden und den jungen Grafen verzehrte Unruhe, doch der gastfreie Baring ließ sie nicht scheiden, ohne daß noch einmal der Tisch gedeckt ward. Nach beendetem Mahle aber wurden nach des Grafen Wunsch die Pferde zum Heimritt vorgeführt. Mit echter Herzlichkeit verabschiedete sich der Farmer von ihm. »Habt einen Platz in meinem Herzen, junger Mann, Eurer Schwester wegen. Wollt Ihr mir einen Wunsch erfüllen, schickt Botschaft an Tom Myers nach Lansing, wenn Ihr etwas erfahrt, der sendet sie mir zu. Den Brief an diesen will ich gleich aufsetzen. Ist eine mühsame Arbeit für mich. Mann, aber bringe es fertig, kostet freilich Zeit. Sende Euch den Brief noch hinüber. Könnte jetzt nicht schreiben — muß allein sein und ruhig. Hat mich sehr bewegt, den Bruder von Lady Walther zu sehen und so an ihr liebes Bild erinnert zu werden. Gott segne Euch, Mann, und Euer Vorhaben.«

Damit schieden sie von Joe Barings gastlicher Behausung und trabten rasch nach Grovers Landing, wie der Platz genannt wurde, zu.

Der junge Graf hatte Heinrich kurz berichtet, was ihm hier mitgeteilt war, und der ehrliche Jäger, der die junge Gräfin von Jugend auf kannte, war tief bewegt worden, als er von ihrem so grausamen Geschick vernahm.

Rasch und schweigend trabten sie durch den Wald und die Sonne hatte nur wenig den Zenith überschritten, als sie vor Grovers Heim anlangten.

»Waren nicht gute Nachrichten, die Ihr dort hörtet, Fremder,« sagte Groner, als sie die letzte Meile im Schritt zurücklegten, »aber kalkuliere, war Joe Baring der rechte Mann, Euch Kunde zu geben.«

»Ich danke Euch von Herzen, Mister Grover. Ich bin auf das tiefste gerührt von der Liebe, mit welcher man meiner armen Schwester gedenkt. Endlich habe ich doch einmal hier von ihr reden hören — so furchtbar auch die Nachrichten klangen. Ich muß erfahren, wie sie geendigt hat, und wenn ich jahrelang die Wälder durchstreifen sollte.«

»Entsinne mich sehr gut, daß vor drei Jahren eine weiße Frau von den Ottawas geraubt wurde, war mir nur der Name entfallen, wenn er mir damals überhaupt zu Ohren kam.«

Als sie zum Hause einbogen, erblickten sie den Indianer vor dessen Tür sitzen und ruhig seine selbstgefertigte Pfeife rauchen. Des Mannes dunkle Augen richteten sich auf die beiden Deutschen und verweilten besonders lange auf dem Grafen.

»Nun, John,« redete ihn Grover freundlich an, John war der Name, den man ihm in der Familie gab, da die indianische Benennung dieser nicht zusagte, »rauchst du die Friedenspfeife?«

Der Indianer antwortete nicht.

Edgar betrachtete ihn jetzt im Tageslichte. Es war ein echter Sohn der roten Rasse, der da vor ihm saß.

Ein schlanker und doch kräftiger Mann, aus dessen, von langem, straffem, tiefschwarzem Haar eingerahmtem braunen Gesicht zwei funkelnde Augen blitzten. Aermlich und schmutzig war die Kleidung des Indianers. Ein altes, vom Wetter arg mitgenommenes Jagdhemd aus Baumwollenstoff deckte seine Gestalt bis zu den Knieen. Die Beine steckten in hirschledernen Gamaschen und seine Fußbekleidung war aus gleichem Stoff gefertigt. Das Gesicht trug den ernsten, fast melancholischen Ausdruck, der den Leuten roter Farbe so eigentümlich ist. Ein anmutiges Bild bot der rote Mann nicht.

»John hat keine Lust zu reden,« fuhr Grover unbeirrt fort, denn er kannte die Art der roten Leute, »will er ein Glas Rum trinken.«

»Er will nicht trinken,« entgegnete der Indianer ruhig.

Darüber erstaunte Grover und sah den Indianer fragend an.

»Willst du zur Jagd gehen?«

»Vielleicht. Die weißen Leute sollten nach ihren Pferden sehen.«

»Wie?« fuhr Grover empor, »weißt du etwas, John?«

Der Indianer deutete ruhig auf den Boden und sagte: »Gestern waren die drei größten Pferdediebe Michigans hier.«

»Bei Jove!« fuhr Grover empor, »du hast recht, hast du sie erkannt?«

»Gestern war mein Auge trübe, aber heute ist es klar, ich sah ihre Spuren auf dem Boden. Wirst bald von ihnen hören.«

»Es ist gut, daß das Land bereits ziemlich von der Anwesenheit der Schurken unterrichtet ist.«

»Werden bald hören,« wiederholte der Indianer, »Tyron war darunter und die rote Hand.«

»Die Schärfe der Sinne dieser Leute ist wunderbar, Sir,« sagte Grover zu dem Grafen, »sie lesen da, wo unser Auge nichts erblickt, die Zeichen des Bodens wie in einem offenen Buche. Du kennst die Schurken also, John?«

»Ich kenne sie, sah oftmals ihre Spur in den Wäldern.«

»Ist der, welchen du die ›rote Hand‹ nennst, ein großer, breitschultriger Mann mit rauher Stimme?«

In dem Auge des Indianers blitzte etwas Unheimliches auf, als er sagte: »Das ist die ›rote Hand‹.«

»Weißt du, wie ihn die Weißen nennen?«

»Sie nennen ihn bald Brooker, bald Morris.«

»Der? der war‘s, den man in ganz Michigan schon seit drei Jahren sucht, der Mörder vom Kalamazoo, der war‘s? Dann, barmherziger Gott, schütze einsam liegende Farmen. Der Kerl,« wandte er sich an den Grafen, »hat vor drei Jahren in einem einsamen Farmhause, während die Männer auswärts waren, Weib und Kinder erschlagen, um unerkannt zu rauben, dennoch wurde seine Person mit Sicherheit festgestellt. Seitdem hat ihm ganz Michigan Rache geschworen, aber obgleich hie und da gesehen, ist er bis jetzt allen Verfolgungen entgangen. Den gebe Gott jetzt in die Hand des Richters. Mich schaudert, wenn ich daran denke, daß der Mörder hier erschienen sein könnte, während ich fern weilte. Hoffentlich sind unsre Boys schon auf der Fährte der Gesellen.«

 

Der Indianer schüttelte langsam seine Pfeife aus, steckte sie in den Gürtel und erhob sich. Erst jetzt vermochte man die schlanke und doch muskulöse Gestalt des Mannes, der zwischen dreißig und vierzig Jahren zählen mochte, ganz zu würdigen. Er sagte: »Komm!« und schritt auf eines der Fenster zu, die andern folgten ihm. Hier wies der Indianer mit dem Finger auf die Erde. Grover beugte sich nieder und untersuchte den Boden mit Kennerblick, richtete aber dann sein Auge wieder fragend auf John. »Iltis,« sagte der lakonisch.

»Iltis? der kleine Fred?«

»So nennst du ihn!«

»Segne meine Seele, war dieser Hauptgauner, dieser Pferdedieb und Hehler am Wege?«

»Stand gestern abend hier am Fenster.«

»Was wollte er denn?«

»Zählte die Männer, die bei uns waren.«

»Hatte er es auf meine Pferde abgesehen?«

»Deine nicht. Denke, Jones hat zwanzig im Pferde im Walde.«

»Nun, dann ist es ein Glück, daß der gestern abend den Tyron erkannt hat, er wird Fürsorge treffen, daß ihm kein Pferdeschwanz abhanden kommt. In dieser Nacht werden sie doch schwerlich bereits ihre Räuberhände ausgestreckt haben.«

»Iltis sehr klug. Wußte, daß Farmer viel in Brook zu Versammlung.«

»Alle Wetter, daß wir das alles erst jetzt erfahren! Hat sich mit einemmal die ganze Mord- und Gaunerbande hier versammelt? Das ist ja eine Gefahr für das Land weit und breit. Was beginnen wir, John?«

»Denken, ihm schießen tot wie Battle.«

»Sollte mir auf den Schuß Pulver nicht ankommen,« brummte Grover, »nur erst haben. Daß die Halunken sich hierher trauen, wo erst kürzlich das blutige Exempel an ihrem Spießgesellen Battle vollstreckt worden ist? Muß ihnen anderswo zu heiß geworden sein. Hätte große Lust, zu Jones zu reiten und Nachfrage zu halten, wie es dort steht.«

Graf Edgar hatte mit Aufmerksamkeit der Unterhaltung der beiden gelauscht und wandte sich nun an Grover mit der Frage: »Ihr habt hier viel unter Pferdediebstahl zu leiden?«

»Es war eine Zeit lang eine Landplage hier in den westlichen Counties, haben uns vor ein paar Jahren endlich Ruhe geschafft. Wurde die Zeit über nichts von Pferdediebstählen gehört, war den Burschen der Boden zu heiß geworden. Wundre mich, daß sie sich hierher wagen; müssen das Land aufbieten, sind gefährliche Leute. Und hat der Indianer sich nicht geirrt, war der Kerl, mit dem Ihr gestern abend anbandet, wirklich der Morris, der blutige Mörder, dann macht sich auch alles, was eine Büchse führen kann, auf, um den Schurken zu verfolgen, sobald es nur im Lande bekannt ist. Schlimme Nachbarschaft, vor Hunger wahnsinnige Wölfe sind mir lieber.« Mit sorgenvoll gefalteter Stirn ging er ins Haus hinein. Der Graf winkte Heinrich heran und teilte ihm mit, daß der Indianer hier auf dem Erdreich unter dem Fenster Fußspuren entdeckt und sogar die Persönlichkeit des Lauschers festgestellt habe. Er forderte ihn auf, mit ihm gemeinschaftlich den Boden zu untersuchen. Beide beugten sich nieder und durchforschten denselben mit geschärften Blicken. Nach einer Weile richtete sich der Graf auf und sagte: »Ich kann nichts bemerken, du, Heinrich?«

»Nein, Herr Graf, ich würde hier nimmer eine Menschenspur entdecken. Wenn der rote Mann hier etwas sieht, dann muß er andre Augen haben als ich.«

Der Indianer stand dabei und verfolgte das Tun der beiden mit ruhiger Aufmerksamkeit. Zu ihm wandte sich jetzt Graf Edgar mit den Worten: »Will der rote Mann uns sagen, wie er hier menschliche Fußspuren zu entdecken vermag? Wir erblicken nichts.«

John oder Athoree, wie sein indianischer Name lautete, trat näher und sagte mit höflicher Gebärde: »Der Fremde möge seine Augen auftun.« Er wies auf das kurze Gras, welches unter den Fenstern wucherte, und sagte: »Ihm steht gerade, hoch. Hier,« und er zeigte auf eine andre Stelle, »er nicht gerade — beugt sich.« Und in der Tat bemerkten die beiden jetzt, daß, was ihnen gar nicht aufgefallen war, an einigen Stellen das Gras weniger aufrecht stand. »Iltis hier Gras niedertreten. Gras sich wieder aufrichten, hier entzweitreten,« und er zeigte ihnen einige geknickte Grashalme. Heinrich, hierauf aufmerksam gemacht, sagte staunend: »Das sind Jägeraugen, Herr Graf, das hätte ich niemals geglaubt, wenn ich es nicht selbst gesehen. Wahrhaftig, ja, jetzt, wo ich aufmerksam gemacht bin, glaube ich, daß ein Mensch hier gestanden haben kann.«

Der Graf verwunderte sich nicht weniger über diese Probe indianischer Spürkraft, von der er bis jetzt nur gelesen hatte.

»Wenn ich nicht irre, weiß der rote Mann auch, wer hier gestanden hat, wie hat er das herausgefunden?«

Der Indianer bückte sich und bog das Gras an den gestern abend niedergetretenen Stellen auseinander.

»Will der Fremde hierher blicken?« Die Augen des Grafen und Heinrichs folgten dem hinweisenden Finger Johns. »Hier, Eindruck eines Stiefels;« — und in der Tat bemerkten sie in dem weichen Erdreich einen Eindruck, ohne indessen unterscheiden zu können, wovon er herrührte. »Absatz« — sagt der Indianer — »schief — dicke Nägel. Sah Iltis im Walde gestern, gehen auf seiner Spur, hier wieder Spur — Iltis gestern abend hier.«

Das Erstaunen der beiden ward hiernach nicht geringer.

»Ich sehe mit Vergnügen, daß der rote Mann ein großer Spurenfinder ist und daß die Gerüchte über den Scharfsinn der roten Leute nicht übertrieben sind.«

Der Indianer verstand wohl nicht alles, doch begriff er so viel, daß ihm ein Kompliment gemacht wurde, er entgegnete mit einem leichten Lächeln: »Roter Mann, viel sehen, viel hören, Erde sprechen, Baum sprechen. Wind auch, er viel sehen.«

»Ich habe es mit Staunen wahrgenommen. Wie nenne ich den roten Mann?«

»Grover nennen ihm John, weißer Name, Indianer nennen ihm Athoree, ihm sagen ›Pfeil‹ in Sprache von Inglis.«

»Gut, bleiben wir bei Athoree.«

»Ihm lieber hören.«

»Desto besser.«

»Wie heißt der weiße Mann?«

»Graf Bender.«

»Nicht verstehen, ihm ander Namen geben.«

»Nun gut, Athoree, so gib mir einen andern Namen.«

»Er Krieger?«

»Ja, ich bin Soldat.«

»Gut. Er tapfer.«

»O,« lächelte Graf Edgar, »steht mir die Tapferkeit auf der Stirne geschrieben?«

»Gestern abend viel Nebel hier,« sagte der Indianer und deutete auf seine Stirne, »Nebel im Kopf, Nebel vor Auge, dicker Nebel, nicht viel hören, nicht viel sehen, Hand lahm, Fuß lahm.«

»Ja, es schien mir auch so, als ob der Nebel ziemlich dicht gewesen sei, der dein Haupt umwallte.«

»Dicker Nebel — nicht viel sehen, nicht viel hören, aber ein wenig. Sehen jungen Krieger vor Rothand stehen — er tapfer.«

»Also das hast du doch trotz deines starken ›Nebels‹ bemerkt?«

»Ihm sehen. Gut.«

»Aber nun, mein Name. Ich werde nicht wenig stolz darauf sein, einen indianischen Namen mit nach Hause nehmen zu können.«

»Jungen Krieger nennen Neataru, ihm sagen in Inglis: Gutherz, er gutes Herz, er tapferes Herz, Athoree es sehen.«

»Gut, den Namen acceptiere ich und will ihm allezeit Ehre machen. Nun mußt du hier für Heinrich auch einen indianischen Namen finden,«

»Ihm später geben, erst kennen.«

»Schön.«

Indem kam Grover wieder aus dem Hause.

»O, ich sehe. Fremder, Ihr habt Euch bereits mit John bekannt gemacht.«

»Ja, er hat mich Spuren finden gelehrt und mir bereits einen Namen erteilt, der auf mein kleines Rencontre mit dem Burschen von gestern abend Bezug hat, er hat mich Gutherz genannt,«

»Ein schöner Name, und ist unter Umständen von einem Indianer erteilt etwas wert. Mich nennt er den Biber, weil ich mir so flugs ein eigenes Heim baue.«

»Ja, er Biber, er sitzen Winter im Bau,« sagte der Indianer.

Grover nahm den Grafen zur Seite und fragte halblaut: »Wie gefällt Euch die Rothaut?«

»Der Mann macht mir keinen unangenehmen Eindruck.«

»Der Bursche ist gut genug, wenn er nüchtern ist, er wäre schon der rechte Mann für Eure Fahrt. Wenn er übrigens gestern abend trotz seines schweren Rausches bemerkt hat, daß Ihr für ihn eingetreten seid, so ist das für sein künftiges Verhalten Euch gegenüber sehr günstig.«

»Er hat es wahrgenommen.«

»Das ist gut. Man sollte es kaum für möglich halten, daß solch ein roter Bursche selbst schwer betrunken noch mehr sieht und hört als wir. Wenn er übrigens dem Burschen, der ihm gestern die Haut ansengen wollte, begegnet, so darf sich dieser hüten, dies und den Tritt rächt der Indianer mit Blut. — Wir wollen ihn doch übrigens gleich einmal befragen, ob er Euch auf Eurer Reise begleiten will. Wenn nicht, müssen wir für einen andern Führer sorgen.« Sie traten zu dem Indianer zurück und Grover sagte:

»Höre, John, der Herr hier will eine Fahrt in die Wälder machen, nach Norden zu, willst du nicht die Pfade für ihn suchen?«

»Will der Fremde jagen?«

»Nun, eigentlich nicht, er hat einen andern Zweck, er sucht eine Verwandte im Lande.«

»In den Wäldern des Nordens?«

»Es ist am besten, man schenkt dem Indianer, wenn man sich seiner versichern will, reinen Wein ein, Herr Graf.«

»Sagen Sie ihm die Wahrheit.«

»Der Herr, John, hat hier im Lande eine Schwester wohnen, oben am Manistee, sie ist von den Ottawas vor drei Jahren in die Gefangenschaft geschleppt, als diese die Streitaxt ausgegraben hatten, und er ist aus fernem Lande gekommen, um sie zu suchen.«

Der Indianer lauschte bewegungslos mit tiefem Ernste den Worten Grovers.

»Wird John ihn zu den Ottawas führen? Damit ›Gutherz‹, wie du ihn genannt hast, nach der Schwester sich umschaue?«

Der Indianer schwieg mit ehernem Gesicht, dann richtete er die dunklen Augen auf Graf Edgar und sagte langsam: »Athoree wird nachdenken. Er wird es sagen.«

»Ich fürchte, wie ich schon bei Baring äußerte,« flüsterte Grover dem Grafen zu, »er hat etwas bei den Leuten seiner Farbe auf dem Kerbholz, und traut sich nicht zwischen sie. Wir müssen‘s abwarten.«

»Hat der Biber die rote Hand und den Iltis vergessen?« sagte jetzt der Indianer.

»Des Teufels, nein. Fürchtest du Gefahr für uns, John?«

»Nein, er kommt nicht zurück. Ich werde bald auf seiner Spur sein.«

»Willst du ihn verfolgen, John?«

»Athoree wird ihm folgen.«

»Nun, und wie willst du ihn finden?«

»Wirst bald von ihm hören, Grover, dann Zeit, Spur zu folgen.«

Kaum hatte er ausgeredet, als er plötzlich das Haupt neigte und angestrengt nach der nach Westen hinführenden Straße lauschte. Dann sagte er: »Sie kommen schon, ihn zu jagen.«

Die andern lauschten auch, aber erst nach einer Weile erhaschte ihr Ohr fernher dröhnenden Hufschlag.

»Das sind Farmer und in starker Zahl,« sagte der Wirt, »die kommen eilig heran, da muß etwas geschehen sein. Sollten die blutigen Schurken das Land schon in Aufruhr versetzt haben?«

Sie horchten schweigend, das Geräusch galoppierender Pferde wurde vernehmlicher und da bog auch schon um die Waldecke eine wild heranjagende Reiterschar.

Bald erkannte man, daß es Landleute der Umgegend waren.

Voran ritt Bill Jones, die Büchse quer über dem Sattel, und rief schon von weitem: »Die Schurken, Grover, die blutigen Schurken, fünf meiner besten Pferde sind fort.«

Heransprengend zügelte er sein schäumendes Roß und sprang aus dem Sattel.

»Laßt die Pferde verschnaufen, Männer, nützt nichts, sie tot zu jagen.«

Die Männer, sämtlich wohlbewaffnete Farmer der Umgegend, unter ihnen mehrere, welche gleich Jones gestern abend bei Grover geweilt hatten, folgten dem Rate und stiegen ab.

»Beim Himmel, Grover, fünf meiner besten Pferde. Die Halunken müssen von hier direkt zu meinem Pferch geritten sein.«

»Wann habt Ihr‘s denn entdeckt, Jones?«

»Der verwünschte Whisky, Grover. Reite nach Hause, lege mich aufs Ohr. Ging mir zwar unterwegs manchmal durch den Kopf, daß der Tyron im Lande, aber es war Nacht, mein Pferch liegt gut versteckt im Walde, denke an keine Gefahr. Als ich aufwache, fällt mir die Sache von gestern abend wieder ein, sattle und reite flugs nach meinen Pferden hinaus. Damned rascals! Denke dir, Grover, das blutige Entsetzen, der Pferch leer — leer. Habe in meinem ganzen Leben keinen solchen Schreck gehabt. Hatte siebzehn Stück Prachttiere im Walde. Wundre mich, daß mich nicht der Schlag gerührt hat. Wie ich zu mir komme, blase ich das Horn, das kennen die Tiere, alles meine eigene Zucht, kommen verschüchtert herbei, sind nur zwölf, die fünf besten fort. O, die blutigen Schurken!«

 

»Nehmt erst einen Schluck, Männer,« sagte Grover und befahl Jim, der, als die Kavalkade heranjagte, aus dem Stalle getreten war, Becher und Whisky zu bringen, der alsbald gastfrei kredenzt wurde.

Auch die Frauen hatte der Lärm aus dem Hause gelockt.

»Die Halunken müssen einen Helfershelfer gehabt haben, der genaue Ortskenntnis hatte, sonst hätten sie nimmer, besonders im Dunkeln, meinen Pferch gefunden,«

»Den Iltis, Jones.«

»Was?« fuhr der auf, »der? Ist der hier? Woher weißt du‘s?«

»Er hat gestern abend dort am Fenster gestanden und gelauscht, der Indianer hat heute morgen die Spur gefunden.«

»Der? hier? Indianer, weißt du‘s sicher?«

»Dort Spur, so gut als ihn sehen.«

»Dann ist‘s klar, der Schurke kannte Schritt und Tritt bei mir. Dachte, er wäre längst irgendwo gehangen worden, weil wir ein Jahr lang nichts von ihm hörten. Dann hat er uns auch den Tyron und die beiden andern hierher gelockt und sich mit ihnen hier an der Straßenkreuzung ein Rendezvous gegeben.«

»Nun, und weiter?« fragte Grover.

»Ich, wie ein Sturmwind heim, nachdem ich die übrigen Pferde gesichert hatte, rufe meine Leute, jage sie zu den Nachbarn, blase das Horn, und als hier Myers und Turnbull, welche mir am nächsten wohnen, eingetroffen waren, machten mir uns auf die Suche. Nach und nach trafen dann die Freunde hier ein. Denke dir, Grover, die Schurken sind frech die Straße entlang geritten, wir verfolgten die offene Spur bis zum Devilskreek, da sind sie ins Wasser gegangen. Sie müssen nach dem Muskegon, können nicht seitwärts durch die Sümpfe. Wir ließen Tom Raggle und Ramsgate hinter ihnen und schneiden jetzt die Biegung ab, die der alte Fluß macht, bei Harpers Trift treffen wir wieder zusammen.«

»Ja, aber wo glaubst du denn, Jones, daß die Burschen mit der Beute hin wollen?«

»Stromunter sind sie nicht, denn vom Devilskreek können sie nur den Muskegon hinauf. Nehmen den Weg nach Osten auf den Saginaw zu, oder haben da oben Hehler, welche ihnen die Beute vorläufig in Sicherheit bringen.«

»Wird so sein, Jones. Wird ‚ne lange Jagd werden, ist wilder Boden dort, Sumpf, Wasser und dann steht ihnen die Bigprairie offen.

»Wenn sie die nehmen, wäre das noch das Glücklichste, aber ich fürchte, sie wissen die Pferde dort zu verbergen, um sie erst in Wochen nach Osten zu führen. Denn jetzt, wo ich weiß, daß der Iltis hier war und mit den Banditen zusammentraf, so ist es mir ganz klar, daß es von vornherein auf meine Pferde abgesehen war, und da fürchte ich auch, daß der abgefeimte Bursche ein Versteck in Bereitschaft hat.«

»Nun, Jones, wollen tun, was Männer tun können.«

»Willst du reiten, Grover?«

»Will, Mann, habe noch meinen besondern Grund. Weißt du, Jones, wer der lange Kerl war, der gestern abend zum Messer griff.«

»Nun?«

»Der Morris!«

»Der Morris?« klang es in wilden Rufen ringsum. »Der Mörder vom Kalamazoo? Der Johnsons Weib und Kinder erschlagen hat?«

»Der Indianer sagt es.«

»John, Rothaut, ist es wahr?«

»Die ›rote Hand‹, hier. Ihm gestern sehen ganz durch Nebel, heute aufwachen, denken nach, suchen Spur, ihm noch finden, kenne Spur von ›rote Hand‹, habe sein Maß, er hier.«

»Nein, beim Himmel,« schrie Jones fast, »der soll lebendig nicht zum Lande hinaus. Was meint ihr, Männer?«

»Hast recht, Jones, müssen ihn haben, schreit vergossenes Blut zum Himmel. Wollen ihn jagen.«

»Mögen meinetwegen die Pferde zum Teufel gehen, aber den Morris müssen wir haben.«

Während sie so sprachen, klang auf der Straße von Süden her eiliger Hufschlag. Aller Augen wandten sich dorthin, da erschienen auch bereits vier Reiter, welche rasch herantrabten. Der Voranreitende trug eine blaue Uniform, während die drei folgenden bürgerliche Kleidung zeigten. Bewaffnet waren sie mit Büchsen und der Beamte führte noch einen Säbel.

»Weller, der Konstabel,« sagten die Farmer, als sie die Uniform erkannten.

Die Reiter zügelten, als sie herankamen, die Pferde und der Konstabel sagte: »Guten Morgen, Männer.«

Die Farmer, welche ihn fast alle kannten, erwiderten den Gruß freundlich.

»Gebt uns einen Schluck, Grover, haben einen langen Ritt hinter uns.«

»Seid willkommen, Weller, bei Bill Grover, sollt‘« haben,« und rasch wurden die neuen Gäste bewirtet.

»Was führt euch hier zusammen, Männer?« fragte der Konstabel, »komme von Süden, bin auf der Jagd.«

»Könnt gleich mit uns jagen, Weller,« sagte Jones, »sind mir diese Nacht fünf Pferde gestohlen, sind eben dabei, sie uns wieder zu holen.«

»Pferde?« sagte der Konstabel gedehnt. »Jetzt? Das wäre gar toll. Will euch sagen, Leute, habe augenblicklich höhere Jagd, bin hinter dem Morris her.«

»So hat der Indianer also ganz recht gesehen.«

»Nun, Weller,« meinte Jones, »so tut Ihr wohl am besten, mit uns zu reiten, denn der war mit Tyron, dem Iltis und noch einem diese Nacht an meinem Pferch.«

»Irrt Ihr Euch nicht, Jones?« fragte ernst der Beamte, ein untersetzter, energisch dreinschauender Mann.

»Denke nicht,« entgegnete dieser und setzte nun dem Konstabel den ganzen Sachverhalt auseinander.

Nach kurzem Nachdenken sagte dieser: »Es wird so sein, Männer. Der Iltis auch hier? Den glaubte ich weit. Und den Tyron habt ihr selbst gesehen?«

»Wie ich Euch sehe, Weller, nur leider zu spät erkannt.«

»Auch das ist mir neu. Daß der Morris im Lande war, wußten wir. Er hat sich in letzter Zeit in Indiana herumgetrieben, ist dann am Grand River gesehen worden, und es wurde festgestellt, daß er sich nach Norden gewendet habe. Ich bin seit drei Tagen hinter ihm her. Einmal war ich ihm dicht auf den Fersen, habe aber gestern abend die Spur verloren. Dann hat er also sich mit Tyron und dem Iltis hier zusammengefunden und die hatten ein Schlupfloch für ihn offen. Wie sah denn der dritte Mann aus?« Man schilderte dem Konstabel die Persönlichkeit, er nahm darauf ein Buch aus der Tasche und überlas einige Notizen. »Hm, habe nichts von dem Burschen hier, aber gesehen habe ich ihn schon, weiß nur nicht wo und wann. Werden ja hoffentlich seine Bekanntschaft machen? Wo denkt ihr denn, Männer, die Gesellschaft und Jones‘ Pferde zu finden?«

Jones erklärte ihm ihre Ansicht über die Richtung, welche die Pferdediebe genommen haben konnten.

»Könnt recht haben, wird so sein. Dachte erst, der Morris wolle nach Norden, zu seinen Freunden, den Ottawas, oder nach Canada hinüber.«

»Zu den Ottawas?« fragte Grover.

»Ist ein Fakt, hat schon oft bei den roten Spitzbuben einen Unterschlupf gefunden. Haben aber von Regierungs wegen dem Häuptling Peschewa einen Wink geben lassen: solle ihm teuer zu stehen kommen, wenn er den Mörder noch einmal verstecke. Uebrigens, Männer, wenn eure Pferde wieder Atem haben, wird es Zeit sein, sich auf den Weg zu machen.«

»Ist Zeit,« sagte Jones, »mußten aber die Pferde verschnaufen lassen, können jetzt wieder einen Ritt aushalten.« Die Farmer bestiegen nach und nach ihre Rosse. In der Türe stand Grover bei seiner Frau und seinen Kindern. »Wird dir nichts in meiner Abwesenheit geschehen, Nelly, ist das Land sicher, wo mir die blutigen Schurken vor uns haben,«

»Reite mit Gott, Grover,« sagte die Frau, »ist Mannespflicht, den grausamen Mord am Kalamazoo zu rächen. Weißt, bin im Walde groß geworden und verstehe mit der Büchse umzugehen. Reite mit Gott.«

»Bist mein braves altes Weib. Würde mich zeitlebens schämen, wenn ich zu Haufe bliebe, wenn es der Jagd auf den Morris gilt und zugleich einem Nachbarn sein Eigentum wieder zu schaffen.«