Za darmo

Verwehte Spuren

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Bereits begann der Qualm die im oberen Stock Befindlichen zu belästigen.

Bei alledem herrschte im Fort eine unheimliche Stille.

Schon erschwerte auch der Rauch das Zielen durch die Schießscharten.

Michael nahm, während Heinrich die Spritze bediente, einen Eimer und goß Wasser durch die Oeffnungen im untern Raume, was nur den Erfolg hatte, daß der Rauch dunkler und stärker wurde.

Der Oberst rief Johnson herunter und bat ihn, den Schlauch zu führen, und begab sich hinauf.

Das Atmen war oben bereits erschwert, während die Luft im Erdgeschoß noch erträglich war.

Der Oberst suchte Frances auf.

Sie saß wie vorher mit der alten Sumach in der Ecke des Zimmers.

Er richtete tröstende Worte an sie und blickte dann forschend um sich, das Gemach hatte eine dünne Bretterdecke, und über dieser erhob sich, spitz anlaufend, unmittelbar das Dach. Er rief den Konstabel an.

»Wir müssen dem Rauch einen Abzug verschaffen, Mister Weller.«

»Ganz wohl, Sir,« hustete dieser, »müssen gesegnete Luft haben oder bald an den großen Abzug denken.«

Weller nahm eine Axt und beide begaben sich hinauf bis unter das Dach.

Die Rückwand des Hauses lag dicht am Wall, und hierher hatte sich noch keiner von den Feinden getraut, sie hätten hier den Kugeln der Belagerer ohne Deckung gegenübergestanden, wenn sie nicht unter dem Schutz der Pallisaden von außen angriffen.

Weller hieb geschickt und schnell ein Loch in die Bretterlage, welche dem darunter befindlichen Zimmer als Decke diente, und öffnete eine im Dach befindliche Luke.

Dies hatte Wirkung, denn der Rauch zog augenblicklich ab.

Ein gleiches tat der Konstabel dann über dem Raum, von welchem die Verteidiger aus den Feind bekämpft hatten.

Das erleichterte das Atmen merklich. Vergeblich aber schien es, des Feuers Herr werden zu wollen, bei der Nahrung, welche ihm unaufhörlich zugeführt wurde.

Man leitete den Schlauch in den oberen Stock und versuchte es von dort aus, die sich vergrößernde Glut zu löschen; es zeigte sich, daß es von hier aus noch schwieriger war, dem Feuer beizukommen, als von unten.

Der Dampf wurde dichter und die Glut stärker.

Schon züngelten die Flammen am Hause empor, welches glücklicherweise aus so massiven Eichenbalken aufgeblockt war, daß diese sehr schwer Feuer fingen.

Die Indianer, welche das offene Tor unter den Kugeln aus dem Sergeantenhause nicht passieren konnten, hatten unter der Führung ihrer weißen Verbündeten zwei Pallisaden ausgehoben, und gelangten so in den Graben, ohne sich dem feindlichen Feuer auszusetzen.

Es war ihnen nicht entgangen, daß man dem Rauch im Sergeantenhause einen Abzug durch das Dach zu verschaffen gewußt hatte.

Einige gewandte Ottawas begaben sich im Graben dahin, wo die Rückseite des Hauses sich dem Wall näherte, erkletterten auf den Bäumen, welche sie in der Nacht herbeigeschleppt hatten, wie schon früher, die Pallisaden, bemerkten die Luke und wenige Minuten nachher sausten Feuerbrände, hinter den hölzernen Brustwehren hervorgeschleudert, auf das Dach, von denen zwei durch die Luke auf den Bretterboden fielen, während die andern vom Dach abglitten. Dies wurde von den Belagerten nicht gleich bemerkt, da sie vollauf durch das Feuer draußen in Anspruch genommen waren.

In dem nach dem Wall zu gelegenen Zimmer, in welchem die Verwundeten weilten, war die Luft noch am erträglichsten, obgleich auch hier der Dunst sich bereits belästigend bemerkbar machte.

Es war ein Glück, daß der immer dichter werdende Rauch die Feinde verhinderte, Kugeln durch die Schießscharten des Hauses zu senden, was bei dem Hin- und Hergehen der Männer, wobei sie alle Vorsicht außer acht lassen mußten, leicht gefährlich werden konnte.

Die energischsten Anstrengungen, des Feuers Herr zu werden, erwiesen sich als vergeblich, und der Eingeschlossenen bemächtigte sich eine sich steigernde Verzweiflung.

»Ich fürchte, Heinrich,« sagte Graf Edgar traurig zu seinem treuen Begleiter, »ich fürchte, unsre Stunde ist gekommen.«

»Ich fürchte es auch,« entgegnete dieser und atmete schwer, fuhr aber dann mit einem Ausdruck, in welchem sich wilde Entschlossenheit mit der Verzweiflung paarte, fort: »Aber ehe wir uns in diesem Hause ersticken oder verbrennen lassen, lieber hinaus, Herr Graf, und bis zum letzten Atemzuge gekämpft.«

»So denke ich auch,« sagte dieser, »müssen wir sterben, soll es kämpfend geschehen.«

Oberst Schuyler führte Frances die Treppe herunter, oben war im Dampfe nicht mehr zu atmen.

Durch die Luke hatten noch mehr Feuerbrände ihren Weg auf den Bodenraum gefunden und diese endlich die Decke entzündet. Zwar waren die Brände wie die Dielen rasch gelöscht worden, als man die Gefahr endlich bemerkte, doch hatte gerade dies einen starken Qualm auf dem Boden verbreitet, der den Abzug von unten hinderte.

Auch Sumach kam herab und ihr folgten Athoree und der Konstabel.

Der Oberst, der bleich aussah und dessen Augen unaufhörlich zu seinem Kinde hinirrten — Frances hatte sich an die Wand gelehnt —, winkte die Männer zusammen.

»Es ist das Ende, Freunde, Gott hat uns verlassen. Wir haben nur die Wahl, hier zu sterben oder draußen einen raschen Tod zu suchen,« sagte er langsam. »Die letzte Stunde ist da.«

Es herrschte eine Stille in dem Halbdunkeln, durch den Rauch noch mehr verdüsterten Raum, welche nur durch das unheimliche Knistern des brennenden Holzes unterbrochen wurde. Todesstimmung lagerte auf der kleinen Schar, der nur die Wahl blieb, hier oder draußen von diesem Leben zu scheiden. Sie blickten sich schweigend an mit tiefem, traurigem Ernste. Sekunden nur dauerte das Schweigen und wohl eine Welt von Gefühlen mochte in jeder Brust lebendig sein.

Da sagte der Konstabel mit rauher Stimme: »Will nicht ersticken hier, Oberst, wie ein Fuchs im Bau, will hinaus.« Selbst jetzt gedachte der Mann seiner Amtspflichten und fügte unwillig hinzu: »Daß mir die Schurken so entkommen müssen!«

»Ja, wenn Euer Gnaden meinen,« ließ Michael sich vernehmen und kratzte sich den buschigen Kopf, »dann wollen wir in Gottes Namen drauf los, hier geht‘s nicht länger mehr.«

Mit Festigkeit erklärten sich Heinrich und der Graf zum letzten Verzweiflungskampfe bereit.

Johnson gab ruhig seine Zustimmung. Athoree hatte mit seiner Mutter geflüstert: »Die alte Frau wird sich tief niederbeugen, daß keine Kugel sie trifft. Die Ottawas werden ihr nichts Schlimmes zufügen. Sumach wird auf die weiße Rose achten und später für eines Häuptlings Grab Sorge tragen. Sumach wird dann zu den Wyandots gehen und sagen, wie Athoree gestorben ist. Sie werden die alte Frau pflegen,« lauteten seine Worte.

Sumach hielt, während er ihr so zuflüsterte, ihre Schürze vor die Augen und erwiderte kein Wort.

Stärker wurde der Rauch, stärker das unheimliche Knistern. Die Balken hatten endlich Feuer gefangen.

Der Oberst war zu den Verwundeten gegangen, um denen mitzuteilen, daß das Ende sich nahe und welchen Entschluß sie gefaßt hatten.

Der Sergeant lag wie bisher bewußtlos im heftigen Wundfieber da.

Seine Frau erklärte ruhig, ihn nicht verlassen zu wollen.

»Wo er ist, bleibe ich, Herr Oberst.«

Der Oberst reichte Sounders die Hand.

»Lassen Sie mich ruhig liegen, hier oder dort enden, es ist gleichviel,« kam es finster, aber gefaßt über seine Lippen.

Der Oberst ging hinaus, die Männer standen zum letzten Kampf bereit an der Türe, Frances lehnte nach wie vor an der Wand.

Fest schloß der Oberst sein Kind an die Brust und flüsterte ihr zu: »Auf Wiedersehen droben.«

»Oeffnen Sie die Tür, Michael!« kommandierte er dann mit fester Stimme.

Michael, seinen Stock neben sich, begann die Befestigungen zu lösen. Athoree wollte zur Türe treten, um der erste zu sein, welcher hinausstürzte; mit strenger Gebärde wies ihn der Oberst hinweg.

»Zurück, Indianer, wo Gefahr ist, geht Oberst Schuyler voran!«

Der Wyandot trat zurück.

Die Tür war von allen Hemmnissen, die sich ihrem Oeffnen entgegenstellten, befreit, der Schlüssel umgedreht.

»Oeffne! Vorwärts!« und die kleine, todbereite Schar stürzte durch Flammen und Rauch ins Freie.

Ein Geheul, als wenn zehntausend Teufel brüllten, erhob sich, Schüsse krachten hier und dort, von allen Seiten eilten mit wilden Sprüngen die Indianer herbei.

Der Oberst stürzte, von drei Kugeln getroffen, auf das Angesicht. Der herzerschütternde Schrei seines Kindes verhallte in dem Toben; aber achtlos einen kleinen Dolch fallen lassend, den sie in der Hand hielt, stürzte sie hinaus und fiel auf der Leiche des Vaters nieder.

Einen Moment bildeten Angegriffene und Angreifer einen verworrenen Knäuel.

Trommelwirbel — eine dröhnende Befehlshaberstimme: »Feuer!« und vom Eingang knatterten die Musketen der amerikanischen Truppen.

Wie aus Stein gehauen stand alles da.

»Feuer!«

Und zum zweitenmal krachte eine Salve.

»Fällt das Gewehr! Stoßt alle Roten nieder!« Und eine geschlossene Reihe von Staatentruppen, welchen andre durch das Tor nachdrängten, rückten mit der von den Indianern so gefürchteten Waffe vor.

So stürmisch und wild die Indianer beim Angriff gelegentlich sind, so groß ist ihre Furcht bei einer Ueberraschung wie die gegenwärtige.

Mehr als zwanzig ihrer Leute wälzten sich schon tot oder verwundet am Boden, die andern stürzten hinter die Häuser nach dem Wall, um durch dessen Lücke zu entkommen.

Die Büchsen von Edgar, Heinrich, Johnson, dem Konstabel und Athoree entluden sich; jede Kugel fand ihr Opfer.

Athoree warf die Büchse fort, und die Streitaxt von der Seite reißend, sprang er mit dem Schlachtruf seines Volkes einem flüchtigen Ottawa nach.

 

Der Konstabel hatte gleichfalls die entladene Schußwaffe fallen lassen und seinen Dienstsäbel gezogen.

Morris, als er diesen Ausgang der Sache sah, rief seinen Genossen zu, die sich wie er mehr im Hintergrunde gehalten hatten: »Zu den Kanoes!« und sprang, von ihnen gefolgt, zur Wasserpforte, riß den Riegel auf, sprang hinaus, und die Axt, welche er im letzten Augenblicke ergriffen hatte, zertrümmerte mit gewaltigem Schlage die Befestigung des Sperrbalkens. Morris und Iltis sprangen in das vorderste Kanoe, Tyron, nach welchem sie sich einen Augenblick umsahen, fehlte, und ruderten in Todesangst in den See hinaus. Einige Indianer, welche ihnen nachgeeilt waren, folgten in den nächsten Booten.

Tyron hatte den beiden andern nacheilen wollen, als ihn der Säbel des grimmigen Konstabel traf. Er taumelte, schnell folgte der zweite Hieb — Tyron stürzte und ein Stich brachte ihm die Todeswunde bei.

»Daß der Schurke von der Hand eines ehrlichen Mannes sterben muß!« knurrte der Konstabel. Dabei sah er sich nach den andern um und lief, als er sie nicht gewahrte, auf den Wall nach der Seeseite zu.

Heinrichs Büchse krachte drei-, viermal. Der Graf aber hatte sich, nachdem er geschossen, dem Oberst und der ohnmächtigen Frances zugewendet.

Johnson war nach dem Hause zurückgekehrt, hatte im Zimmer ein Fenster geöffnet, um frische Luft einzulassen, dann auf seinen starken Armen den Leutnant ins Freie getragen und gleich darauf den Sergeanten, der immerfort »Hurra!« und »Drauf!« schrie, im Kasernenhaus niedergelegt.

Den wildesten Kampf hatte aber Michael bestanden, der mit einem riesenhaften, gräßlich bemalten Indianer gleich anfangs ins Handgemenge geraten war. Dieser hatte nach ihm geschossen, aber die Kugel war ihm am Haupte vorbeigeflogen, und der wütende Ire stürzte nun mit seinem Stock auf jenen zu. Der Indianer griff zur Axt und machte einige wilde Sprünge hin und her, um dem Iren einen Schlag beizubringen, aber Michael, der Mann aus Leitrim, war ebenso gewandt als stark, und wo der schnelle Wilde sich hinwandte, bedrohte ihn des Irländers Stock. Da schleuderte der Indianer das kleine Beil nach Michaels Haupt, aber dieser wich der Waffe aus und im selben Augenblick zerschmetterte sein Stock des Indianers linke Schulter. Dieser stand mit schmerzverzerrtem Gesicht und zog nun mit einem Wutschrei das Messer; aber mit dem verblüffenden Trommelwirbel zugleich traf Michaels Stock die Hand, das Messer fiel nieder. Der Indianer wandte sich zur Flucht, aber der unermüdliche Shillalah erreichte noch seinen Rücken, so daß er niederstürzte. Gleich lag der Ire auf ihm und faßte seine Arme. »Du willst andre ehrliche Leute verbrennen und ihnen die Kopfhaut abziehen, du roter Teufel du? Dir wird Michael O‘Donnel zeigen, wie man in Leitrim mit solchem Gesindel umgeht. O warte nur.«

Der Konstabel, der auf dem Wall mit wahrer Verzweiflung gesehen hatte, daß seine langgesuchten Opfer entflohen, rief einige Soldaten an, welche auch dem Boote nachfeuerten. In den Kanoes, welche Indianer trugen, schlugen die Kugeln wahrnehmbar ein, Morris und Iltis aber erreichten unverletzt das westliche Ufer des Sees und verschwanden gleich darauf im Walde.

Drohend streckte ihnen der Konstabel die Faust nach: »Ich hole euch ein!«

Diese Vorgänge hatten von dem Augenblicke an, wo die Männer aus dem brennenden Hause stürzten, bis jetzt, wo außer drei Gefangenen, zu denen der gehörte, welchen Michael gemacht hatte, kein lebender Indianer mehr im Fort weilte, viel weniger Zeit in Anspruch genommen, als wir brauchten, um sie zu schildern.

Athoree, welcher drei Ottawas mit seinem Tomahawk getötet hatte, wäre seiner roten Hautfarbe wegen fast ein Opfer der Wut der Soldaten geworden, wenn sich nicht Heinrich rasch entschlossen vor ihn gestellt und Johnson, welcher es glücklicherweise bemerkt, ihnen zugerufen hätte, er sei ein Freund. Die tiefe Stimme Kapitän Blackwaters, eines untersetzten, breitschultrigen Offiziers, rief dem Hornisten zu: »Blas zum Sammeln!«

Die Soldaten traten rasch in Reih‘ und Glied. Es fand sich, daß nur fünf verwundet waren, gefallen war keiner.

Jetzt warf er seinen Blick in die Runde. Ringsum sterbende oder tote Indianer, hinten das brennende Haus und diese ergreifende Gruppe vor demselben? »Wer ist der Offizier, dessen bleiches Haupt an der Brust der jungen Dame ruht? Doch nicht—?« Rasch ging Blackwater darauf los. »Mein Gott, mein guter, tapferer Oberst!« Man hörte es an dem Tone, daß der rauhe Krieger ergriffen war: »O, meine arme Miß Frances, welches Unglück!«

Das Mädchen saß bewegungslos, die Arme um des Vaters Leiche geschlungen, die Augen starr auf sein noch im Tode würdig schönes Angesicht geheftet, dessen Ausdruck ein durchaus friedlicher war, da.

Sie antwortete nicht, hörte auch wohl nicht, was Blackwater sagte.

»Welches Geschick! Welches Geschick!« Er stand eine Weile stumm, dann wandte er sich an Edgar, der neben Frances stand.

»Sind Sie vielleicht der tapfre deutsche Herr, der dieses Fort verteidigt hat?«

»Ja, Herr, preußischer Premierleutnant Graf Bender.«

»Geben Sie mir die Hand, mein tapferer Kamerad. Dort der Verstorbene hatte Sie mir schon empfohlen und unser Pottawatomie mir alles berichtet, was Sie hier getan haben. Ihnen und Ihrem Kanonenfeuer danken wir es, daß mir noch leben.« Mit warmer Herzlichkeit schüttelte er ihm die Rechte.

»Sie kamen zu rechter Zeit, Herr Kapitän.«

»Leider nicht früh genug, um unsern tapfern Oberst zu retten.« — Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und fuhr dann fort: »Die wiederholten Kanonenschüsse hatten mich stutzig gemacht, ob ich gleich an nichts Arges dachte, denken konnte; dennoch marschierte ich sofort, als der erste fernher klingende Donner zu meinen Ohren drang, in Schlachtordnung. Das rettete uns vor Vernichtung, denn im dichten Walde plötzlich, unahnend jeder Gefahr, überfallen, wären wir rettungslos verloren gewesen. Wir wurden angegriffen, heftig, und nach tapferer Gegenwehr und großen Verlusten, ich verlor den dritten Teil meiner Leute, mußte ich zurückgehen, was in Ordnung geschah. Ich besetzte einen sich darbietenden Hügel, welcher geschlossene Verteidigung erlaubte, und bald ließ der Feind von uns ab und verschwand. Ich war ratlos. Ueberfallen von Indianern im tiefsten Frieden? Die Nacht über verharrte ich in meiner Position. Noch im Laufe dieser erreichte mich der Pottawatomie und gab mir von all den ungeheuerlichen Vorgängen hier Kunde. Er entfernte sich, um die auf dem Marsche nach Fort Jefferson begriffene Kolonne aufzusuchen. Ich ließ den Führer derselben, Kapitän Percy, auffordern, sofort auf Fort Jackson zu marschieren. Das Glück, der Zufall, die Vorsehung wollten es, daß diese Abteilung den Weg nach Fort Jefferson verfehlt hatte und dem Chippeway-See viel näher war, als sie glaubte. Dies allein ermöglichte es uns, noch in letzter Minute einzutreffen. Leider zu spät, um dieses teure Leben retten zu können. Mein armer, armer Oberst, so unter der Hand dieser Schurken zu fallen. Der vornehmste, gelassenste und zugleich tapferste Offizier, den wir in der Armee hatten, Herr!«

Auf Befehl des andern Kapitäns, der jetzt zu Edgar herankam und sich mit ihm bekannt machte, hatten die Soldaten sofort begonnen, das Feuer zu löschen, was ihnen, dank dem kernigen Holze, welches dem Feuer Widerstand leistete, mit Hilfe einiger Eimer und des reichlich fließenden Brunnens auch binnen kurzer Frist gelungen war.

Das Sergeantenhaus rauchte nur noch. Blackwater begab sich zu den beiden Verwundeten, die ihm von früher bekannt waren, in die Kaserne.

»Das war dem Tode entlaufen, Sounders, he?«

»Er war nahe genug, Kapitän.«

»Hm,« brummte dieser, »ob die Kugel eine Meile weit vorbeifliegt oder einen Zoll, gleichgültig. Wie befindet Ihr Euch, Leutnant?«

»Meine Wunden sind nicht schwer, ich hoffe, in vierzehn Tagen wieder Dienst tun zu können.«

»Der Chirurg soll gleich nach euch beiden sehen, er ist noch draußen, denn Mister Baker ist kein Freund von Kugelregen. — Und unser Oberst, Sounders?«

»Er ist gestorben, Sir, wie ein Held, indem er mit seiner Brust die andern schützte.«

Blackwater nickte.

»Es war ein Mann. — Ach, das arme Mädchen! — Nun, Mistreß Wood,« wandte er sich an diese, »Ihren Alten flicken wir auch wieder zusammen. Sie ist eine alte Soldatenfrau und wird ihn schon wieder auf die Beine bringen,«

»Ich hoffe es, Herr; Gott hat uns wunderbar erhalten.«

»Halten Sie sich wacker, Sounders, es soll rasch für Euer Unterkommen Sorge getragen werden.«

Heraustretend befahl er: »Schafft mir die Kadaver der roten Hunde hinaus und scharrt sie draußen irgendwo ein.«

Sein Blick fiel jetzt auf den Gefangenen, den Michael gebunden hatte und unter strenger Aufsicht hielt.

Der bemalte Krieger saß finster am Boden.

»Wen haben wir denn da?«

»Dieser Bursche ist mein Gefangener, Euer Gnaden. Er wollte mir zu Leibe, Herr, aber mein Shillalah hat ihm das Fest verdorben.«

»So, mein guter Bursche, dein irländischer Kampfstock hat diesen roten Helden besiegt? Brav, mein Junge, brav. Wie heißt du denn, Mann?« wandte er sich an den Indianer.

Dieser würdigte ihn weder eines Blickes noch einer Antwort.

»Es ist Peschewa selbst, Herr,« sagte Johnson, der dabei stand.

»O, wir haben den Helden dieser Mordkomödie in Händen? Gut, Peschewa, wir werden mit dir abrechnen,« setzte er finster hinzu.

Er rief einen Sergeanten an: »Nehmen Sie hier diesem Mann den Gefangenen ab. Verwahren Sie ihn mit den beiden andern, aber sicher, rate ich. Der Chirurg soll auch nach seinen Wunden sehen, wir wollen ihn möglichst ganz in die Hölle schicken.«

Die Soldaten führten den Ottawahäuptling fort und schlossen ihn mit den beiden andern Gefangenen ein.

Blackwater ließ ein Lager für die Leiche des Obersten in einem Parterrezimmer des Offiziershauses herrichten.

Frances saß immer noch stumm und nichts um sich her beachtend am Boden. Des Obersten Haupt ruhte auf ihrem Schoße.

»Miß Schuyler,« wandte sich Blackwater an sie, »wir wollen unsern tapfern Obersten dort im Hause betten, bis wir ihn der Mutter Erde übergeben. Seien Sie stark. Miß Frances, wie die Tochter eines solchen Vaters es sein muß.«

Sie neigte langsam das Haupt.

Blackwater, Edgar, Johnson und Heinrich hoben den Leichnam auf und trugen ihn nach dem Hause, wo sie ihn auf das für ihn bereitete letzte Ruhelager niederlegten.

Sounders und den Sergeanten hatte man wieder in ihr Zimmer gebracht, welches ganz unversehrt geblieben war, und die Sergeantin hatte bereits im oberen Stock ein Heim für des Obersten Tochter hergerichtet.

Das Feuer hatte an der Vorder- und Seitenfront des Hauses nur wenig Schaden angerichtet, die andern Seiten mit den daran liegenden kleinen Zimmern waren ganz unversehrt und auch vom Wasser verschont geblieben. Willenlos ließ sich Frances von Mistreß Wood dorthin führen und setzte sich schweigend an den Tisch, das Haupt mit der Hand stützend. Die alte Sumach schlich zu ihr, kauerte sich ihr gegenüber nieder und verharrte ebenso schweigend, wie davon seinem Schmerz betäubte Mädchen.

Unter der Offiziere Aufsicht und der energischen Tätigkeit der Soldaten waren nicht nur die Leichen der Indianer entfernt worden, sondern auch viele Hände in Tätigkeit, um Kaserne und Kommandantenhaus in einen Zustand zu versetzen, der ein Unterbringen der Mannschaften und Offiziere für die Nacht erlaubte.

Die Geschütze wurden geladen, die Boote gesichert, Wachen ausgestellt, die ausgehobenen Pallisaden wieder an ihrer Stelle befestigt, kurz, das Fort in verteidigungsfähigen Zustand gesetzt.

Dann endlich zündeten die Soldaten Feuer an, lagerten und stärkten sich an dem, was das Proviantmagazin des Forts aufweisen konnte.

Blackwater hatte sich zu Edgar gesellt und von diesem einen ausführlichen Bericht über alle Ereignisse empfangen, deren Schauplatz das Fort in den letzten Tagen gewesen war.

Die Sergeantin hatte sich mit der Energie einer an den Krieg und seine Wechselfälle gewöhnten Soldatenfrau von der ausgestandenen Todesangst rasch erholt und war eifrig beschäftigt, für die Offiziere Speise und Trank herbeizuschaffen und mit ihnen den Tisch neben dem Kommandantenhause zu bedecken, der denn auch bald die Offiziere, zwischen denen auf Einladung Blackwaters auch Edgar Platz genommen hatte, um sich vereinigte.

Hier wurden noch einmal die Vorgänge der letzten Tage besprochen, und Edgars, des tapferen preußischen Kameraden, Verhalten unter so schwierigen Umständen, wie das seiner Begleiter, von den Amerikanern ehrend anerkannt.

 

»Sie haben nun einmal den irregulären Krieg an der Indianergrenze kennen gelernt, Herr Graf, als Ergänzung Ihrer Kriegserfahrungen in Frankreich. Welch blutige Tage für dieses kleine Fort.«

Edgar ging der Tod Schuylers, dessen Persönlichkeit ihm unendlich sympathisch gewesen war, sehr nahe, und mit Schmerz erfüllte ihn das tiefe Leid, welches Frances betroffen hatte. Er saß ernst und traurig zwischen den amerikanischen Offizieren.

Es ist nichts Kleines, auch für den tapferen und kriegsgewohnten Soldaten, in den sicheren Tod zu stürmen oder ihn in einer schrecklichen Gestalt zu erwarten.

Der preußische Offizier war in die sich überstürzenden blutigen Ereignisse der letzten Tage widerstandslos hineingerissen worden.

Als mutiger, entschlossener Krieger zu kämpfen, entsprach seiner Natur, denn er war ein tapferer Soldat, aber die letzte Stunde des verzweiflungsvollen Ringens in dem kleinen Blockhause lag wie eine Wolke auf seinem Geiste.

Nicht die Todesgefahr an und für sich war es, die ihn während des Kampfes beben machte, oder jetzt noch in ihm nachwirkte, nein, die schreckenvollen Vorstellungen von dem grausigen Schicksal, welches das anmutvolle Mädchen erwartete, sobald sie in die Hand der Wilden fiel, waren es vor allem, welche noch jetzt lähmend auf sein Denken wirkten. Daß Frances den Dolch bereit gehalten, um nicht lebend in die Hand dieser Feinde zu fallen, war ihm nicht bekannt; die Ausführung dieses Entschlusses hatte nur der jähe Tod des Obersten verhindert. Als sie ihn stürzen sah, vergaß das Mädchen alles um sich her und warf sich, unwiderstehlichem Antrieb folgend, schützend über den Vater, leider nur, um von seinem letzten Atemzuge berührt zu werden.

Daß diese Greuelscenen, in welche eine solch jugendlich ideale Erscheinung wie Miß Schuyler hineingerissen war, auch die Erinnerung an die Schwester und deren grausiges Schicksal wachrief, war natürlich genug und diente nicht dazu, den düsteren Ernst seiner Stimmung zu mindern. Auch sie war einst von den sonnigen Höhen des Lebens bis zu den Schrecken eines Indianerkrieges herabgesunken und hatte ihren Tod — wo gefunden? Und der zarte Knabe, welchem sie das Leben gegeben hatte? War auch er ein Raub des Todes geworden?

Alle diese Vorstellungen hatten sich in seinem Geist gebildet und durchkreuzt, als nach dem letzten Kampfe Ruhe eingetreten war.

Sehr ernst entgegnete er dem Kapitän: »Ich habe den Krieg kennen gelernt auf blutigen Schlachtfeldern, aber es war ein Ringen im offenen Felde mit einem ebenbürtigen tapferen Gegner. Diese Kriegsführung von seiten der erbarmungslosen Wilden hat etwas Grausiges an sich und entfernt sich weit von der Kampfesart ritterlicher Nationen.«

»Und dabei gibt‘s noch immer zarte Menschenfreunde, welche Ach und Weh schreien und Himmel und Erde in Bewegung setzen, wenn dieser Rasse ein Haar gekrümmt wird. Diesen Menschenfreunden wünschte ich den Anblick eines indianischen Mordfeldes oder noch besser ein Stündchen in jenem Blockhaus«, wie Sie es darin zugebracht haben. Die Indianer sind Tiere, wilde Tiere, unfähig zur Zivilisation, und darum müssen sie wie Wölfe vertilgt werden. Sie bilden ein unnützes Glied in der Kette der Geschlechter der Menschen und so zermalmt sie das Rad der Geschichte, ganz im natürlichen Gang der Dinge. Nun, ich hoffe, diese blutigen Tage werden die Regierung veranlassen, die Sentimentalität der Cooperschen Romane ad acta, zu legen und energisch gegen diese Mordbande vorzugehen. Biegen wollen sie sich nicht, so müssen sie gebrochen werden.«

»Wahrlich, ich bin geneigt, nach den Erfahrungen dieser Tage Ihre Ansicht zu der meinigen zu machen.«

» Well Wollte, alle Europäer dächten so. Sind außerdem, nachdem wir die Bande des Herrn Peschewa vernichtet haben, nicht einen Augenblick sicher, daß uns nicht das ganze Volk der Ottawas auf den Hals kommt. Solche Indianerhorde gleicht einem Pulverfaß, ein Funke, und es explodiert. Nun, wir werden sie anders empfangen als der arme Davis.«

Während die Offiziere in solchen Gesprächen an ihrem Tisch verweilten, saßen Johnson, der Konstabel, Heinrich, Michael und der Wyandot in einer Gruppe vereinigt in der Nähe des Hauses, welches sie so mutig verteidigt hatten.

Johnson zeigte seine gewöhnliche ergebene Ruhe, und Heinrich hatte wenigstens die Aufregung des Kampfes überwunden. In übler Laune war der Konstabel, und Michael befand sich noch in wilder Kampfeslust. Athoree rauchte gelassen seine Pfeife.

»Bei St. Patrick,« schrie Michael, »mit einem ganzen Stamm dieser Banditen werde ich fertig, wenn es Mann gegen Mann geht und das verwünschte Schießen nicht stattfindet.«

»Ja, das ist es eben, guter Irländer,« sagte Weller, »mit deinem Stock wirst du nicht weit kommen.«

»So? Habe ich den blutigen Peschewa nicht damit zusammengehauen?« fragte Michael, der nicht wenig von seinem Siege über den gefürchteten Häuptling aufgeblasen war.

»Das ist richtig, mein Junge, in diesem Falle leistete dir dein irischer Prügel gute Dienste, und ich gestehe ganz gern, daß du dich wie ein braver Bursche benommen hast. Aber gründlich hilft gegen diese Bursche wenigstens in ihren Wäldern nur der Säbel von einem Gaule herab geschwungen.«

»Kavallerie?« fragte Michael. »Hier in diesen Wäldern?«

Auch Johnson sah den Konstabel erstaunt an.

»Ist ein Fakt, Leute. Im Waldkrieg sind uns die Roten mit der Büchse gewachsen, verstehen diesen Kampf. Sind Vorteile und Nachteile dabei so ziemlich ausgeglichen. Unsre Waldleute schießen freilich besser als die Indianer, aber nicht so die Soldaten. Ist ein Kampf von Baum zu Baum, von Versteck zu Versteck, selten ein offener Angriff; das indianische Gewürm kriecht wie Schlangen im Busch herum, bald vor- bald rückwärts, ist nicht jedermanns Sache, das nachzumachen. Aber den Burschen das Feuer entlocken und dann ein paar Schwadronen Dragoner in die Büsche jagen, ehe sie Zeit haben, wieder zu laden, und mit dem Säbel den Hunden zu Leibe zu gehen, das tut‘s. Sage euch, Männer, habe bei den Michigan-Dragonern gedient und gegen die Blackfeet und noch vor drei Jahren gegen die Ottawa gefochten. Da ist die Kavallerie die beste Waffe gegen die Roten.«

»Und mein Shillalah,« sagte Michael.

»Nun ja, mein guter Bursche, kannst ja von Glück sagen, daß du kein Loch in deinem ehrenwerten Hirnschädel aufzuweisen und deinen schönen Skalp noch fest darauf hast.« Michael fuhr unwillkürlich mit der Hand nach dem Kopf. »Brauchst nun nicht nach eurer irischen Manier mit deinen Heldentaten zu prahlen. Haben Glück gehabt, daß die Kugeln um uns herumsausten, mußte der brave Oberst sie für uns erhalten. War ein Mann, der Schuyler, segne meine Seele, habe die Notion, war kein besserer in der Union.«

»Das muß wahr sein, Konstabel,« schrie Michael, »das war ein Herr und ein rechter Kriegsmann, aber mein Lord ist auch ein Mann, denke, ist ebenso brav wie der Oberst.«

»Muß gestehen, hätte das hinter den Deutschen nicht gesucht, haben sich wacker geschlagen, und ist der Mann dort,« er wies auf Heinrich, der schweigend der ihm unverständlichen Unterhaltung lauschte, »ein mächtiger Schütze, ist ein Fakt.«

»Oberst Schuyler,« nahm Johnson das Wort, »ist gestorben wie ein Held.«

»Das ist er. Mann, glorioser Soldat.«

»Großer Häuptling,« fügte Athoree hinzu.

Sie schwiegen eine Weile in Erinnerung an den Obersten, dann aber sagte Weller: »Traurig ist es, daß mir die Schurken entwischt sind, könnte mir die Haare ausreißen vor Wut, kann jetzt die Jagd von neuem beginnen. Meinetwegen hätten alle andern entkommen mögen, der Lump Tyron, der leider nun unter eines ehrlichen Mannes Hand gestorben ist, und der Spitzbube, der Iltis, wenn ich nur zum Jubel von ganz Michigan den Morris erreicht hätte.«

»Was hat der Mann verbrochen?« fragte Johnson.

»Der?«

Der Konstabel blickte ihn an, es war ein seltsamer Blick, und schon war er im Begriff, ihm zu sagen, welcher Schreckenstat Morris schuldig war, aber er bezwang sich, als er den weißhaarigen Mann so ruhig vor sich sitzen sah, und verspürte seine Mitteilung auf geeignetere Gelegenheit.