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Edgar wandte sich jetzt an Johnson mit der Frage: »Ist Ihnen etwas von dem Ursprung dieser eigenartigen Befestigung, denn eine solche ist es sicher, bekannt?«

»Nein, Herr Graf. Ich habe in Ohio ähnliche kreisförmige Umwallungen gesehen, auch finden sich solche hier oben an den Seen vereinzelt vor, doch von ihrem Ursprung habe ich keine Ahnung.«

»Diese Stätte muß uralt sein. Athoree, weißt du etwas davon, wer diesen Wall gebaut hat?«

»Können nicht sagen. Am See und in Kanada viel finden solcher Runden. Nicht Wyandots machen, ander Volk.«

»Gut, Athoree, aber berichten nicht die Ueberlieferungen der Wyandots, wer vor ihnen das Land bewohnt hat und diese Befestigungen angelegt haben könnte?«

»Alte Häuptlinge viel erzählen abends an den Feuern, wenn in Wigwam sitzen und draußen der Schneesturm heult, viel erzählen von alten Zeiten, als das Volk der Wyandots noch zahlreich war, wie die Blätter des Waldes, aber nicht sprechen von ander Volk. Wyandots hierher kommen, nehmen Land.«

»Und wo kamen deine Vorfahren her?«

»Kamen von Norden, weit her.«

»So laß uns von dem Ursprung deines Volkes hören und wie es in dieses Land eingewandert ist, wenn eure Sagen davon melden.«

Der von Büschen dicht besetzte Ringwall, hinter diesem die nur schattenhaft wahrnehmbaren Waldriesen, welche in leichtem Abendwinde rauschten, die Gruppe um das Feuer, rötlich beleuchtet von dessen Scheine, inmitten derselben die beiden Kinder dieses Bodens, die alte, runzelvolle Sumach und ihr stattlicher Sohn mit dem dunkeln, ernsten Antlitz, neben ihnen die seltsame Erscheinung des »toten Mannes«, dies alles gab hier inmitten der Einsamkeit des Urwaldes ein Bild von unverlöschlichem Eindruck.

Verstärkt wurde derselbe durch die feierliche Stille, welche ringsum herrschte, denn selbst das leichte Rauschen der Blätter klang wie fernher kommend zu den Ohren der um das Feuer Gelagerten.

Mit seiner tiefen, klangvollen Stimme hub der Indianer an, während aller Augen auf ihn gerichtet waren: »Viele, viele Sommer sind dahingegangen, viel welke Blätter herniedergefallen von den Bäumen, seit die Wyandots zahlreich in einem fernen Lande wohnten. Es waren ihrer endlich so viele, daß Wald, See und Fluß nicht mehr Nahrung genug boten, um aller Hunger zu stillen. Und als die Not groß war, jammerte es Manitou und er sprach zu dem Propheten des Volkes: ›Laß ausziehn die Hälfte aller, ich will ihnen ein andres Land geben.‹ Da zogen aus Männer und Weiber und Kinder zahllos wie die Sterne des Himmels, und viele Sonnen zogen sie immer weiter und weiter nach Norden zu, bis sie an ein großes Wasser kamen, das zu überschreiten unmöglich war, denn es war breit wie der Michigan-See und sie hatten nicht Kanoes.

»Und als die weisen Männer des Volkes um das große Ratsfeuer saßen und kein Mittel fanden, das Hindernis im Wege zu überwinden, sprachen sie endlich zu Manitou: ›Du hast uns ausgesendet, großer Geist, um uns neue Jagdgründe zu geben, und wir stehen am salzigen Wasser und vermögen nicht es zu überschreiten, hilf uns!‹ Und siehe da, als sie so riefen, erschien auf dem Wasser ein Knabe in einem leichten Kanoe, von der Haut eines Tieres verfertigt; des Knaben Farbe war licht und seine Augen funkelten gleich dem Abendstern, wenn er am herrlichsten strahlt. Und er sprach, als er zum Ufer kam, mit einer Stimme, süß klingend wie des Zaunkönigs Laut im Frühling, doch konnten es alle hören, so viele umherstanden: ›Mich sendet Manitou, das Volk der Wyandots hinüberzuführen in das Land, welches er seinen Kindern geschenkt hat.‹ Und alle wunderten sich über den kleinen Kahn, welcher kaum zwei Männer fassen konnte, und den Knaben, welcher das Volk über das salzige Wasser führen sollte. Zwar sahen die Männer bereits das jenseitige Ufer, doch wie sollte das schmale Kanoe, welches leicht gleich einem Rosenblatte auf dem Wasser schwebte, das Volk der Wyandots hinübertragen? Aber Manitou hatte gesprochen, und gehorsam trat der älteste der Häuptlinge in das Boot und die andern folgten. Und je mehr einstiegen, desto größer wurde dass Kanoe, und größer und immer größer, bis daß es das ganze Volk der Wyandots in sich faßte. Der Knabe aber saß im Stern und führte leicht das kleine Ruder, eilig bewegte sich das Schiff durch das glatte Wasser und bald stiegen alle an das Ufer, welches so unerreichbar geschienen hatte. Das Kanoe aber wurde kleiner und kleiner, wie die Leute ausstiegen, und als alle am Lande waren, war es nicht größer, als da es erschien, und der Knabe ruderte davon und verschwand in der Ferne.

»Die Männer aber besahen sich das Land, und es war herrlich anzuschauen. Wälder und Seen, Ströme und Bäche, Lichtungen und Prairien wechselten ab, und die Wälder waren voll Wild, das Wasser belebt von Fischen, und alle dankten dem großen Geiste, daß er sie hierher geführt habe.

»Da sandte der böse Geist, zornig, daß Manitou seine roten Kinder hierher geführt hatte, gewaltige Tiere, fast so hoch wie ein Baum, um die Wyandots zu vertilgen, aber die Männer wußten sie zu erlegen mit Pfeil und Speer, und vernichteten sie mit der Zeit gänzlich, so daß man nur hie und da in einer Höhle oder in der Erde ihre riesenhaften Knochen findet. Heller schien die Sonne damals, steter Frühling herrschte und glücklich und zufrieden lebten die Wyandots in dem neuen Land viele Geschlechter hindurch und vergaßen bald der alten Heimat.

»Eines Tages aber hatten sie Manitou erzürnt. Niemand weiß heute mehr wodurch, und er zog eine Wolke vor sein Angesicht und sie erblickten es nicht mehr.

»Da wurde der böse Geist mächtig, als der gute Vater seinen Kindern zürnte. Nicht mehr warm wie früher schien die Sonne hernieder, ein Teil des Jahres wurde kalt, und Eis und Schnee zeigten sich, welche die Wyandots lange nicht gesehen hatten.

»Und eine große Wasserflut sandte da Degschuh-venoh auf die Erde, die Ströme traten aus ihren Ufern, die dunklen Wolken ergossen unaufhörlich Regen, und die Wyandots starben dahin wie Schnee an der Sonne.

»Nur ein kleiner Teil hatte sich auf einen hohen Berg gerettet, doch als auch diesen die Flut verschlingen wollte, mit allem Leben, welches er schützte, da sprach Manitou: ›Es ist genug, nicht vertilgen will ich das Volk von der Erde, es hat gebüßt und was noch atmet, soll leben.‹ Da mich gehorsam das Wasser zurück, und Hoffnung zog in das Herz der Wyandots ein.

»Wiederum bauten sie ihre Wigwams auf dem getrockneten Lande, aber das Antlitz Manitous sahen sie nimmer unverhüllt.

»Kälter und kälter wurde es, Schnee und Eis griffen mächtig um sich, und immer weiter nach Süden mußte das Volk ziehen, immer weiter und weiter, bis zu den Kanadas und an die großen Seen.

»Arm waren sie geworden und mühevoll mußten sie seit der Zeit in schneebedeckten Wäldern das Wild jagen, und heute sind die Wyandots ärmer als je, und das Antlitz Manitous schauen sie nur durch eine dunkle Wolke.«

Eine lautlose Stille herrschte, während der Indianer sprach, und herrschte noch an, als er geendet hatte.

Seine einfache Rede klang wie Totenklage um ein dahingeschwundenes Volk, welches einst glücklich und mächtig auf Erden einhergewandelt war.

Ein tiefer Seufzer Sumachs war der einzige hörbare Laut.

Dann lüfte der Graf den Bann, der auf der kleinen Gruppe lagerte, mit den Worten: »Ich danke dir, Athoree, für diese Mitteilung der Überlieferungen deines Volkes und werde sie in meinem Gedächtnis bewahren. Sie ist von hohem Interesse für mich, denn sie bestätigt die Annahme unsrer Gelehrten, daß deine Vorfahren aus Asien über die Behringsstraße in Amerika eingewandert sind.«

»Weiß nur, was die alten Männer meines Volkes erzählen, aber sie reden Wahrheit.«

»Wunderbar genug ist es, daß dein Volk, welches keine schriftlichen Aufzeichnungen besitzt, noch solche Erinnerungen an die einstigen Wanderungen bewahrt. Bemerkenswert ist ferner deine Erwähnung vorsündflutlicher Tiere.«

»Das ganz wahr,« sagte eifrig der Indianer, »ihm selbst gesehen. Knochen so dick wie Baum, Zähne so lang,« und er breitete die Arme auseinander, »groß wie zwanzig, zehn Büffel, ihm gesehen in Höhle, er ganz groß. Weißer Mann holen ihn weg, bringen ihn in große Stadt — dort noch sehen.«

»Sollten sich hier in Amerika auch Ueberreste des Mammut gefunden haben?«

»Ja, Herr,« sagte Johnson, »Gerippe von Mammuts, ganz recht, so heißen die Riesentiere, hat man wiederholt gefunden, besonders in Ohio und vielleicht auch anderwärts, es ist so, wie der Indianer sagt.«

»Seltsam, wie die Erinnerungen an ferne, ferne Zeiten, selbst nur mündlich übermittelt, sich erhalten und fortpflanzen. Gerade aus der Erwähnung dieser Riesengeschöpfe geht hervor, daß die Sage, welche Athoree uns erzählte, sehr alten Ursprungs sein muß.«

»Die Indianer, Herr, haben viele Geschichten aus alten Zeiten, die sich von Mund zu Mund fortpflanzen. Es ist nur zu schwierig, sich der Sprache dieser Völker gründlich zu bemächtigen, für die Herren Gelehrten erst recht, ich meine, was den praktischen Gebrauch anlangt. Selten findet sich auch ein Indianer, der so gut englisch spricht, wie hier Athoree. Es müßte einmal ein richtiger Vollblutindianer eine gelehrte Erziehung genießen und dann diese Sachen alle aufschreiben, und so Licht über die Vergangenheit der roten Volksstämme verbreiten, von der man doch eigentlich wenig weiß.«

»Ihre Bemerkung ist außerordentlich treffend, lieber Johnson, ja, ein intelligenter Indianer, innig mit seines Volkes Geistesleben verwachsen und mit unsrer gelehrten Bildung ausgerüstet, könnte als Forscher der Wissenschaft wohl Dienste leisten.«

Mit einem Lächeln sagte Athoree: »Willst du klugen weißen Mann aus Indianer machen, Gutherz? Wird nicht gehen. Sollte Athoree, als er noch ein Kind war, in Schule gehen zu Bruder Missionar. Sitzen auf Bank in festem Wigwam, singen Lieder, sollen schreiben, lesen in großem Buch, das nicht möglich; alle davongelaufen, alle in die Wälder, lieber mit den Wölfen im Schnee heulen, als sitzen in festen Wigwam vor Buch. Bruder Missionar sehr betrübt, daß laufen fort, aber nicht möglich für Indianer, er in Wald, weißer Mann in Blockhaus oder Stadt.«

 

»Da hören Sie, Herr Graf, wie schwer es fällt, den roten Leuten unsre Zivilisation mitzuteilen.«

»Ich höre es und bedaure es. Mußten sich die roten Männer nicht sagen, Athoree, daß der Weiße nur dadurch so mächtig ist. Blitz und Donner in seinen Händen führt, Städte baut, ein Dampfroß anspannt, um eine lange Wagenreihe mit Windeseile zu bewegen, du hast ja diese Wunder gesehen und angestaunt, nur weil er seßhaft geworden ist und den Acker baut, und müßte das nicht ein Grund für euch sein, ihm nachzuahmen.«

»Die Bleichgesichter sind klug, reich und mächtig, viel mehr als armer Indianer. Weiße haben alles, der rote Mann nichts. Das alles wissen. Sehen weißen Mann den Acker bauen, das sehr gut, ihm sehr bewundern. Kennen nicht Hunger, nicht Frost, weiße Leute in Ansiedlungen — viel reiche Leute. Indianer andre Farbe, andrer Mensch. Fange du Panther und lege ihm Sattel auf, er wird sterben, aber nicht Reiter tragen — er Panther, nicht Pferd. So roter Mann, er sterben, verhungern, aber nicht Acker bauen, er Krieger, er Jäger — nicht Sattel, nicht Reiter tragen — er sterben.«

»Traurig, Athoree, daß es so ist. Jägervölker haben ihre Zeit und verschwinden, wenn sie sich nicht höherer Kultur zu fügen vermögen. Ein Voll, welches dauern soll, muß den Pflug in die Hand nehmen.«

»Du auch Pflug in die Hand nehmen?«

»Nun, ich gerade nicht selbst, ich bin Soldat,« entgegnete Graf Edgar ihm lächelnd.

»Du Krieger, he? Nicht Pflug in die Hand nehmen? Athoree Wyandotkrieger, auch nicht Pflug in die Hand nehmen.«

»Nun, ich sehe, man kann forthin nicht nur sagen: Stolz wie ein Spanier, sondern auch: Stolz wie ein Wyandot.«

Ermüdung machte sich bei den Reisenden geltend, Heinrich, welcher der Unterhaltung nicht zu folgen vermochte, war schon eingeschlafen, und Michael gähnte bereits, als ob er sich die Kinnbacken ausrenken wollte. Athoree bereitete seiner Mutter abseits ein Lager, die Männer suchten die ihrigen und bald lagen alle in tiefem Schlafe an dem verglimmenden Feuer.

Nach ungestörter Nachtruhe sah sie der frühe Morgen schon wieder munter. Rasch wurde das Frühstück eingenommen, das Pferd beladen und dann die Reise fortgesetzt.

Edgar hatte im Tageslichte mit hohem Interesse den Ringwall noch einmal untersucht und von neuem die Ueberzeugung gewonnen, daß er hier ein Bauwerk vor sich sehe, welches sicher viele Jahrhunderte alt, sein Dasein einem Volke verdankte, welches eine bei weitem höhere Zivilisation besessen haben mußte, als die Völkerschaften, welche man in diesen nördlichen Gegenden zur Zeit ihrer Entdeckung antraf, deren Bildungsstufe sich im Laufe zweier Jahrhunderte nicht wesentlich verändert hatte.

Schweigend durchzogen sie den Wald. Noch im Laufe des Vormittags hofften sie die Niederlassungen der Ottawas zu erreichen.

Vielerlei Gedanken kreuzten sich in Edgars Kopf. Daß sie möglichen Falles neuen Gefahren entgegen gingen, machte ihm keine Sorge, desto mehr erregte ihn jedoch die Erwartung, endlich Spuren von der so eifrig gesuchten Schwester zu finden. Den Gedanken, daß sie noch unter den Lebenden weilen könne, wagte er nicht zu hegen.

Der Verkehr der auf ihren Reservationen angesiedelten Indianer mit den Amerikanern war ein geregelter und in den Agenturen ziemlich häufiger. Die Indianer empfingen dort die ihnen von der Regierung zugebilligten Unterstützungen und setzten die Erträgnisse ihrer Jagden oder ihres geringen Kunstfleißes dort ab. Alljährlich erschien auch ein höherer Regierungsbeamter, um die Niederlassungen der Indianer zu inspizieren, ihre Wünsche entgegenzunehmen, Klagen anzuhören und Maßregeln zu deren Beseitigung zu treffen, wenn sie als begründet anerkannt wurden. Häufig besuchten auch wandernde Krämer die Dörfer der Ottawas, um Tauschhandel zu treiben. Von Zeit zu Zeit waren Missionare zwischen ihnen tätig, um ihnen das Wort Gottes zu predigen. Ein Teil dieser Völkerschaften bekannte sich auch zum Christentum, doch ging es wohl schwerlich über Aeußerlichkeiten hinaus, und die blutigen Scenen der letzten Tage zeigten deutlich genug, daß der von den frommen Männern ausgestreute Samen noch keine Wurzel gefaßt hatte.

All dies, welches er bei seinen Forschungen über Land und Leute erkundet hatte, ließ den Schluß zu, es sei unmöglich, jahrelang Gefangene solcher Art so verborgen zu halten, daß auch nicht die geringste Kunde davon zu den Ansiedlungen gelangt sei. Und doch, das Menschenherz ist ein gar eigenes Ding, es entsagt erst im letzten Augenblicke jeder Hoffnung.

Die Unruhe des Grafen steigerte sich, je naher sie dem Ziele kamen.

Während sie durch einige lichtere Waldstellen zogen, erblickte das Auge des vorangehenden Athoree zwei Indianer, welche einige Hundert Schritt entfernt an einem Baume standen und dem Zug entgegensahen.

Der Sohn Sumachs rief den Folgenden zu: »Ottawas,« setzte aber seinen Weg ohne zu zögern fort.

»Wo?« fuhr Michael auf und faßte seinen Kampfstock fester, während seine Augen wild umhersuchten.

Edgar begab sich zu Athoree, und er wie alle sahen nun die beiden Männer, welche auf ihre Büchsen gelehnt dort am Walde standen.

»Was tun wir?« fragte der Graf.

»Schütteln Hände, er guter Freund,« fügte mit einem zweideutigen Lächeln der Sohn Sumachs.

Während sie vorwärts schritten, flüsterte er Edgar noch zu: »Nicht Ottawa dort nach Schwester fragen, nicht nach Miskutake. Sumach überlassen, alte Frau sehr klug.«

»Gut.«

Sie gelangten, ruhig ihren Weg fortsetzend, in die Nähe der beiden augenscheinlich ihrer harrenden Indianer, welche Michael mit Mißtrauen und tiefem Widerwillen anstarrte.

Als sie noch ungefähr zwanzig Schritt entfernt waren, kamen die Männer, welche in eherner Ruhe verharrt hatten, auf sie zu, blieben vor dem Grafen stehen und grüßten ihn mit höflicher Handbewegung.

Graf Edgar erwiderte den Gruß. Der eine der Ottawas, beide waren schon Männer in reiferen Jahren, öffnete die Lippen und fragte in verständlichem Englisch: »Du bist der Dutchmanhäuptling aus Fort Jackson?«

»Der bin ich, Indianer.«

»Amaqua, der Biber, hat uns dir entgegengesandt, dich zu unsern Dörfern zu führen, du bist willkommen in seinem Wigwam.«

Amaqua war, wie Edgar wußte, der Name eines der beiden Häuptlinge, welche mit Kitate nach dem Fort gekommen und von Blackwater entlassen worden waren; da diese von seiner Absicht wußten, die Ottawaniederlassungen aufzusuchen, war es nicht verwunderlich, daß ihm der Häuptling Führer entgegenschickte.

»Es ist sehr freundlich von Amaqua, mich schon auf dem Wege begrüßen zu lassen, und ich danke ihm.«

Der Ottawa richtete seine Augen auf Athoree und fragte: »Du ein Wyandot?«

»Athoree, der Enkel Meschepesches.«

»Gut, der Wyandot ist willkommen, Ottawa und Wyandots Freunde.«

Beide schüttelten sich die Hände.

Die Augen der Indianer, welche natürlich den Zug bis in seine kleinsten Einzelheiten gemustert hatten, weilten auf Johnsons auffallender Persönlichkeit und richteten sich dann auf den Iren.

»Ja, starrt mich nur an, ihr roten Vagabunden,« murmelte dieser vor sich hin, »ehe ihr meinen Skalp bekommt, soll es erst noch Schläge regnen, so wahr ich meiner Mutter Sohn bin.«

Dann sagte der Ottawa, der bisher allein gesprochen hatte: »Beliebt es dem Häuptling, zu gehen?«

»Führe uns, wir folgen dir. — Wie nenne ich dich, mein Freund?«

»Tamaskobe, das wilde Wasser, dies,« und er deutete auf seinen stummen Begleiter, »Kokumtha, das Elen, der nicht die Sprache der Yengeese reden, nicht verstehen.«

Er schritt dann, während Athoree zurückblieb, an der Seite Edgars weiter, und der Zug, welcher während dieses kurzen Austausches Halt gemacht hatte, setzte sich wieder in Bewegung.

Nach einiger Zeit begann der neben Edgar gehende Ottawa, während sein Gefährte langsam nachschlenderte: »Du nicht Inglis, nicht Yengeese, du Dutchman?«

»Ganz recht, weder Engländer noch Amerikaner, sondern ein Deutscher.«

»Habe von deinem Volk Männer gesehen, wohnen zwischen Yengeese hier.«

»Ja, es leben Deutsche hier im Lande.«

»Ihr Streitaxt ausgraben gegen Frenchers, wie solche in Kanada leben, he?«

»Wir haben mit den Franzosen Krieg geführt.«

»Ihr siegen, viel siegen?«

»Gott sei Dank, ja, in vierundzwanzig großen Schlachten blieben wir Sieger.«

»So weiße Händler hier erzählen. Du Krieger? Mit auf Kriegspfad?«

»Ja, Indianer, ich war dabei.«

»Du Dutchmanhäuptling, das gut. Ottawa Freund.«

Etwas später nahm er wieder das Wort: »Du Ottawa lieben, ihn besuchen kommen, he?«

»Ja, wildes Wasser, ich bin auf dem Wege, euch meinen Besuch abzustatten.«

»Gut. Du nicht wohnen hier im Land, nicht Haus, nicht Feld?«

»Nein, ich wohne in meinem Vaterlande, jenseits des großen Meeres.«

»Kommen weiten Weg Ottawa zu besuchen, Ottawa stolz sein.«

Da der Graf hierauf nicht antwortete, fuhr der Indianer fort: »Ihm nicht gut, daß Kitate nicht da, dich willkommen zu heißen, er in Fort.«

»Ich komme von ihm und trage seinen Schutzbrief bei mir.«

»Kitate traurig, he?«

»Nun, angenehm mag ihm seine Gefangenschaft nicht sein, indessen wird er gut behandelt.«

»Es schlimm, sehr schlimm. Ottawa sehr betrübt.«

Da der Graf sich nicht auf das heikle Gebiet einer Besprechung der letzten Vorfälle begeben wollte, lenkte er durch die Frage ab: »Wie weit ist es noch bis zu deinem Dorfe?«

»Bald sehen, wenn Sonne dort,« und er wies auf eine Stelle des Himmels, welche die Sonne in zwei Stunden erreichen mußte.

»Du Wyandotkrieger bei dir?«

»Ja, er ist mein Führer durch die Wälder.«

»Alte Frau auch Wyandot?«

»Es ist seine Mutter.«

»Denken, alte Frau wohnen bei toten Mann?«

»Ja, und der Sohn hat seine Mutter dort abgeholt.«

»Gehen zu Wyandot-Volk, wie?«

»Ich glaube nicht. Athoree wohnt im Süden am Muskegon und wird wohl wieder dorthin zurückkehren.«

»Er sehr fern wohnen seinem Volke,« bemerkte der Indianer noch, ohne die Unterredung weiter fortzusetzen.

Der übrige Teil der Gesellschaft verhielt sich schweigend.

Johnson hatte Michael eingeschärft, nichts über den Zweck ihrer Reise, über die Vorgänge im Fort oder die Ottawas zu äußern, da anzunehmen war, daß der schweigsame Krieger, welcher oftmals seine Stelle im Zuge wechselte, genügend Englisch verstand, um die Unterhaltungen zu belauschen. Weder er noch Athoree glaubten die Versicherung des andern, daß sein Gefährte nicht die Sprache der Weißen rede oder mindestens verstehe.

Im Laufe ihres Marsches hatte sich das Elen auch zu Frau Sumach gesellt, was Athoree mit einem spöttischen Lächeln bemerkte.

Der Ottawa eröffnete in seiner Sprache eine Unterhaltung mit Athorees Mutter; doch diese antwortete ihm, ob sie ihn gleich ganz gut verstand und auch durch ihre Kenntnis des Saulteux-Dialektes wohl befähigt war, ihm in seiner Sprache zu antworten, nur in der ihm unverständlichen Zunge der Wyandots und endlich auf Englisch: daß sie ihn nicht verstehe.

Der Ottawa verließ sie hierauf, nahte sich nach einiger Zeit seinem Gefährten und flüsterte diesem, dem seinen Ohr Athorees aber doch vernehmbar, zu: »Wyandots aus den Kanadas,« worauf der andre befriedigt nickte.

Als dieser dann später in der Ottawasprache, welche Athorees Ohr gleichfalls nicht fremd war, eine Unterhaltung mit Sumachs Sohn anzuknüpfen versuchte, erklärte auch dieser schließlich, ihn nicht zu verstehen, sann aber darüber nach, welches Interesse es wohl für die Ottawas haben konnte, zu erfahren, ob er den Wyandotstämmen im nördlichen Michigan oder den in den Kanadas heimischen angehöre.

Genau zu der Zeit, welche das »wilde Wasser« angegeben hatte, erreichten sie die Niederlassung der Ottawas.

Sie gewahrten die im hellen Sonnenschein den See entlang sich ausbreitenden Hütten mit den wenigen Blockhäusern, welche sich dazwischen erhoben, und empfingen einen freundlichen Eindruck von dieser Residenz Kitates.

Als sie aus dem Walde traten, stürzte ihnen eine Schar halbnackter Knaben und Mädchen entgegen, welche die Fremden neugierig anstarrten, aber sofort ehrfurchtsvoll Raum gaben, als der Begleiter Edgars ihnen einige Worte zurief, obgleich die dunklen Augen mit nicht freundlichem Ausdruck auf den Weißen ruhten.

 

Am Eingang des Dorfes empfing sie Amaqua und leitete sie nach dem Blockhause Peschewas, in welchem die Weißen übernachten sollten, während für Athoree und seine Mutter eine leerstehende Hütte zur Wohnung ausersehen ward.

Der Indianerhäuptling begrüßte den Grafen mit großer Höflichkeit und dankte ihm für die Ehre, welche er den Ottawas durch seinen Besuch erweise.

Die einstige Wohnung Peschewas, ein gewiß von den Händen Weißer aufgerichtetes Blockhaus, entbehrte nicht eines gewissen europäischen Komforts. Tische, Stühle, Schränke bildeten das Mobiliar, und Trophäen europäischer und indianischer Waffen, kostbare Felle den Schmuck, auch den seltenen Luxus wohlerhaltener Glasfenster wies die Häuptlingsbehausung auf, welche, da Peschewa nicht Weib, nicht Kinder hinterlassen hatte, verwaist war.

Unsre Reisenden richteten sich rasch ein. Die Gastfreundschaft der Indianer sandte alsbald den Gästen Stücke gebratenen Fleisches und Maiskuchen.

Nach einiger Zeit erschien Amaqua wieder, begleitet von den ältesten Häuptlingen der Niederlassung, und machte dem Grafen mit ihnen seinen Besuch.

Die ernsten Indianer nahmen Platz auf den Stühlen, und nach schicklicher Pause begann Amaqua: »Der Häuptling der Dutchmen ist willkommen bei den Ottawas.«

Es zeigte sich bei diesen Begegnungen, daß auch er recht gut englisch sprach.

Edgar dankte ihm.

»Der Häuptling hat den weiten Weg nicht gescheut, mit seinen Begleitern hierher zu kommen, die Ottawas sind stolz auf seinen Besuch.«

»Viel, ihr Häuptlinge,« begann da Edgar, welcher seine Rede der Ausdrucksweise der Indianer anzupassen suchte, »habe ich in meiner fernen Heimat von dem großen Volke der Ottawas gehört, welches hier oben an den Seen wohne, und mein Herz trieb mich, es aufzusuchen und seine weisen Männer, seine tapferen Krieger kennen zu lernen.«

Die Indianer ließen ein beifälliges Gemurmel hören.

»Ich bin kein Inglis, kein Langmesser, sondern ein Dutchman, dessen Volk jenseits des großen Meeres wohnt und nie die Streitaxt gegen den roten Mann ausgegraben hat. Ich bin ein Häuptling in meinem Volke, und führe Krieger in die Schlacht, und komme in Freundschaft, um den großen Häuptlingen der Ottawas meine Achtung zu bezeigen.«

Wiederum beifälliges Gemurmel der Indianer.

Auf einen Wink Edgars brachten nun Heinrich und Michael die Geschenke herbei, welche für die Häuptlinge bestimmt waren.

Da war ein Fäßchen mit Pulver, ein Fäßchen mit Rum, einige schön verzierte Messer, mehrere kleine Spiegel, wollene Decken, Pulverhörner und reichlich grünes Tuch zu Jagdhemden. Von hübsch gearbeiteten silbernen Bechern gab er jedem der Häuptlinge einen.

Mit großem Wohlgefallen wurden die Geschenke von den Indianern entgegengenommen.

»Auch für die Ladies der Ottawahäuptlinge habe ich Dinge mitgebracht, welche ihnen wohl gefallen werden.« Und er entfaltete rotes Tuch, bunte Bänder, Ohrgehänge, Vorstecknadeln, Kattun.

Lächelnd sagte Amaqua: »Die Squaws der Ottawas werden den jungen Häuptling der Dutchmen in ihr Herz schließen. Doch die Ottawas sind arm, sie haben nichts, was sie dem weißen Bruder dagegen schenken könnten.«

»Ich bin zufrieden, Häuptling, wenn ich mir Eure Freundschaft gewinne, mehr begehre ich nicht.«

Die Indianer waren angenehm überrascht, und Amaqua stand auf, reichte Edgar die Hand und sagte: »Amaqua ist des jungen Dutchman Freund; was er tun kann, um sein Herz zu erfreuen, soll geschehen.«

Edgar hielt es für geraten, gerade auf sein Ziel loszugehen.

»Du hast schon im Fort Jackson gehört, Amaqua, was mich hierher führt. Sind deine Freundschaftsversicherungen nicht nur Worte ohne Inhalt, so hilf mir die Spur meiner Schwester und ihres Kindes aufzufinden, gib mir Gewißheit über ihr Schicksal, und wenn es auch noch so traurig war, ich werde deiner stets in Dankbarkeit gedenken und diese Geschenke reich vermehren. Ihr Ottawas habt von mir nichts zu fürchten, ich bin ein Deutscher und stehe amerikanischer Politik gänzlich fern. Ich gebe euch das Wort eines deutschen Häuptlings, daß nie mein Mund etwas mitteilen soll, was ihr verschwiegen wissen wollt. Nur Gewißheit will ich erlangen über meiner Schwester Schicksal.«

Ernst lauschten die Indianer seinen Worten. Dann sagte Amaqua in wohlwollendem Tone: »Der Häuptling der Deutschen ist ehrlich, er hat nur eine Zunge, er denkt, was er spricht. Die Langmesser sind seine Freunde, die Ottawas sind seine Freunde. Er sucht eine Schwester, welche die Ottawakrieger, als sie die Streitaxt gegen ihren großen Vater in Washington erhoben, geraubt haben sollen. Amaqua weiß nichts davon, diese Häuptlinge hier wissen nichts davon, niemand weiß etwas davon. Mein junger Bruder sage, wo wir ihre Spur suchen sollen, und die Ottawas werden sich aufmachen und ihm suchen helfen.«

Mit trauriger Miene entgegnete Edgar: »Da wären wir so weit wie bisher, Häuptling. Nicht daß ich in deine Worte Zweifel setze, ein Häuptling hat nur eine Zunge, und wenn er sagt: ich weiß nichts von der weißen Frau, so ist es so. Aber es leben gewiß noch Krieger, welche das Schicksal meiner Schwester kennen, wenn Amaqua diese befragen wollte, so wäre ich ihm sehr dankbar.«

Mit immer gleicher Höflichkeit entgegnete der Indianer: »Sie sind befragt, doch niemand entsinnt sich der weißen Frau. Mein Bruder frage selbst, und es soll Amaqua freuen, wenn die Antwort erwünscht lautet.«

Mit schmerzlicher Betroffenheit sah Edgar ein, daß seine Mittel versagten, die Indianer wollten oder durften nicht reden.

Mit leichtem Schritte trat Athoree ins Zimmer und grüßte die Häuptlinge mit einer Neigung des Hauptes.

Amaqua faßte ihn scharf ins Auge und fragte in der Ottawasprache: »Mein Bruder ist ein Wyandot?«

Höflich entgegnete Athoree in englischer Sprache: »Der Häuptling muß mit mir die Sprache der Inglis reden, wenn ich seine Worte vernehmen soll, oder in der Zunge der Wyandots, Athoree versteht nicht die Laute der Ottawas.«

Amaqua sagte freundlich in der Zunge der Engländer: »O, die Wyandots jenseits des Michigan sprechen oder verstehen gemeinhin die Sprache unsrer Brüder, der Saulteux, welche nahe bei ihren Dörfern wohnen. Sollte mein Bruder diese nicht verstehen?«

»Die Wyandots wohnen in den Kanadas, Häuptling, und weitab von den Saulteux. Zwar wissen wir, daß Männer unsres Volkes im Gebiete des großen Vaters in Washington leben, aber ich kenne sie nicht und nicht deine Brüder, die Saulteux, ich kann ihre Sprache nicht sprechen, sie nicht verstehen.«

»So müssen wir uns der Worte der Inglis bedienen, wenn wir den Wyandothäuptling an unsern Feuern willkommen heißen wollen,« sagte der Ottawa in verbindlicher Weise.

Dann erhob er sich: »Der Häuptling der Dutchmen ist willkommen bei den Ottawas, er sage, was er wünscht, und er wird es erhalten, wenn mir es geben können.«

Damit packten die Indianer ihre Geschenke auf und gingen hinaus.

Mädchen und Knaben standen harrend vor dem Hause, in welchem die Weißen wohnten, während die Männer sich würdevoll zurückhielten.

Die Geschenke Edgars bereiteten draußen viel Freude und gewannen ihm sofort die Herzen der Frauen.

»So bin ich meinem Ziele nicht einen Schritt nähergekommen,« sagte der Graf traurig, als die Indianer fort waren.

»Sind in den Dörfern der Ottawas, Gutherz, wollen schon Spur finden. Geben etwas Tücher, Kämme, Schmuck für alte Mutter, soll an Ottawasquaws schenken.«

»Nimm, Athoree, was dir gut dünkt, ich gäbe gern das Hundertfache und mehr für eine sichere Nachricht von meiner Schwester.«

Athoree nahm von den zu Geschenken bestimmten Gegenständen, verbarg sie unter der über seiner Schulter hängenden wollenen Decke und ging hinaus.

Nach einiger Zeit folgte ihm auch der Graf.

Er schlenderte, Heinrich hinter sich, langsam zwischen den Hütten umher, zwar folgten ihnen aufmerksame Blicke, aber keine zudringliche Neugier belästigte ihn. Männer saßen und lagen umher, manche grüßten ihn, andre starrten ihn wortlos an.