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»Die Ueberraschung war groß, als uns die Situation endlich klar wurde.«

»Und Miß Schuyler?«

»Der Schrecken wirkt noch immer in ihr nach, und ich fürchte, das arme Mädchen wird noch mehr ertragen lernen müssen, Sounders; ich wollte, ich wüßte sie in Sicherheit, dann mögen die Ottawas kommen.«

»Und die Truppen, Herr Oberst?«

»Blackwater ist ein vorsichtiger und geschickter Offizier, und ich hoffe, der Kanonenschall ist zu seinen Ohren gedrungen und hat ihn gewarnt wie mich.«

Die beiden Offiziere versanken in ernstes Schweigen.

»Hilft nichts,« sagte dann der Oberst aufstehend, »trüben Gedanken nachzuhängen, müssen‘s als Männer ausfechten. Behüt‘ Euch Gott, Leutnant.«

Oberst Schuyler schritt wieder hinaus. Er ging dann mit Edgar langsam den Wall entlang, lobte die Verteidigungsanstalten und richtete dann die Frage an ihn: »Sind Sie des weißhaarigen Mannes ganz sicher, Herr Graf?«

»Wie meinen Sie das?« äußerte der erstaunt.

»Es kommt mir nicht unverdächtig vor, daß er auf der Reservation der Ottawas wohnt, und daß diese ihn dort dulden, was sie nicht zu gestatten brauchen und auch wohl kaum einem Weißen gestatten, wenn nicht besondere Gründe dafür sprechen.«

Graf Edgar berichtete dem Obersten, welch grauses Geschick das Lebensglück Johnsons zerstört hatte.

»Ich entsinne mich, von dem entsetzlichen Vorgang in den Zeitungen gelesen zu haben. Der Arme. Aber sagen Sie mir eines: Hat der Mann Blut der Ottawas vergossen?«

»Er hat gekämpft wie ein Löwe, er war‘s auch, der den Schurken niederschoß, welchen Sie auf Ihrem Ritt zum Fort aus dem Busche hervortaumeln sahen. Gestern hat er sogar einen Gefangenen gemacht.«

»Einen Gefangenen?« fragte der Oberst lebhaft, »das ist trefflich, da werden wir doch etwas über die Aktion der Ottawas erfahren.«

»Der Mann hat bis jetzt kein Wort gesprochen.«

»Wir müssen versuchen, ihn zum Reden zu bringen. Würden Sie die Güte haben und mir ihn vorführen lassen?«

»Es soll sofort geschehen.«

Er ging vom Wall hinab und bat Johnson, den Ottawa herbeizuholen. Dieser begab sich ins Haus, während der Oberst ebenfalls den Wall verließ.

Johnson führte den jungen Gefangenen vor Schuyler.

Der Ottawa, welchem der Kanonendonner einen tiefen Schrecken eingeflößt hatte, sah sich scheu um und blickte dann vor sich nieder.

Die im Fort befindlichen Männer, auch Athoree und der Pottawatomie, kamen heran, um der Unterredung beizuwohnen.

Schuyler, der mit den Leuten roter Rasse wohl bekannt war, betrachtete den vor ihm stehenden Jüngling, dessen Miene eine mit Trotz gepaarte Aengstlichkeit zeigte.

»Bitte, nehmen Sie dem jungen Mann die Fesseln ab!« wandte er sich an Johnson, welcher dann sofort die Riemen löste, welche die Arme des Gefangenen umschlangen.

»Der junge Krieger, den meine Männer gefangen genommen, ist ein Ottawa? Nicht so?« fragte er in englischer Sprache.

Der Indianer erhob die Augen auf den Redner, dessen stattliche, vornehme Persönlichkeit sichtlich nicht ohne Eindruck auf ihn blieb, aber er schwieg auch hier.

»Der Ottawa hält es für klug zu schweigen vor den weißen Männern, aber er irrt sich, es wäre für sein Volk besser, er würde reden,«

Ein schneller Blick traf den Oberst, der verriet, daß der Indianer verstanden hatte, was er sagte.

Oberst Schuyler, der sich in seinen reichlichen Mußestunden in einsam gelegenen Grenzgarnisonen mit großem Fleiß dem Studium der Algonkin-Dialekte hingegeben, und sogar eine Grammatik derselben verfaßt hatte, sprach jetzt in einem derselben, von dem er sicher war, daß der Ottawa ihn verstehen mußte: »Der Ottawa ist sehr jung, er hat den Kriegspfad gegen die Söhne des großen Vaters in Washington betreten und weiß nicht, daß die Ottawas dafür büßen müssen. Die Krieger des weißen Mannes sind zahllos wie die Blätter des Waldes, sie werden kommen und die Ottawas töten. Mann, Weib und Kind. Warum hat der Ottawa die Streitaxt ausgegraben? Du bist jung, Indianer, aber doch alt genug, um dich zu entsinnen, wie der große Vater in Washington die Ottawas vor drei Sommern gezüchtigt hat.«

Der Indianer, welcher überrascht aufgehorcht hatte, als der Oberst ihn fließend in der Mundart seines Volkes anredete, senkte das Haupt — aber schwieg.

Ruhig fuhr der Oberst, immer im Algonkin-Dialekte, fort: »Der junge Mann könnte viel Unheil von seinem Volke abwehren, wenn er sprechen wollte. Er will nicht, er muß den Ottawas feind sein und ihren Untergang wünschen. Gut, ein Krieger muß wissen, was er tut.«

Jetzt öffnete der Gefangene zum erstenmal die Lippen und sagte: »Niake ist kein Ottawa.«

»O, Niake ist kein Ottawa, das ist mir lieb, denn nun kann ich dem großen Vater in Washington sagen, nicht seine Kinder, die Ottawas, haben die Krieger hier erschlagen, es waren Männer eines andern Volkes. Will Niake mir sagen, welchem Volke er angehört, oder fürchtet er sich, seinen Stamm zu nennen?«

»Niake ist stammlos.«

»So? Niake ist stammlos?« Ein leichtes Staunen zeigte sich auf dem Gesicht des Obersten, aber so vorübergehend, daß es nur ein aufmerksamer Beobachter gewahren konnte. »Niake ist stammlos? Das freut mich, denn ungern hätte ich die Ottawas erschlagen sehen. Aber Niake war ein Ottawa?«

Der Indianer nickte.

»Und seine Gefährten sind stammlos, wie er?«

»Sie sind stammlos.«

»Sein Häuptling Peschewa auch?«

»Er ganz stammlos, nicht mehr Ottawa, nicht Häuptling. Nicht Ottawa graben Streitaxt aus — der Namenlose, ihm folgen Niake, er nicht Ottawa.«

Der Gefangene brachte dies mit bemerkbarem Nachdruck vor, es war klar, der Oberst hatte die richtige Seite berührt und der junge Wilde wollte sein Volk von dem Vorwurfe entlasten, Krieg gegen die Langmesser, wie die Indianer die amerikanischen Truppen nannten, geführt zu haben, denn er ersann sich wohl der harten Züchtigung, welche seinen Stamm vor drei Jahren dezimiert hatte.

Der Oberst, welcher sich sehr viel und eingehend mit indianischer Eigenart beschäftigt hatte, begriff jetzt vollständig, welches Spiel gespielt worden war.

»Hier, Herr Graf,« sagte er zu diesem, »hier haben wir ein Stück echt indianischer Diplomatie. Dieser junge Mensch behauptet, er sei kein Ottawa, er sei stammlos, und alle seine Genossen ebenso. Merken Sie auf, so folgert der Indianer: Peschewa ist tödlich beleidigt von einem amerikanischen Offizier, er will sich rächen, kann aber oder will sein Volk nicht zu Teilnehmern seiner Handlungen machen, und scheidet deshalb aus diesem Verbände aus, er erklärt sich für stammlos. Seine Gefährten tun wie er. So führen also nicht die Ottawas Krieg gegen uns, sondern nur Herr Peschewa mit seiner Bande. Das ist echt indianische Logik.«

Er wandte sich dann wieder an den Ottawa: »Der große Vater in Washington wird nicht glauben, daß es stammlose Krieger seien, welche seine jungen Männer erschlagen haben, denn er blickt in ihr Herz, und siehe da, es ist das Herz eines Ottawas in jedem. Und er sieht in das Herz der Ottawas, welche in ihren Dörfern geblieben sind, und gewahrt, wie sie sich freuen über jeden Skalp, den die Stammlosen nehmen. Und so wird der große Vater sagen: die Ottawas sind nicht mehr meine Kinder, denn sie haben meine jungen Männer erschlagen. Er wird nicht mehr Korn schicken und Kühe und Schafe, nicht mehr Pulver und Blei, er wird seine Krieger senden und alle Ottawas töten lassen. Das danken die Ottawas euch, die ihr euch stammlos nennt.«

Es wurde jedem Zuschauer klar, daß die Worte des Obersten einen tiefen Eindruck auf den jungen Mann machten, sein Auge irrte umher und er atmete schwer.

Der Oberst gewahrte wie die andern die Wirkung seiner für den jugendlichen Ottawa klug berechneten Worte.

»Der junge Krieger hat verstanden, was ich sagte?«

Der Indianer neigte das Haupt.

»Gut wäre es, wenn ein Freund der Ottawas es dem jetzigen Häuptling ins Ohr singen wollte, denn nicht möchte ich das Volk erschlagen sehen.«

Der Indianer sah ihn aufmerksam an.

»Der große Vater in Washington wird sagen: Wenn Peschewa durch einen meiner Offiziere beleidigt morden ist, warum tötet er meine Leute, die ihm nichts zuleide getan haben? Er wird sagen: Wenn die Ottawas meine Kinder wären, so würden sie es verhindern, daß die Stammlosen meine Krieger von hinten erschlagen, und all dies sollten die Männer der Ottawas wissen, aber wer wird es in ihr Ohr singen?«

Nach einem kurzen Schweigen sagte der Ottawa: »Niake wird es tun.«

»Ich fürchte, Niake wird zu Peschewa gehen, wenn ich ihm das Tor öffne, und fortfahren, gegen uns zu kämpfen,«

Mit großer Bestimmtheit erwiderte der Indianer: »Niake wird zu Kitate gehen und in sein Ohr singen, was der große Vater in Washington denkt.«

»Das wäre sehr gut, denn den Ottawas ist er gewogen, die Stammlosen hingegen wird er am Halse aufhängen lassen. Ich werde dem jungen Krieger glauben und ihm die Tür öffnen. Will er gleich gehen?«

»Nein,« entgegnete dieser nach kurzer Ueberlegung. »Niake wird gehen, wenn es dunkel ist.«

»Gut. Ich vertraue dir. Ich will dir am Abend die Tür öffnen lassen und dann tue, was du für am vorteilhaftesten für die Ottawas hältst.«

Er ließ ihn dann zurückführen und einschließen, ohne ihn jedoch fesseln zu lassen.

Er erklärte Graf Edgar seine Unterredung mit dem Wilden.

»Diese braven Leute glauben durch eine solche kindliche Fiktion die Regierung täuschen und von ernsten Schritten gegen sie abhalten zu können. Aber schon daß sie einen solchen überhaupt für nötig halten, zeigt, daß sie den Streit fürchten, wie ja auch schon das Benehmen des Kitate, von dem mir Sounders berichtet hat, angezeigt. Da also nicht das Ottawavolk bei dem Angriff beteiligt ist, sondern nur Peschewa mit seinem persönlichen Anhang, so kann die Zahl der Angreifer in der Tat nicht groß sein, und ich hoffe, daß ihnen Blackwater zu widerstehen vermag.«

 

»Glauben Sie, daß der junge Mann zu seinem Volke gehen wird, statt zu seiner Räuberhorde?«

»Das glaube ich sicher. Er fühlt sehr gut die Wahrheit meiner Worte und daß die Gefahr nahe liegt, daß das ganze Volk für Peschewas Tat verantwortlich gemacht werden kann. Es genügt schon, ihnen die gewährleisteten Provisionen und Geldbeiträge zu entziehen, um sie zahm zu machen, sie werden ja von der Regierung erhalten. Diese wird das freilich nicht tun, denn das hieße eine Rotte vor Hunger wahnsinniger Mörder auf die Ansiedelungen zu entfesseln. Es wird wohl nötig sein, einige Bataillone Reguläre hierherzusenden.«

»Aber was beginnen wir hier, Herr Oberst? Wir werden gegen einen ernstlichen Angriff das Fort nicht verteidigen können.«

»Nein, das können wir nicht. Verstehen die Feinde, Leitern herzustellen, so genügt ein Scheinangriff auf der einen, um den Feind auf andrer Stelle über die Pallisaden zu bringen. Ich denke mit Dunkelwerden den Pottawatomie hinauszusenden, daß er sich nach Blackwater umsieht und Botschaft nach Fort Jefferson bringt. Meine heimliche Befürchtung, daß auch zugleich jenes Fort angegriffen sein könnte, ist durch des Indianers Aussage vollständig geschwunden. Wir hier müssen ruhig die Dinge an uns herankommen lassen.«

Die Türe des Sergeantenhauses ging auf und Miß Schuyler erschien in derselben. Durch den Inhalt des Mantelsacks, welchen der Pottawatomie auf seinem Pferde mitgeführt hatte, war es ihr ermöglicht worden, das Reitkleid abzulegen und sich umzukleiden; sie erschien in einem einfachen dunklen Gewand, von welchem das bleiche Antlitz sehr abstach.

Ihr Vater und Edgar gingen auf sie zu.

»Ich hielt es nicht länger in dem engen Stübchen der guten Frau aus, es trieb mich, die Wälle zu sehen, welche uns vor den Feinden schützen.«

»Komm, mein Kind,« sagte der Oberst und nahm ihren Arm, »die Luft wird dir gut tun. Auch wird Frau Wood dir ein Heim im Kommandantenhause bereiten, nicht so?« wandte er sich an diese, welche hinter Frances hergekommen war.

»Ist schon geschehen, Herr Oberst, alles, was mir Gutes hatten, ist in Miß Schuylers Zimmer gebracht worden.«

Der für sie bestimmte Raum, im Giebel des Offiziershauses liegend, war von der Raubgier der Indianer verschont geblieben.

Die Zerstörung, welche deren Hand im Fort hervorgerufen hatte, war einigermaßen beseitigt morden, doch sah es noch wild genug ringsum aus, und Frances‘ Gesicht wurde noch eine Nuance bleicher, als sie den Blick umherschweifen ließ, doch sagte sie nichts.

Der Oberst geleitete sie nach dem Wall und ließ sie einen Blick auf den See werfen, der in seiner ruhigen Schönheit vor ihnen lag.

Lange sah Frances durch eine der Schießscharten.

Die stillen Wälder spiegelten sich in den klaren Fluten zugleich mit dem unbewölkten Himmel. Wasservögel schwammen lustig auf dem See umher und neckten sich im muntern Spiele.

»Welch ein Bild des Friedens, Vater,« sagte sie, nachdem sie den Eindruck voll hatte auf sich wirken lassen.

»In der Tat, ein herrlicher Anblick.«

»Und zu denken, daß unter dieser friedlichen Stille der grause Mord lauert.« Ein Schauer überlief ihren Leib.

»Mein Herzenskind muß sich nicht solchen Gedanken hingeben; ist die Lage, in der wir uns befinden, gleich ernst, so bedrohen uns doch keine unmittelbaren Gefahren.«

»Wir stehen in der Hand Gottes, Vater.«

»Ja, Frances, und auf ihn wollen wir vertrauen, er wird die Anschläge unsrer Feinde zunichte machen.«

Sie wandte ihr Auge von dem See und sagte: »Ich will jetzt mit Hilfe der Sergeantin für deine Behaglichkeit sorgen.«

»Tue das, Kind, wir wollen nach der beschwerlichen Reise einen langen Schlaf tun.«

Er führte sie wieder hinab und sie betrat mit Frau Wood das Kommandantenhaus.

»Wir müssen nun wohl etwas Kriegsrat halten, Herr Graf, um zu erörtern, was wir in unsrer Lage tun können. Es ist geboten, die Meinung aller zu hören, welche mit uns die Gefahr teilen.«

Johnson, der Konstabel, die beiden Indianer wurden herbeigerufen und ließen sich mit dem Oberst und Edgar neben dem Offiziershause nieder, während Michael, Heinrich und Sumach auf den Wällen weilten.

»Es ist nicht zu leugnen, Männer,« begann der Oberst, »daß wir uns in einer sehr bedenklichen Lage befinden. Zwar sind Wall und Pallisaden hoch, doch nicht hoch genug, um ein Uebersteigen gänzlich zu verhindern. Greift der Feind mit Entschlossenheit an, so sind wir zu gering an Zahl, um den Angriff abwehren zu können. Ich habe leider keinen Zweifel, daß Peschewa die unter Kapitän Blackwater heranziehenden Truppen angegriffen und zurückgeworfen hat, sonst hätten wir schon von ihnen gehört; wir sind also auf uns allein angewiesen. Ich habe die Absicht, hier den Pottawatomie, sobald die Nacht hereingebrochen ist, nach Fort Jefferson zu senden, aber Hilfe von dort kann frühestens in vier Tagen hier sein. Das ist unsre Situation, und nun sagt eure Meinung, Männer, darüber, was wir tun können, um uns zu retten.«

»Colonel,« nahm nach einigem Schweigen Johnson das Wort, »ich denke nicht, daß Peschewa angesichts von sechs oder sieben guten Büchsen einen Sturm am Tage wagen wird, und nachts fechten die Indianer höchst ungern. Hat er sich mit Ihren Truppen geschlagen, so wird das nicht ohne Verluste abgegangen sein, selbst wenn er Sieger geblieben sein sollte. Alles dies läßt mich nicht an einen offenen Angriff glauben. Auch dürfte es den Roten schwer werden, Leitern zu verfertigen, und ohne diese kann Peschewa nicht stürmen.«

»Es ist sehr zu fürchten,« ließ Weller sich vernehmen, »daß die blutigen Schurken, welche ich im Namen des Gesetzes dieser Staaten verfolge, sich den Ottawas angeschlossen haben, und diese verstehen auch Leitern herzustellen. Im Notfall genügten auch junge Bäume, um die Pallisaden zu erklettern, wenn sie sich der Aeste als Sprossen bedienen. Daß sie angreifen werden, wenn sie die Soldaten zurückgeschlagen haben, ist außer allem Zweifel; sie kennen unsre Schwäche, und das Fort mit seinen reichen Schätzen an Waffen, Munition und so vielen andern Dingen, welche ihnen wert dünken, reizt sie übermächtig. Wie ich gesehen habe, sind ja zahlreiche Boote da, ich wäre dafür, diese in der Nacht zu benützen, uns nach dem andern Ende des Sees zu begeben, und den Weg durch die Wälder zu suchen.«

»Den Gedanken habe ich auch schon gehabt,« sagte der Oberst, »aber ich halte es meiner Tochter wegen für unmöglich, in den Wäldern einer Verfolgung von seiten der Indianer zu entgehen. Selbst wir Männer hätten dazu wenig Aussicht, wenn diese leichtfüßigen Krieger auf unsrer Spur sind. Auch wissen sie, daß wir Kanoes haben, und der Gedanke, über den See zu entfliehen, liegt so nahe, daß sie sicher Vorsichtsmaßregeln getroffen haben, um unsre Flucht zu entdecken, dann haben wir sie auf den Fersen. Der See ist an einigen Stellen so schmal, daß eine Büchsenkugel dessen Mitte erreicht.«

»Was meinst du, Enkel des großen Panthers der Wyandots,« wandte sich der Oberst an Athoree, »lasse der Häuptling uns seinen Rat hören.«

Athoree erhob sich und sagte mit der ruhigen Würde, welche den meisten Indianern besonders bei Beratungen eigen ist: »Denken nicht, daß Ottawa angreifen, solange die Sonne scheint, er schon viel Leute verloren. Er gestern fechten, heute fechten, er müde, greifen nicht am Abend an; wenn er kommen, kommen am Morgen, ehe Sonne da. Das rechte Zeit. Wenn fliehen in Kanoe, er bald wissen, sehr weiter Weg zu den Ansiedelungen, weiße Rose kleine Füße, sie nicht viel gehen, holen ein, nehmen Skalp von Männern, führen weiße Rose gefangen fort.«

»Da wäre Tod noch besser,« murmelte erbleichend der Oberst, der wie alle wohl verstand, daß Athoree in der bilderreichen Art seines Volkes mit der weißen Rose seine Tochter bezeichnete.

»Nicht fliehen in Kanoe über See. Rose nicht gehen können, nicht verwundeter Mann gehen können.«

Der Oberst schlug sich vor die Stirn: »Wie schäme ich mich meines Egoismus, ich denke nur an mein Kind und nicht an die verwundeten Kameraden. Es ist ja kein Gedanke an Flucht möglich, mir müssen den Feind hier ruhig erwarten.«

»So tun, ja. Wenn Ottawa kommen, nicht gehen auf Wall, zu wenig Männer. Große Büchse schießen weit, nicht nah.« Er hatte wohl erkannt, daß wenn der Angreifer im Graben war, das Geschütz nicht auf ihn gerichtet werden konnte. »Warum gehen nicht in klein Haus?« er deutete auf das Haus des Sergeanten, »es sehr dick Holz, machen noch dicker. Fenster zu, Türen zu, nur Loch für Büchse. Tragen Gewehr hinein,« er deutete auf die auf dem Wall befindlichen Soldatenflinten, »Brot, Wasser, Pulver, wehren uns dort, ein Tag, zwei Tag. Nicht leicht nehmen. Warten bis Hilfe kommt. Dies alles.«

»Und wenn sie Feuer anwenden?«

»Balken schwer, nicht leicht brennen. Machen Haus naß, ganz naß, Brunnen dort.«

»Und kommt keine Hilfe? — dann?«

Athoree zuckte die Achseln: »Dann sterben — alles vorbei.«

Tiefes Schweigen herrschte nach diesen Worten unter den versammelten Männern.

Plötzlich drang leise die feierliche Weise eines Kirchenliedes in getragenen Orgeltönen zu dem Ohr der überrascht Aufhorchenden. Wie aus hoher Luft herabkommend, erklang fast geisterhaft der Ton.

Atemlos lauschten sie.

Jetzt einte sich die schöne Stimme Frances Schuylers mit den getragenen Accorden in der hehren Weise des 62. Psalms.

»Meine Seele harret nur auf Gott, denn er ist meine Hoffnung. »Er ist mein Hort, meine Hilfe und mein Schutz, daß ich nicht fallen werde.

»Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott.«

Leise verhallten die Töne der schönen, herzergreifenden Stimme, die Accorde des Harmoniums.

Die Hörer waren tief bewegt.

Gleich als die feierliche Weise Händels begann, hatte der Oberst unwillkürlich die Hände gefaltet, alle Weißen folgten seinem Beispiele, auch Heinrich und Michael auf dem Walle, und nie hat eine Gemeinde andächtiger erhabenem Worte gelauscht, als die kleine Schar der hier vereinigten Männer.

Der brave Ire war so ergriffen, daß ihm die hellen Tränen in die Augen traten.

Mit tiefer Aufmerksamkeit lauschten auch die Indianer den nie vernommenen feierlichen Tönen.

Der Eindruck war so mächtig, daß keiner ein Wort fand, als Frances schon einige Zeit geschlossen hatte, bis Athoree in gedämpftem Tone fragte: »Die weiße Rose sprach mit dem großen Geist? Wie?«

»Ja, Indianer, meine Tochter rief auf zu ihm, der uns allein retten kann.«

Es dauerte eine kleine Weile, ehe sie in der Beratung fortfuhren.

»Was meint der Pottawatomie?«

»Der Wyandothäuptling großer Krieger, er ganz recht. Nicht fliehen, müssen fechten, am besten dort fechten.« Und er deutete auf das Blockhaus der Sergeanten. »Das können verteidigen, nicht Fort.«

Nach einiger Ueberlegung fanden alle, daß der Vorschlag Athorees das einzige Mittel enthielt, um die Verteidigung längere Zeit fortsetzen zu können, und man beschloß sofort ans Werk zu gehen, um das Haus in wehrfähigen Zustand zu versetzen.

Johnson, Michael und der Konstabel, welche alle drei trefflich mit der Axt umzugehen verstanden, übernahmen es, Schutzvorrichtungen gegen feindliche Kugeln herzustellen. Sie bedienten sich dazu der Dachbalken der Kaserne, und Johnsons erstaunenswerte Kraft kam ihnen hierbei trefflich zu statten. Dieser und der Konstabel zimmerten mit der Geschicklichkeit amerikanischer Waldleute für Tür und Fenster starke Befestigungen, die sie mit Schießscharten versahen. Sie verbanden die Balken noch mit eisernen Klammern, die sie im Magazin vorgefunden hatten. Heinrich und die von der Absicht, ihr Haus in eine Festung zu verwandeln, unterrichtete Sergeantin trugen Pulver, Patronen und Musketen, Wasser und Nahrungsmittel aller Art in die Behausung. Edgar nahm die Verschlüsse der Geschütze fort, ließ diese aber selbst stehen. Dann half er Heinrich beim Ueberführen von Munition und Gewehren. Den Vorrat von Kartätschenladungen ließ man liegen, die Pulverfäßchen aber wurden in das Wasser versenkt. Der Oberst ordnete überall an, griff auch mitunter selbst mit zu.

Die beiden Indianer standen auf dem Wall und sahen ruhig mit zu, wie die andern arbeiteten, ohne auch nur im entferntesten Miene zu machen, ihnen beizustehen, es wäre indianischer Krieger unwürdig gewesen, solche Dienste zu leisten.

Da die Männer diesen Hochmut der Indianer kannten, den selbst das Beispiel des Obersten nicht zu brechen vermochte, und jede Aufforderung, zuzugreifen, zurückgewiesen worden wäre, ließ man sie gewähren. Auch war es nötig, daß fortwährend Ausguck auf den Wällen gehalten wurde, um vor jeder Ueberraschung sicher zu sein.

 

Mitten in der regsten Arbeit erschien Miß Frances unten und sah erstaunt den Vorbereitungen zu.

»Staune nur, mein Kind, aber wir müssen uns nach allen Regeln der Kunst auf die innere Verteidigungslinie beschränken, und so bauen wir eine Citadelle, da wir die ausgedehnten Außenwerke wegen Mangel an Mannschaft nicht besetzen können.«

»So glaubst du, Vater, daß wir angegriffen werden?« fragte sie, und ihre Stimme bebte.

»Nun, unmöglich wäre es nicht, jedenfalls müssen wir darauf vorbereitet sein. Du mußt wieder umziehen zu Frau Wood, wir müssen diese Nacht alle im Hause des Sergeanten schlafen.«

Frances ließ sich auf einen Stuhl nieder und sah mit gefalteten Händen den Arbeiten zu.

Es war mit solcher Kraft und Energie gearbeitet worden, daß bald nichts mehr zu tun war, und das Haus schien jetzt gegen einen Angriff so gesichert zu sein, als die gegebenen Mittel nur erlaubten.

Da bemerkte der Oberst die Spritze des Forts, eine ziemlich große Handspritze, und ordnete an, daß sie ins Haus gebracht werde. Diese und einige Tonnen wurden dann vermittelst eines Schlauches, den man zum Brunnen führte, mit Wasser gefüllt, was bei der Riesenkraft Johnsons und der Stärke und dem guten Willen Michaels bald geschehen war.

Der Tag, der eine solche Fülle von Arbeit und Aufregung gebracht hatte, nahte sich seinem Ende und alle waren erschöpft. Die Sonne stand bereits tief im Westen.

Die ermüdeten Männer ließen sich nieder, und die Sergeantin, welche eifrig mitgeholfen hatte, brachte Erfrischungen, wie sie ihre Küche bot.

Während sie aßen, ließ Graf Edgar die Bemerkung fallen: »Trefflich wäre es, wenn wir einige Leuchtkugeln hätten, um von Zeit zu Zeit das Terrain zu erhellen.«

»O, gut,« sagte der Oberst, »daß Sie mich daran erinnern, es müssen ja welche vorhanden sein.«

Er begab sich sofort nach dem Magazin, wo auch das Begehrte gefunden ward.

Frances befand sich schon bei der Sergeantin, und beide Frauen bereiteten sich eben ihre Schlafstätte.

Dann wurde Sounders von allem unterrichtet und vorsichtig zum Sergeantenhaus getragen.

Heinrich verschloß, einem Wunsche des Obersten gemäß, das Offiziershaus von innen, verriegelte Tür und Fenster und ließ sich dann an einem Tau vom Fenster herunter. Die Pferde waren bald, nachdem die flüchtige Kavalkade im Fort eingetroffen war, in dem vorhandenen Stalle untergebracht worden.

So waren, als der erste Stern am Himmel stand, alle Vorbereitungen getroffen, welche Einsicht und Erfahrung den Männern eingaben, welche hier für ihr Leben fechten sollten, um die Verteidigung zu einer wirksamen zu machen.

»Nun mögen sie kommen,« sagte der Oberst, »wir sind bereit, sie zu empfangen.«

Er begab sich ins Haus und schrieb bei der Lampe Schein rasch einige Zeilen an den Kommandanten von Fort Jefferson, schleunigen Entsatz erheischend, versiegelte ihn mit seinem Petschaft und händigte ihn dem Pottawatomie ein.

Diesem wurde noch eingeschärft, sich vorerst nach den Truppen umzusehen, was ihn kaum von seinem Wege abbrachte, und dann mit aller Schnelligkeit nach Fort Jefferson zu eilen.

»Der Pottawatomie soll außer seinem Botenlohne die schönste Büchse haben, welche in Traverse City zu kaufen ist, wenn er zeigt, daß er die Beine des Hirsches hat.«

Der Indianer lächelte: »Der Hirsch wird nicht schneller sein als ich.«

»Gut. Der Pottawatomie ist als Läufer berühmt an der Grenze.«

Die Nacht sank herab, der Oberst und Edgar begaben sich auf den Wall, wo sie Athoree und seine Mutter fanden, welche leise miteinander flüsterten.

»Bringe deine Mutter ins Haus, Athoree,« rief ihm Edgar zu.

»Sumach wird gehen,« entgegnete der Indianer und führte dann die alte Frau hin.

Nicht ohne Erstaunen bemerkte dann der Offizier, daß die Feinde die Ufer des Sees entlang verschiedene große Feuer angezündet hatten, welche ihren Schein weit über das Wasser warfen.

»Wie recht Ihr Indianer hatte, Graf; sie vermuten zunächst, daß wir den See zur Flucht wählen würden, und sie versuchen, durch ihre Feuer uns daran zu verhindern.«

Endlich war die Nacht vollständig hereingebrochen. Der Himmel hatte sich mit Wolken umzogen und ein scharfer Wind rauschte in den Bäumen und warf im See die Wellen empor.

Jetzt war es Zeit, den Pottawatomie zu entlassen. Athoree erklärte sich bereit, ihn zu begleiten, um nach den Feinden auszuspähen.

Dies war sehr erwünscht. Johnson wurde ausersehen, am Tor auf des Indianers Rückkehr zu warten und ihn einzulassen, auch beschloß man, dem jungen Ottawa nicht eher zu gestatten, sich zu entfernen, bis Athoree zurück sei. Der junge Mensch war, als das Offiziershaus geräumt wurde, im Stall eingeschlossen worden.

»Gehen Sie mit dem Indianer ans Tor, Johnson, ich will eine Leuchtkugel steigen lassen, die Augen der Lauscher sind dann geblendet, und um so eher können die Indianer unbemerkt das Fort verlassen.«

Der Oberst traf die nötigen Vorbereitungen, um die Leuchtkugeln zu werfen, und Edgar rief Heinrich an: »Komm, wir wollen uns in Anschlag legen, und für den Fall Feinde im Felde sind, sie niederknallen.«

»Recht, Herr Graf, Nachtgefecht.«

Sie steckten ihre Büchsen durch die Schießscharten und warteten auf das Licht.

»Jetzt!« rief der Oberst, und strahlend und das Terrain weithin erleuchtend, erhob sich die glänzende Kugel.

Zwei Indianer, deutlich erkennbar, standen hoch aufgerichtet in einer Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt im Felde.

Die Büchsen der beiden deutschen Krieger entluden sich, und Nacht, noch tiefer als vorher, umgab sie wieder.

Geräuschlos öffnete sich das Tor und die beiden Indianer schlüpften hinaus.

»Meinen Mann hatte ich sicher, Herr Graf, der wird, wie ich glaube, genug haben.«

»Desto besser, ein Mörder weniger.«

Sie gingen zu Johnson, und alle drei lauschten angestrengt auf des Wyandots Wiederkehr.

Der Oberst hatte sich zu seiner Tochter begeben. Er saß im oberen Zimmer neben ihr und hatte den Arm um sie geschlungen.

»Du siehst ernste Gefahr für uns voraus, Vater, sage mir die Wahrheit, ich kann sie ertragen.«

»Gefahr ist gewiß vorhanden, Kind, wer könnte es leugnen, aber wir dürfen hoffen, ihr zu begegnen, und eine Soldatentochter, die Tochter Horace Schuylers, muß nicht zittern, wenn etwa Büchsen knallen oder das Geheul der Wilden ertönt.«

»Gott schütze uns,« flüsterte sie bebend, »lebendig, Vater, falle ich nicht in die Hände dieser wilden Tiere.«

»Ja, Gott schütze dich, mein Herzenskind,« sagte er, leise. »Wenn wir kämpfen müssen,« fuhr er fort, »wird es, wie ich hoffe, siegreich sein, unsre Citadelle ist gut besetzt und gut bewaffnet. Lege dich nieder, Kind, und versuche zu schlafen, ich will es auch tun, schwerlich ist vor dem Morgengrauen etwas zu besorgen, wenn überhaupt ein Angriff beabsichtigt ist.«

Er küßte sie zärtlich auf die Stirne und ging hinab, wo Sounders und der Sergeant unter der sorgenden Obhut der Frau lagen.

Bald wurde ihm gemeldet, Athoree sei zurück.

Er ging hinaus und dieser berichtete, die Hauptmacht der Indianer lagere bei den Feuern am See, er habe etwa fünfzig Krieger gezahlt. Gekämpft müßten sie haben, denn frische Skalpe, welche die Gürtel zierten, und einige Verwundete habe er erblickt.

Somit war die Anwesenheit des Feindes in seiner Gesamtheit festgestellt.

»Weißer Mann auch dort. Drei, ihn kennen, Rothand, Tyron und Iltis.«

»So? Haben sich diese Schurken wirklich mit den Indianern vereint? Nun, sie sind in würdiger Gesellschaft.«

Es ward nun der junge Ottawa herbeigeholt. Man gab ihm einige Nahrungsmittel, und der Oberst sagte ihm mit ernstem Nachdruck: »Ich bin der Befehlshaber aller Truppen hier an den Seen, der Stellvertreter des großen Vaters in Washington, ich erwarte Kitate hier, so schnell er kommen kann. Meine Krieger sind auf dem Marsche, ich werde ihn, wenn er nicht erscheint, in seinen Dörfern aufsuchen. Das möge der junge Ottawa ihm sagen.«