Za darmo

Verwehte Spuren

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Kitate hat nur eine Zunge. Möge der Häuptling des Forts sprechen, Kitates Ohr ist offen.«

»Ich muß wissen, Indianer, ob wir draußen in den Wäldern Krieg oder Frieden mit euch haben.«

»Kitate kam hierher, um dir zu sagen, daß nicht er, nicht die Ottawas verantwortlich sind für die Taten derer, die sich von ihnen losgesagt haben,«

»Nun, die Frage, wie weit du und die Deinen mit schuldig an den hier verübten grausigen Taten sind, wollen wir jetzt nicht erörtern, dies wird ja wohl die Untersuchung an den Tag bringen, und ich fürchte, der Galgen wird noch mehr zu tun bekommen. Jetzt will ich wissen, deutlich von dir wissen, ob deine Leute draußen unsre Freunde sind, oder ob wir Feindseligkeiten zu gewärtigen haben?«

»Peschewa hielt Frieden mit den Weißen, solange er Häuptling der Ottawas war, Kitate wird Frieden halten.«

»Schön. Und gehorchen dir deine Krieger, wenn du ihnen befiehlst, die Streitaxt zu begraben?«

»Alle Ottawas gehorchen Kitate. Er ihnen schon sagen durch seine jungen Männer, Frieden halten. Alle so tun. Nicht Stammlosen sagen, er nicht gehorchen, er nicht Ottawa.«

»Wenn du die Wahrheit redest, so hätten wir es also nur mit dem Auswurf zu tun, welcher sich da draußen herumtreibt.«

»Er entfliehen, denk‘ ich, weit, ‚er nicht kommen nach Fort,«

»Das will ich wohl glauben. So versicherst du also, Kitate, daß niemand von uns von deinen Leuten etwas zu fürchten hat? Bedenke wohl, was du sagst.«

»Nichts fürchten. Ottawa fürchten den weißen Mann. Kitate kommt friedlich hierher als Freund, und der Häuptling hält ihn gefangen und legt Eisen um seine Hände, das nicht freundlich.«

»Dich hier festzuhalten, Häuptling, ist eine Notwendigkeit, die ich nicht umgehen kann. Du mußt hier bleiben, bis ich Nachrichten aus der Bundeshauptstadt habe. Wenn du dir aber eine Einwirkung in friedlichem Sinn von deinen Gefährten hier auf dein Volk versprichst, sie haben ja unsrer Unterredung gelauscht und deren Inhalt auch wohl verstanden —«

»Gut verstehen.«

»So will ich sie entlassen, daß sie den Ottawas deinen Willen mitteilen.«

»Gut, Häuptlinge besser sprechen als junge Männer.«

»Und willst du mir dein Wort geben, das Fort nicht zu verlassen, so kannst du dich innerhalb der Wälle frei bewegen.«

»Kitate gibt dem Häuptling der Langmesser sein Wort, er wird das Fort nicht verlassen.«

»Es ist gut, ein Häuptling hält sein Wort, Kitate kann frei umhergehen. — Eines aber sage ich euch, wird gegen uns ein falsches Spiel getrieben, wird einem meiner Leute auch nur ein Haar gekrümmt, so wird Kitate unweigerlich hängen, das teilt den Ottawas mit, Blackwater ist der Mann, sein Wort zu halten. Diese Angelegenheit wäre also beendet. Sie sehen, Herr Graf,« wandte er sich an Edgar, »man hat einige Mühe, mit diesen indianischen Staatsmännern zu verkehren. Nun wollen mir Ihre Angelegenheit vornehmen. Höre einmal, Kitate, was wir als Häuptlinge miteinander zu beraten hatten, ist abgemacht, aber ich habe da noch etwas zu fragen, worauf eine Antwort zu erhalten mir und diesem Herrn hier sehr wichtig ist.«

»Mein Ohr ist offen, frage, Kitate wird antworten.«

»Dieser Herr hier ist kein Inglis, kein Langmesser, er ist der Häuptling eines fremden Volkes, er ist ein Dutchman.« So werden die Deutschen gemeinhin von den Amerikanern genannt.

Kitate neigte grüßend das Haupt und sah mit seinen klugen Augen Edgar aufmerksam an.

»Dieser Herr war auf dem Wege zu den Ottawas, um sie zu besuchen und ihren Häuptlingen Geschenke zu bringen, als die Stammlosen ihn zwangen, seinen Skalp hier im Fort in Sicherheit zu bringen und die für die Ottawas bestimmten Geschenke ihm raubten. Kitate, es wird gut für dich sein, wenn du uns das, was wir zu wissen wünschen, ehrlich mitteilst, und an Decken, Tüchern, Pulver, Messern wird kein Mangel sein, dieser deutsche Häuptling hat eine offene Hand. Auch liebt ihn der große Vater in Washington und wird es gerne hören, wenn die Ottawas freundlich gegen den jungen Häuptling sind.«

Aufmerksam hörte der Indianer zu.

»Was wünschest du zu wissen?«

»Als Leute deines Stammes vor drei Jahren über die Ansiedlungen am Manistee herfielen und unsre jungen Männer erschlugen, raubten sie eine junge Frau und einen Knaben —«

Die Indianer wechselten einen raschen verstohlenen Blick, welcher indes weder dem Kapitän noch Edgar entging.

»Und führten sie mit sich in die Wälder. Der Häuptling hier ist der Bruder der jungen Frau und er ist über das Meer gekommen, um sie zu suchen, da ein Vogel in sein Ohr gesungen hat, die Ottawas hielten sie gefangen. Was sagt Kitate?«

Die Gesichter der Indianer bewahrten einen düstern Ernst. Erst nach einiger Zeit nahm der Häuptling das Wort: »Die Ottawas haben viel hören müssen von der jungen Squaw und ihrem Kinde; sind viel nach beiden gefragt worden von den weißen Leuten. Es sind dieser Frau wegen Häuptlinge und Krieger getötet, die Langmesser haben sie aufgehängt am Halse, und die Ottawas weinen, wenn sie von ihr hören.«

Mit nicht geringer Aufregung lauschte Edgar den Worten des Indianers.

»Nimmer dachte Kitate, noch einmal nach der jungen Squaw befragt zu werden, nach welcher vor drei Sommern alle Weißen suchten. Kitate weiß nichts von der jungen Frau, kein Ottawa weiß etwas von ihr, niemand weiß etwas von ihr.«

»Höre, Häuptling, die Frau ist damals von euch entführt worden, daran ist ja gar kein Zweifel. Wir wollen nur wissen, ob sie noch lebt, wo sie lebt, oder wenn sie gestorben ist, wo ihre Gebeine ruhen?«

»Kitate hat zuerst aus dem Munde der Langmesser von dieser Frau gehört. Niemand weiß etwas von dieser Frau, die so viel Unheil über die Ottawas gebracht hat.«

Edgar wurde traurig zu Sinn, als dieser Versuch, Kunde von der Verschwundenen zu erlangen, so gänzlich fehlschlug.

Noch einmal nahm der Kapitän das Wort.

»Wenn Kitate zurückblicken will durch einige Sommer, so wird er eine schöne junge weiße Frau sehen mit ihrem blonden Knaben. Ihr Gesicht gleicht dem dieses Herrn, denn sie ist seine Schwester. Kitate sieht, wie die Ottawakrieger sie von dannen führen, in die Wälder — was sieht Kitate noch mehr?«

»Er sieht nichts,« entgegnete dieser ruhig.

»Wenn Kitate befürchtet, meine Frage sei die Vorläuferin neuer amtlicher Untersuchungen, wie sie vor drei Jahren stattfanden, so ist er im Irrtum, das ist abgetan, ich frage nicht als Häuptling dieses Forts, sondern nur als Freund dieses jungen Mannes. Er kam zu mir und sprach: ›Hilf mir die Schwester finden, ich will den Ottawas viel geben, wenn ich sie wiedersehe‹.«

Wiederum tauschten die Indianer einen schnellen Blick, aber mit eisiger Höflichkeit erklärte Kitate noch einmal, daß er keine Mitteilungen zu machen habe.

Edgars Hand berührte unabsichtlich seine Brusttasche und traf auf das kleine Bildwerk auf Holz, welches ihm der Konstabel noch am Muskegon eingehändigt hatte. Die Ereignisse und Aufregungen der letzten Tage hatten ihn nicht an diesen angeblichen Talisman denken lassen. Jetzt zog er es hervor, hielt es den Indianern entgegen und fragte: »Kennen die Häuptlinge dieses?«

In den starren Zügen der Indianer gab sich jähes Erstaunen kund. Kitate nahm die Figur in die Hand, betrachtete sie genau, zeigte sie den beiden andern, welche sie ebenfalls einer Untersuchung unterwarfen, und tauschte einige Worte in indianischer Sprache mit ihnen

»Wer gab meinem Bruder dies?«

»Ein Freund, Häuptling,« er hielt es nicht für geraten, den Konstabel zu nennen, »ein Freund gab es mir, weil er glaubte, es würde mich bei dem Ottawa-Volke empfehlen.«

»Es ist gut.«

»Sieh, Häuptling, ich bin weit her über das endlose Meer gekommen, um die Schwester zu suchen. Mein Volk und dein Volk haben nie Streit miteinander gehabt, sie wohnen zu weit auseinander. Kann ich die Schwester nicht mehr lebend finden, so will ich doch ihr Grab sehen, das ihre und das des kleinen Knaben. Kitate hat Kinder, wenn ihm eines verloren gegangen ist, wird er nicht dem dankbar sein, der ihm sagt, wo er es findet? Kitate soll es in mein Ohr flüstern, bei diesem Zeichen bitte ich ihn, mir zu sagen, ob die Schwester lebt, ob sie starb?«

Kitates Gesicht, welches einen Augenblick einen freundlichen Ausdruck angenommen hatte, war finster, als er wiederholte: »Kitate weiß nichts von der weißen Frau. Kitate hat nur eine Zunge, er hat gesprochen.«

»Es ist gut,« sagte Blackwater, »der Häuptling weiß nichts von dieses Herrn Schwester, sonst würde er es sagen. Aber vielleicht gibt es Leute im Ottawa-Volke, welche mehr wissen als der Häuptling, Leute, die am Manistee waren, während Kitate friedlich in seinen Dörfern weilte. Würde der Häuptling nicht gestatten, daß mein Freund zu den Niederlassungen der Ottawas ginge und dort nach seiner Schwester fragte?«

Kitate schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Der Dutchman ist willkommen an den Feuern der Ottawas.«

»So danke ich dir. Kitate mag sich das Fort der Langmesser betrachten, seine Freunde können, sobald es ihnen beliebt, ihre Büchsen nehmen und zu ihren Dörfern eilen.«

Er verabschiedete die Männer mit einer Handbewegung, diese verneigten sich mit vielem Anstande und gingen hinaus.

»Das ist eine seltsame Geschichte, Graf,« sagte er dann. »Diese Leute wissen unzweifelhaft genügend von Ihrer Schwester und deren herbem Schicksal: bemerkten Sie den Blick, welchen sie austauschten?«

»Ich bemerkte ihn wohl.«

»Unerklärlich ist mir, warum sie so schweigsam darüber sind. — Ob da eine Greueltat verübt ist und sie noch fürchten, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Von wem haben Sie denn das wunderliche Ding, welches so großen Eindruck auf die Kerls machte?«

Graf Edgar teilte ihm mit, wie er in den Besitz desselben gekommen sei.

 

»O, von unserm Konstabel? Ich bedaure jetzt, daß ich ihn nicht ebenfalls zu dieser Unterredung zugezogen habe, er kennt die indianische Natur doch noch besser als ich. Das Ding scheint ein kleines Götzenbild zu sein.«

Er schickte nach Weller, der auch alsobald erschien. Man gab ihm Kenntnis von dem Inhalt der Unterredung.

»Schade, daß ich nicht dabei war, Kapitän. Vermutet übrigens ganz recht, wissen die Roten ganz genau, was aus Lady Walther geworden ist, aber sie zum Reden zu bringen, scheint heute wie damals unmöglich zu sein.«

»Aber wenn wir die Frau ermitteln, Konstabel, welche Euch den Talisman gegeben hat?«

»Die alte Miskutake? Hm. Wie wollt Ihr die ermitteln?«

»Wenn ich es mit einiger Sicherheit tun könnte, würde ich nach den Dörfern der Ottawas eilen und keine Geschenke sparen, um endlich Klarheit in das so dunkle Schicksal meiner Schwester zu bringen.«

»Sicherheit? Wenn der Kitate Euch einen Geleitsbrief gibt, könnt Ihr ruhig hingehen, außerdem bürgt er ja mit seiner Person dafür, daß Euch kein Leid geschieht.«

»So gehe ich, Kapitän.«

»Wolltet Ihr es wagen?«

»Ja. Vielleicht lebt sie noch, in Gefangenschaft gehalten. Wenn sie nicht, vielleicht mein kleiner Neffe.«

»Fremder,« sagte der Konstabel, »macht Euch keine solche Hoffnungen. Lebte sie noch oder auch nur der Knabe, mir würden es längst wissen.«

»Dennoch will ich das Letzte noch versuchen.«

Es vergingen nach dieser Unterredung zwei weitere Tage, während ringsum die größte Ruhe herrschte.

Athoree hatte wiederholt in weiten Märschen die ganze Gegend abgestreift, ohne irgend etwas Verdächtiges bemerkt zu haben.

Für Kitate war ein indianischer Läufer angelangt und hatte ihm Botschaft gebracht, worauf er Blackwater noch einmal versicherte, daß kein Ottawa an Feindseligkeiten denke.

Edgar hatte persönlich den Häuptling um einen Geleitsbrief nach seinen heimatlichen Dörfern ersucht.

Lange hatte ihn dieser betrachtet, nachdem der Graf sein Anliegen vorgebracht, und endlich gesagt: »Du kein Yengeese, kein Inglis, du Dutchman — das gut. Du nach Schwester suchen — wirst du nicht finden. Will dir Kitates Zeichen geben, magst ruhig zu den Ottawas gehen, dir nichts tun. Du Schwester sehr lieben?«

»Ja, Häuptling, und daheim sitzt mein greiser Vater und beweint die Tochter.«

»Weiße Frau großes Unheil über Ottawa gebracht, viel Blut ihretwegen fließen,« setzte er finster hinzu.

Kitate, aus dem trotz flehentlicher Bitten und dem Angebot reicher Geschenke nichts andres herauszubringen war, als daß er von nichts wisse, fertigte mit Farbe und Pinsel den Geleitsbrief für Edgar aus.

Es waren einige wunderliche Zeichen, welche er auf ein Stück Haut malte und schließlich mit dem wohl ausgeführten Bilde eines Otter, seinem Namen, unterzeichnete.

Edgar kaufte aus den Vorräten des Forts Geschenke ein, ähnlich denen, welche er eingebüßt hatte, und erwarb das Pferd, auf welchem der Pottawatomie gekommen war.

Als er seinen Begleitern die Absicht eröffnete, die Ottawas aufzusuchen, erklärte sich zu seiner großen Freude Johnson sofort bereit, mit ihm zu ziehen, einen unerwarteten Widerstand aber fand er an dem Manne aus Leitrim.

»Euer Gnaden werden gütigst verzeihen,« stotterte der Ire hervor, als Antwort auf die Frage, ob er bereit sei, mitzugehen, »ich habe Euer Gnaden gewiß lieb und würde mich für Euer Gnaden totschlagen lassen, wenn es sein müßte, aber mit zu den Ottawas kann ich nicht gehen.«

»Und warum nicht, mein guter Michael?«

»Sehen Euer Gnaden, die Bursche lauern auf mich da draußen und wollen mich an den Marterpfahl, wie man es nennt, stellen und mich peinigen, wie nie ein Mensch gepeinigt worden ist.«

»Aber warum denn dich gerade, mein braver Bursche? Wir sind doch alle in gleicher Lage.«

»Nein,« flüsterte der Ire geheimnisvoll, »auf mich allein lauern sie, weil — weil ich — den Peschewa gefangen genommen habe.«

Der Graf lächelte.

»Wenn du das fürchtest, Michael,« sagte er gütig, »so muß ich natürlich auf deine Begleitung verzichten.«

»Ja, es ist so, Euer Gnaden.«

»Und woher weißt du denn, daß sie dir so abgeneigt sind?«

»Der Herr Konstabel hat es mir gesagt, ich darf mich nicht zum Fort hinaus trauen.«

Der Graf merkte nun freilich, daß Weller seinen Scherz mit dem biederen Sohn der grünen Insel getrieben hatte.

Da der Ire nicht umzustimmen schien und hartnäckig auf seiner Weigerung beharrte, belohnte ihn der Graf sehr reichlich für seine bisherigen Dienste und empfahl ihn dem Wohlwollen Blackwaters.

»Ei, der Bursche ist verrückt. Das ist ein schlechter Scherz des Konstabel,« meinte dieser.

Aber ob nun gleich er und selbst Weller auf ihn einredeten und letzterer sogar gestand, daß er nur Scherz mit ihm getrieben habe, der Mann aus Leitrim blieb dabei, daß die Ottawas es besonders auf ihn abgesehen hatten.

Da Weller auf die Abreise drang, auch Frances sich hinreichend erholt hatte, um den Weg an die Küste antreten zu können, und allem Anschein nach die Wälder sicher waren, vielleicht Gefahren ausgenommen, welche ihnen die Wegelagerer bereiten konnten, obgleich auch dies kaum wahrscheinlich war, so ordnete Blackwater die Abreise für den dritten Tag an.

Zwanzig Mann wurden abkommandiert, um unter der Führung eines Sergeanten die Tochter des Obersten nach den Ansiedlungen zu geleiten. Wellers väterlichem Schutze wurde Frances besonders anvertraut, der es übernahm, sie bis nach Traverse City zu bringen.

Für denselben Tag hatte Edgar seine Abreise bestimmt.

Am frühen Morgen standen die Soldaten bereit, ebenso des Grafen Begleiter mit dem bepackten Pferde, welches Heinrich führen sollte. Michael war nicht zu sehen.

Frances kam vom Grabe ihres Vaters zurück, wohin sie schon im Morgengrauen gegangen war und lange gebetet hatte.

Mit inniger Teilnahme verabschiedete sich Blackwater von ihr.

Als sie schon im Sattel saß, reichte sie Edgar nochmals die Hand.

»Wird Miß Schuyler eines fernen Freundes gedenken?«

»Sie wird ihn nicht vergessen.«

»›Treu bis zum Tode‹ ist der Wahlspruch meines Hauses.«

Frances ritt mit Weller, welcher in bester Stimmung war, davon, gefolgt von den Soldaten.

Lange sah ihr Edgar noch nach und flüsterte leise vor sich hin; »Treu bis zum Tode.«

Sein Abschied von den Offizieren und besonders von Blackwater war der herzlichste.

»Lassen Sie von sich hören, Herr Graf, Sie machen uns große Freude damit,« war Blackwaters letztes Wort.

Als der Zug eben zum Tore hinaus wollte, stürzte Michael hinter der Kaserne, von wo er den Abschied mitangesehen hatte, hervor, auf den Grafen zu und sagte mit vor Aufregung bebender Stimme: »Nein, ich kann Euer Gnaden nicht verlassen. Mögen mich die Schufte martern, so viel sie wollen, aber ich kann Euer Gnaden nicht allein lassen, ich müßte mich vor mir und ganz Leitrim schämen, wenn ich das täte. Wollen mich Euer Gnaden wieder annehmen und mir verzeihen?«

»Komm, mein guter Michael, wir wollen auch ferner Leid und Freud miteinander teilen.«

Der Ire schloß sich an und übernahm die Führung des Pferdes.

Athoree sagte zu ihm: »Starkhand doch guter Freund? He?«

»Ja, Indianer, ich hätte mich totgeschämt, weißt du, wenn ich Seine Gnaden allein hätte in die Gefahr rennen lassen, nein, da will ich denn doch noch lieber mit den schäbigen Hunden, diesen Ottawas, mich herumschlagen. Mag es kommen, wie es will.«

Bald verlor sich der Zug des Grafen im Walde. Ein letzter Blick Edgars noch auf das Fort, an welches ihn so viel blutige Erinnerungen knüpften, friedlich lag es jetzt im glänzenden Sonnenschein am Ufer des lieblichen Sees da, und dann folgte er den andern, entschlossen, nicht zu rasten, bis über das Schicksal der ihm so teuren Schwester Licht verbreitet sei.

Siebzehntes Kapitel. Bei den Ottawas

In schweigender Majestät umfing der düstere Urwald die kleine Karawane Edgars, welche mühevoll ihren Weg zu den Dörfern der Ottawas suchte.

Zwei anstrengende Tagemärsche lagen bereits hinter den Reisenden, und nach einer ruhig am Rande eines seichten Baches verbrachten Nacht strebten sie von neuem kräftig ihrem Ziele entgegen.

Der Weg war bisher ohne die geringste Störung zurückgelegt worden. Zwar hatte man keine der üblichen Vorsichten versäumt und Athoree oft den kleinen Zug spähend umkreist, doch ohne auch nur die geringste Spur zu finden, welche auf gegenwärtige oder frühere Anwesenheit von Menschen schließen ließe.

In tiefster Einsamkeit lagen die endlosen, eintönigen Wälder da, so jungfräulich, als ob sie eben aus der Hand ihres Schöpfers hervorgegangen wären.

Hie und da wurde ein scheues Wild flüchtig und brach durch die Büsche oder ein Eichhorn ließ einen pfeifenden Laut hören, sonst herrschte feierliche Stille.

Einmal hatte der Indianer das Schweigen durch den Knall seiner Büchse gestört und einen Bock erlegt, von dem die besseren Teile auf dem Saumroß mitgeführt wurden.

Michael, welcher am ersten Tag sehr still einhergeschritten war und mit peinlicher Aufmerksamkeit jeden Busch und Baum gemustert hatte, an dem sie vorüberzogen, dessen Ernst selbst am zweiten Marschtage noch nicht ganz schwinden wollte, hatte seine gute Laune bereits wieder gewonnen, und der leichtherzige Sohn Erins schritt so munter einher, als ob Skalpiermesser und Marterpfähle weit ab von seinem Wege lägen.

Man hatte unterwegs dem Shanty Johnsons einen Besuch abgestattet, dessen Eigentümer zu seiner Zufriedenheit noch alles in gutem Zustande und unverletzt vorgefunden hatte.

In gemessenem Tempo zogen sie durch den Wald und hofften am andern Abend das Hauptdorf der Ottawas zu erreichen.

Der Graf hatte Johnson und Athoree von dem Inhalt der Unterredung mit Kitate Kenntnis gegeben und ihnen auch das auffällige Benehmen der Indianer bei Erwähnung der geraubten weißen Frau geschildert.

»Nach allem, was Sie mir von den Aeußerungen und dem Verhalten der Indianer mitteilten,« hatte ihm Johnson entgegnet, »scheint nur eines klar, daß die Ottawas die harten Verfolgungen, welche sie nach ihrem so törichten Kriegszuge trafen, hauptsächlich dem Raube Ihrer Frau Schwester zuschrieben, daraus ergibt sich denn auch das hartnäckige Leugnen der ganzen Tatsache und das Schweigen über das endliche Schicksal der Vermißten. Ich möchte Sie bitten, Herr Graf, sich von unsern Nachforschungen nicht viel zu versprechen, obgleich man nicht wissen kann, wie schwer der Umstand hier in die Wage fällt, daß Sie nicht zu dem Volke gehören, welches seit Menschenaltern mit den Roten im Kampfe liegt und sie allmählich, aber unwiderstehlich aus seinen Wohnsitzen vertrieben hat.«

Athoree hatte sich ähnlich wie Johnson geäußert und nur hinzugefügt: »Denken großes Geheimnis hier. Wenn Schwester tot, Ottawa nichts fürchten. Tote nicht reden, wenn Papuse tot, ihm alles verschwinden, nicht Spur mehr finden, ganz verweht. Ottawa fürchten, Spur finden.«

Diese Andeutungen des klugen und kaltblütigen Indianers hatten neue und stürmische Hoffnungen in Edgar erregt, denn die Beweisführung Athorees ermangelte nicht der logischen Kraft. Es war einleuchtend, wenn Mutter und Kind längst zu den Toten gegangen waren, unter Umständen, welche eine Feststellung des Tatbestandes unendlich schwierig, ja unmöglich machten, was hatten die Ottawas von einer erneuten Untersuchung, von weiteren Nachforschungen zu fürchten?

Der Indianer hatte noch hinzugefügt: »Alte Miskutake aufsuchen, Totem zeigen, Totem gut. Schenken schöne Sachen — auch gut, Squaw gerne schmücken, lieben buntes Tuch, lieben Ohrgehänge und schönes Kleid.«

So zwischen erneuten Hoffnungen endlich Gewißheit über das Schicksal der Seinigen zu erlangen und der Befürchtung, trotz allen Mühen seine Nachforschungen vereitelt zu sehen, hin und her geworfen, hatte Graf Edgar den Weg zurückgelegt.

Außer der hie und da geübten Wachsamkeit Athorees beobachteten sie keine besonderen Vorsichtsmaßregeln, auch wurde eine gelegentliche Unterhaltung nicht in dem leisen Ton geführt, der auf unheildrohendem Boden geboten war.

Im Laufe des Gesprächs äußerte Heinrich: »Mich will es manchmal bedünken, der liebe Gott habe diese Landstrecken eigens für Leute mit rotbrauner Hautfarbe geschaffen, und Athoree erinnert mich an Seumes Kanadier, der Europas übertünchte Höflichkeit nicht kannte.«

»Und doch wirst du bemerkt haben, mit welchem Anstand und welcher schicklichen Ruhe dieser Kanadier, denn das wird er ja wohl sein, sich benimmt.«

 

»O gewiß, er hat sogar mitunter etwas Würdevolles an sich.«

»Und ein Krieger ist er, Heinrich.«

»Ein unbezweifelt tapferer Bursche, das muß wahr sein. Was mir aber am meisten an ihm gefallen hat, ist die Zärtlichkeit, welche er für seine Mutter hegt. Ich beobachte das so im stillen. Für gewöhnlich scheint er sich um die Alte gar nicht zu bekümmern, aber oft genug kommt er zurück und sieht nach, ob sie munter einhergeht, manchmal bringt er ihr Beeren, und abends sorgt er schon für einen guten Platz am Feuer und bereitet ihr sorgfältig das Lager.«

»Warum sollte der Wilde nicht ebenso für seine Mutter fühlen als wir?«

»Gewiß, ob ich es gleich nicht hinter ihnen gesucht hätte. Die Augen der Alten glänzen, wenn sie Athoree anblickt, und auf dem Marsche verlassen sie ihn kaum.«

»Es muß auch, was das Schicksal dieser beiden Menschen angeht, etwas Geheimnisvolles zu Grunde liegen, wie auch schon daraus hervorging, daß Athoree über seine Stammesangehörigkeit so verschwiegen war.«

Von Zeit zu Zeit gesellte sich der den Zug führende Athoree zu Michael, an dessen ursprünglichem Wesen und unverkennbarer Ehrlichkeit er Gefallen gefunden hatte.

Oftmals schritten sie nur schweigend nebeneinander her, vor allem in den ersten Tagen des Marsches, wo die Redseligkeit des Iren durch seine üble Laune und die gespannte Aufmerksamkeit, welche er der Umgebung widmete, im Zaume gehalten wurde. Heute aber war ihm mit der verbesserten Stimmung auch die Lust, sich mitzuteilen, wieder gekommen.

Als Athoree sein Herankommen erwartete und die Büchse im Arm neben ihm herschlenderte, äußerte der Irländer: »Weißt du, Athoree, ich bin es eigentlich herzlich überdrüssig, durch diese dunklen Wälder zu marschieren. Nichts als Busch und Baum, nichts als Baum und Busch, es wird langweilig.«

»Wald schön, ihn Manitou gemacht für roten Mann, er sollen darin jagen Hirsch und Elen.«

»Nun, es ist gewiß Geschmacksache, den einen erfreut ein Gericht Austern, den andern eine Schüssel mit Haferbrei, es kommt nur darauf an, daß es mundet. Mein Geschmack sind diese Wälder nicht, sie haben etwas verd— Tückisches an sich.«

»Starkhand sich fürchten in Wald?«

»Das will ich nicht sagen, aber unheimlich sind diese endlosen, düsteren Strecken.«

»Darum du nicht gern mitgehen, he?«

»Ich will dir nur zu verstehen geben, Indianer, daß ein Mann seine Gründe haben kann für dies oder jenes, und wenn ich nicht mitgehen wollte, so hatte ich auch meine Gründe.«

»Das gut, sagen Grund.«

»Gründe haben, mein guter Athoree, ist eines, und sie andern mitteilen, ein andres. Ich gebe aber prinzipiell keinen Grund an, verstehst du?«

»O, nicht gut, hören Grund gern.«

»Das glaube ich wohl, denn Gründe sind immer die Hauptsache, ob es gleich auch Leute gibt, welche gar keine haben.«

»Aber du haben Grund, he?«

»Das darfst du mir glauben, Michael O‘Donnel tut nichts ohne Grund.«

»Gut. Nun mir Grund sagen.«

»Jetzt laß mich mit allen Gründen zufrieden, ich will keine angeben; verstehst du, ich will nicht.«

»Das sehr guter Grund.«

Aergerlich ging Michael weiter.

Nach einer Weile fragte er: »Wie denkst du denn, daß uns die Leute, die wir aufsuchen gehen, empfangen werden?«

»Denken sehr gut. Ottawa guter Freund.«

»Na, mit der Freundschaft kann man mir vom Leibe bleiben, ich habe gerade genug davon. Aber du hast doch auch einige von ihnen um die Ecke gebracht,« fuhr er dann fort.

»Nicht verstehen. Ecke bringen, was meinen?«

»Nun, du hast einigen den Schädel eingeschlagen oder sie niedergeschossen.«

»Das so tun. Er kommen, schießen auf Athoree, der schießen wieder, so recht.«

»Natürlich ist es recht: was du nicht willst, das dir geschieht, das füg auch keinem andern zu. Weiter habe ich doch auch nichts getan, und der Herr Graf nicht und Johnson nicht, und der deutsche Jäger nicht, warum sollten sie mich denn gerade, wie Weller sagt, martern wollen und euch nicht auch?«

Der Indianer pfiff leise vor sich hin und warf einen Blick, der von innerer Heiterkeit zeugte, auf den Mann aus Leitrim.

Da er vollständig begriff, welches Spiel man mit dem guten tapferen Iren gespielt hatte, und nicht abgeneigt war, den harmlosen Michael zu necken, sagte er: »Jetzt wissen Grund.«

»Nun, und welchen?« fragte Michael hastig.

»Du großen Häuptling erschlagen, wir nur Krieger töten.«

»Also meinst du doch?« platzte Michael heraus, und fuhr dann in kläglichem Tone fort: »Warum nur mir der liebe Gott gerade diesen großen Häuptling in den Weg führen mußte! Ich bin hierher gegangen aus Liebe zu meinem Lord, obgleich mir der Konstabel alles vorher gesagt hatte. Als nun am ersten Tage nichts passierte und am zweiten nichts, so dachte ich wirklich, er hätte nur seinen Scherz mit mir getrieben — aber — du willst doch nicht auch deinen Spaß mit mir treiben?« unterbrach er sich plötzlich.

»Nicht scherzen,« sagte Athoree mit seinem ernstesten Gesicht.

»Du großer Krieger, Ottawa das wissen, nicht vergessen,« sagte nachdrucksvoll Athoree, und ging wieder an die Spitze des Zuges.

»Großer Krieger, danke dafür,« murmelte Michael. »Ich hätte jetzt die größte Lust auszureißen, wenn ich nur könnte. Verwünschte Geschichte. Na,« setzte er grimmig hinzu, »einigen breche ich vorher noch die Knochen entzwei, ehe sie an mich kommen,« und er schwang drohend seinen Stock.

Nach einiger Zeit verließen sie den dichteren Urwald und traten in eine von der Natur geschaffene Lichtung ein.

Athorees scharfe Augen, der Graf mit seinem Fernrohr durchforschten das Terrain, doch nichts bot sich dar, das ihre Aufmerksamkeit hätte erwecken oder gar ihre Besorgnis hätte wachrufen können.

Friedlich wie bisher setzten sie ihren Weg fort.

Der westliche Horizont hüllte sich bereits in feuriges Rot, weithin die leichten Wolken, welche am Himmel standen, mit Gold umsäumend. Die Natur schickte sich zum Schlafen an und auch unsre Reisenden dachten daran, sich eine geeignete Ruhestätte für die Nacht zu suchen.

Auf eine hierauf Bezug nehmende Frage des Grafen entgegnete Johnson, welcher allein den Weg kannte, den er wiederholentlich zurückgelegt hatte: »Wir wollen bis zum dichteren Wald gehen,« und er wies auf den unweit befindlichen dunklen Saum desselben, »dort finden mir einen geeigneten Platz, um für die Nacht zu lagern.«

Sie zogen weiter und trafen wenige hundert Schritt im Walde auf einen augenscheinlich künstlich angelegten Ringwall.

Durch den nach Osten zu gelegenen Eingang betraten sie den inneren Raum.

Der trotz des Dämmerlichtes deutlich erkennbare Wall war mit dichtem Buschwerk bestanden, sein Inneres aber, da er häufig streifenden Indianern zum Aufenthalt diente, von solchem gesäubert, wozu auch die Feuer, welche hier von Zeit zu Zeit angezündet wurden, das ihrige beigetragen haben mochten.

Inmitten des umwallten Raumes sprudelte ein frischer Quell, dessen Wasser seinen Weg durch den Ausgang suchte.

Trockenes Holz wurde herbeigeschafft und bald loderte ein helles Feuer empor.

Nachdem das Pferd seiner Last entledigt war, wurde es getränkt und dann von Michael draußen, wo es in dem süßen Waldgras reichliche Nahrung fand, an langer Leine angepflockt.

Die alte Sumach hatte den mit dem Wasser des Quells gefüllten Blechtopf ans Feuer gesetzt und beschäftigte sich dann mit dem Braten des Bockziemers.

Blechbecher und Maiskuchen wurden dem Gepäck entnommen, und während Michael, Johnson und Heinrich dürres Laub zu Lagerstätten herbeiholten, ward von der Indianerin die Abendmahlzeit bereitet.

Mit großer Aufmerksamkeit hatte währenddes, beim hellen Scheine des Feuers, Graf Edgar den Wall untersucht und zu seinem nicht geringen Erstaunen Reste von Mauerwerk, wie zahlreiche Scherben von gebrannten Tongefäßen gefunden.

Nach dem einfachen aber reichlichen Mahle, dessen Würze in einem Becher guten Kaffees bestand, zündeten die Männer ihre Pfeifen an und streckten sich am Feuer aus, während Sumach die Geschirre im Wasser des Quells reinigte.