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»Während wir Jäger 1870 in Chateaudun lagen, wurden unsre Truppen arg von den französischen Räuberbanden, diesen Franktireurs, belästigt. Wir hatten vor allem die Aufgabe, den Burschen das Handwerk zu legen. So waren wir eines Tages mit der Kompanie ausgezogen, um die Waldränder etwas zu säubern. Wir gerieten dabei in einen Hinterhalt, wurden arg zusammengepfeffert und auseinandergesprengt. Ich flüchtete mit einem Kameraden in den Wald. Während wir den Rückweg nach Chateaudun suchen, sehen mir uns unerwartet von etwa dreißig Franktireurs umringt. Schon wollen wir feuern, um unser Leben so teuer als möglich zu verkaufen, denn diese Franktireurs schlachteten alles ab, was in ihre Gewalt fiel, als eine Stimme auf deutsch sagt: ›Laßt das, ihr seid Gefangene.‹ Hierauf ließen wir die Büchsen sinken und gaben uns gefangen.

»Der Hauptmann der Bande kam auf uns zu und betrachtete uns höhnisch, es war der, der uns die deutschen Worte zugerufen hatte. Wie ich mir den Kerl mit seinen dunkeln Augen und dem kleinen schwarzen Schnurrbart ansehe, steigt unwillkürlich das Bild des französischen Tapeziers, den wir vor sieben Jahren im Hause hatten, in mir. auf. Ich frage: ›Sind Sie einmal in Schlesien gewesen?‹ Erstaunt antwortet er: ›Ja.‹ — ›Und sind im Hause eines Försters freundlich verpflegt worden?‹

»›Ja, ja!‘ Und halb französisch, halb deutsch sprudelte er nun heraus: Woher ich das wisse? Wer ich wäre und so weiter. Ich sagte es ihm und daß ich ihn für den hielte, den wir damals aufgenommen hätten. Nun hätten Sie den Kerl sehen sollen, Herr Graf. Der küßte mich und umarmte mich, daß mir der Atem verging, mit Tränen in den Augen, und dann sprudelte er einen Schwall von Worten an seine Kameraden, und diese Kerls kamen und drückten mir die Hand, na, um‘s kurz zu machen — sie ließen uns laufen. Seit dem Tage kommt mir in der Welt nichts mehr wunderbar vor, auch unsre jetzige Situation nicht. Wir sitzen zwar einigermaßen in der Klemme, wie mir scheint, aber ich denke, Herr Graf, mir kommen auch wieder heraus, und wenn nicht, na, gestorben kann nur einmal werden, dann fallen wir als preußische Soldaten mit den Waffen in der Hand.«

»Ja, Heinrich, Kriegskamerad, ist unsre Stunde gekommen, wollen wir auf einem Haufen Feindesleichen sterben.«

Heinrich nickte stumm.

Johnson hatte schweigend der ihm unverständlichen Unterredung gelauscht, er erhob sich und gab den beiden Deutschen den Rat, die Ruhe zu suchen. »Wir haben morgen einen heißen Tag vor uns, Männer, denn der Wilde ist nicht abgezogen, es ist nötig, Kräfte zu sammeln. Versucht zu schlafen.«

Er selbst bereitete sich ein Ruheplätzchen, und Heinrich und der Graf folgten seinem Beispiele. Auch versanken sie nach so großen Anstrengungen bald in einen unruhigen, oft unterbrochenen Schlummer.

Dreizehntes Kapitel. Vor dem Sturme

Langsam stieg endlich der junge Tag herauf, grau und farblos. Im Fort war alles ruhig und auch die Wälder lagen ringsum schweigend da. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut war zu hören.

Die leichten Wolken im fernen Ost röteten sich, stärker und feuriger ward ihr Glanz und endlich sandte der glühende Feuerball seine ersten Strahlen über die Wälder und hüllte die Wipfel der Bäume in Gold.

Sie trafen die Flagge der Vereinigten Staaten, welche von keinem Lufthauch bewegt von der auf dem Offiziershause befestigten Stange schlaff herabhing, dann spiegelten sie sich in den Scherben der zum größten Teil zerbrochenen Fensterscheiben und fielen in das Zimmer, in welchem die Männer noch schliefen.

Höher stieg der Sonnenball und sandte seine Strahlen auf die stillen Toten nieder, welche im Fort ihren letzten Schlaf schliefen.

In feurigem Widerscheine erglänzte endlich der spiegelglatte, klare See, der wie alles ringsumher so ruhig und friedlich dalag, als habe nie die mörderische Hand eines Menschen sich gegen den Bruder erhoben, als hätten seine Ufer und die Wälder, welche ihn umsäumten, nie das Kriegsgeheul indianischer Horden widergehallt, sei die Stille nie durch den Knall der tödlichen Waffen unterbrochen worden.

Athoree trat mit leisem Schritt in das Zimmer, welches unsre Freunde beherbergte, und berührte leicht Johnsons Schulter.

Augenblicklich schlug dieser die Augen auf und fragte: »Was gibt‘s?« indem er gleichzeitig nach der neben ihm liegenden Büchse griff.

»Jetzt der tote Mann und Sumach wachen, Athoree schlafen,« sagte dieser leise, um die Ruhenden nicht zu stören.

»Recht, Häuptling, du hast genug getan.«

Er erhob sich, um hinauszugehen, als auch Graf Edgar aus seinem unruhigen Schlummer, der von milden Träumen gestört war, erwachte.

»Ist etwas vorgefallen?« fragte er hastig, als er die beiden Männer vor sich stehen sah.

»Nichts, Sir, wir lösen uns nur ab, der Indianer und ich. Die Nacht ist ruhig verlaufen, Athoree? Nicht so?«

»Ottawa schlafen, nichts sehen, nichts hören.«

Der Graf stand auf.

»Ich will Sie begleiten, Johnson.«

Er nahm seine Büchse und ging mit ihm hinaus, während Athoree sich in einem kleinen Nebengemache zum Schlafe niederlegte.

Sie traten hinaus in den balsamischen Morgen.

Was die Nacht mit ihrem dichten Schleier liebreich verborgen hatte, zeigte nunmehr der Strahl der goldnen Sonne in seiner schrecklichsten Gestalt.

Ein Grausen überlief den jungen Offizier, der doch an den Anblick der Schlachtfelder gewöhnt war, als er jetzt im Tagesscheine sah, wie Beil und Messer der Wilden hier gewütet hatten.

Ringsum lagen die Toten zerstreut, und starre Augen richteten sich aus schmerzverzerrten Gesichtern gen Himmel. Der Boden war mit Blutlachen bedeckt.

Sie gingen umher und ließen ihre Blicke über die entsetzlichen Gruppen schweifen, über Leichname, welche von dem Skalpiermesser der Wilden entstellt waren. In dem als Kaserne dienenden Blockhause hatten sich die Krieger tapfer gewehrt, ehe sie gefallen waren, das sah man an den blutgeröteten Bajonetts der Gewehre, welche die toten Hände noch fest umklammert hielten. Sie schritten weiter und erblickten nun auch die Leichen der Indianer, welche ihre Gefährten am Wall in sitzender Stellung zurückgelassen hatten. Sie waren alle mit Bajonettstichen durchbohrt.

»Sie haben sich verteidigt, die Männer,« sagte der Graf, als er die toten Ottawas gewahrte. »Wie war es nur möglich, Johnson, ein so gut besetztes kleines Festungswerk zu überraschen, daß mit Ausnahme des Sergeanten und seiner wackeren Frau auch nicht ein Lebender von diesem Schreckenstage erzählen kann?«

»Wie die Roten das vollbracht haben, den Kommandanten und seine Mannschaft in solch völlige Sicherheit einzulullen, kann ich mir nicht erklären, denn es ist ihnen verboten, mit Büchsen ins Fort zu kommen, auch wird unter keinen Umständen eine größere Anzahl eingelassen, doch ist der Indianer der schlaueste und verräterischste Krieger, den es geben kann.«

»Und was kann dieser Ueberfall, diese Mordtat, denn weiter ist es doch nichts, bezwecken? Die Wilden wissen doch, wie ich gehört habe, wie furchtbar die Regierung sie zu züchtigen im stande ist. Ihre einsichtsvolleren Männer müssen sich doch sagen, daß sie es nimmer mit den Weißen aufnehmen können.«

»Ich stehe hier vor einem Rätsel. Doch ist der Indianer so unberechenbar, daß ein kleiner Anlaß ihn zu der unbändigen Wut treiben kann, deren traurige Resultate wir hier vor uns sehen.«

Sie gingen auf den Wall hinauf, blickten über den friedlichen See, der im Morgensonnenschein vor ihnen lag, und dann auf die Toten hinunter, welche auf der Plattform am Wasser ruhten.

Johnson zeigte auf Davis‘ Leiche und sagte: »Das ist der Kommandant dort. Wenn, wie der Indianer wohl ganz richtig vermutet, der Angriff hier vom Wasser aus erfolgt ist, worauf auch die zahlreichen Kanoes schließen lassen, so ist der Kapitän wahrscheinlich gleich anfangs gefallen.«

Mit einer stillen Rührung betrachtete Edgar den Leichnam des unter Mörderhand gefallenen Kameraden, der an Jahren ihm ungefähr gleichstehen mußte.

»Was beginnen wir mit den Leichen, Johnson?«

»Werden sie wohl begraben müssen, Herr, wird nicht angehen, sie so liegen zu lassen.«

»Natürlich nicht, wollen uns hernach ans Werk machen. Hätte nicht geglaubt, auch hier im fernen Amerika solch traurige Handlung vornehmen zu müssen.«

Sie gingen auf dem Walle weiter.

»O,« äußerte der Graf überrascht, »ich sehe mit Vergnügen, daß der Platz auch Geschütz führt.« Und er betrachtete den bronzenen Vierpfünder, welcher ihm unter einem Bretterschutz bis jetzt entgangen war.

Es war ein Hinterlader neuester Konstruktion.

Er blickte dann auf den einsam vor ihm liegenden See hinaus und sagte nach einer Weile: »Dürfen wir annehmen, daß die Wilden abgezogen sind?«

Johnson wies auf die Wälder hüben und drüben: »Von allen Seiten bewachen das Fort scharfe Augen, Herr. Schon diese,« und er deutete mit der Hand auf die Leichen der Indianer, »würden ihre Stammesgenossen veranlassen, zurückzukommen.«

»Können Sie sich nach dem, was wir hier gesehen haben, ein Bild machen, wie stark die Angreifer etwa gewesen sind?«

»Das ist schwer zu sagen. Doch muß die Zahl derer, welche ein Fort mit sechzig Mann Besatzung anzugreifen wagen, nicht klein gewesen sein.«

»Und wie erklären Sie sich es, daß wir bei unsrer Ankunft das Fort ganz verlassen fanden?«

»Habe schon darüber hin und her gedacht, Herr, muß eine plötzliche und unerwartete Veranlassung gewesen sein, welche die Wilden nach vollbrachter Tat zum Fort hinauslockte. Das geht daraus hervor, daß sie die Leichen der Ihrigen hier zurückließen, ebenso aber auch ihre Absicht, hierher zurückzukehren.«

»Doch die Angreifer von gestern abend schienen mir nicht zahlreich zu sein.«

 

»Nein, das waren sie nicht, aber es ist denkbar, daß eine kleinere Schar der Indianer, im Begriff zurückzukehren, durch unsern Anmarsch überrascht wurde, während der Haupttrupp noch entfernt war. Jetzt werden sie wohl sämtlich in den Wäldern versammelt sein.«

»Glauben Sie, daß wir einen Angriff zu gewärtigen haben?«

»So sicher, wie dort die Sonne scheint.«

»Und wie denken Sie sich den?«

»Vergeblich ist‘s, darüber nachzusinnen. An ein Ersteigen der Pallisaden ohne lange Leitern ist nicht zu denken, und diese zu fertigen, dürften sie weder die Mittel, noch die Geschicklichkeit besitzen, auch wäre ein solcher Sturm unter unsern Büchsen immer noch eine gefährliche Sache! Der Wilde setzt sein Leben nur dann direkt in Gefahr, wenn die indianische Tollwut ihn überkommt, sonst ficht er aus dem Hinterhalte und sichert seine Glieder möglichst vor feindlichen Geschossen. Feuer anzuwenden scheint bei der starken Balkenbedachung nicht tunlich. Daß sie etwas gegen uns unternehmen werden, ist sicher, aber wann und wie sie ihren Angriff ausführen meiden, weiß nur der droben. Wir müssen die Augen offen halten und auf jede indianische List gefaßt sein.«

»Glauben Sie, daß wir länger hier festgehalten werden können?«

»Die Wilden gehen nicht von dannen, bis sie entweder das Fort mit seinen Schätzen an Waffen und Pulver nebst unsern Skalpen haben, oder durch Gewalt zum Abzug genötigt werden.«

Dem Grafen schoß der Gedanke an den beabsichtigten Garnisonswechsel durch den Kopf. Konnten nicht die ablösenden Truppen im Anmarsch sein? Und der Oberst und Miß Frances?

»Der Offizier, den wir gestern abend hereinholten, muß während des Ueberfalls außerhalb des Forts gewesen sein.«

»Wahrscheinlich genug. Möglich, daß ein Teil der Besatzung draußen überfallen worden ist, das würde vielleicht auch den Abzug der Wilden erklären.«

Der Graf schwieg in ernstem Nachdenken.

Sie gingen weiter und blickten nach allen Richtungen durch die Schießscharten, ohne das mindeste Verdächtige zu bemerken. An den gestrigen Kampf erinnerte nur das tote Maultier.

Die Ecken des in quadratischen Formen errichteten Walles hatten Vorsprünge, welche, mit eichenen Balken geschützt, Schießscharten zeigten, durch welche die Längsseite des Walles bestrichen werden konnte.

Der ziemlich breite Graben war wohl zehn Fuß tief, und die eingerammten starken Pallisaden, welche außerdem noch mit eisernen Klammern untereinander verbunden waren, ragten ebenso hoch über den Wall empor.

Das Fort war bei einigermaßen zahlreicher Besatzung fest genug, auch starken indianischen Horden und selbst europäischen Kriegern, welche kein Geschütz zur Verfügung hatten, energischen Widerstand zu leisten. Ein entschlossener Feind von solcher Uebermacht, als die Indianer augenscheinlich hatten, konnte mit Hilfe von Leitern und Aufopferung einiger Mannschaft ein Fort natürlich leicht stürmen, welches nur fünf Männer zur Verteidigung hatte. Dann waren sie rettungslos dem Skalpiermesser verfallen.

»Halten Sie es für möglich, daß uns die Garnison eines andern Forts zu Hilfe kommen kann, denn so lange kann diese blutige Tat doch nicht verborgen bleiben?«

»Die Verbindungen zwischen dem Fort und den andern Befestigungen hier im Norden ist eine so unregelmäßige, der Verkehr mit der Außenwelt so gering, daß Wochen vergehen können, bis die Nachricht von diesem Ueberfall in die Ansiedelungen oder zu den andern Kommandanten gelangt. Auch werden die Indianer natürlich, solange sie hier lauern, jeden abfangen, von dem sie erwarten können, daß er die Kunde davon vorzeitig weiter trägt.«

»Sie halten es also für unmöglich, eine Botschaft von hier abzusenden?«

»Für unmöglich nicht. Der Wyandot wäre schon der Mann dazu, aber schwierig ist es dennoch, auch vergeht Zeit darüber. Denn selbst Athoree würde mit seinen indianischen Beinen Fort Jefferson, wo die nächste Besatzung liegt, vielleicht in zwei Tagen erreichen, die Truppen aber mindestens drei brauchen, um hierher zu gelangen, wenn der Kommandant überhaupt dort so viel Mann abzuschicken vermag, als hier nötig wären, um uns zu entsetzen, was sehr fraglich ist. Auch ist der Indianer im Busch ein sehr gefährlicher Feind für reguläre Soldaten. Wir Hinterwäldler nehmen es eher mit ihm auf, wir brauchen dieselbe Kampfweise wie der Rote und handhaben dabei die Büchse besser als er, sind ihm auch an Körperkräften überlegen.«

Den Grafen verließ der Gedanke an Schuyler und Frances nicht.

»Wenn ich nur den Leutnant sprechen könnte, daß er uns einige Aufklärungen gäbe.«

Sie waren auf ihrem Rundgang zu dem Häuschen gekommen, in welchem Sergeant Wood wohnte. Die Sergeantin mußte bereits in der Küche in Tätigkeit sein, denn der Schornstein rauchte.

»Wir wollen einmal nach den Leuten sehen, Johnson.«

Sie stiegen vom Wall herunter, auf welchem schon längere Zeit die alte Sumach herumschlich und von Zeit zu Zeit durch die Schießscharten lugte, und klopften an die Türe der Wohnung.

Die Frau öffnete; sie sah totenbleich aus.

»Ist es schlimmer mit Ihrem Manne, Frau?«

»Nein, Herr, es steht gut mit ihm, er spricht wieder, aber,« und sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, »ich habe im Tageslichte gesehen, wie schrecklich der Herr mit uns ins Gericht gegangen ist. O, es ist furchtbar, furchtbar, ihr Herren.«

Sie traten ins Haus.

Die wackere Soldatenfrau, welcher tote und verwundete Soldaten kein fremder Anblick waren, beruhigte sich bald und sagte, auf ihre Küche deutend: »Ich bin dabei, den Herren Kaffee zu kochen.«

In all ihrem Jammer hatte sie der Bedürfnisse des Tages nicht vergessen.

»Das ist brav, Frau,« sagte Johnson, »wir haben Stärkung nötig. Daran erkennt man die Frau eines Kriegers.«

»Kann man Ihren Mann sprechen?«

»Ja, gehen Sie nur hinein, er ist wieder ganz bei der Besinnung, ich habe ihm auch schon von Ihnen erzählt.«

Sie öffnete das kleine Zimmer und die beiden Männer traten ein.

Der Sergeant lag bleich und matt auf seinem Bett.

»Komme, nach Euch zu sehen, Sergeant,« sagte Johnson, »kennt mich doch?«

»Kenne Euch,« entgegnete der Sergeant mit noch ziemlich kräftiger Stimme.

»Sind zu trauriger Stunde gekommen —«

»Das weiß Gott — das weiß Gott!« Er sah trübe vor sich hin und fuhr dann erregt empor: »Wie steht‘s draußen? Wie steht‘s draußen?«

Johnson und der Graf sahen sich an, denn sie mußten nicht, ob die Frau ihm bereits die ganze schreckliche Wahrheit mitgeteilt hatte.

»Sagt‘s nur. Mann! Sagt‘s nur? Alle abgeschlachtet, alle?«

»Faßt Euch als alter tapferer Soldat, Sergeant,« entgegnete ihm Edgar, »ich selbst bin preußischer Offizier und habe den Krieg mitgemacht, ich kenne Schlachtfelder, wie Ihr, und kenne den Wechsel des Kriegsglücks —«

»Sagt‘s heraus, macht‘s kurz, Herr — alle hin?«

»Ihr seid der einzig Überlebende, den wir im Fort angetroffen haben,« sagte der Graf mit tiefem Ernste.

Der Sergeant richtete die Augen zur Decke empor und aus seinen Augen rollten große Tränen über die Wangen hernieder, während seine Hand krampfhaft an der Decke zupfte.

»O Mörderbande, Mörderbande — und ich bin mit schuld daran,« stöhnte er dann.

Die Männer sahen ihn fragend an.

»Auch ich habe mich von den Hunden täuschen lassen, ein alter, erfahrener Grenzsoldat. Ich hätte sehen müssen, daß es keine Pottawatomies waren, für welche sie sich ausgaben.«

Der fiebernde und erregte Mann erzählte nun den Aufhorchenden, auf welche Weise das Fort in die Hände der Wilden geraten war.

Die raffinierte Schlauheit der Angreifer setzte den Grafen in Staunen.

»Alle hin? Alle hin? Mein armer, lebenslustiger Kapitän — armer Davis. Und der wackre Sounders —?«

»Der lebt, Sergeant, mir haben ihn vor dem Fort gefunden.«

»Gott sei Dank, doch einer noch. Und seine Leute? Seine Leute?«

»Wir wissen von nichts weiter.«

Der Sergeant schwieg erschöpft und fragte erst, nachdem er sich etwas erholt hatte: »Wie kommt ihr hierher? Wie steht‘s draußen?«

Man gab ihm die gewünschte Aufklärung.

»Haltet ‚s Fort, Männer! Haltet ‚s Fort! Die ganze Ottawanation setzt keinen Fuß über den Wall, wenn einige entschlossene Männer ihn verteidigen.«

»Wir wollen unser Bestes tun.« Da der Sergeant augenscheinlich einer Ohnmacht nahe war, fragte Graf Edgar noch rasch:

»Wo befindet sich die Munition für die Geschütze, ich will sie für alle Fälle mit Kartätschen laden.«

Der Sergeant nickte: »Sehe, seid ein Soldat; Frau weiß alles, Schlüssel dort —« Und der gewaltig bewegte Mann sank in Bewußtlosigkeit.

Seine Frau trat zu ihm und nahm seinen schon ergrauten Kopf in den Arm und kühlte die Stirn mit kaltem Wasser. Sie winkte den Männern, zu gehen.

»Ja, Frau,« sagte Edgar, »Ihr habt recht, es war zu viel für ihn, wir wollen uns entfernen.«

»Ich komme gleich hinüber, Herr, und bringe Euch Kaffee und die Schlüssel zum Magazin, laßt mich nur einen Augenblick mit ihm allein.«

Edgar und Johnson gingen und betraten das Zimmer, in welchem Michael noch schlief, während Heinrich sich soeben erhoben hatte. Leutnant Sounders atmete regelmäßig und lag sicher in ruhigem Schlummer.

»Wir werden eine Belagerung aushalten müssen, Heinrich, vielleicht einen Sturm.«

»Lassen Sie die Mörder nur kommen, Herr Graf,« antwortete der unerschrockene Mann, »wollen sie nach preußischer Art empfangen.«

Johnson richtete einen Tisch her, und bald erschien die Sergeantin mit Tassen, einer großen Kanne Kaffee und Soldatenzwieback.

»Wie befindet sich Ihr Mann?«

»Er schläft,« sagte die zitternde Frau, welche durch den Anblick der Leichen von neuem erregt war. Sie setzte ihre Last ab, gab Edgar einen Schlüsselbund, zeigte ihm den Schlüssel zum Waffenmagazin und entfernte sich wieder, nachdem sie noch einen mitleidigen Blick auf Sounders geworfen hatte.

Heinrich rüttelte Michael an der Schulter. »Komm nur, roter Spitzbube,« murmelte dieser, griff noch halb im Schlafe nach seinem Stocke und starrte dann mit weit aufgerissenen Augen ins Zimmer, Er rieb sich die Stirn und allmählich wurde ihm die Situation klar.

»Das ist eine schöne Geschichte, Ew. Gnaden, das wird kein Mensch in Leitrim glauben, wie wir uns herumgehauen haben.«

»Hoffentlich hast du noch Gelegenheit, deine Taten in der Heimat zu erzählen; doch nun komm, wir wollen uns für den Tag stärken, er kann heiß werden.«

»Alles recht, Ew. Gnaden, mag‘s kommen, wie‘s will, Michael O‘Donnel ist bei allem dabei, sei‘s bei der Flasche, sei‘s bei Hieben. Ich werde Ew. Gnaden nicht verlassen.«

Sie setzten sich um den Tisch und die Forderungen der Natur ließen alles Grausen ringsumher vergessen; sie sprachen dem Frühstück wacker zu und Michael O‘Donnel stand auch hier seinen Mann. Als sie ihren durch die Anstrengungen des vorigen Tages geschärften Appetit gestillt hatten, sagte der Graf: »Wir müssen auch nach unserm Gefangenen sehen und dürfen ihn nicht verhungern lassen.«

Johnson und Michael begaben sich nun in die Kammer, wo der junge Ottawa gefesselt lag, mit etwas Brot und Fleisch.

Der Ire bewaffnete sich zu diesem Gange wohlweislich mit seinem Stocke. Der Gefangene wurde losgebunden und ihm die Speise geboten, die er auch annahm und gierig verschlang. Michael, den Shillalah zum Hiebe bereit, ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen, ebensowenig Johnson.

Als der junge Indianer gegessen hatte, fragte Johnson: »Will uns der junge Ottawakrieger jetzt sagen, warum er mit seinen Brüdern das Fort des großen Vaters in Washington überfallen hat?«

Der Indianer blieb stumm.

»Der Ottawa nicht will reden? Gut, so wird man ihn am Halse aufhängen müssen, bis er tot ist.«

Der Indianer zuckte zusammen und ein Blick wilden Hasses fiel auf die beiden Männer, ein Zeichen, daß er wohl verstanden hatte, was Johnson sagte, aber er schwieg.

»Nun, der Ottawa bereitet sich sein Los selbst, er muß wissen, was er tut.«

Johnson band ihn dann wie vorher und man schloß ihn wieder ein.

Draußen begegneten ihnen schon der Graf und Heinrich.

»Kommt,« sagte Edgar, »wir wollen vor allem das Depot besichtigen und die Geschütze laden.«

Sie gingen hinaus, schritten auf das Magazin, welches Johnson kannte, zu und erschlossen es.

Hier zeigte sich ein reichlicher Vorrat von Waffen und Kriegsmunition, auch die Kartätschenkartuschen fanden sich bald, ebenso Granaten.

»Wir wollen die Geschütze laden, Heinrich, und ebenso die vorhandenen Gewehre.«

 

»Zu Befehl, Herr Graf.«

»Die letzteren stellen wir dann an den Schießscharten auf und feuern sie gegebenen Falles so rasch als möglich ab.«

Er wiederholte dieses Johnson englisch.

»Ja, das ist gut,« meinte dieser, »das ist gut.«

»Michael muß auch so viel beigebracht werden, daß er ein Gewehr abfeuern kann. Du kannst ihn in die Schule nehmen, Heinrich.«

»Zu Befehl.«

Der Jäger und der Graf nahmen nun einige Geschützmunition, dem hierin unerfahrenen Hinterwäldler und Michael vertrauten sie sie der Gefahr wegen, welche die leicht explodierende Ladung bei unvorsichtiger Handhabung mit sich führte, nicht an, begaben sich nach dem Wall und luden sorgfältig die vier Geschütze mit Kartätschen.

Neugierig sahen Johnson und Michael zu.

»Ew. Gnaden können aber auch alles,« sagte der Ire, als er die geheimnisvollen Manipulationen an dem Hinterlader anstaunte, welcher auch Johnsons großes Interesse erregte, da auch diesem solch neuere Geschützkonstruktion fremd war.

»So, nun holt mir die Gewehre der Leute hierher.« Die drei machten sich ans Werk, trugen die Gewehre der Soldaten auf den Wall und lehnten sie neben den Schießscharten an die Pallisaden. Der Graf holte selbst Patronen aus dem Magazin. Auch wurde für jedes Geschütz noch eine Kartätschenladung herbeigeschafft. Dann machten sich die Männer ans Laden der Gewehre, was einige Arbeit verursachte, da es Vorderlader waren.

Heinrich winkte Michael heran und zeigte ihm, wie man ein Gewehr laden müsse. Der Ire, der in seinem Leben noch keine Flinte geladen oder abgefeuert hatte, begriff es indes rasch und förderte unter Heinrichs Aufsicht die Arbeit wesentlich.

»Jetzt wird meiner Mutter Sohn auch noch schießen lernen, Ew. Gnaden,« sagte er vergnügt, »aber über meinen Shillalah geht doch nichts.«

»Unter Umständen ist er gewiß gut.«

»Welchen Vorteil,« äußerte Heinrich, »sind doch die Hinterlader; Herr Graf, mich wundert, daß man die hier noch nicht hat.«

»Werden wohl schon angefertigt sein und nur auf diesem entlegenen Platze noch fehlen.«

Johnson hatte schon früher mit demselben Interesse wie Grover Heinrichs Mausergewehr angestaunt, und war von der Vorzüglichkeit der Erfindung nicht minder überzeugt als jener.

Als sie ihr Werk vollendet hatten, überblickte der Graf dasselbe und äußerte: »Was wir tun konnten, um uns in verteidigungsfähigen Zustand zu versetzen, das haben wir, wie mir scheint, getan, nun muß Gott das übrige fügen.«

Nachdem sie nun einige Augenblicke gerastet hatten, fuhr er fort: »Nun, Freunde, bleibt uns noch die traurige Arbeit, diese Toten zu bestatten, laßt uns zunächst die Leichen zusammentragen.«

Michael, Heinrich und Johnson schafften mit starken Armen die Toten, welche sich innerhalb der Wälle befanden, in eine Ecke des Forts, während Graf Edgar aus dem Magazin Hacken und Schaufeln herzutrug. Dann öffnete man die nach dem Wasser führende Pforte und trug die Leiche des Kapitäns und dann der andern herein. Dreiundvierzig Tote lagen vor ihnen, als sie jetzt die in dem mörderischen Kampfe Gefallenen zählten.

»Der Kapitän soll allein ruhen, für die andern heben wir ein gemeinschaftliches Grab aus.«

Der Graf untersuchte dann die Kleider des Kapitäns und entnahm ihnen ein Notizbuch, die Uhr und einen kleinen Ring, der an seidener Schnur auf die Brust herabhing. Nicht ohne Wehmut betrachtete er das zarte Erinnerungszeichen, welches der Tote auf seinem Herzen bewahrt hatte.

Er legte alles sorgfältig beiseite.

Es wurde dann Raum abgesteckt für das Grab der Soldaten und dann daneben für das des Kapitäns.

»Ich will meines Kameraden letzte Ruhestatt bereiten, Leute, hebt ihr die Grube für die Soldaten aus.«

Johnson und Michael, an solche Arbeit gewöhnt, handhabten mächtig Hacke und Schaufel, und da der Boden leicht und weich war, wurden die Gräber in nicht allzulanger Frist hergestellt.

Man versenkte die Körper der Soldaten und schaufelte das Grab zu. Ein Gleiches geschah dann mit den sterblichen Ueberresten des Kapitäns.

Als die Grabhügel vollendet waren, nahmen die Männer die Kopfbedeckungen ab und sprachen für sich ein kurzes Gebet.

»Schlaft wohl, Kameraden,« sagte dann laut der Graf, »und Gott tröste eure Hinterbliebenen.«

Damit war die Totenfeier inmitten des einsam in den Urwäldern liegenden, von unversöhnlichen Feinden bedrohten Forts vollendet.

Während des letzten Aktes des Begräbnisses war Athoree aus dem Hause getreten und hatte schweigend zugesehen.

Er trat dann auf Graf Edgar zu, deutete auf die Leichen der Ottawas, welche noch am Walle lagen, und fragte: »Was mit roten Mann tun?«

»Was meinst du, Athoree,« entgegnete der Graf, »sollen sie in derselben Erde mit ihren Schlachtopfern ruhen?«

»Ottawa heulende Hunde, werfen in Wasser, zu gut noch, daß Skalp behalten.«

»Das war meine Meinung auch, der Grund des Sees mag die Mörder aufnehmen.«

Athoree wechselte einige Worte mit seiner Mutter, welche als wachsame Hüterin auf dem Walle umherschlich und von Zeit zu Zeit Umschau hielt, und betrachtete dann die getroffenen Verteidigungsanstalten, äußerte aber nur: »Große Büchse auch geladen?«

»Die Kanonen? Ja, sie sind bereit, Tod und Verderben auszuspeien.«

»Gut.«

Die Wassertür wurde wieder geöffnet und die Leichen der Indianer ohne weiteres jenseits des Sperrbalkens in den See geworfen, wo sie rasch untersanken.

Mehrere Stunden waren so in angestrengter, ernster Arbeit vergangen und die Männer ließen sich jetzt ermüdet neben dem Kommandantenhause an dem Tisch, an dem gestern Davis noch so glücklich und heiter gesessen hatte, nieder. Die Sergeantin kam jetzt unaufgefordert und brachte ihnen Speise und Trank, Pökelfleisch, Schinken, Zwieback, eine Flasche mit Rum und sogar aus dem Vorrat der Offiziere eine Flasche mit Wein.

Edgar dankte ihr und fragte, halb im bitteren Ernste, halb im Scherze: »Wenn wir belagert werden, Frau, so brauchen wir uns wohl wegen Mangel an Nahrungsmitteln nicht zu einer Kapitulation zu entschließen?«

»O nein, Herr, es ist genug für viele Monate von allem da.«

Während die Männer, zwischen ihnen Athoree, dem Frühstück zusprachen, begab sich die Sergeantin ins Haus hinein, um nach dem Leutnant zu sehen.

Als sie zurückkam, sagte sie zum Grafen: »Leutnant Sounders ist wach, Herr, er möchte Sie sprechen.«

Sofort begab sich Graf Edgar ins Haus. Er fand den Verwundeten bei klarem Bewußtsein.

»In welcher Lage, Herr, führt uns das Geschick zusammen,« redete er ihn an, reichte ihm die Hand und nannte ihm Namen und Stand.

»Mir ist immer noch sehr wirr zu Sinne. Sagen Sie mir nur, wie ich hierher komme, was geschehen ist?« ließ sich Sounders mit schwacher Stimme vernehmen.

Vorsichtig teilte der Graf ihm alles mit, was er selbst wußte und erlebt hatte. Sounders, der halb aufgerichtet im Bett saß, verbarg, als in den Worten des Grafen alle Schrecken des vergangenen Tages sich aufrollten, das Haupt in den Händen.

Lange blieb er so, während der Graf, seine Gefühle respektierend, in anteilvollem Schweigen verharrte. Endlich ließ der Verwundete die Hände langsam sinken und sagte mit fast gebrochener Stimme: »Es ist viel schlimmer, als ich geahnt habe.« Dann setzte er hinzu: »Ich selbst war abwesend; als ich die Gewißheit erlangte, daß etwas gegen das Fort geplant werde, kehrte ich schleunigst mit meiner geringen Mannschaft zurück. Nachdem ich erst einige Streifpartien der Roten zurückgeschlagen hatte, wurde ich gegen abend mit starker Uebermacht angegriffen, ich selbst sank bald getroffen und bewußtlos nieder. Als ich erwachte, lag ich im Dunkel der Nacht in einem dichten Busche, der wohl verhindert hat, daß mich die Indianer fanden. Was aus meinen armen Burschen geworden, ob einer oder der andre davongekommen ist, oder alle gefallen sind, ich weiß es nicht. Ich verband meine Wunden so gut ich konnte und schleppte mich taumelnd, fast instinktiv, nach dem Fort; oftmals sank ich auf diesem entsetzlichen Wege zusammen, mich mit aller Energie immer wieder aufraffend, bis ich endlich liegen blieb.«