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Edgar sagte ihm, wie er gefunden und gerettet worden sei.

Sounders dankte gerührt.

»Aber wie steht‘s mit dem Fort?«

Der Graf gab ihm genaue Kunde von allem, was er getan und angeordnet hatte.

»O, es ist gut. Sie sind ein umsichtiger Soldat, Herr.« Er drückte ihm matt die Hand. »Die Hunde werden Sie angreifen — doch« — unterbrach er sich — »mein Gott, mein Gott — der Oberst auf dem Wege hierher? Der Herr sei ihm gnädig, aber die Wilden werden sich wie Wölfe auf die Ahnungslosen werfen — entsetzlich.«

Der Graf erschrak heftig.

»Erwarten Sie Oberst Schuyler so bald?«

»Heute, Sir, heute — mit der neuen Garnison und seiner Tochter.«

»Und seiner Tochter?« Edgar wurde so bleich, da Sounders nicht ohne Erstaunen fragte: »Kennen Sie sie?«

»Ich habe erst kürzlich in Lansing des Obersten und Miß Schuylers Bekanntschaft gemacht. Ja, Sie haben recht —« fügte er mit bebender Stimme hinzu, »ihnen sei Gott gnädig. Und kein Mittel, ihnen Hilfe zu bringen, sie zu warnen?«

»Ich halte es für unmöglich, daß jemand am Tage unbemerkt das Fort verlassen kann, und ohne unsichtbar zu sein, wird keiner, der es versuchte, der Hand der Feinde entgehen.«

»O, armes, armes Mädchen!« murmelte Edgar leise in tiefem Schmerze.

»Ich sehe, Herr Kamerad, Sie sind erschüttert von dem Unglück, das uns betroffen hat und noch ferner droht. Es ist furchtbar, aber ich sehe kein Mittel, den Heranziehenden Hilfe zu bringen oder sie auch nur zu warnen.«

»Und Sie glauben den Oberst schon in der Nähe?«

»Den getroffenen Dispositionen nach kann er unmöglich weit sein.«

»Von welcher Richtung kommen die Truppen heran?«

»Sie marschieren den See entlang und zwar auf dessen östlichem Ufer.«

»Ich werde einige Kanonenschüsse abgeben, vielleicht daß das als Warnungszeichen aufgefaßt wird.«

»Das ist ein guter Gedanke, tun Sie es, es muß den Oberst stutzig machen, wenn er es hört, denn er weiß, daß wir hier keine Munition verschwenden.«

Edgar drückte Sounders noch die Hand und ging rasch hinaus. Die nahe Gefahr, welche den Oberst und dessen Tochter bedrohte, unter dem Messer blutdürstiger Wilden zu fallen, riefen im Grafen fieberhafte Aufregung hervor, welche durch die Unmöglichkeit, sie auch nur zu warnen, noch erhöht wurde.

Er begab sich auf den Wall und rief Athoree zu sich.

»Höre, Häuptling,« er gab ihm jetzt auch öfter diesen Titel, »es ziehen Truppen heran, welche die hiesige Garnison ablösen sollten, glaubst du, daß Peschewa sie überfallen wird?«

»Ich so denken, wenn wissen, es tun, wenn nicht wissen, er vielleicht überfallen werden.«

»Nimmst du an, daß er mit seiner ganzen Schar hier in den Wäldern liegt?«

»Nicht wissen können, nicht durch Baum sehen.«

»Der Oberst kommt mit seiner Schar, ohne Ahnung davon, daß die Ottawas die Streitaxt ausgegraben haben. Wird er heimtückisch überfallen, sind er und seine Leute sicher verloren. Könnte man sie nicht warnen, Athoree?«

»Niemand Fort verlassen, solange Sonne scheint, dort,« er wies auf den Wald, »Ottawa genug, schießen ihn tot, Botschaft nicht ankommen.«

Graf Edgar hatte einen aussichtslosen Versuch gemacht, die letzte schwache Hoffnung, von dem Indianer Hilfe zu erlangen, war erloschen.

»Nun, so sollen die Kanonen sprechen, vielleicht reden sie eine verständliche Sprache. Ich will die Geschütze abfeuern, vielleicht daß das sie warnt.«

»Das gut, große Büchse losschießen, gut, denken, ihm besser hören.«

Graf Edgar ging auf das Geschütz, welches den See beherrschte, zu und Athoree folgte ihm. Er hatte zum erstenmal hier im Fort eine Kanone gesehen. Der Graf richtete die Mündung höher, hieß den Indianer zur Seite treten und zog dann die Zündschnur.

Donnernd entlud sich das Geschütz und weckte ein vielfaches Echo, welches von den Ufern des Sees zurücktönte. Der sonst so eisenfeste Indianer bebte zurück bei dem so gewaltigen, durch das Echo verstärkten ehernen Laut. Fernhin sausten die Kartätschen ins Wasser und ließen es hoch aufspringen.

»Das hören,« sagte Athoree und betrachtete mit staunenden Blicken das blanke Rohr. »Große Büchse gut. Sprechen wie Manitou, wenn zornig.«

Der Graf ging den Wall entlang und feuerte nach und nach die übrigen Geschütze ab. Mit Hilfe Heinrichs brachte er die Kanonen wieder in ihre Position und lud sie von neuem.

»Wir wollen von Zeit zu Zeit einen Warnungsschuß abgeben, Heinrich, vielleicht daß er seinen Zweck bei den herannahenden Truppen erfüllt.«

In hoher Aufregung schritt er dann auf dem Walle auf und nieder, von Zeit zu Zeit einen Blick auf die See und das Ufer werfend, woher nach Sounders‘ Angabe der Oberst kommen mußte. Noch zweimal weckte er das Echo mit dem Hall der Geschütze. Während er wiederum angstvoll durch eine der Schießscharten lugte und jeden Augenblick das Knattern der Gewehre im Walde zu hören fürchtete, bemerkte er zwei Kanoes, welche in weiter Entfernung eilig quer über den See ruderten. Durch sein Glas gewahrte er, daß jedes mit vier Indianern bemannt war.

»Heinrich,« rief er diesem zu, »bringe mir rasch eine Granate herauf, wir wollen diese Schurken, welche sich so frech vor unsre Augen wagen, doch begrüßen.«

Rasch folgte der Angerufene dem Befehl. Graf Edgar lud und richtete mit großer Sorgfalt das Rohr, ein klein wenig den eilenden Booten vorhaltend.

»Ich kann zwar auf dem Wasser die Entfernung nicht genau abschätzen, aber hoffentlich sind sie noch in Schußweite.«

Die Männer waren alle auf den Wall geeilt und standen neben dem Geschütz, die Augen auf die seinen Kanoes gerichtet.

Krach! entlud sich dessen eherner Mund, und als der Dampf sich hob, bemerkten alle, daß die Granate doch Verderben gebracht hatte.

Durch sein Glas sah Edgar, wie aus dem einen der Boote die Männer sich eilig in das andre begaben, und ferner, daß einer von dessen Insassen von seinen Gefährten hineingezogen wurde.

»Hurra!« rief Heinrich, »die saß. Noch eine, Herr Graf.« Und schon sprang er, ohne Befehl abzuwarten, hinunter zum Magazin.

»Ja,« sagte der Graf, »der Schuß traf, das eine der Boote ist sicher leck. Wartet, ihr sollt Feuer haben, so lange, bis das Rohr glühend wird.«

»Bei meiner Mutter Seele,« schrie der entzückte Michael, »das war ein Schutz.« Und er ließ seinen hellen irischen Kampfruf folgen.

Mit nicht geringerem Staunen hatten Johnson und Athoree die Wirkung des Schusses beobachtet.

Das ferne Boot hielt einen Augenblick und bewegte sich dann langsamer, als bisher sein Lauf war, zurück, entweder war es zu schwer beladen oder seine Ruder waren verletzt.

Schon kam Heinrich mit zwei Granaten heran. Graf Edgar schob das Geschoß ein, zielte mit derselben Sorgfalt wie vorher, und die im flachen Bogen hinsausende Kugel schlug in der Nähe des Kanoes ein, eine schlanke Wassersäule emporwerfend.

Durch sein Glas bemerkte der Graf, wie die Indianer mit furchtbarer Anstrengung arbeiteten, um aus dem Bereich dieses verderbendrohenden Feuers zu gelangen.

Man mußte das Geschütz sich abkühlen lassen, und ehe es aufs neue schußbereit war, war das Fahrzeug hinter einem Landvorsprung verschwunden.

»Ja, kommt nur,« lachte der Ire, den der Kanonendonner aufregte, »Seine Gnaden wird‘s euch schon zeigen, verd— Skalpabzieher ihr. Kommt nur heran.« Und er streckte drohend seine kräftige Faust nach dem See aus.

»Ich sehe zum erstenmal ein Geschütz in Tätigkeit, Sir, und bin erstaunt über die Genauigkeit des Schusses auf solch weite Entfernung und die Wirkung des Geschosses.«

»Es ist mehr ein glücklicher Zufall, als mein Verdienst, daß ich gleich beim ersten Schusse die wahre Entfernung ermittelt hatte, das fällt selbst einem geübten Kanonier nicht leicht.«

Von der Stelle aus, wo der Graf und seine Begleiter standen, konnte man weithin beide Ufer des Sees übersehen.

Während am östlichen Ufer, rechts von ihnen, die Bäume bis dicht ans Ufer heranreichten, war eine längere Strecke am westlichen Ufer von Bäumen und selbst, einige Büsche abgerechnet, auch von Unterholz ganz frei und nur mit Gras bedeckt. Da die Truppen vom östlichen Ufer her erwartet wurden, waren die Blicke des Grafen fortwährend dorthin gerichtet.

Ein leiser Ruf des Indianers machte ihn aufschauen, dessen Hand war nach dem westlichen Ufer ausgestreckt, und mit einer mit Entsetzen gemischten Freude erblickte Edgar eine Reitergruppe von vier Personen, welche eben den Wald verlassen hatte und den See entlang galoppierte. Sie war nur etwa eine Meile weit entfernt und selbst das unbewaffnete Auge vermochte zu erkennen, daß eine Dame darunter war.

Der Graf zitterte so bei diesem Anblick, daß er nicht ruhig das Glas vor den Augen halten konnte. Leise kam es über seine Lippen: »Gott sei ihnen gnädig! Was tun? Was tun? Athoree? Jetzt hilf!«

»Feuer in Busch vor den Reitern. Ottawa Angst vor großer Büchse.«

Mit bebender Hand schob der Graf eine Kartätschenladung in die Kanone, richtete das Rohr niedrig und die todbringenden Kugeln sausten zwischen die Bäume, in geringer Entfernung von der Kavalkade.

Die Reiter beschleunigten die Gangart, ihrer Pferde.

Johnson, Athoree und Heinrich standen, die Gewehre in der Hand, und starrten nach dem Walde.

»Dort Ottawa,« rief der Wyandot und feuerte seine Büchse nach einer Stelle ab, wo die Büsche sich dem Fort gegenüber bewegten. Johnson und Heinrich folgten. In seiner Erregung sah der Graf nur nach den Ankommenden.

»Andre große Büchse abfeuern,« sagte Athoree und deutete auf das Geschütz über dem Eingang zum Fort.

Edgar sprang hin, während die Schützen eilig luden, richtete das Rohr, und von neuem sauste der Kartätschenhagel zwischen die Bäume.

 

Drüben am Walde blitzte eine Büchse auf, und ehe noch deren Knall zu ihrem Ohre gelangte, krachte schon das Gewehr Heinrichs, ein Indianer stürzte taumelnd aus dem Busch und fiel auf sein Angesicht nieder.

Näher und näher kamen die Reiter in vollem Rosseslauf. Frances jagte voran, zu ihrer Seite, nach dem Walde zu, ritt der Oberst, sie mit seinem Leibe deckend, hinter ihnen die zwei Begleiter.

Wiederum krachte drüben ein Schuß.

»Wir wollen hinaus,« schrie der Graf, »mir müssen sie retten.«

»Es ist sicherer Tod für uns, Sir,« sagte Johnson ernst und legte dem erregten jungen Mann die Hand auf die Schulter, »auch geben wir das Fort preis, wenn wir einen Ausfall machen; mir können von hier ebensoviel nützen, als —« er unterbrach sich, riß die Büchse an die Wange, schoß, ließ sie sinken und sagte ruhig: »So, der hat genug.«

Athoree und Heinrich standen mit schußfertigen Waffen und durchforschten den Wald mit funkelnden Augen.

»Lassen Sie das Geschütz noch einmal sprechen, hier dem Eingang gegenüber ist die gefährliche Stelle.«

Schon schob der Graf die Ladung ein.

»Michael, gehe an die Pforte und schiebe den Riegel zurück, sobald sie kommen.«

»Ja, ja,« sagte dieser und ging hinab.

»Stellen mir uns über dem Eingang auf,« und Johnson, Heinrich und der Indianer traten dorthin.

Schon waren die Reiter nahe, schon vermochte der Graf das flatternde Haar Frances zu erkennen.

Krachend entlud sich die Kanone, deutlich hörte man das Splittern des Holzes, das Brechen der Aeste.

»Versparen wir unser Feuer, bis sie näherkommen,« sagte mit immer gleicher Gemessenheit Johnson.

»Nein, nein! Vorwärts!« schrie Edgar, »Feuer aus allen Musketen,« und er stürzte auf das nächste Gewehr los und feuerte in den Wald hinein, dies mit großer Geschwindigkeit mit der an der nächsten Schießscharte stehenden Waffe wiederholend.

Schon jagten auf schäumenden Rossen die Reiter heran.

Hinab sprang der Graf.

»Oeffne, Michael!«

Der Ire schob den Riegel zurück, Edgar riß den Flügel auf, sprang hinaus — im Walde knallte es auf, zwei Kugeln sausten an ihm vorbei — und kam rechtzeitig, um Frances in seinen Armen aufzufangen, als sie ohnmächtig vom Pferde sank. Im Laufe trug er sie hinter die Pallisaden, während von oben die Büchsen der drei Männer sich nach dem Walde hin entluden.

Schon ritt Oberst Schuyler hinter die Balkenwand, welche das Tor deckte, und dicht hinter ihm folgten seine Begleiter. Michael schlug die schwere Tür zu, schob den Riegel vor; die Flüchtigen waren in Sicherheit.

Rasch sprang der Oberst vom Pferde und eilte zu seinem ohnmächtigen Kinde. Edgar hatte die junge Dame sachte auf einen Stuhl niedergelassen.

»Es ist nur eine Ohnmacht, Herr Oberst, Miß Schuyler ist unverletzt.«

Der Oberst, seine Tochter im Arm haltend, blickte in das Gesicht des Redenden.

»Mein Gott — Herr Graf —« und die Besorgnis, welche auf seinen Zügen lagerte, machte einem unverhohlenen Erstaunen Platz. »Sie hier — Herr Graf?«

Ein Seufzer Frances wandte seine Aufmerksamkeit wieder dieser zu.

Schon kam die Sergeantin hervor und sagte: »Ueberlassen Sie die Lady mir, Herr,« und sie wies auf ihre Behausung.

Oberst Schuyler nahm, ohne etwas zu erwidern, seine Tochter auf den Arm und trug sie zur Wohnung des Sergeanten, wo er sie auf dem Bett der Frau niederlegte.

Er kam zurück und ging auf Edgar zu.

»Was um des Himmels willen ist hier vorgefallen, Herr Graf?«

»Es gehört Mut dazu, um die Wahrheit zu vernehmen.«

»Sagen Sie mir alles — auch das Schlimmste, ich bin wie von einem Blitz aus wolkenlosem Himmel getroffen durch die Vorgänge der letzten Stunde.«

Edgar berichtete ihm kurz die ganze gräßliche Wahrheit.

Der Ernst, der für gewöhnlich auf des Obersten Zügen lagerte, vertiefte sich, als er schweigend den Bericht anhörte.

Als der Graf geschlossen hatte, der Oberst alles wußte, ging dieser einige Male auf und ab, blieb dann wieder bei jenem stehen, reichte ihm die Hand und sagte: »Und Ihnen, mein deutscher Kamerad, verdanken wir unsre Rettung.«

»Gott sei Dank, daß es gelungen ist, ich war in tödlicher Aufregung von dem Augenblick an, wo ich wußte, daß Sie dem Fort nahten.«

»Daß wir in Sicherheit sind, verdanken wir nebst Ihnen der Vorsehung. Diese ließ uns, als ich beschlossen hatte, den Truppen voranzueilen, den Weg auf dem westlichen Ufer wählen, da nach Aussage des indianischen Führers, den ich bei mir hatte — es war der Pottawatomie, welcher die Briefe der Offiziere zwischen den Forts hin und her trug —, es weniger waldig sei als das östliche; meiner Tochter hätte ein Ritt zwischen den Bäumen doch großes Unbehagen bereitet. Ich hörte Ihre wiederholten Kanonenschüsse und es stieg, wie Sie mit Recht vorausgesetzt hatten, der Gedanke in mir auf, es sollten Warnungssignale sein. Als ich aber gewahrte, und ich konnte es deutlich gewahren, daß das Fort eine Granate nach den Kanoes der Indianer warf, ein Meisterschuß übrigens, da ward mir klar, daß die Wilden kriegerisch gegen dasselbe vorgegangen seien. In unsagbarer Angst um meine Tochter legte ich den letzten Teil des Weges zurück. Zahlreich können die Ottawas auf diesem westlichen Ufer nicht gewesen sein, doch für uns gerade genug. Auch wären wir sicher ihre Opfer geworden, wenn Sie nicht dieses starke Feuer unterhalten hätten, das hat uns gerettet.«

»Ich danke Gott dafür.«

»Aber meine Truppen?« fuhr der Oberst mit tiefer Besorgnis fort, »ich fürchte das Schlimmste für sie, obgleich Kapitän Blakwater ein erfahrener und kaltblütiger Offizier ist. Also wieder ein Indianerkrieg? Schrecklich, schrecklich. Gott möge Kapitän Davis ein gnädiger Richter sein, aber er hat mit der Behandlung Peschewas alle schlimmen Leidenschaften dieses Volkes entfesselt und es ist gut für ihn, daß ihm die schwere Verantwortung für seine unüberlegte Handlungsweise hier auf Erden erspart bleibt. Die Indianer sind grausame, wilde Tiere, aber eine gewisse Ritterlichkeit ist ihnen nicht abzusprechen. Es war ein großer Fehler des Kriegsministers, einen jungen lebenslustigen Südstaatenmann zum Kommandanten eines dieser an der Grenze liegenden Außenforts zu machen. Also nur zwei sind von der ganzen Besatzung noch übrig?«

»Der Leutnant und der Sergeant, wenn nicht noch einige Soldaten gerettet sind, welche sich zur Zeit des Ueberfalls mit dem Leutnant außerhalb des Forts befanden.«

»Es ist ein herber Schlag für die ganze Union. Haben Sie sich aus dem, was Sie erkundeten, ein Bild machen können, wie stark die Angreifer waren?«

»Der Leutnant und der Sergeant schätzten ihre Zahl nicht höher als auf achtzig bis hundert Mann.«

»Das ist mir unerklärlich. Es kann dann nur ein Bruchteil der Ottawas in Waffen sein, denn wenn diese Krieg führen wollen, können sie achthundert bis tausend Kämpfer ins Feld stellen, und vor allem würden sie dieses Fort mit starker Macht angegriffen haben. Das ist mir einstweilen noch rätselhaft. Selbst die Art des Ueberfalls kann ich mir noch nicht ganz vorstellen.«

»Der Sergeant ist der einzige, der davon erzählen kann.«

»Ich kenne den alten Wood, er ist ein tüchtiger Soldat, ich werde seinen Bericht ja selbst hören. — Unter welch seltsamen Umständen kommen wir wieder zusammen, Herr Graf? Wer hätte ahnen können, daß mir so bald mitten in den Indianerkrieg hineingeraten würden, als wir so friedlich in Lansing, im Hause von Freund Myers weilten. Ihnen und Ihren wackern Begleitern danken wir es, daß das Fort nicht im Besitze der Wilden ist, daß wir noch unter den Lebenden weilen. Es soll nicht vergessen werden, Herr Graf,« und wiederum schüttelte er ihm herzlich die Hand.

Edgar stellte dem Oberst Johnson vor, dessen auffällige Erscheinung diesen wie jedermann überraschte, der ihn sah.

»Mister Johnson, der mich zufällig im Walde antraf, führte mich hierher und gehört nebst meinem Jäger Heinrich, einem Soldaten von 1870 und Träger des eisernen Kreuzes, und meinem indianischen Führer zu den Verteidigern dieses Platzes.«

»Ich bin auch Ihnen Dank schuldig, Sir,« redete ihn der Oberst freundlich an und gab ihm die Hand. »Leben Sie hier in der Nähe?«

»Ich wohne seit drei Jahren auf der Reservation der Ottawas, Colonel, in meinem Shanty.«

»Auf der Reservation?«

»Ja, Sir, wohnte früher am Kalamazoo.«

»Sie haben also Fühlung mit den Ottawas?« und des Obersten klares Auge schien bis in die Brust des Mannes dringen zu wollen.

»Nein, Colonel,« erwiderte Johnson, »sie duldeten mich nur, als ich mich unwissend innerhalb ihrer Grenzen niedergelassen hatte, und gingen mir dabei scheu aus dem Wege, da mein Aeußeres ihnen abergläubische Scheu einflößte.«

»Wie kommt Ihr vom Kalamazoo hierher, Mann?«

»Hatte Gründe, Herr,« sagte Johnson traurig.

Edgar gab dem Obersten einen Wink, der diesen veranlaßte, mit seinen Nachforschungen inne zu halten.

Er blickte in das Gesicht Johnsons und maß dessen kraftvolle Glieder mit dem Auge. »Dünkt mich. Mann, Ihr seid früh ergraut? Wie alt seid Ihr?«

»Bin vor der Zeit weiß geworden, Herr, ich zähle erst vierzig Jahre.«

Ein zweiter Wink des Grafen verhinderte den Obersten fortzufahren. »Bin Euch verpflichtet. Mann, und werde es zu vergelten suchen, — Das dort ist Ihr indianischer Führer, Herr Graf?«

»Ja, Oberst. Athoree, komm näher.« Dieser hatte mit dem Pottawatomie einige Worte getauscht und kam nun heran. »Er hat mich mit Umsicht und Treue hierher gefühlt und große Tapferkeit gezeigt.«

»Das freut mich zu hören, Indianer.«

Athoree neigte würdevoll das Haupt.

»Bist du ein Pottawatomie?«

»Athoree ist Wyandot.«

»Wie? Ein Wyandot? Wie kommst du denn hierher?«

»Gehen jagen für weißen Mann. Hier Gutherz nehmen mit, Schwester bei Ottawas suchen.«

»Du hast also den Herrn Grafen hierher geführt?«

»So tun.«

»Du bist ein Krieger?«

»Denken so.«

»Ein Häuptling?«

»Enkel Meschepesche«, des großen Panthers meines Volkes.«

»O, bist du von so vornehmer Abkunft?« fragte der Oberst, der mit der Geschichte der größeren Indianerstämme wohl vertraut war, ohne jede Ironie, denn Meschepesche, der Huronenhäuptling, hatte in den Kämpfen zwischen Weißen und Roten einst eine große Rolle gespielt.

»Enkel des großen Häuptlings meines Volkes.«

»Gut, Athoree ist ein Krieger und ein Häuptling, ich danke ihm, daß er meinen Freund und mich verteidigt hat. Der große Vater in Washington soll es erfahren.«

»Gut!« sagte der Indianer mit Befriedigung.

Als die Sergeantin aus dem Hause trat, wandte sich der Oberst lebhaft zu ihr: »Meine Tochter?«

»Sie ist wohl, Herr Oberst, nur noch in großer Erregung.«

»Das glaube ich wohl. Daß ich das arme Kind auch mit hierher führen mußte. Kann ich sie sprechen?«

»Sie wünscht Sie zu sehen, Herr Oberst.«

»Ich komme.«

Er ging nach dem Häuschen und trat hinein.

Der Begleiter des Obersten, dem Edgar bis jetzt wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, trat jetzt auf ihn zu und nicht ohne Erstaunen erkannte er in ihm den Konstabel vom Muskegon.

»Mister Weller, Sie hier?«

»Ja, Herr, bin gerade zur rechten Zeit gekommen. Habe genug indianische Greuel im Leben gesehen. Ver— seien die Hunde.«

»Aber was führt Euch hierher?«

»Haben sich Morris und seine Gesellen hierher gewendet, bin ihnen nachgeschickt, da ich der einzige Konstabel bin, der sie alle persönlich kennt. Traf den Oberst mit seiner Kolonne und schloß mich ihr an. Wollt‘, wäre aus diesem Loch erst wieder heraus, sind wunderbare Dinge hier vorgegangen. Lassen Euch übrigens die Leute vom Muskegon grüßen. Fremder; sollt Euch wieder sehen lassen dort, haben Euch liebgewonnen, ist ein Fakt.«

»Freut mich zu hören, Konstabel, herzlich.«

Der Graf erzählte ihm, daß sie Burton tot im Walde aufgefunden hätten.

»Schade,« sagte Weller, »daß er dem Strick entwischt ist. Den hat einer von den andern abgetan, denn der Kerl führte sicher das in Lansing geraubte Geld mit sich. Nun, dann bin ich ja auf der richtigen Fährte, die Burschen sind hier, und ich werde sie finden. Macht mir dieser wahnsinnige Aufstand der Ottawas einen argen Strich durch die Rechnung, hatte gerade darauf spekuliert, daß die mir die Halunken fangen sollten.«

Der Graf führte ihn etwas zur Seite und fragte leise: »Kennt Ihr den Johnson, Konstabel?«

»Welchen?«

»Den, der das große Unglück am Kalamazoo hatte, von dem ich schon am Muskegon hörte.«

 

»Ja, habe den Mann gesehen. Ist verschollen seit der Zeit.«

»Dort, der mit dem weißen Haar und Bart ist es.«

»Es ist unmöglich, Herr!«

»Zuverlässig.«

»Mein Gott, wie hat den der Kummer verändert. Ja, war eine schlimme Sache, Herr. Begreife es wohl, daß einem das Herz dabei brechen kann.«

»Ich sage Euch das nur, damit Ihr nicht zufällig seine Herzenswunden aufreißt, er leidet noch sehr darunter.«

»Werde es nicht tun, danke Euch, Fremder. Also das ist Johnson? Und der Mörder seiner Kinder ebenfalls in diesen Wäldern?«

»Pst! Johnson kennt ihn nicht. Nicht einmal seinen Namen, Ich habe angesichts des tiefen Schmerzes, mit welchem er von seinem Unglück erzählte, nicht gewagt, ihm zu sagen, daß der Mörder aller Wahrscheinlichkeit nach hier in der Nähe weilt. Es wird sich Gelegenheit dazu finden.«

»Bei Jove,« sagte Weller mit grimmiger Miene, »soll‘s zu rechter Zeit erfahren. Mann, und Abrechnung mit ihm halten. Möge uns der liebe Gott nur erst diese blutigen Indianer vom Halse schaffen. Ich gebe für unsre sämtlichen Skalpe nicht einen halben Dollar.« Er sah sich um. »Wie sollen ein paar Menschen dieses Fort halten, wenn derselbe etwa heranstürmt?«

»Nun, müssen‘s versuchen, Konstabel.«

»Well, werde mich wehren. Mann, mein Skalp ist mir sehr wertvoll,« sagte er mit einem Anflug von Humor. »Könnt Ihr mir nicht zu einem Imbiß verhelfen. Fremder? Seid ja hier zu Hause, he? Die tolle Jagd hat mir Appetit gemacht.«

Trotz seiner Sorgen und der gefährlichen Lage, in welcher sie sich befanden, mußte Edgar doch lächeln bei der kaltblütigen Ruhe des Mannes.

Er rief Michael herbei und beauftragte ihn, für die Bedürfnisse des Konstabels zu sorgen.

»Ja, kommt nur, Herr,« sagte dieser und führte ihn nach dem Offiziershause zu, »Essen und zu trinken gibt‘s genug hier, und wenn diese Teufelskerls mit ihrem Geschrei und ihrer tückischen Mordlust nicht draußen herumlungerten, wäre dies ein ganz guter Platz für meiner Mutter Sohn.«

Gleich darauf gab sich der an Gefahren aller Art gewöhnte Konstabel mit Behagen den Freuden des Mahles hin.

Der Oberst erschien in der Türe von Woods Wohnung und lud Edgar durch eine Gebärde ein, näher zu treten. »Wie befindet sich Miß Schuyler?« fragte dieser, eilig auf ihn zugehend.

»Besser, nur hat sich die Aufregung noch nicht ganz gelegt. Aber sie ist ein tapfres Mädchen und wird ihre Nerven bald gebändigt haben.«

»Darf ich Miß Schuyler begrüßen?«

»Ich soll Sie holen, damit Sie Ihnen danken kann.«

Er führte Edgar in das kleine Zimmer, in welchem seine Tochter weilte.

Frances trat ihm entgegen, als er eintrat, und streckte ihm die schmale weiße Hand entgegen, welche der Graf ehrerbietig an die Lippen führte.

»Da haben Sie die Königin der Ottawas, Sir,« sagte sie mit einem matten Lächeln, »aber meine künftigen Untertanen haben mich nicht gut empfangen.«

Sie sah sehr blaß aus, zeigte aber doch äußerlich die vornehme Ruhe, welche ihr eigen war.

»Wie Sie dieser Gefahr glücklich entgangen sind. Miß Schuyler, werden auch noch andre, welche Sie etwa bedrohen könnten, besiegt werden.«

»Welch ein Wiedersehen, Herr Graf! Wie war ich erstaunt, als mein Vater mir sagte, wer uns so tapfer und geschickt verteidigt hatte. Und wie danke ich Ihnen!«

»Wir wollen uns den Dank erst noch verdienen. Miß Schuyler.«

»Halten Sie mich nicht für schwach und mutlos, das Unerwartete hatte mich erschreckt, denn ich bin nur ein Weib, aber — Sie sollen ferner meines Vaters Tochter in mir finden,« setzte sie mit einem Blick auf den Oberst hinzu, der ebensoviel Bewunderung als Liebe ausdrückte.

Ihre eigenartige Schönheit wurde durch die marmorartige Blässe, das durch den wilden Ritt in malerische Unordnung geratene Haar, das dunkle Reitkleid noch erhöht.

»Wir alle werden uns bemühen, jede Gefahr von Ihnen fern zu halten.«

»Wir müssen in Gemeinschaft tragen, was das Geschick über uns verhängt, und ich will mich bemühen, es mit Würde zu tun.«

Der Oberst fuhr zärtlich mit der Hand über ihr Haar: »Meine Frances wird ein tapferes Mädchen sein. Auch ist die Gefahr nicht so groß, hier im Fort sind wir sicher,« setzte er beruhigend hinzu, »und wir haben unter andern zwei Helden von 1870 unter unsern Verteidigern. Sollten wir genötigt sein, zu kämpfen, ehe Ersatz heranrückt, so geschieht es Schulter an Schulter mit tapferen Männern.«

»Mir scheint die letzte Stunde,« sie schauderte leicht zusammen, »gleich einem wilden Traume, aus dem ich noch nicht ganz erwacht bin.«

»Mein Kind wird sich wiederfinden. Die Gefahr ist beseitigt. Die Sergeantin mag für deine Bedürfnisse sorgen, Frances, auch will ich dir durch den Pottawatomie deinen Mantelsack schicken.«

»Aber wo sind deine Soldaten, Vater?«

»Wie ich hoffe, bereits dabei, den Indianern eine Lektion zu erteilen, sie werden wohl im Laufe des Tages eintreffen.«

Frances war über die Vorgänge im Fort noch nicht unterrichtet und der Oberst brach das Gespräch ab, um nicht veranlaßt zu werden, ihr Mitteilungen zu machen, welche ihre Aufregung zum Entsetzen steigern mußten. »Ich will dem braven Sergeanten einen Besuch machen, Kind, und dann wollen wir dir ein behagliches Unterkommen herrichten, du sollst wenigstens die Königin des Forts sein, wenn deine roten Untertanen draußen rebellieren.«

Sie verabschiedeten sich und gingen hinaus. Draußen schärfte der Oberst der Frau Wood noch ein, seiner Tochter die entsetzlichen Vorgänge im Fort zu verschweigen, und betrat dann das kleine Zimmer, in welchem der Sergeant lag.

»Nun, mein alter, wackerer Kamerad,« redete er ihn freundlich an und reichte ihm die Hand, »wir sehen uns unter traurigen Umständen wieder.«

»Leider, Herr Oberst. Ich wollte, ich wäre wo die andern sind.«

»Geschehenes ist nicht zu ändern, Wood, wir müssen als besonnene Männer die Sache nehmen, wie sie liegt. Wir haben schon andre Abenteuer erlebt, Alter. Wißt Ihr Euch noch unsrer Kämpfe mit den Blackfeet zu entsinnen?«

Ein Lächeln fuhr über das Gesicht des Sergeanten: »Die haben wir heimgeschickt, Herr Oberst!«

»Und Sergeant Wood war einer der Tapfersten unter uns. Wie ich ja höre, sind Eure Wunden nicht gefährlich. Mann, haltet Euch ruhig, damit Ihr bald wieder Dienst tun könnt.«

»Als ich die Kanonen hörte, hat mich meine Frau mit Gewalt festhalten müssen, weil ich glaubte, die Roten kämen.«

»Nein, Ihr müßt still liegen. Mann. Sollten die Bursche wirklich einen Angriff wagen, so werden mir mit Gottes Hilfe ihnen heimleuchten.«

»Der Peschewa ist gefährlich, Herr, er ist der schlaueste Teufel, der je in Menschengestalt herumgelaufen ist.«

»Habt Ihr denn eine Ahnung, Sergeant, ich bin von allen andern Vorgängen genügend unterrichtet, wie stark die Angreifer waren?«

»Als ich meine Besinnung wieder hatte, habe ich mir alle Vorgänge zurückzurufen versucht. Wäre die Ueberraschung nicht so furchtbar gewesen, hätten wir sie mit dem Bajonett hinausgeworfen, denn die in den Kanoes, die fünf, welche wir eingelassen hatten, und die, welche dann noch vom Walde her gekommen sein können, alles in allem glaube ich nicht, daß sie mehr als über achtzig zählen.«

»Offen das Fort anzugreifen werden die schwerlich wagen.«

»Desto mehr müssen der Herr Oberst mit der List der Rothäute rechnen.«

»Nun, Wood, mir kennen die indianische Kriegsweise nicht seit gestern. Pflege er seine Wunden, Alter, mir wollen uns schon wehren.«

Er gab ihm wieder die Hand, der Sergeant sagte: »Gott segne Sie, Herr,« und Schuyler verließ das kleine Zimmer.

Er begab sich dann zu Sounders, der ihm mitteilte, was er selbst wußte.

»Es ist ein wahres Glück, daß die Deutschen mit ihrer Begleitung gekommen sind und das Fort gehalten haben, unsre Skalpe zierten sonst bereits den Gürtel eines Ottawa.«

Einen Augenblick zeigte Schuylers sonst so ruhiges Gesicht einen tiefschmerzlichen Ausdruck, denn es fuhr ihm durch den Sinn, welches Los seine Tochter vielleicht bereits erreicht haben würde, wenn nicht das Fort so rechtzeitig eingegriffen hätte.

»Der Offizier scheint ein tapferer und geschickter Mann zu sein, und es war eine glückliche Idee, die Kanonen sprechen zu lassen.«