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Vor der Hütte, welche Athoree angewiesen war, sah Edgar wohl einige Dutzend Knaben und Mädchen versammelt, welche Sumach, die vor derselben saß, bewundernd anblickten.

Frau Sumach forderte aber auch die Aufmerksamkeit heraus.

Das brennend rote Kopftuch, die glitzernden Ohrgehänge, die Brosche, das glänzende Armband konnte nur die Frau oder Mutter eines großen Häuptlings tragen.

Die Ottawaweiber unterhielten sich auf das lebhafteste.

Sumach verstand ganz gut, was sie sagten, blieb aber, als verschiedene Anfragen an sie gerichtet wurden, dabei, nur einige Worte Ottawasprache erlernt zu haben.

Die Alte lauschte mit der gespanntesten Aufmerksamkeit auf alles, was die Frauen äußerten, ob sie gleich so teilnahmlos dasaß, als seien die Ottawaweiber kaum vorhanden.

»Die Weißen sind reich,« sagte eine der Frauen, »ich denke, sie bringen für jede Squaw ein Geschenk mit.«

»Was sie nur hier zu suchen haben, die bleichgesichtigen Hunde?« äußerte eine andre mit haßblitzenden Augen.

»Still, es sind keine Langmesser,« sagt Amaqua.

»Gleichviel.«

»Bringen sie Geschenke,« ließ eine dritte sich vernehmen, »sollen sie willkommen sein.«

»Wenn ich doch nur ein solches Tuch erhielte, als diese alte Wyandotsquaw um den Kopf trägt,« sagte die erste wieder.

»Sieh nur die schönen Ohrgehänge.«

»Was tut nur die alte Frau mit so viel Schmuck? Den sollte sie doch jüngeren überlassen.«

»Das finde ich auch.«

»Was mag der weiße Häuptling nur hier wollen, er ist doch sicher nicht allein gekommen, uns Geschenke zu bringen?«

»Was wollen die weißen Männer bei den Ottawas, alte Wyandotsquaw?« richtete eine der Frauen die Frage an Sumach in gebrochenem Englisch.

»Weiße Männer Geschenke bringen,« entgegnete diese in derselben Sprache.

»Ist der Mann mit dem Haar von der Farbe des Schnees ein Medizinmann, Mutter?« fragte schüchtern ein junges Mädchen.

»Nicht verstehen,« entgegnete Sumach.

Die Fragerin wandte sich, wie es schien, betrübt ab.

»Warum fragst du?« wandte sich eine der Frauen an das Mädchen.

»Die Weißen sind große Medizinmänner, vielleicht könnten sie Miskutake helfen, sie leidet große Schmerzen.«

Bei dem Namen Miskutake zuckte Sumach zusammen, doch so leicht, daß es niemand der Anwesenden bemerken konnte, um so weniger, als sich in ihrem Gesicht nicht ein Zug bewegte. Erst nach einiger Zeit wandte sie das Auge auf das junge Mädchen und prägte sich ihre Züge ein.

»Ja, die arme Bohnenblüte,« nahm eine andre das Wort. »Man muß den Weißen fragen, vielleicht ist er ein Medizinmann. Sie sind klug, die Blaßgesichter. Als mich im vorigen Winter das Fieber schüttelte, gab mir ein Händler seine Medizin und es lief davon.«

»O, wenn er Miskutake helfen könnte,« klagte das junge Mädchen mit sanfter, wohlklingender Stimme, »vor drei Jahren hat ein Blaßgesicht auch meinem kleinen Bruder das Leben gerettet durch seine Medizin.«

»Es ist schade, daß die alte Wyandotfrau nicht die Sprache der Ottawas spricht. Mich dünkt, alle roten Leute sollten eine Sprache sprechen.«

»Warum?« fragte eine andre und warf stolz das Haupt empor. »Was haben mir mit den Wyandots gemein? Die Chippewayvölker sprechen eine Sprache — das ist genug.«

Indem nahte Athoree der Gruppe, welche seine Mutter umgab.

»Will die Mutter nicht Geschenke an die Squaws verteilen? Es wird ihre Herzen erfreuen und ihre Zungen lösen.«

»Gib!« entgegnete lakonisch die Alte.

Er händigte ihr die Gaben, welche sie verteilen sollte, ein.

»Gib acht, Enkel Meschepesches, ich habe gefunden.«

Die Aufmerksamkeit Athorees steigerte sich.

Sumach überblickte die Schar der Frauen und winkte das junge Mädchen zu sich. Schüchtern trat dieses heran.

Athorees Mutter schlang ein buntes, seidenes Tuch um ihren Hals und nickte ihr freundlich zu: »Für junge Squaw!« und setzte dann wie vorher rasch in der Wyandotsprache, aber so, als ob sie noch mit dem jungen Mädchen spräche, hinzu: »Suche, wo sie wohnt,«

Gespannt sahen alle Umstehenden dem Vorgang zu.

Das junge Mädchen ließ einen freudigen Laut hören und sagte mit Wärme: »Die alte Mutter der Wyandots ist gütig, Silimach wird es nicht vergessen,« und huschte eilig davon.

Athoree schlenderte umher, scheinbar achtlos, folgte aber der Davoneilenden mit scharfem Auge.

Sumach begann nun unter großem Jubel der Frauen weitere Geschenke zu verteilen, wesentlich die älteren Frauen dabei bedenkend, und als die Gaben erschöpft waren, die andern vertröstend.

Die Freude dieser einfachen Geschöpfe über die erhaltenen Geschenke äußerte sich auf das lebendigste.

Sie legten sie sofort an und bewunderten sich gegenseitig.

Heiteres Lachen ertönte und lebhaft wurden Worte gewechselt.

Innig dankten sie der alten Sumach. »Welch eine gute Frau bist du? Und wie reich mußt du sein? Wir danken dir! Wir danken dir!« klang es ringsum.

Sumach lächelte freundlich.

Zwei ernstblickende Ottawas standen in der Nähe und sahen dieser Verteilung zu.

»Schwatzt nicht so viel, ihr Weiber,« sagte der eine, »und seht nach euern Kochtöpfen.«

»Willst du uns verwehren, die Geschenke der guten Frau zu nehmen?« fragte hastig eines der Weiber. »Du schenkst uns doch nichts.«

»Ich sage euch, schwatzende Elstern, hütet eure Zungen,« sagte von neuem der Ottawa, »ich weiß, weshalb die Alte euch beschenkt — ich rate euch,« setzte er in drohendem Tone hinzu, »hütet eure Zungen.«

Augenblicklich herrschte tiefes Schweigen in der Frauengruppe und langsam schlich eine nach der andern davon.

Sumach hatte jedes Wort verstanden, lächelte aber freundlich den sich scheu zurückziehenden Frauen nach.

Graf Edgar hatte aus einiger Entfernung das alles mitangesehen.

»Welch große Kinder sind diese Indianer noch,« sagte er zu dem neben ihm stehenden Heinrich.

Johnson war auch außerhalb der Hütte erschienen und erregte bei denen, die ihn noch nicht kannten, Aufsehen, während, trotz aller den Gästen gegenüber geübten Höflichkeit, Männer sowohl als besonders die Frauen ihn scheu zu meiden suchten.

Johnson war daran gewöhnt.

Michael verließ die Hütte indessen nicht und blickte nur verdrießlich hie und da durch die Fenster auf die Wigwams und ihre Bewohner.

Amaqua, der Häuptling, schritt heran und gesellte sich zu Edgar.

»Du große Freude bereitet, Häuptling, Squaw sich alle freuen, Männer auch.«

»Das höre ich gern, ich wünsche, daß die Ottawas freundlich meiner gedenken, wenn ich fern bin.«

Er wanderte dann mit dem Häuptling umher und dieser zeigte ihm die Hütten und Blockhäuser, den See, stellte ihm einige ältere Ottawas vor und bemühte sich, den Gast nach Kräften zu unterhalten.

Als sie zwischen einigen entfernter liegenden Wigwams hindurchschritten, trat aus einem derselben das Mädchen, welches von Sumach beschenkt worden war, und richtete einige Worte an den Häuptling.

Ernst hörte dieser sie an und richtete dann die Frage an Edgar: »Ist der tote Mann, der dich begleitet, ein Medizinmann?«

»Ein Medizinmann?« fragte dieser erstaunt. »Wenn du darunter einen Arzt verstehst, nein. Mister Johnson ist Landmann, Farmer.«

»Bist du ein Medizinmann?«

Lächelnd entgegnete der: »O nein, ich bin nur Soldat. Warum fragst du?«

»Das junge Weib hier hat eine kranke Mutter und meint, jedes Bleichgesicht müsse ein Medizinmann sein.«

»Ich führe auf der Reise einige Arzneien mit, Häuptling, Heilmittel für Fieber und Wunden, wenn die Frau davon Gebrauch machen kann, stehen sie ihr zu Gebote, aber Arzt oder Medizinmann bin ich nicht.«

Der Ottawa wechselte wieder einige Worte mit dem Mädchen.

»Willst du dir die Frau ansehen? Unser Medizinmann kann ihr nicht helfen.«

»Ich noch weniger, indessen wenn ihr etwas Chinin nützen kann — es steht ihr zu Gebote — allein ich kann es nicht verordnen.«

»Sieh die Frau, komm.«

Auf seinen Wink öffnete das Mädchen den Vorhang, welcher den Eingang deckte, und beide traten in die Hütte.

Auf einem Lager von trockenem Laub, mit Decken und Fellen zugedeckt, ruhte ein abgezehrtes Indianerweib, dessen trübe Augen sich auf den Eintretenden hefteten. Amaqua redete sie an, und sie erwiderte schwach einige Worte.

Graf Edgar trat näher und faßte ihren Puls, der einen hohen Grad von Fieber verriet.

»Frage die Frau, Amaqua, wo sie leidet.«

Dieser willfahrte und übertrug ihm die Antwort der Kranken.

Aus dieser schien dem Grafen hervorzugehen, daß die Frau an heftigem Wechselfieber litt, und er glaubte es verantworten zu können, wenn er sie Chinin nehmen ließ. Er sagte das dem Ottawa, wiederholt betonend, daß er kein Arzt sei.

Nachdem Edgar mit dem Häuptling den Rundgang vollendet hatte, zog er sich in seine Hütte zurück, nachdem er versprochen hatte, am Abend einer ihm zu Ehren gegebenen Schmauserei beizuwohnen.

Dem jungen Mädchen, welches bei ihm erschien, händigte er einige Chininpulver ein und ließ ihr durch Johnson einschärfen, wie die Mutter sie nehmen sollte.

Als die Kleine hinausging, trat Athoree ins Zimmer.

Ihr nachsehend, sagte er leise zu Edgar: »Das Tochter von Miskutake.«

»Was?« fuhr der Graf empor, »Hast du sie gefunden? O, Gott sei Dank. Vielleicht, vielleicht hilft sie zur Lösung des Rätsels.«

»Sumach finden, alte Mutter klug.«

»Aber wie, wie, Athoree, bringen mir die Frau zum Reden? Und weiß sie auch überhaupt etwas?«

»Hier alle wissen; du nicht hören, wie Häuptling Weiber wegschicken von Sumach? Fürchten plaudern, wissen alle etwas.«

 

»Gut, du belebst meine Hoffnung. Aber wie veranlassen wir die Kranke zum Sprechen?«

»Heute abend essen, he?«

»Ja, Amaqua hat mich eingeladen.«

»Essen, viel trinken. Alle Nebel um Augen, Nebel in Kopf.«

»Du glaubst, sie werden alle betrunken sein?«

»Denke so. Du auch betrunken —«

»Ich?«

»Du nur so tun, Athoree so tun. Nicht betrunken, nur so tun. Wenn Häuptling schlafen, gehen zu Miskutake.«

»Ich verstehe. Aber wenn nun der Wyandothäuptling auch Nebel vor den Augen hat und den Weg nicht findet?«

»Athoree nicht Nebel, das versprechen. Trinken, doch nicht Nebel.«

»Nun, sei es so.«

»Nicht reden, nicht fragen, nicht gehen, du überall bewacht von Ottawas, alle bewacht.«

»Meinst du?«

»Es wissen.«

In peinlicher Aufregung vergingen die Stunden.

Endlich, die Sonne war längst vergangen, erschienen zwei Indianer, um im Auftrage Amaquas die Bleichgesichter zum Festmahl abzuholen.

Alle gingen, auch Michael, obgleich widerwillig und mißtrauisch: »Ich möchte mit den roten Burschen so wenig wie möglich zu tun haben,« brummte er, »sie gaffen mich fortwährend an und das ist unheimlich.«

Sie wurden zu einer offenen Hütte geführt, welche dem Stamm zu Ratsversammlungen diente.

In deren Mitte brannte ein Feuer, an welchem verschiedenes Wildbret schmorte.

Amaqua war da und um ihn ein Dutzend der älteren und angeseheneren Ottawas. Auch Athoree war schon dort.

Der wilde Häuptling begrüßte seine Gäste mit viel Anstand, machte sie mit den andern Indianern bekannt in einer Form, welche jeder europäischen Gesellschaft Ehre gemacht hätte.

Zwei alte Frauen beschäftigten sich mit Zubereitung der Speisen.

Alle nahmen dann um das Feuer Platz und auf ganz hübsch geschnitzten Holztellern wurden ihnen Stücke Fleisches überreicht, ebenso Fisch, welcher trefflich in einer Blätterlage gebraten worden war.

Jeder zog sein Messer und alle griffen munter zu.

Während des Mahles herrschte Schweigen. Michael schaute sich zwar oft mit einer bemerkbaren Scheu im Kreise dieser grimmigen, dunklen Gesichter um, entwickelte aber trotzdem einen beneidenswerten Appetit.

Die Indianer verschlangen erstaunenswerte Mengen Fleisches.

Bald begann auch der Becher, mit Rum gefüllt, zu kreisen, das Fäßchen Edgars lagerte in der Nähe des Häuptlings.

Endlich war der Hunger der Roten gestillt. Edgar, der sehr aufgeregt war, aber dies so gut als möglich zu verbergen suchte, hatte nur wenig essen können.

Die Männer nahmen jetzt die Pfeifen hervor, Edgar bediente sich einer seiner Zigarren, die Indianer streckten sich äußerst zwanglos aus, und der gefüllte Rumbecher kreiste fleißiger.

»Wie es dir gefallen bei Ottawas, Dutchman?«

»Gut, die Ottawas sind freundlich und gastfrei. Besser noch würde es mir gefallen, wenn ich meinem Zwecke etwas näher gekommen wäre.«

»Gerne Dutchman helfen, er Freund. Nicht können, alle hier fragen, alle dasselbe sagen, nichts wissen. Vergnügt sein, trinken, trinken.«

Edgar trank mit vorsichtiger Mäßigkeit, während die Indianer große Quantitäten des starken Trankes hinuntergossen.

Nach und nach geriet auch eine Art Unterhaltung in Gang, denn sämtliche Anwesende sprachen etwas Englisch.

Hie und da stieß auch einer der Ottawas einen wilden Ruf aus oder begann ein eintöniges Lied zu singen.

Zu seiner Freude bemerkte der Graf, daß Athoree Maß im Trinken beobachtete und ihm öfters einen verständnisinnigen Blick zuwarf. Der Graf bewunderte diese Enthaltsamkeit aufrichtig.

Johnson, der allein saß, sprach dem Rum auch nur wenig zu, ebenso Heinrich, Michael aber zechte wacker mit, was bald seine schwere Zunge verriet. Edgar gewahrte es nicht ohne Besorgnis.

Athoree, der mit Meisterschaft den Durstigen zu spielen wußte, stellte bald mit gleicher Vollendung den Betrunkenen dar, und der Graf folgte ihm hierin so gut er konnte.

Bei Amaqua wie auch bei allen andern Roten machte sich die Wirkung des Rums geltend, stierer wurden die Augen, schwerfälliger die Rede.

Bald herrschte ein wildes Durcheinander von Stimmen, untermischt mit gellenden Rufen.

Draußen lungerten einige Dutzend Ottawas und sahen dem Gelage zu. Amaqua ließ ihnen einige Kannen Rum reichen, und bald kreiste der Becher auch draußen.

Der Häuptling, welcher immer betrunkener wurde, klopfte Edgar auf die Schulter und schrie: »Du Dutchman, ich dich lieb. Dutchman gut. Inglis und Langmesser seien verdammt. Würde dir gerne helfen, Bruder,« lallte er, »geht nicht, geschworen bei Manitou, alle geschworen, geht nicht. Verdammt sei die weiße Frau.«

Edgar spielte den Betrunkenen hinreichend gut, um wenigstens die schon stark angezechte Gesellschaft zu täuschen.

Es gelang ihm auch jetzt, obgleich ihn die Aeußerung des berauschten Wilden sehr aufregte, in lallendem Tone zu erwidern: »Amaqua, Bruder, er würde helfen, weiß ich, er kann nicht.«

»Nein, kann nicht, Bruder,« und wieder stürzte er einen Becher Rum hinunter.

Michael hatte bereits genug und schlief.

Athoree wankte hin und her und lallte vor sich hin.

Amaqua bemerkte es und lachte wie besessen: »Der Wyandot kann nicht trinken, nur Krieger können trinken. Wyandots Weiber.«

Schon streckten sich einige nieder und schliefen ein.

Johnson erhob sich und ging nach Peschewas Hütte zurück, nicht ohne daß ihm draußen aufmerksame Augen folgten.

»Gut,« lallte Amaqua, »toter Mann fort, gut, ihn nicht gerne sehen. Jetzt trinken.«

Edgar füllte den leeren Becher, tat, als ob er daraus schlürfe, und überreichte ihn mit schwankendem Arm dem Häuptling.

»Ah,« lallte dieser, »du auch betrunken, Dutchman, du auch kein Krieger.«

Mehrere der Indianer erhoben sich schwerfällig, schlugen die wollenen Decken ums Haupt und wankten davon.

Nur Edgar, Heinrich, Athoree, Amaqua und zwei andre saßen noch um das Feuer.

Die übrigen hatten sich entfernt oder schliefen ihren Rausch aus.

»Dutchman, du gut, ich dich lieb. Verdammt die Langmesser — trinken — gut — Rum.«

Edgar reichte ihm wieder einen Becher, aber ehe der Indianer ihn noch zum Munde führen konnte, ließ er ihn fallen und sank um.

Schwerfällig erhob sich jetzt Athoree, fiel hin, erhob sich mit Mühe wieder und wankte fort; draußen faßten ihn zwei der lauernden Ottawas unter den Armen und führten ihn, der sich kaum auf den Beinen halten zu können schien, nach dem ihm angewiesenen Wigwam, wo sie ihn auf einem Lager niederlegten.

»Heinrich,« sprach Edgar, der auch verschiedentliche Versuche gemacht hatte, aufzustehen, deutsch, »hilf mir auf, komm, damit ich den Betrunkenen mit Natürlichkeit spiele.«

Heinrich tat es und führte den wankenden Grafen hinaus, draußen faßte ein Indianer diesen stützend am Arm und so schritten sie zur Hütte Peschewas.

Der Warnung Athorees folgend, daß sie überall von Spähern und Lauschern umgeben seien, sank der Graf, seiner Rolle getreu, schwerfällig auf sein Lager.

Bald herrschte im Dorfe der Ottawas die tiefste Stille.

Wohl eine Stunde mochte verflossen sein und die Sterne zeigten an, daß Mitternacht längst vorüber sei, als leise an die Türe geklopft wurde und Athoree hereinschlich.

»Jetzt Zeit. Jetzt gehen.«

Der Graf erhob sich, schlug wie Athoree eine wollene Decke um Kopf und Schultern und beide traten in die finstre Nacht hinaus.

»Wenn Ottawa sehen, tun als wären betrunken. Wenn fragen, gehen zu kranke Frau, Medizin bringen.«

So schritten sie vorsichtig im Dunkel einher und gelangten zur Hütte der gesuchten Frau. Es zeigte sich noch Licht darin. Sie schlichen leise daher und sahen Miskutake auf ihrem Lager, zu ihren Häupten saß das junge Mädchen und schlief.

Athoree öffnete den Vorhang am Eingang und trat ein, hinter ihm der Graf.

Die Kranke lag machend und schaute sie schweigend mit großen Augen an.

»Medizinmann kommen,« rief ihr Athoree rasch und leise mit freundlicher Gebärde in der Ottawasprache zu, »will sehen, wie es kranker Frau geht.«

Miskutake, eine nicht mehr junge, von Krankheit entstellte Frau, sah mit hoffnungsvollem Blick auf Edgar und sagte: »Miskutake wohler, die Krankheit wird fliehen vor der Medizin des weißen Mannes.«

In der Tat war bei der Patientin ein wohltätiger Schweiß ausgebrochen.

Das junge Mädchen erwachte und blickte mit schreckhaftem Staunen auf die nächtlichen Gäste, beruhigte sich aber, als sie Edgar erkannte.

»Meine Tochter wird hinausgehen und machen, daß niemand uns stört, der große Medizinmann wird mit der Krankheit der Mutter kämpfen und sie verjagen, es gefährlich für kranke Frau, wenn jemand kommen,« sagte Athoree.

Gehorsam ging das Mädchen hinaus.

»Spricht meine Schwester die Sprache der Inglis?«

»Ja,« sagte die Kranke schwach, »Miskutake lernte es von Bruder Missionar, sie Christin, heißen Mary seit sie getauft.«

»Um so besser. Mary wird wieder gesund werden und dem Heiland danken, daß er ihr in ihrer Not Hilfe gesandt.«

Die Kranke faltete die Hände und sagte: »Sie wird Jesus Christ danken.«

»Will mir Mary eine Frage beantworten?«

Aufmerksam sah ihn die Kranke an.

»Ich schwöre ihr bei unserm Herrn und Heiland, daß kein Mensch erfahren soll, was sie mir gesagt, aber um Jesu Christi willen muß sie mir die Frage beantworten.«

Die großen dunklen Augen der Frau hafteten mit fieberhafter Spannung auf Edgar.

»Ich bin der Bruder der weißen Frau, welche vor drei Jahren am Manistee mit ihrem Kinde geraubt wurde,« die Kranke überfiel ein Zittern, »sage mir, Mary, wo sie jetzt ist.«

»O,« stöhnte die Frau, »ich kann nicht, es steht Tod darauf. Ich habe geschworen.«

»Hast du bei deinem Heiland geschworen?«

»Nein, bei Manitou.«

»Gilt der dir mehr als dein Erlöser?«

»O nein, o nein — aber sie töten mich, wenn sie es erfahren.«

»Niemand wird es erfahren.«

Die Frau kämpfte gewaltig mit sich selbst.

Da zog Edgar den Totem hervor und hielt ihn ihr vor.

»Sieh dies und denke an den, der dein Kind vom Tode errettet hat. Auch er läßt dich bitten, meine Frage zu beantworten.«

Schreckenvolle Aufregung wechselte mit Rührung in der Seele der kranken Frau.

Endlich sagte sie mit Entschluß: »Mögen sie mich töten. Neige dein Haupt zu mir.«

Eilig tat es der Graf.

Kaum hörbar flüsterte sie ihm zu: »Sie wurden zu den Saulteux gebracht. Beide, Mutter und Kind, zu den Saulteux über das Wasser.«

»Leben sie noch?« fragte zitternd, in gewaltiger Erregung der junge Mann.

»Ich glaube, ja — nicht weiß ich‘s gewiß. Verrätst du mich, trifft mich der Tomahawk der Häuptlinge. Sie fürchten die Entdeckung mehr als alles.«

»Und du sagst Wahrheit, Mary, so wahr du hoffst, einst bei deinem Heiland zu sein?«

»Sie sagte Wahrheit,« stöhnte die Frau und sank in Ohnmacht.

Außerhalb ließen sich Schritte vernehmen und eine rauhe Stimme fragte: »Was tust du in der Nacht hier draußen?«

Edgar schrak zusammen, und Athoree fühlte nach seinem Messer, aber das gewandte Mädchen, dem die Frage galt, antwortete: »Silimach holt Wasser für die kranke Mutter.«

Hierauf entfernten sich die Schritte.

Athoree und Edgar standen noch einige Minuten und lauschten mit angehaltenem Atem, dann löschte der Indianer den brennenden Kienspan aus und beide schlichen geräuschlos hinaus.

Draußen harrte Silimach.

»Die Mutter schläft,« sagte Athoree, »morgen wird der Medizinmann wieder kommen, er wurde gestört. Miskutake wird wieder gesund werden.«

»Dank dir,« flüsterte das Mädchen.

»Die Tochter darf niemand sagen, daß der weiße Mann hier war, sonst muß die Mutter sterben.«

»Nein, nein,« sagte erschreckt die junge Indianerin und schlüpfte in die Hütte.

Dem Grafen schlug das Herz gewaltig und nur mit Mühe legte er sich Schweigen auf.

»Vorsichtig!« mahnte Athoree, und leise, die Decken umgeschlagen, wie es die Art der Indianer war, schlichen sie durch die Hütten und gelangten ungesehen zu ihrer Behausung.

Kaum hatte sich die Türe hinter ihnen geschlossen, als Edgar mit einer Innigkeit im Tone, die selbst auf den Indianer Eindruck machte, sagte: »O, Gott, Gott sei Dank! Wir werden sie finden, Athoree, sie weilen noch unter den Lebenden. Hast du gehört, was die Frau mir gesagt hatte?«

»Athorees Ohr vernahm es.«

 

»Wo wohnen die Saulteux?«

»Wohnen weit über Wasser.«

»Und wenn sie am Ende der Welt wohnten, ich suche sie auf.«

»Jetzt schlafen, morgen weiter reden,« und Athoree entfernte sich mit äußerster Vorsicht.

Graf Edgar aber warf sich auf die Kniee und sandte ein inbrünstiges Dankgebet zum Höchsten empor. Er fühlte starke Versuchung, Heinrich zu wecken, um ihm die Freudenkunde mitzuteilen, aber er bezwang sich und suchte sein Lager; die gewaltige Erregung seines Innern ließ ihn erst im Morgengrauen einen unruhigen Schlaf finden.

Die Sonne stand schon hoch, als er erwachte.

Er blickte um sich, und vor ihm saß schweigend der Indianer, sie waren allein, die andern waren draußen.

»Mein guter Athoree, welch ein Glück, welch ein Glück.«

»Es gut, Gutherz sich freuen, großes Glück.«

»Was tun wir nun zunächst?«

»Gutherz müssen traurig tun bei Ottawas, sonst wissen, daß gute Nachricht, das nicht gut.«

»In meiner Freude soll ich Trauer heucheln?«

»Müssen so tun — sonst gefährlich. Ottawa nicht Gutherz erschlagen, er sich fürchten, aber Stammlose es tun. Niemand kann Kugel der Ottawas von denen der Stammlosen unterscheiden.«

»Meinst du, daß es so gefährlich sei, das Geheimnis, welches meine Schwester umgab, gelüftet zu haben?«

»Es ganz gefährlich, erschlagen uns alle in dichtem Wald, dann Stammlose es getan.«

Aus des Indianers warnenden Worten sprach der ganze Ernst der Lage.

»Gut, ich will Trauer heucheln, während mein Herz vor Freude bebt. Du führst mich zu den Saulteux, mein treuer, tapferer Freund.«

Athoree antwortete nichts und sah starr mit einem Gesichtsausdruck vor sich hin, so schmerzlich und so finster, daß Edgar ihn betroffen anblickte.

Die gewöhnliche Ruhe kehrte nach kurzer Frist in des Indianers Züge zurück, dann sagte er langsam, nachdrücklich: »Athoree kämpfen für Gutherz, er gern tun, Gutherz Freund, ihn lieben. Drüben, jenseits des Wassers, lauert der Tod auf den Enkel Meschepesches.«

»Athoree,« sagte der Graf, von der Aeußerung und dem tiefen Ernste des Mannes ergriffen, »so viel hast du zu fürchten?«

»Nur den Tod. Athoree ihm entfliehen zu weißen Menschen.«

Als ihn der Graf mit zweifelnden Blicken ansah, setzte er hinzu: »Nichts Schlechtes denken von Athoree, er getan, was er mußte.«

»Nein, Athoree, du hast dich tapfer und treu bewährt, hast so viel Opfermut und Hingebung gezeigt für mich, den Fremden, daß ich nichts Uebles von dir denken kann und will. Hier meine Hand, Athoree.«

Hastig nahm sie der Indianer.

»So muß ich deiner Führung und Unterstützung entsagen, das bedaure ich von Herzen.«

Nachdenklich blickte der Indianer vor sich hin, dann ließ er in leisem, weichem Tone sich vernehmen: »Manitou senden Sturm und Sonnenschein. Athoree Jahre hindurch Sturm im Herzen, so alte Sumach. Vielleicht senden ihn der große Geist zurück zum Lande seiner Väter, wer kann wissen? Manitou weise. Der Sohn wird mit der alten Mutter reden, dann sagen, ob der Enkel Meschepesches auf den Pfaden der Saulteux wandeln wird.«

Er ging langsam hinaus.

Betroffen blieb der Graf zurück.

Heinrich kam, und nun brach die tiefe Herzensfreude des Bruders aus, als er diesem die wunderbare Kunde mitteilte.

Heinrich standen die Tränen in den Augen, »O, Herr Graf, welch herrliche Nachricht. Welches Glück!« stammelte er tief bewegt.

Auch dem stillen Johnson ward das Geheimnis mitgeteilt, der es mit inniger Teilnahme entgegennahm.

»So haben die Ottawas sie damals ihren Verwandten, den Saulteux, zur Aufbewahrung gegeben. Diese sind mit nicht großer Mühe zu erreichen, und wenn Sie mich brauchen können, Herr Graf, begleite ich Sie gern, ich wende so mein armes Leben nützlicher an, als wenn ich in meinem einsamen Shanty Hause.«

Mit großem Danke nahm Edgar das Anerbieten an.

Auf den Rat Johnsons ward nun beschlossen, die Abreise für morgen zu bestimmen und den Weg, wie es auch von Anfang geplant war, wenn die Nachforschungen bei den Ottawas kein Resultat ergeben sollten, nach Traverse City zu nehmen, wo sich dann Gelegenheit finden würde, nach der nördlichen Halbinsel Michigans zu gelangen und ihre weiteren Schritte festzustellen.

Später kam Amaqua, der die Folgen des schweren Rausches noch nicht überwunden hatte, um den Grafen zu begrüßen.

Es gelang diesem, eine betrübte Miene zu erheucheln, und er teilte dem Häuptling mit, daß er seine Pflicht erfüllt und traurig morgen von hinnen scheiden werde, weil sein Besuch bei den Ottawas so vergeblich gewesen sei.

Dieser vernahm das nicht ohne innere Befriedigung.

»Gerne gutem Bruder helfen, nicht können.«

Ein Besuch bei der kranken Frau in Begleitung des Häuptlings konstatierte eine merkliche Besserung ihres Befindens.

Für den Nachmittag hatten die Indianer zum Vergnügen ihrer Gäste auf dem See eine Fischjagd mit dem Speer veranstaltet, bei welcher die jungen Ottawas große Gewandtheit entfalteten. Am Abend verteilte Edgar die noch übrigen Geschenke, wobei die kranke Frau nicht übergangen wurde, und am andern Morgen in der Frühe zog die kleine Karawane nach Norden zu, eine Strecke begleitet von Amaqua und einigen Häuptlingen. Als diese endlich geschieden waren, warf Edgar die mit großer Mühe festgehaltene ernste Miene ab und rief mit vor Freude bebendem Tone Heinrich zu: »Jetzt wollen wir sie finden — Gott wird weiter helfen.«