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Dieser erbat sich das Glas, dessen Gebrauch ihm nicht unbekannt war, und sah lange hindurch, er gewahrte jetzt auch den senkrecht ansteigenden Herdrauch. Er gab es zurück und fragte Johnson: »Wo die Tür zu Fort?«

»Gerade vor uns, wir können sie nicht direkt sehen, sie ist gedeckt von einer Pallisadenreihe.«

»Nun dunkel genug, denken, gehen rasch nach Fort.«

Er rief seine Mutter zu sich, spannte den Hahn seiner Büchse, worin ihm die Männer folgten, und trat aus dem Walde hinaus. Hinter ihm folgte Johnson, dann Edgar und Heinrich, und mit seinem Maultier Michael.

Bis zum Fort hatten sie etwa zweihundert Schritt zurückzulegen.

Der dritte Teil dieser kleinen Entfernung lag hinter ihnen, als das Maultier stehen blieb und ängstlich nach rechts hin schnoberte. Der Mann aus Leitrim unterdrückte mit Mühe einen Fluch.

Gleichzeitig lösten sich vom Walde, auf der Seite, von welcher dem Tier die Witterung herkam, wohl ein Dutzend Gestalten ab, welche, schattenhaft nur wahrnehmbar, eilig herbeihuschten.

»Der Wilde!« schrie Johnson bei diesem Anblick mit mächtiger Stimme. — »Vorwärts! Lauft ums Leben!«

Von rechts her krachte ein Schuß, dem zwei andre folgten. Blitzschnell hatten die beiden preußischen Soldaten bei diesem Klang die Büchsen an die Wangen gerissen und donnernd entluden sich die Gewehre.

Mit gleicher Schnelligkeit folgten die Schüsse von Johnson und Athoree.

Zwei Schmerzensschreie ertönten, denen ein wildes Geheul folgte.

»Was ist das? Heiliger Michael!‘« schrie der Irländer, »die Halunken haben mir das Maultier erschossen.« Es war in der Tat niedergefallen und wälzte sich in Schmerzen am Boden.

Bei dem raschen Feuer der so unerwartet Angegriffenen waren die eben noch heranspringenden Gestalten plötzlich verschwunden.

»Zum Fort!« schrie Johnson von neuem, »sie kommen im Grase heran,« faßte die alte Sumach, nahm sie, wie er einen Säugling gehoben hätte, auf einen Arm und lief nach dem Eingang zu. Zu seiner Seite Athoree, welcher im Laufen zu laden versuchte.

»Michael, hierher, rasch, es geht ums Leben!« rief der Graf.

»Ja, ja, Ew. Gnaden,« schallte es zurück, »ich komme. Die Kanaillen haben das Tier zusammengeschossen,« und Michael rannte mit großer Eile vorwärts.

Heinrich hatte bereits wieder eine Patrone im Laufe und lief jetzt Unfalls nach dem Fort hin.

Da tauchten vor ihnen und zu ihrer Rechten von neuem die unbekannten Angreifer auf, stürzten mit wildem Geschrei auf sie ein und suchten ihnen den Weg abzuschneiden.

Alsbald krachte Heinrichs Büchse. Ein Todesschrei, der mitten aus dem wilden Angriffsgeheul herausklang, war das Echo.

Johnson war den Pallisaden, welche das Tor verdeckten, am nächsten, er stieß einem Indianer, welcher mit geschwungenem Tomahawk auf ihn losstürzte, den Büchsenkolben vor die Brust, so daß dieser sofort am Boden lag, und sprang dahinter, dem zweiten fuhr Athorees Axt in die Schulter, Heinrich hieb mit dem Kolben darein, der Mann aus Leitrim aber ließ ein gellendes Juchzen hören, wie es bei den Kirchweihfesten der Irländer vernommen wird, wenn der Jubel am wildesten tobt, und sein Shillalah traf mit unvergleichlicher Schnelligkeit zwei heulende Wilde, die wie vom Blitze getroffen mit zerschmetterten Schädeln zu Boden sanken, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben.

Die Angreifer standen bei diesem Anblick still. Im selben Augenblicke brach Johnson, welcher Sumach abgesetzt hatte, wieder hervor. Michael aber, in dem der gälische Kampfeszorn erwacht war, wiederholte seinen Jubelschrei und stürzte, den Stock schwingend, auf die Angreifer los.

Uebel hätte ihm dies bekommen können, doch jene hatten ihre Büchsen entladen und sprangen, entsetzt von den vernichtenden Streichen des Mannes, in wildester Flucht davon.

Ihnen nach krachte von neuem Heinrichs Hinterlader.

»Zurück, Michael, zurück!« rief der Graf und gehorsam wandte sich der tapfere Ire um.

Johnson und Athoree waren vorgestürmt, um Michael Hilfe zu leisten, als in wildem Sprunge ein Indianer an ihnen vorübersetzte, der sich in des Irländers Rücken zu weit vorgewagt hatte.

Johnson führte einen Stoß mit der langen Büchse nach ihm, unter dessen gewaltiger Wucht der Mann, in die Seite getroffen, zusammenbrach.

Mit einem Satze war Johnson, der ebensoviel Gewandtheit als Kraft zu besitzen schien, bei ihm. Die eiserne Hand faßte das Genick des Liegenden, und als ob er ein junger Hund wäre, den er im Nacken gefaßt hatte, hob er den stöhnenden Mann empor, reichte dem neben ihm stehenden Athoree die Büchse, faßte die Arme seines Opfers auf dessen Rücken zusammen, warf ihn über die Schulter und sprang nach den Pallisaden zurück, wo Michael eben anlangte.

»Das waren Hiebe aus Leitrim, Ew. Gnaden!« rief der erregte Mann.

»Hinein! Hinein!« rief Johnson.

Sumach war bereits im Fort, dessen Pforte offengestanden hatte, der Graf Edgar folgte mit Michael.

Von neuem erhob sich draußen Geheul, Johnson sprang durch die Türe ins Innere und warf seine Last zu Boden — Athoree ihm nach — Johnson schlug die schwere Türe zu und schob den Riegel vor.

Ein wütender Anprall draußen, dann herrschte Totenstille.

»Laden!« rief Johnson.

Es geschah.

Schon sprang Heinrich zum Wall empor, legte sein Gewehr in eine der Schießscharten und feuerte auf schattenhafte Gestalten, welche höllischen Dämonen gleich draußen herumsprangen.

Nachdem Athoree geladen, fesselte er rasch mit Hirschriemen, wie sie jeder Jäger in den Wäldern und besonders jeder Indianer bei sich trägt, den Gefangenen, welcher übrigens bewußtlos dalag, indem er ihm die Arme fest an den Körper band.

Ein Augenblick der Abspannung trat nach der furchtbaren Erregung, welche der so unerwartete heimtückische Ueberfall hervorgerufen hatte, ein, und auch draußen herrschte nach Heinrichs Schusse tiefes Schweigen. Die wilden Angreifer waren verschwunden.

»Was war das, Johnson?« fragte Graf Edgar leise.

»Blutgierige Wilde, Herr,« entgegnete dieser mit seiner gewöhnlichen sanften Ruhe. »Sie sind zum Morden ausgezogen; Gott sei jeder Menschenseele gnädig, welche in ihre Hände fällt.«

»Aber was ist hier geschehen? Die Türe offen und das Schweigen des Todes über dieser Stätte?«

Ringsum lagen die Leichen der Soldaten zerstreut, aber die tiefe Dunkelheit, verstärkt durch aufgezogene Wolken, verbarg den schaudervollen Anblick und hüllte die Toten in den Schleier der Nacht.

Heinrich kam vom Wall zurück und stolperte über einen in seinem Weg liegenden Gegenstand, er bückte sich, um nach dem Hindernisse in seinem Weg zu sehen, und fuhr zurück, als er zwei Soldatenleichen vor sich sah.

»Hier liegen Tote, Herr Graf.«

Edgar und Johnson traten näher.

»Was ist hier geschehen?« fragte der Graf, von dem Anblick erschüttert.

»Das Fort ist überfallen, ich fürchte, wir werden noch mehr zu sehen bekommen.«

»Sind wir hier vor einem Überfall gesichert, Johnson?«

Dieser, der durch seine öfteren Besuche das Fort gut kannte, entgegnete: »Es befindet sich noch eine Pforte am See.« Und rasch schritt er dorthin, der Graf und Heinrich folgten ihm. Sie fanden schon Athoree dort, welcher rasch und vorsichtig den Wall umschritten hatte.

»Tür offen, kommen Ottawas hier herein.«

Trotz des schwachen Lichtes nahmen sie doch die Leichen wahr, welche in wilder Zerstreuung dort übereinander lagen. Auf dem Wasser sahen sie die Boote des Forts und die Kanoes der Indianer schimmern.

»Kommen im Kanoe,« sagte der Indianer, auf die dunklen Punkte im Wasser deutend.

»Wir müssen die Bucht und die Türe verschließen.« Und Johnson begab sich auf der schmalen von Pallisaden eingefaßten Plattform nach dem See zu. Hier war, und Johnson wußte das, ein Verschluß angebracht, welcher den kleinen Hafen von dem See trennte. Dieser Verschluß bestand in einem schwimmenden dicken Balken, dessen obere Seite mit starken und hohen Eisenstacheln versehen war. Als am Morgen dem Kanoe zu landen gestattet wurde, war er geöffnet worden und seitdem nicht wieder verschlossen, Johnson gelang es trotz der Dunkelheit, den Balken in die Lage zu bringen, wo er den Hafen und die darin liegenden Boote sicherte. Er fügte ihn in die dafür bestimmten eisernen Krampen, und da an diesen noch das Schloß hing, bediente er sich desselben, den Balken vollständig fest zu legen.

Während dies geschah, hatte sich Athoree vorn auf die Plattform gekauert und die Mündung seiner Büchse, welche er wieder geladen hatte, auf das Wasser gerichtet.

Vor der Tür standen Edgar und Heinrich.

Ein leises, kaum vernehmbares Geräusch, ein Plätschern kam vom Wasser her. Ein roter Feuerstrahl brach aus Athorees Büchse, beleuchtete für einen Augenblick die grausige Scene und die Ufer hallten den Donner seines Schusses wider. Ein Gurgeln im Wasser, dann das Geräusch, welches entsteht, wenn kräftige Arme das Wasser schwimmend teilen.

Kaltblütig erhob sich Athoree: »Er wollen Kanoe holen. Nicht kriegen, er nicht wieder kommen.«

»Gehen mir zurück, die Boote liegen jetzt sicher, wenn mir die Tür befestigen, können wir ruhig den Morgen erwarten.«

»Sind die Wälle und Pallisaden nicht zu ersteigen?«

»Ohne lange Leitern nicht, Sir, solche haben die Wilden nicht, und außerdem greifen sie in der Nacht sehr selten an, die Morgendämmerung ist die gefährliche Zeit.«

Sie traten in das Innere des Forts und Johnson verschloß sorgfältig die Tür. »Ich glaube, wir dürfen uns hier hinreichend geschützt halten. Zu nehmen ist das Fort kaum, wenn es auch nur von wenigen Leuten verteidigt wird. Die Wilden haben es, Gott mag wissen durch welche List, am hellen Tage überrumpelt.«

 

»Ich möchte etwas Licht machen, Johnson.«

»Tun Sie das ruhig, wir sind hier keiner Kugel ausgesetzt.«

Der Graf nahm sein Feuerzeug aus der Tasche und zündete einen kleinen Wachsstock an.

Grausig war der Anblick, der sich ihnen im kleinen Umkreis bei dem Lichte der Kerze darbot. Fünf, sechs Tote lagen um sie her und deutlich war die gräßliche Verstümmelung der Köpfe zu bemerken.

»Das ist furchtbar,« sagte der Graf, und auch Heinrich, der wie sein Herr an den Anblick gefallener Soldaten gewöhnt war, schauderte vor diesem Anblick leicht zusammen.

Sumach hatte sich ruhig niedergesetzt und sah mit gleichgültigen Blicken vor sich hin. Nicht so Michael, der, als er die skalpierten Leichen erblickte, einen Schrei des Entsetzens ausstieß: »O, blutige Schurken! Das ist ja gräßlich, Euer Gnaden.«

»Ja, das ist es,« sagte traurig der Graf.

»Zwei habe ich heimgeschickt,« murmelte ingrimmig der Ire und faßte seinen Stock fester, »sie sollen nur kommen, ich will das bißchen Kopfhaut schon verteidigen.«

Der Graf leuchtete weiter umher, überall stieß das Auge auf gefallene Krieger.

Er blies das Licht aus. »Der Anblick ist nicht zu ertragen.«

»Erbarmungslose Tiger haben hier gehaust. Was sage ich? Die Tiere des Waldes sind milde gegen diese mitleidslosen Hunde, wenn ihre Leidenschaften entfacht sind. Der Engel der Barmherzigkeit muß sein Angesicht verhüllt haben. Das ist ein trauriger Ort, Herr.«

»Wir müssen alles untersuchen, Johnson, vielleicht ist noch einem oder dem andern Hilfe zu bringen.«

»Er alle tot, ganz tot,« sagte trocken Athoree, »Indianerkrieger lassen Feind nicht leben.«

»Eine entsetzliche, schaudervolle Weise der Kriegführung. Ich habe es für unmöglich gehalten, daß der Mensch, selbst der Wilde, zu solcher Bestialität herabsinken könne. Sie haben recht, Johnson, das ist ein trauriger Ort. Beklagenswerte Besatzung!«

»Wir müssen den Morgen abwarten, um das Elend ganz überschauen zu können, und uns für die Nacht so gut als möglich einzurichten suchen.«

Indem er so sprach, fiel sein Auge auf die schwach erkennbare Rauchsäule, welche friedlich aus dem Schornstein des dort im Winkel des Forts sich erhebenden kleinen Blockhauses gen Himmel stieg.

Johnson wies darauf hin: »Und doch ist noch Leben hier inmitten des Todes. Lassen Sie uns nachforschen.«

Sie gingen zu dem Häuschen hin. Deutlich bemerkten sie jetzt, daß durch die Spalten eines verrammelten Fensters schwacher Lichtschein fiel.

Johnson pochte an die Türe. »Ist jemand hier?«

Keine Antwort erfolgte.

Er pochte starker: »Ist jemand hier, so sage er es und öffne, hier stehen Christenmenschen.«

Man hörte einen leichten Schritt, und eine schwache Stimme fragte: »Wer ist da?«

»Ich bin‘s, Johnson, der Weißhaarige, Frau. Die Wilden sind fort. Oeffnet, das Fort ist jetzt sicher.«

Es verging eine Weile. Dann rasselten Riegel und Schlüssel und die Tür ging auf.

»Seid ihr Christenmenschen, so werdet ihr uns nichts zuleide tun.«

»Nein, Frau, nein, mir sind Freunde, beruhigt Euch.«

Die Frau ließ sie ein, und sie traten in ein kleines Gemach, in welchem auf einem Tische eine Lampe brannte. Die Möbel standen wild durcheinander. Schränke und Tische waren vor die Fenster geschoben. Dort auf dem Bett lag ein alter Soldat, der schwer atmete.

»Um Gottes willen, was ist hier vorgegangen?«

»Ich weiß es nicht, Herr,« sagte die bleiche Frau fast tonlos. »Der Wilde war plötzlich da, ich habe meinen todwunden Mann hereingezogen, und sitze nun bei ihm und warte auf seine und meine letzte Stunde. Gott wird gnädig sein.«

»Beruhigt Euch, mir sind jetzt in verhältnismäßiger Sicherheit. Könnt Ihr uns nicht das Nähere angeben, wie das Fort in die Gewalt der Wilden geriet?«

»Ich weiß von nichts, Herr; ich hörte nur schießen und heulen, sah meinen Mann fallen, hatte noch so viel Besinnung, ihn zu retten, und seit der Zeit ist mir‘s so dumpf im Kopfe, daß ich nicht denken kann. Ich habe gesessen und gebetet, dann habe ich Feuer angemacht, um Kaffee zu kochen, das weiß ich noch — aber — da liegt er — seht doch nur, Herr, da liegt er, mein guter, braver Mann.« Und die Sergeantin brach in einen Tränenstrom aus, der endlich das herbe Weh ihrer Seele linderte. Sie setzte sich ans Bett und hielt die Schürze vor die Augen.

Johnson nahm die Lampe und beleuchtete den Verwundeten.

»Bitte, halten Sie das Licht, ich will einmal nach den Verletzungen des Sergeanten sehen.«

Der Graf nahm die Lampe, während Johnson vorsichtig die von der Frau gemachten Verbände abwickelte. Er untersuchte die Wunden sorgfältig und mit der Geschicklichkeit des erfahrenen Grenzmanns und äußerte dann: »Die Sache ist nicht gefährlich. Die Kugel hier,« er wies auf die untere Verletzung, »ist um die Rippe herumgeglitten, aber die, welche den Kopf streifte, obgleich der Schädel nicht gebrochen ist, muß eine starke Gehirnerschütterung hervorgerufen haben. In vierzehn Tagen ist der Mann wieder gesund.« Er verband dann die Wunden wieder. »Trösten Sie sich,« sagte er zu der leise weinenden Frau, »die Wunden sind ungefährlich, der Sergeant hat einen gehörigen Puff gegen den Hirnschädel bekommen, aber der hält etwas aus. Die Betäubung wird weichen, legen Sie ihm nur Tücher mit kaltem Wasser auf den Kopf, die Wunden sind bald geheilt.«

Mit glücklichem Angesicht lauschte die Frau diesen Worten, während noch die Tränen in ihren Augen standen.

»O, Gott, Gott sei Dank.«

Lebhaft erhob sie sich dann.

»Mir ist alles wie ein wüster Traum, ich weiß gar nicht, was geschehen ist, mir war zu Mute, als ob ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte, so plötzlich brach es über mich herein.«

»Pflegen Sie Ihren Mann, das Fort ist jetzt vor jeder Ueberraschung sicher; aber sagen Sie uns, wo wir für die Nacht unterkommen können.«

»Wo sind denn die Soldaten? Ist denn niemand draußen?«

Man zögerte, ihr die furchtbare Wahrheit, von welcher sie keine Ahnung zu haben schien, zu enthüllen.

»Widmen Sie sich dem Sergeanten, Frau, wir werden schon Obdach finden.«

In der Türe erschien des Wyandots dunkles Gesicht.

Die Sergeantin stieß einen Schreckensruf aus: »Da, da ist er.«

Man beruhigte sie über die Person des Indianers, aber die Frau konnte ihr Entsetzen nicht bemeistern.

»Was willst du, Athoree?«

»Ihm sagen, drüben schlafen, großes Wigwam da.«

»Gut, wir folgen dir. Aengstigen Sie sich nicht, Frau Sergeant, es ist kein Grund zu Besorgnissen vorhanden. Wir wollen uns drüben eine Ruhestätte suchen. Gute Nacht!«

Sie verließen das kleine Haus und gingen zur Wohnung der Offiziere.

Graf Edgar ließ seine Kerze leuchten und überblickte die Zerstörung, welche die Fäuste der Indianer hier hervorgerufen hatten. Alles lag durcheinander. Sie fanden eine Lampe und zündeten sie an.

Athoree, welcher seine Mutter bereits in einem Winkel der Haustür untergebracht, und ihr ein weiches und warmes Lager, besonders vermittelst der Felle, welche er in der Nähe des Tores gefunden, bereitet hatte — es waren dieselben, welche die Ottawas bei Beginn des Kampfes fortgeworfen hatten — erklärte, er werde wachen, die andern sollten ruhig schlafen gehen.

»Einiger Schlaf wird uns not tun,« sagte Johnson, »wer weiß, was der morgende Tag uns bringt.«

Michael, der schweigend und traurig draußen in der Nacht gesessen hatte, wurde herbeigerufen. Man begann etwas Ordnung herzustellen, und was noch von Bettzeug und Decken zu finden war, zu Lagerstätten zu bereiten.

»Herr Gott, Herr Graf,« fuhr Heinrich plötzlich empor.

»Nun? Was gibt‘s?«

»Die Patronen, die Patronen! Ich habe nur noch wenige Stück.«

»Das ist schlimm.«

Die Patronen lagen bei dem Maultier draußen.

»Was tue ich mit der Büchse ohne Patronen? Nein, die muß ich haben. Es ist dunkel, ich schleiche hinaus und hole sie.«

»Das geht nicht, Heinrich. Draußen lauern die Wilden.«

»Und das Gepäck werden sie wohl schon geplündert haben,« fügte Johnson hinzu.

»Der Verlust der Patronen ist ein großes Unglück.«

Athoree hatte ruhig zugehört. Die schnellfeuernde Waffe, welcher er bisher keine besondere Beachtung geschenkt, hatte ihm mächtig imponiert und er begriff, daß sie ohne die Munition nutzlos sei.

Er sagte jetzt: »Schnellfeuer,« er hatte den Namen für Heinrich gefunden, »nicht gehen, Athoree gehen, wenn ihn Ottawa sehen, denken er Ottawa; Athoree gehen.«

»Willst du dich wirklich der Gefahr aussetzen, Häuptling? Du leistest uns einen großen Dienst, aber bedenke, die Ottawas sind im Felde.«

»Ottawas sind blinde Hunde, wenn ein Wyandotkrieger kommt. Athoree gehen.«

Da es in der Tat für aller Leben von der größten Wichtigkeit war, die Patronen zurückzuerlangen, beschloß man, den Indianer den Versuch machen zu lassen, zu dem er sich erboten hatte.

Alle begaben sich leise nach dem Ausgangstor. Vorsichtig ward der Riegel zurückgezogen und die Tür gerade so weit geöffnet, daß der Indianer durchschlüpfen konnte. Michael war beordert, die Tür, welche man unverriegelt ließ, zuzuhalten und sie nur Athoree zu öffnen.

»Sie sollen nur kommen, die skalpierenden Hunde,« murmelte der Mann aus Leitrim, den eine aus Entsetzen und Wut gemischte Stimmung beherrschte, »ich will ihnen den Weg zeigen.«

Athoree hatte sich auf den Boden niedergelassen und war geräuschlos im Dunkel verschwunden. Johnson, der Graf und Heinrich begaben sich auf den Wall, um ihm im Notfall als Succurs dienen zu können. Vergeblich suchten sie indes das Dunkel zu durchdringen, das Maultier lag mindestens hundert Schritt entfernt und von Athoree war nicht das mindeste zu entdecken.

Angestrengt lauschten sie, die Büchsen zum Schuß bereit.

»Mir kommt es vor, ich höre Stöhnen,« sagte Graf Edgar nach einer Weile.

»Mein Ohr erhaschte bereits auch diese Laute.«

Auch Heinrich hatte den Ton vernommen.

»Es wird ein verwundeter Indianer sein,« meinte der Graf.

»Nein, Herr, die Roten haben ihre Toten und Verwundeten bereits hinweggeschafft. Aber vielleicht liegt solch ein winselnder Ottawa draußen, und versucht es, uns durch seine mitleiderregenden Töne hinauszulocken, indem er uns glauben machen will, einer der Unsern heische Hilfe.«

Das Stöhnen ließ sich wieder hören.

»Wollen wir nicht fragen, Johnson, wer da draußen klagt?«

»Stille. Athoree ist im Felde und hört die Töne auch, er wird schon nachsehen.«

Sie lauschten angespannt weiter.

Der Sohn Sumachs war in weitem Bogen mit größter Vorsicht, einer am Boden sich windenden Schlange gleich, nach dem Maultier hingekrochen. Er kannte den Beutel, in welchem die Patronen verwahrt wurden, und mußte, wo er zu finden war.

Schon berührte er den Kadaver des Tieres, als er auf dessen andrer Seite ein leises Geräusch vernahm. Er zog das Messer und horchte. Dann tastete er nach dem Packen, in welchem die Patronen stecken mußten, aber der war vollständig ausgeraubt. Johnson hatte recht gehabt, daß die Ottawas sich die Gelegenheit, das Maultier im Schutze der Dunkelheit seiner Last zu entledigen, nicht entgehen lassen würden. Die Packen waren leer.

Wiederum hörte Athoree das Geräusch auf der andern Seite des Tieres. Vorsichtig hob er das Haupt und sah vor sich die funkelnden Augen eines Ottawa. Nicht mit der Wimper zuckte Athoree bei dem Anblick.

»Was suchst du?« fragte sein Gegenüber ruhig.

Obgleich der Wyandot im stande war, sich mit einem Ottawa zu verständigen, denn er sprach den Dialekt der Saulteux, eines andern Zweiges des Chippewayvolkes, so begnügte er sich doch, leise etwas Unverständliches zu murmeln.

»Hier ist ein Beutel,« klang die Stimme des Ottawas, »meine jungen Männer haben ihn übersehen, trage ihn zu den Häuptlingen.«

»Gut,« murmelte Athoree.

Er nahm den ihm gereichten Beutel; — er enthielt zu seiner Freude die Patronen, — und hob sich langsam empor. Kaum war er auf den Knieen, als seine linke Hand mit einem blitzschnellen Griff des Ottawa Kehle faßte und seine Rechte ihm gleichzeitig das Messer durch den Hals zog. Dumpf röchelnd sank der Indianer um, als Athorees Hand seinen Hals losließ. Eilig kroch Athoree dann dem Fort zu. Nicht zwanzig Schritt von diesem entfernt berührte sein Ohr das leise Stöhnen, welches bis zum Wall hinaufgedrungen war.

Athoree hielt einen Augenblick inne, horchte nach allen Richtungen hin und versuchte mit dem scharfen Auge das Dunkel zu durchdringen. Wiederum vernahm er die Schmerzenslaute. Unhörbar bewegte sich Athoree nach dem Geräusch hin. Da seufzte es deutlich neben ihm. Während er das Messer in der Rechten zum Stoß bereit hielt, tastete seine Linke vorsichtig umher. Er berührte einen Rock und Metallknöpfe. Er hob das Haupt aus dem Grase und sah deutlich vor sich einen Soldaten liegen, der augenscheinlich verwundet und in Ohnmacht gefallen war. Seiner Lage nach schien es, als ob er den Versuch gemacht habe, das Tor zu erreichen und hierbei niedergesunken sei. Der ebenso kluge als entschlossene Indianer kroch hierauf nach den das Tor deckenden Pallisaden und schob den Patronenbeutel hinter diese. Dann zischte er leise. Vom Wall herab erwiderte Johnson den Laut

 

»Hört der tote Mann?«

»Ja,« klang es kaum vernehmbar zurück.

»Hier verwundeter Soldat, ihn holen, wenn Athoree rufen, Feuer geben. He?«

»Gut, habe verstanden.«

Sumachs Sohn kroch zurück nach dem ohnmächtigen Mann. Er faßte seinen Arm und versuchte es, ihn vorwärts zu ziehen, aber ein lauteres Schmerzensstöhnen war die Folge davon.

Hierauf richtete er den Oberkörper des Mannes langsam auf, legte dessen Kopf über seine Schulter, umfaßte seine Brust unterhalb der Arme und hob ihn empor. Kaum hatte er ihn aufgerichtet, als er schattenhaft die Gestalt eines Mannes in gebückter Stellung auf sich zukommen sah.

Die Büchse hatte er ebenfalls unter den Pallisaden gelassen, als hinderlich bei dem Hereinholen des Verwundeten.

Zweierlei blieb übrig: den Mann, den er im Arm hielt, fallen zu lassen und davonzuspringen, um den Schutz des Tores zu gewinnen, oder Feuer zu kommandieren.

Raschen Entschlusses rief er laut: »Schieß!«

Drei rote Feuerströme leuchteten an den Pallisaden auf, und mit aller Kraft schleppte der Indianer den stöhnenden Mann zu dem am Tor befindlichen Vorbau und gelangte ungefährdet hinter diesen. Draußen blieb alles still, Michael öffnete die Türe und der Indianer ließ seine Last sanft zur Erde gleiten.

Die andern kamen vom Wall herunter und trugen gemeinschaftlich den Verwundeten nach dem Offiziershause, während Athoree noch die Patronen hineintrug, Michael schloß dann sorgfältig den Eingang.

Bei der Lampe Schein erkannte Johnson in dem Geretteten den Leutnant des Forts, Sounders. Man öffnete ihm die Kleider und sah nach seinen Wunden. Diese waren nicht erheblich, und sein Zustand mochte durch Blutverlust und Ueberanstrengung hervorgerufen fein. Man zerriß ein Betttuch und verband ihn. Dann legte man ihn auf die noch vorhandene Matratze.

»Gut gemacht, Athoree,« sagte der Graf und drückte herzlich dem Indianer die Hand. »Du bist ein Krieger, den ich bewundere. Gott sei vor allem Dank, daß mir die Patronen haben, von ihnen hängt vielleicht unser Leben ab.«

Während dieser Vorgänge, welche alle Aufmerksamkeit der Männer in Anspruch nahmen und die begreifliche Erregung nicht verminderten, hatte man kaum des gefangenen Indianers gedacht.

Athoree erinnerte an diesen, indem er sagte: »Gefangenen holen.«

Er hatte ihn so fest mit seinen Riemen umschnürt, daß an Entweichen nicht zu denken war. Man fand ihn auch fast an derselben Stelle, wo er gebunden worden war. Er hatte sich nur halb aufgerichtet und saß dort, den Rücken an einen Holzstoß gelehnt.

Athoree und Michael, welche hinausgegangen waren, richteten ihn ganz empor und forderten ihn auf, mit ihnen zu gehen.

Schweigend folgte ihnen der Ottawa nach dem Hause.

Michael konnte es bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, seinem Zorne auf die roten Leute Luft zu machen.

»So, Bursche, du ziehst ehrlichen Leuten die Kopfhaut herunter? Das sind also eure kannibalischen Teufelsstreiche? Nun, einige deinesgleichen habe ich bezahlt, Lump du. Was meinst du denn nun, wenn ich dir einen mit meinem gesegneten Shillalah geben wollte? Wie? Ich würde dir den Schädel zu Brei schlagen, du roter heimtückischer Mörder, der du bist. Und das wäre noch viel zu wenig Strafe für einen solchen im Dunkeln schleichenden Strolch. Gerädert mußt du werden, und das von unten auf.«

Unter dergleichen Trostsprüchen, denen er hie und da einen gelinden Puff zugesellte, begleitete er mit Athoree den Gefangenen und führte ihn in das Zimmer, wo die andern saßen.

Beim Scheine der Lampe betrachtete man ihn nun genauer.

Es war ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren, von schlanker Gestalt und nicht unfreundlichen Gesichtszügen. Er suchte großen Gleichmut zu zeigen, doch erschrak er bemerkbar, als er Johnson erblickte, und die dunklen, glänzenden Augen durchforschten unruhig das Zimmer.

Johnson richtete dann die Frage an ihn: »Warum haben die Ottawas die Streitaxt ausgegraben? Der junge Krieger möge mir das sagen!«

Der Wilde starrte ihn nun an, ohne indes zu antworten.

»Will der Ottawa meine Frage nicht beantworten? Vielleicht spricht er nicht die Sprache der Inglis?«

Er wiederholte seine Frage im Dialekte der Ottawas, von dem er einige Worte sprach, aber des jungen Gefangenen Augen wanderten nur von einem der Anwesenden zum andern, hafteten am längsten auf Athoree und richteten sich dann unter demselben trotzigen Schweigen wieder auf Johnson.

»Es ist vergeblich, ihn zu verhören,« sagte dieser, »wenn ein Indianer nicht sprechen will, bringt ihn keine Macht der Erde dazu. Wir müssen den Burschen verwahren, vielleicht daß er morgen gefügiger ist.« Man nahm ihm Messer und Tomahawk, die er noch am Gürtel trug, die Büchse hatte er fallen lassen, als ihn Johnson niederwarf, lockerte seine Bande, die ihn wohl, ob er gleich keinen Schmerz verriet, arg belästigen mußten, so weit, daß dieser gemindert wurde, ohne die Sicherheit seiner Gefangenhaltung zu beeinträchtigen, und führte ihn in ein kleines Nebengemach, wo man ihn einschloß.

Athoree begab sich hinaus, um Wache zu halten, er schien keine Müdigkeit zu kennen. Graf Edgar blieb mit seinen zwei Gefährten still im Zimmer des so jäh dahingeschiedenen Davis sitzen.

Johnson, dessen gewaltige Körperkraft alle bewundert hatten, zeigte seine gewöhnliche Ruhe, beim Grafen und Heinrich aber machte sich nach den Anstrengungen des Tages und den furchtbaren Scenen und Eindrücken der letzten Stunde Abspannung geltend.

Dennoch fühlten sie nicht das Bedürfnis, zu schlafen, die seelische Erregung war zu groß. Nur der brave Michael hatte sich in einer Ecke des Zimmers eine Schlafstätte hergerichtet und schlief bereits den Schlaf des Gerechten, seinen Shillalah im Arm.

Es war ein trauriges Bild, welches das Zimmer bot. An den Wänden, Möbeln und Fenstern war die zerstörende Hand der Wilden zu bemerken, draußen herrschte dunkle Nacht und das Schweigen des Todes.

Der kleinen Lampe Schein fiel auf den verwundeten Offizier dort auf dem Bette, welcher seinen Atemzügen nach jetzt ruhig zu schlafen schien. Dann beleuchtete sie die drei ernsten Männer, welche in nachdenklichem Schweigen vor sich hinstarrten, unter ihnen die auffallende Erscheinung Johnsons.

»Welch ein Tag!« unterbrach der Graf endlich die Stille, »welch ein furchtbarer Tag! Im ganzen Kriege gegen Frankreich habe ich kein solch schauervolles Schlachtfeld gesehen, als dieses kleine Fort darbietet.«

»Ja, Herr, es ist grausig. Doch weisen unsre Grenzkriege mehr als ein solches Gemetzel auf. Ich begreife Euer Schaudern, doch ich — ich habe Dinge erlebt — die — mich ruhiger auf diese Zerstörung blühenden Lebens blicken lassen.«

»Wie wundersam, Heinrich,« wandte sich Graf Edgar an diesen, »spielt das Geschick mit uns! Wer hätte jemals im Vaterlande geträumt, daß wir eines Tages in diesen Urwäldern einsam sitzen würden, umheult von mordlustigen Wilden.«

»Ja, Herr Graf, es ist seltsam genug, und wer weiß, was uns noch für Dinge aufbehalten sind. Ich habe oftmals im stillen Wald darüber nachgedacht, wie wunderbar die Wege der Vorsehung sind. Ich weiß nicht, ob ich dem Herrn Grafen einmal mein Erlebnis von Chateaudun erzählt habe?«

»Nein, Heinrich.«

»Das war erstaunlich genug.

»Anfang der sechziger Jahre fand mein Vater auf der Landstraße einen Menschen, der krank zusammengebrochen war. Er nahm ihn mit ins Forsthaus, wo er sich als ein französischer Tapeziergehilfe auswies, der in Breslau gearbeitet hatte und sich auf dem Wege zur Heimat befand. Wir haben den erkrankten Menschen verpflegt und ihn schließlich, gesund, mit einiger Unterstützung nach seinem Vaterlande geschickt und seiner später nur selten gedacht.