Za darmo

Verwehte Spuren

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Er wurde zur Pforte hinausgelassen und alle begaben sich nun ins Blockhaus.

Sumach, auf deren scharfe Sinne man sich verlassen konnte, und Athoree versprachen zu wachen, und die Männer gaben sich dann einem kurzen Schlummer hin.

Vierzehntes Kapitel. Verzweiflungskampf

Die Nacht war dunkel und stürmisch. Eilende Wolken flogen am Himmel vorüber, zwischen denen hie und da ein Stern freundlich herniederleuchtete, um sofort hinter schwarzem Wolkenrande wieder zu verschwinden.

Die Wälder rauschten ringsum und der See schlug schäumende Wellen, welche an dem kleinen Bollwerk, welches die Boote schützte, sich hochaufspritzend brachen.

Die Männer schliefen, auch die Sergantin, nur Sumach war wach und Frances. Die alte Frau schlich im oberen Stock des Hauses umher, blickte durch die Luken oder horchte mit scharfem Ohre hinaus, doch verschlangen das Wogen des Waldes, der aufschäumende See jedes andre Geräusch, welches etwa zu ihrem Ohre hätte dringen können.

Mehrmals erhob sich Athoree, öffnete die Türe und schlich hinaus, um durch die Schießscharten nach den Feinden auszuspähen. Seine Mutter hielt dann an der Pforte Wache, bis er zurückkehrte.

Im oberen Zimmer saß bei der Lampe Schein Frances Schuyler. Sie hatte zu schlafen versucht, doch vergeblich. Sie saß aufrecht, hatte die Hände im Schoße gefaltet und blickte starr vor sich hin. Das holde Antlitz, dessen Anmut durch den ihr für gewöhnlich eigenen ernsten Ausdruck nicht beeinträchtigt wurde, hatte tiefe Trauer überzogen. Sie bot in ihrer Ruhe das Bild stiller Ergebenheit in ein unvermeidliches Schicksal. Stundenlang saß sie so bewegungslos und nur ein tieferer Atemzug zeugte manchmal von Leben. Trotzdem sie bereits früher mit dem Vater in einsamen Grenzgarnisonen geweilt hatte, war dort das Leben zwar einförmig aber ruhig verlaufen. Bücher, Musik, die Sorge für den Vater bildeten ihre Unterhaltung.

Die Ehrfurcht einflößende Kriegergestalt ihres Vaters, eines Offiziers von ebenso hoher Einsicht als unerschütterlicher Tapferkeit, von jener ruhigen Art, welche selbst dem Schicksal Trotz zu bieten scheint, sein hochgebildeter Geist, sein vornehmer Sinn, dem weit ab lag, was uns, wie der große Dichter sagt, alle bändigt, bildete für sie die Idealgestalt eines Mannes.

Die innige Liebe des Obersten, die seit dem Tode ihrer Mutter sie noch zärtlicher umgab als vorher, war das Glück ihres bisher so ruhigen Daseins. Ihr eigenes Wesen ging auf in Bewunderung und Liebe, dem Vater dargebracht.

Zum erstenmal waren ihr heute die Greuel des mörderischen Krieges, der Schrecken des Todes entgegengetreten, und doch hatte sie bei dem wilden Ritt unter den Kugeln tückischer Feinde und dem Donner der Geschütze mehr an ihren Vater und die Gefahr gedacht, welcher er ausgesetzt war, als an sich selbst.

Trotz der Vorsicht, welche man angewendet hatte, um sie im unklaren über das Geschehene zu lassen, waren ihr die hier verübten Greuel nicht verborgen geblieben. Sie bewunderte um so mehr die ruhige Zärtlichkeit ihres Vaters, mit welcher er sie über das Bedenkliche der Lage hinwegzutäuschen suchte, als die Offizierstochter genügend von den Schrecknissen eines Kampfes, wie er ihnen bevorstand, unterrichtet war, und Einsicht genug besaß, um die drohenden Gefahren vollauf zu würdigen.

Fest entschlossen war Frances Schuyler, im Fall eines unglücklichen Ausgangs nicht lebendig in die Hände der Wilden zu fallen.

So weilte sie hier im einsamen Stübchen, während der Wind die Hütte umsauste und oftmals seltsame Töne hervorbrachte, und Todesahnung machte das arme Herz erbeben, umschattete den sonst so klaren Geist.

Einmal war die alte Sumach zu ihr gekommen, hat sie eine Zeitlang schweigend beobachtet, dann ihr die Hand gestreichelt und in gebrochenen englischen Lauten gesagt: »Weiße Rose nicht traurig. Athoree fechten, großer Wyandotkrieger, toter Mann fechten, alle fechten. Nicht traurig, alles gut.«

Bei dem Worte »toter Mann« — sie wußte nicht, daß man Johnson diesen Namen gab — schauerte Frances zusammen und Bilder des Schreckens stiegen vor ihrem inneren Auge auf.

Sie drückte der alten Frau, deren Augen aus dem runzelvollen, unschönen Gesicht freundlich auf sie blickten, die Hand, dann schlich diese wieder hinaus, um von neuem Wache zu halten, und Frances blieb mit ihren düsteren Gedanken allein.

Nichts konnte einem verstohlenen Angriff der Wilden günstiger sein, als diese Nacht, deren tiefe Dunkelheit den Gesichtskreis arg beschränkte, wahrend der heftige Wind im Rauschen der Bäume und im Plätschern des Sees jedes Geräusch erstickte, welches die Bedrohten von der Annäherung der Feinde unterrichten konnte.

Dazu kam noch die verhältnismäßig große Ausdehnung der Umwallung. Das Sergeantenhaus war dem Tore gegenüber errichtet und konnte dies unter sein Feuer nehmen. Zu seiner Rechten, etwa zwanzig Schritte entfernt, lag indes das Kommandantenhaus, welches einem eindringenden Feinde Deckung bot, und zu seiner Linken, im länglichen Viereck, das Blockhaus, welches der Mannschaft zum Aufenthalt gedient hatte.

Zwar hatten die Männer die Wände der kurzen Seiten entfernt, so daß ein Schußfeld durch das Gebäude hin eröffnet war, aber die Rückwand bot einem Feinde noch Schutz genug und erlaubte ihm, gedeckt bis auf zwanzig Schritte dem Sergeantenhaus zu nahen.

Als die Sterne im Osten zu erbleichen begannen und die Zeit heranrückte, in welcher die nordamerikanischen Indianer am liebsten ihre Ueberfälle ausführen, weckte Athoree die Männer alle. Er, der Oberst, Johnson und der Konstabel begaben sich in den ersten Stock, während Edgar, Heinrich und Michael unten blieben.

Sie nahmen sämtlich Stellung an den Schießscharten und blickten, die Büchsen bereit haltend, hindurch.

Totenstille herrschte im Hause, während draußen der Wind stärker rauschte.

Vom oberen Stock konnte man die Pallisaden vollständig übersehen, wenn auch über die beiden Gebäude, die Kaserne und das Offiziershaus, nur die Spitzen derselben hervorragten.

Selbst das scharfe Auge Athorees hatte in der Dunkelheit nicht gewahren können, daß bei seinem letzten Rundgang schon Feinde im Graben lagen, welche, wie man vermutet hatte, zu Leitern hergerichtete Bäume mit sich führten. Die Nacht und der Wind hatten ihnen erlaubt, unbemerkt heranzukommen und sich unter den Ecken der Bastionen niederzukauern, wo sie vor dem Feuer aus dem Fort geschützt waren.

Wiederholt Leuchtkugeln steigen zu lassen, hatte man nicht für zweckmäßig erachtet, denn es verhinderte das Anschleichen der Feinde doch nicht, und konnte bei einem plötzlichen nächtlichen Angriff, der ja doch möglich war, trotz der Abneigung der Indianer gegen Nachtkämpfe, leicht dazu führen, daß einer oder der andre, welcher vom Walle herab das Feld beobachtete, von ihrer letzten Zufluchtsstätte abgeschnitten wurde. Aus diesem Grund hatten sie es vorgezogen, sich auf das Sergeantenhaus zu beschränken und dort der Dinge zu harren, welche kommen sollten.

Die Männer standen kampfbereit in tiefem Schweigen da.

Da, wo die Pallisaden das Dach des Offiziershauses ein wenig überragten, schob sich, Johnson bemerkte es trotz des geringen Lichts, vorsichtig ein Arm herüber, dem bald darauf der Kopf folgte.

Johnsons Büchse entlud sich, und die Stelle der Pallisaden, an welcher sich der Mann gezeigt hatte, war leer, als der Dampf verflogen war.

Gleichzeitig aber schwangen sich auf der entgegengesetzten Seite zwei Indianer über die Pallisaden und verschwanden hinter der sich dem Walle entlang ziehenden Rückwand der Kaserne. Athoree und der Konstabel feuerten, doch wahrscheinlich bei der Schnelligkeit der Bewegung der Eindringlinge ohne Erfolg.

So war nun der Kampf eröffnet.

Die Blicke der Männer im oberen Stock überflogen die Pallisaden, die im unteren erfuhren durch den Knall der Büchsen, daß der Angriff begonnen habe, aber keiner der Feinde war ihnen zu Gesicht gekommen.

Von den zwei Verwundeten, die im Erdgeschoß lagen, schrie der von heftigem Wundfieber heimgesuchte Sergeant, als die Gewehre sich entluden: »Hurra!« Dann kommandierte er: »Das Gewehr fällt! Trumm, trumm, trumm, trumm!« Und er ahmte den eintönigen Trommelschlag des Sturmmarsches nach. »Vorwärts! Hurra!« Und dann lachte er wie ausgelassen.

Seine Frau saß betend an seinem Bette. Leutnant Sounders, obgleich auch fiebernd, war bei Sinnen und lauschte aufgeregt dem Kampfeslärm.

Im oberen Stock lag Frances auf den Knieen, innige Bitten zum Allmächtigen emporsendend, und in einer Ecke kauerte Sumach, bald auf den Büchsenknall horchend, bald den ihr unverständlichen Worten des Mädchens lauschend. Denn sie begriff sehr wohl, daß ihre Gefährtin zum großen Geiste der weißen Menschen rief.

Die Männer standen schußbereit.

Wiederum schwangen sich auf Johnsons Seite zwei dunkle Gestalten über die Pallisaden und verschwanden hinter dem Offiziershause, welches sie schützte.

Johnson hatte zwar geschossen, aber der Raum zwischen dem First des Daches und dem oberen Rande der Pallisaden war zu klein, als daß bei der großen Gewandtheit und Schnelligkeit der Ottawas, gewiß der jüngeren Mitglieder der Bande, das Feuer Erfolg haben kannte.

Die Indianer, welche sich nunmehr im Fort befanden, riefen den draußen Stehenden etwas zu.

Athoree sagte zum Oberst: »Acht geben, kommen jetzt zu Tor herein.«

»Fassen Sie das Tor ins Auge!« rief Schuyler Edgar zu.

Dieser übersetzte Heinrich des Obersten Worte und alle drei, Michael hatte auch eine Muskete genommen, aber nichtsdestoweniger seinen Shillalah neben sich stehen, richteten die Läufe auf das Tor.

Fünf, sechs Schüsse wurden jetzt durch die Schießscharten der Pallisaden auf das kleine Blockhaus abgegeben. Eine Kugel traf den Lauf der Muskete, welche Michael ziemlich weit durch die Oeffnung geschoben hatte, und schlug sie ihm unsanft aus der Hand.

 

Der Ire stieß einen grimmigen Fluch aus.

»Heimtückische Halunken! — So ein Ding taugt gar nichts, Ew. Gnaden, mein Stock ist besser.«

Lächelnd entgegnete ihm der Graf: »Du mußt den Lauf nicht so weit hinausstecken, Michael. Dein Shillalah ist zu rechter Zeit gewiß eine gute Waffe, wie wir gesehen haben, aber einstweilen ist auch eine Muskete nicht zu verachten. Nimm ein andres Gewehr.«

Der Ire gehorchte.

Von beiden Seiten der Pallisaden wurde jetzt auf die Schießscharten der Blockhütte gefeuert, ohne daß Schaden verursacht worden wäre, und zugleich erhob sich draußen ein wildes Geheul. Zum Erstaunen aller sprangen bei diesen Lauten gleichzeitig zwei junge Indianer, einer hinter der Kaserne, der andre hinter dem Offiziershause hervor und setzten in weiten Sprüngen auf das Tor zu.

Die Ueberraschung der Männer war so groß, daß einige Sekunden vergingen, ehe sie feuerten, dann aber spie das kleine Haus gleichzeitig sieben Feuerströme aus.

Doch schon waren die mit pantherartigen Sätzen vorstürmenden beiden Wilden am Tor.

Johnson und Heinrich waren Männer, welche den Hirsch im Sprunge zu treffen gewöhnt waren, und beider Kugeln trafen. Sie hatten sich leider dasselbe Ziel gewählt. Der Getroffene fiel, der andre aber riß mit gellendem Jubelschrei den Riegel zurück, das Tor öffnete sich, ungestümem Andrang nachgebend, und herein stürmte, Peschewa voran, die ganze Schar der Ottawas, unter ihnen drei weiße Männer, mit ohrzerreißendem Kriegsruf.

So rasch es anging, hatten die Schützen im Hause nach andern Gewehren gegriffen und einige Schüsse empfingen die Heranstürmenden, welche sich aber mit großer Geschwindigkeit hinter den beiden Gebäuden verloren.

Der fiebernde Sergeant ließ von neuem sein »Hurra!« hören. »Das Gewehr fällt! Stecht sie nieder, die Hunde! Hurra!«

Ein tiefes Schweigen folgte dem wilden Ausbruch draußen.

Im Erdgeschoß forderte Edgar Michael auf, die abgeschossenen Gewehre zu laden, und ein gleiches zu tun, erbot sich oben der Oberst, indem er sagte: »Ihr seid die besseren Schützen, Männer, bleibt an den Scharten, ich mache euch die Waffen schußfertig.«

»Was wird jetzt kommen, Heinrich?« äußerte der Graf.

»Es gibt nur zwei Dinge, entweder hauen sie mit Aexten Bresche, oder sie räuchern uns aus.«

Der Graf sah nach der gefüllten Spritze, welche hinter ihnen stand.

»Das erstere würde ihnen viel Blut kosten, denn diese Eichenbalken sind nicht leicht zu zerhauen, und den Angriff mit Feuer wollen wir abwarten.«

Immer noch blieb es still draußen und von den Feinden war nichts zu gewahren.

Wahrscheinlich berieten sie den weiteren Angriffsplan.

Der Oberst hatte die Gewehre geladen und ging nun in das andre Zimmer zu seiner Tochter.

Auf den Rat von Sumach hatte sich Frances in einer Ecke niedergelassen, damit nicht eine durch die Schießscharten eindringende Kugel sie verletze, und neben ihr saß die alte Indianerin mit demselben gleichmütigen Ausdruck des Gesichts, den sie für gewöhnlich zeigte.

»Mein Herzenskind ist gefaßt?« fragte Schuyler mit ruhiger Zärtlichkeit.

»Ich bete für dich, Vater,« entgegnete sie mit bebender Stimme leise, und ein Blick voll liebender Besorgnis strahlte aus dem schönen Auge, als es sich auf des Obersten hohe Gestalt richtete.

»So, recht mein Kind, das gibt Kraft im Sturm.«

»Hast du noch Hoffnung, Vater?« fragte sie fast tonlos.

»Diese Citadelle ist uneinnehmbar, wir werden sie halten, bis Hilfe kommt. Fasse Mut, Frances.«

»Ich habe Mut, Vater, ich bin auf das Schlimmste vorbereitet.«

Er küßte sie auf die Stirn und sagte mit tiefer Bewegung: »Nicht auf das Schlimmste, das verhüte Gott. — Doch, was uns auch treffen mag. Glück oder Unglück, wir tragen es zusammen, Herzenskind. Und nun sei meine tapfere Tochter.«

Er küßte sie noch einmal und ging hinaus. Ihr Blick folgte ihm, bis er verschwunden war, dann sagte sie leise: Mein heldenhafter Vater, Gott schütze dich und — mich.«

Der junge Tag war da.

Der Sonnenball stand bereits über dem Horizonte und sandte eine Flut strahlenden Lichts hernieder.

Der Wind hatte sich gelegt und nur die Wellen des Sees rauschten noch auf.

Kräftige Axtschläge ließen sich hinter den Gebäuden hören, und bald zeigte es sich, daß ein Teil der Angreifer in das Kommandantenhaus gedrungen war, von welchem aus man das Blockhaus gut beschießen konnte.

Ein vorwitziger Ottawa schob auch bereits seinen Büchsenlauf zu einem der Fenster heraus, doch kaum erschien seine Stirn über dem Fensterrande und das über den Lauf hinblitzende Auge, als auch Johnsons sichere Kugel hineinfuhr. Lautlos stürzte der Ottawa zurück. Die Axtschläge dauerten hüben und drüben fort. Bald zeigte es sich, daß die ins Offiziershaus eingedrungenen Feinde ebenfalls Schutzvorrichtungen an den Fenstern anlegten, sie bedienten sich dazu einfach der Balkenwände, welche die inneren Räume des Gebäudes trennten.

Diese Beschäftigung wurde durch zwei Schüsse empfindlich gestört, welche fast gleichzeitig Athoree aus dem oberen, Heinrich aus dem unteren Stock abgaben — zweimal gab ein jäher Schmerzensschrei kund, daß die Kugeln saßen.

Im Kommandantenhause wandte man von da ab die größte Vorsicht an, um dem Gegner keine Zielobjekte zu bieten, denn jeder Schuß der Belagerten kostete den Angreifern Blut.

Unaufhörlich dröhnten von der Rückwand der Kaserne, hinter der Peschewa mit einem Teile seiner Leute sich befand, Axtschläge her.

Der Oberst begab sich hinunter.

»Unsre Festung hält sich, Graf.«

»Wenigstens wollen wir sie halten, bis uns die Balken über dem Kopf zusammenstürzen.«

»Ja, wehren wollen wir uns,« entgegnete Schuyler mit dem Ausdruck der unerschütterlichen Festigkeit, welche oft im dichtesten Schlachtgetümmel seine Krieger ermutigt hatte. »Die eifrige Tätigkeit der Axt hier hinter der Kasernenwand deutet darauf hin, daß der Feind einen besonderen Angriff plant. Ich bin herabgekommen. um den Raum von hier aus besser überblicken zu können. Daß sie es mit Feuer versuchen werden, halte ich für wahrscheinlich, doch sind die dicken Balken der Wände und des Daches Schutz genug, und Feuerungsmaterial an das Haus zu bringen, wird ihnen unter unsern Büchsen schwerlich gelingen.«

Das Feuer war auf beiden Seiten gänzlich verstummt und nur die Axtschläge gaben Zeugnis von der Anwesenheit der Feinde, von denen keiner vor diesen todbringenden Büchsen auch nur seinen Schatten blicken ließ.

Das Tor stand weit offen, in seiner Mitte lag die Leiche des erschossenen jungen Indianers.

»Wie halten sich Ihre Leute, Herr Graf?«

»Vortrefflich. Mein Heinrich ist ein Held und Michael kampfbegierig wie ein Berserker.«

»Wie ist dir jetzt zu Sinne, Sohn der grünen Insel?« redete Schuyler den Iren an.

»Ganz gut, Ew. Gnaden, Herr Oberst, mir werden schon mit den Schuften fertig werden. Sie sollen nur in den Bereich meines Shillalah kommen, und wenn sie dann mit ganzen Schädeln nach Hause gelangen, will ich nicht meiner Mutter Sohn sein.«

»Brav, mein Junge; die Irländer sind stets tapfere Leute gewesen, und wie ich sehe, machst du keine Ausnahme.«

»Darauf dürfen sich Ew. Gnaden, Herr Oberst, verlassen, jeder Bursche aus Leitrim ficht, solange sich sein Arm nur regen kann.«

»Nun, halte dich wacker. Mann, es geht ums Leben,«

Der Oberst lugte zu verschiedenen Schießscharten hinaus, doch war nichts wahrzunehmen, was auf die Absicht des Feindes schließen lassen konnte.

»Wir werden ja sehen,« sagte er; dann ging er wieder hinauf.

Während die Indianer sich schweigend verhielten, hörte man mehrmals die rauhen Stimmen von Morris und Tyron, ohne jedoch verstehen zu können, was sie sagten.

Der Konstabel, der ein verwegener Mann und seinem Berufe eifrig ergeben war, welcher im Kampfe mit den Ausgestoßenen hier an den Grenzen der Zivilisation große Gefahr mit sich führte, wurde nicht wenig dadurch geärgert, daß er die Stimmen der von ihm Verfolgten so nahe vor seinem Ohre hören mußte, ohne sich an sie wagen zu können!

Als wieder die laute Stimme von Morris vernommen wurde, welche diesmal näher und verständlicher mit einem: »So ist‘s recht, Leute, das wird‘s tun!« zum Konstabel herüberdrang, bezwang er seinen Grimm nicht länger und rief hinüber: »Morris, Bluthund, hörst du?«

Einen Augenblick schwieg‘s hinter der Kaserne, dann ließ sich die Stimme des Mörders wieder vernehmen, nicht ohne einiges Erstaunen im Ton: »Wer seid Ihr denn, alter Bursche?«

»Wirst‘s schon erfahren. Mann. Suche dich schon lange, um dir das hänfene Halsband anzulegen, dir und deinen Freunden.«

»Segne meine Seele!« schrie Morris, »das ist Weller, der Konstabel.« Und die drei Mordgesellen brachen in ein wieherndes Gelächter aus.

»Segne meine Seele, seid zur rechten Zeit gekommen. Kommt ‚raus, will Euch gestatten, mir das Halsband umzulegen.«

Wiederum erscholl das höhnische Gelächter.

»Lacht nur, Mordbuben! Gibt so ein Ding, das heißt Gesetz, und gibt einen da droben, der es mitunter selbst handhabt. Werdet dem Galgen nicht entlaufen.«

»Wollen‘s versuchen, alter Konstabel. Hast mir oft das Leben verbittert, Spürhund, sitzest jetzt in der Falle. Warte nur, wird gleich zuklappen.«

»Komm,« rief der Mann, »wollen dich empfangen, Geselle!«

Damit schloß dieser überraschende Dialog, und die Tätigkeit der Aexte begann wieder.

Gern hätte der Oberst einen Blick nach außen auf die Wälder geworfen, doch das Dach des Hauses ragte nicht über die Pallisaden hinweg, und war auch hie und da ein Blick durch die Schießscharten möglich, so war doch der Raum, welcher dem Auge sichtbar wurde, sehr beschränkt.

Die geheimnisvolle Tätigkeit der Feinde flößte ihm Besorgnis ein, und um so mehr, als er sie bei ihrem Vorgehen durch drei weiße Männer unterstützt wußte, welche in allen Praktiken des Grenzkrieges erfahren genug waren.

In ununterbrochener Wachsamkeit vergingen die Stunden.

Der Oberst wußte seine Aufregung unter einer ruhigen Außenseite zu verbergen, und richtete von Zeit zu Zeit tröstende Worte an Frances oder freundliche an einen der Mitkämpfer.

Der eiserne Konstabel nahm das Ganze als die gleichgültigste Sache von der Welt, und machte nur seinem Grolle gelegentlich Luft, indem er in seiner derben Weise derer gedachte, welche zu verfolgen er ausgesandt war. Athoree trug den finstern Stoicismus zur Schau, der seiner Rasse so eigentümlich ist, während Johnson eine ruhige Ergebenheit in die Fügungen des Schicksals zeigte.

In hoher Aufregung war Graf Edgar, der das Verderben unaufhaltsam herannahen sah, ohne Mittel, ihm entgegenzutreten, doch fiel kein Schatten von Furcht in seine Seele. Als ein tapferer Soldat, der mehr als einmal dem Tode ins Auge gesehen hatte, nahm Heinrich die Sache.

Michael hingegen verließ sich mit rührendem Zutrauen auf Edgar.

»Ew. Gnaden,« sagte er, »werden uns schon aus dieser Sache heraushelfen, Ew. Gnaden können alles.«

»Ich will wünschen, Michael, daß dich dein Vertrauen in meine Fähigkeit, zu helfen, nicht täuscht.«

Frances brachte martervolle Stunden zu.

»Was denkt Ihr, Konstabel, von unsern Angelegenheiten?« fragte diesen gelegentlich der Oberst.

»Kalkuliere, Oberst,« und Weller schnitt sich kaltblütig ein Stück Kautabak zurecht, »ist eine unheimliche Sache, hier so ruhig zu sitzen, während die draußen eine Teufelei vorbereiten. Wäre mir lieber, die Wilden heulten und tanzten draußen herum. Haben was vor, daß sie so still sind.«

»Und habt Ihr noch Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang?«

»Will Euch was sagen, Oberst; bin schon in schlimmeren Affairen gewesen, bin immer glücklich herausgekommen, wird auch hier der Fall sein. Schert mich das heulende Indianergesindel wenig, wir nehmen es mit einem ganzen Stamm auf, aber wurmt mich, daß die drei Spitzbuben mich durch ihre Anwesenheit verhöhnen, jage schon seit drei Jahren hinter ihnen her, bin das ganze alte Mich auf ihren Spuren durchlaufen.«

»O, hätte ich deine kaltblütige Ruhe,« dachte der Oberst, »aber du hast kein Kind innerhalb dieser Wände.«

Die Indianer hatten auf beiden Seiten hinter den sie schützenden Gebäuden Feuer angezündet, deren weißer Rauch sich hoch erhob.

Daß von seiten der Belagerten ununterbrochene Aufmerksamkeit dem Feinde gewidmet wurde, verstand sich in der Lage der Dinge von selbst.

 

Ein Jubelschrei hinter der Kaserne richtete ihre Blicke dorthin.

Das Gebäude lag, wie gesagt, durch Hinwegnahme der kurzen Seitenwände seiner ganzen Länge im Innern nach schußfrei da, nur die Wand nach dem Walle zu, dem die Kaserne sich parallel hinzog, schützte die Belagerer vor den Schüssen aus dem Sergeantenhause, dessen Lage nicht erlaubte, ihre Rückseite zu bestreichen.

Nicht ohne Staunen sahen alle, wie sich langsam am entgegengesetzten Ende des länglichen Hauses quer eine Balkenwand vorschob, welche bald fast ganz den Raum, der ihren Büchsen offen lag, ausfüllte.

Diese bewegliche Barrikade zeigte mehrere Schießscharten.

»Sie haben sich einen Schutz hergerichtet, um ungefährdeter schießen zu können,« äußerte der Oberst.

Vergeblich wäre es gewesen, auf die starken Balken zu feuern; auch deren Oeffnungen für die Gewehre, es waren nur wenige, boten keine Gelegenheit, eine Kugel anzubringen.

Das anfängliche Staunen über die sich geheimnisvoll seitwärts vorschiebende Wand nahm etwas Schreckhaftes an, als diese sich langsam durch die Kaserne vorwärts zu bewegen begann, auf das Blockhaus zu, langsam aber stetig.

Die Augen der Schützen waren auf die in ihr sich öffnenden Schießscharten gerichtet, doch an diesen ließ sich nichts erblicken.

So war die Wand, welche sich über Mannslänge erhob, einem Sturmbock gleich, langsam aber unwiderstehlich durch die Kaserne vorgerückt und befand sich kaum zwanzig Schritt von dem Hause, dem der Angriff galt, entfernt.

Ein Schuß war währenddessen weder von hüben noch drüben gefallen.

Der Oberst kam herunter.

»Was meinen Sie dazu, Herr Graf?«

»Das Unheil rückt näher.«

»Wir wollen einmal gemeinschaftlich auf die Balkenwand schießen und sehen, ob sie dem Anprall von sieben Kugeln widersteht. Halten wir alle in die Mitte und gefeuert wird auf mein Kommando.«

»Gut.«

Der Graf, Heinrich und Michael legten sich in Anschlag, oben taten der Oberst und die andern das gleiche.

»Feuer!« Und sieben Kugeln schlugen gleichzeitig in die Wand.

Sie wankte unter dem Anprall einen Moment, stand aber gleich darauf wieder fest.

Ein höhnisches Gelächter ließ sich hinter ihr hören und drei Büchsenläufe erschienen in den Schießscharten, deren Kugeln mit großer Präzision in die Schußöffnungen des Blockhauses im Erdgeschoß hineinfuhren. Da die Verteidiger sich abgewendet hatten, um neue Gewehre zu nehmen, fuhren die Geschosse in die gegenüberliegende Seite, ohne jemand zu verletzen.

Der Kampf hatte jetzt etwas überaus Gefährliches angenommen. Denn auf beiden Seiten stritten geübte Schützen gegeneinander.

Besonders die Männer im Erdgeschoß hatten die größte Vorsicht zu beobachten, um vor den durch die Schießlöcher gesandten Kugeln sich zu decken und doch dabei gleichzeitig die gespannteste Aufmerksamkeit auf den Gegner zu richten.

Edgar befahl dem unerfahrenen und unvorsichtigen Iren, von der Schießscharte hinwegzugehen.

»Aber wenn Euer Gnaden so dastehen, dann kann doch Michael O‘Donnel sich nicht verkriechen, das würde sich für meiner Mutter Sohn wenig ziemen.«

»Du bist zu ungeübt, Michael, halte dich von der Schießscharte fern, du kommst später mit deinem Shillalah ins Treffen.«

»Das ist mir dann freilich schon lieber. Euer Gnaden.«

Heinrich, ein Schütze ersten Ranges, zog sich in den Hintergrund zurück, vor sich seine Schießscharte, durch welche er gerade die ihm gegenüberliegende des Gegners mit scharfen Jägeraugen beobachten konnte.

Ein Büchsenlauf wurde langsam dort eingeschoben, die Mündung nach ihm zu gerichtet.

Aber ehe er noch in wagerechter Richtung lag, krachte Heinrichs Büchse. Er traf den Lauf an der Mündung. Die Büchse verschwand und ein wilder Fluch ließ sich hören.

Eine Kugel, von oben gesandt, fuhr durch die andre Schießscharte und der Schrei eines Indianers drang herüber.

Von neuem begann jetzt ein starkes und wohlgezieltes Feuer vom Kommandantenhause her, mehrere Kugeln schlugen durch das obere Zimmer, ohne doch jemand zu verletzen.

Da die Verteidiger ihre ganze Aufmerksamkeit der Balkenwand widmeten, hatten sie ihre rechte Flanke vernachlässigt.

Johnson begab sich nach dieser Seite, sein scharfes Auge entdeckte durch die höchst unregelmäßig angelegten Oeffnungen in den Fensterbefestigungen ihm gegenüber die Schulter eines sich im Hintergrunde haltenden Indianers. Das Zimmer, in welches er hineinblickte, war hell durch ein vom Sergeantenhause nicht sichtbares Fenster erleuchtet, während der Raum, in welchem er sich befand, nur Licht empfing durch die Scharten und so Dämmerung darin herrschte.

Die Schulter erblicken, die Büchse heben, feuern, war das Werk kürzester Zeit. Ein Schmerzensschrei bestätigte, daß die Kugel ihr Ziel erreicht hatte.

Die Büchsen schwiegen. Niemand draußen wagte augenscheinlich, sich dem Feuer solcher Schützen auszusetzen.

Ueber die Balkenwand herüber, deren oberer Rand etwa vier Fuß vom Dach der Kaserne entfernt war, flogen nunmehr Holzstücke und Späne, welche nach dem Sergeantenhause von unsichtbaren Händen geschleudert wurden.

Immer mehr und mehr.

Der Oberst kam herunter.

»Jetzt legen sie Feuer an!« Er sah nach der Spritze und deren Schlauch.

Diese war so aufgestellt, daß die sie bedienenden Leute vor Kugeln von außen geschützt waren.

»Komm an die Spritze, mein Sohn,« rief der Oberst Michael zu, »wirst gleich zu tun bekommen.«

Michael gehorchte schnell.

»Doch wo bringen mir den Schlauch an? Ihn hier zur Schießscharte hinauslegen, ist gefährlich, dennoch müssen wir es versuchen auf die Gefahr hin, daß er uns entzwei geschossen wird.«

Er rief leise hinauf, daß alle Büchsen auf die Schießscharten in der feindlichen Wand gerichtet werden sollten.

Nach den bitteren Erfahrungen, welche man jenseits derselben gemacht hatte, schien man auch dort es mit großer Bedachtsamkeit zu vermeiden, Körperteile dem feindlichen Feuer auszusetzen.

Unaufhörlich flogen Späne und Holzstücke über die Wand herüber und bildeten bereits einen stattlichen Haufen am Sergeantenhause.

Jetzt folgte ein lodernder Feuerbrand.

»Wasser, Michael!«

Dieser setzte den Schwengel in Bewegung.

Kühn sich aussetzend, richtete der Oberst den Schlauch. Das Feuer zischte und erlosch. Andre Brände folgten, zwei, drei. Mit Geschick richtete der Oberst den Strahl auf sie und tilgte den beginnenden Brand.

Nach diesem mißglückten Versuche verging einige Zeit, während welcher der Feind kein Lebenszeichen von sich gab, und schon glaubten die Belagerten, es sei aufgegeben worden, mit Feuer gegen sie vorzugehen, als auf einer andern Seite der Angriff in gleicher Art begann.

Hinter der Wand der Kaserne hervor wurden jetzt in reicher Zahl Holzstücke und Splitter an die Seitenwand des Blockhauses geworfen, während man in der Front fortfuhr, Holz und Feuerbrände über die künstliche Balkenwand zu schleudern. Nachdem an der Seite genügend Holz vorhanden schien, folgten auch hier brennende Scheite, welche den Haufen bald in Brand fetzten.

Die Spritze konnte nicht an zwei Stellen ihre Tätigkeit üben.

Die Axt war unsichtbar wieder in Tätigkeit, um aller Wahrscheinlichkeit nach Nahrung für das Feuer herbeizuschaffen.

Die Spritze war bereits geleert und mußte aus den Tonnen wieder gefüllt werden.

Oberst Schuyler leitete den Schlauch nach der Seitenwand und versuchte das Feuer zu löschen, indessen alle andern die Schießscharten im Auge behielten.

Während die Spritze zur Seite des Hauses ihre Tätigkeit entfaltete, flogen immer mehr glühende und brennende Holzscheite an die Front des Hauses, sie zündeten endlich auch hier an und verbreiteten bei der Feuchtigkeit der dort liegenden Holzstücke starken Rauch.

Bald zuckten die Flammen auf, welche den Rauch jedoch nicht minderten.

Auch an der Seite, wo das Feuer unaufhörlich mit Holzspänen, Holzstücken und Feuerbränden genährt und verstärkt wurde, entwickelte sich Rauch unter dem Einfluß der Spritze, die dennoch nicht im stande war, die Glut zu löschen.