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Zwölftes Kapitel. Das »Blutige Fort«

Nach ruhig verbrachter Nacht hatte die kleine Karawane Edgars am frühen Morgen ihren Weg nach dem Fort wieder angetreten, und es bedurfte, nach Johnsons Angabe, eines tüchtigen Marsches, wenn sie dasselbe noch am Abend erreichen wollte. Doch selbst die alte Sumach, an Anstrengungen aller Art von früher Jugend auf gewohnt, zeigte sich der Aufgabe durchaus gewachsen.

Athoree, der die Beine eines Hirsches zu haben schien, umkreiste oft in weitem Bogen den Zug, welchen Johnson mit großer Sicherheit führte, oder eilte voran, um zu erspähen, ob der Weg keine Gefahren berge.

Oftmals tauchte dann sein braunes Gesicht plötzlich aus den Büschen auf, er wechselte einige Worte mit seiner Mutter, rief dem Grafen zu » Alls well!« und verschwand wieder.

Michael zog, seinem fröhlichen, leichtherzigen Wesen angemessen, durchaus sorglos einher; ihm bereitete nur das Tier manchmal Kummer, wenn es sich störrisch zeigte, und er selbst seine gälischen Schmeichelworte vergeblich verschwendete.

Den beiden Deutschen war bei diesem mit so großer Vorsicht betriebenen Marsche in den endlosen dunklen Wäldern etwas unheimlich zu Mute, und sie durchforschten, die Büchse bereit haltend, oftmals mißtrauisch die Dickungen, welche sich an ihrem Wege zeigten. Ein Gleiches tat übrigens der walderfahrene Johnson, wenn er auch seinen vollen Gleichmut dabei bewahrte.

Die Augen der alten Indianerin, welche noch scharf genug waren, spähten unaufhörlich umher, oder überflogen forschend den Boden. Gesprochen wurde wenig und dann nur in gehaltenen Tönen, selbst Michael, welcher im Hintertreffen mit dem Maultier und seinem schweren Shilallah einherschritt, mußte seine Lust an lebendiger Unterhaltung zügeln.

»Als Knabe habe ich,« äußerte, nachdem sie längere Zeit schweigend nebeneinander hergeschritten waren, der Graf zu Johnson, »Ihres heimischen Dichters Cooper Indianererzählungen, wie wohl unsre gesamte Jugend, mit der Freude gelesen, welche die werdende Generation an romantischer Begebenheit hat. Mich will bei unserm Marsche fast bedünken, ich erlebe einen Cooperschen Roman.«

»Ich kenne die Erzählungen nicht, Herr, ich bin im Hinterwalde aufgewachsen, und wenn ich auch zeitig lesen und schreiben lernte, so gab es doch bei uns wenig Bücher, die Bibel ausgenommen, welche wohl in keinem Hause fehlte. Wenn unser Zug Ähnlichkeit mit den Beschreibungen des Mannes hat, so muß er wohl gut erzählt haben.«

»Mich überkommt bei unsrer Art und Weise durch den Wald zu ziehen ein Gefühl, als ob mir uns auf dem Kriegspfade befanden.«

Johnson sah ihn an und sagte nach einer Weile: »Sie sind unsern Wäldern und den Gefahren, welche sie bergen, fremd, Herr, und könnten doch leicht sehr richtig fühlen. Mich selbst hat Unruhe befallen, als wir den Leichnam fanden und damit festgestellt war, daß weiße Mörder sich im Walde befinden. Doch können diese unmöglich so zahlreich sein, um uns Schaden zuzufügen. Indes ist Wachsamkeit vonnöten.«

»Aber Sie hegen Besorgnisse, Johnson?«

»Ich muß gestehen, ich halte alle Vorsicht für geboten. Ich selbst habe von den Indianern nichts zu befürchten, aber Ihretwegen beunruhigt mich diese außergewöhnliche Bewegung unter den Roten, denn es ist nicht die Jahreszeit, wo sie ihre große Medizin machen.«

»Was heißt das?«

»Auf den Ruf ihres Medizinhäuptlings, ihres ersten Propheten und Wahrsagers, kommen die Indianer im Herbst zusammen, und dann werden ihre abergläubischen und geheimnisvollen Zeremonien ausgeführt, die Zukunft des Stammes und der Einzelnen vermittelst aller möglichen albernen Zauberkünste befragt, der Medizintanz getanzt und große Schmausereien gehalten. Aber das geschieht, wenn die Blätter fallen, nicht jetzt.«

»Und worauf gründen Sie die Befürchtungen, die Sie augenscheinlich hegen?«

»Es ist ganz klar, daß die Indianer irgend etwas vorhaben, was, vermag ich um so weniger zu ergründen, als ich gar keine Verbindung mit ihnen habe. Mehr aber noch beunruhigt mich das Verhalten unsrer roten Freunde. Ich verstehe mich auf die indianische Natur und kenne Sumach seit drei Jahren. Ihr Athoree würde nicht gleich einem Schweißhunde uns unaufhörlich umkreisen, wenn er nicht für uns fürchtete, und wenn Sie Sumach beobachten wollen, so werden Sie bemerken, wie ihre Augen unaufhörlich spähend umherwandern mit einer Unruhe, die ich noch nicht an ihr bemerkt habe. Diese Leute wittern die Gefahr gleich wachsamen Hunden. Es schwebt etwas Unheildrohendes in der Luft, das sagt mir das Gebaren der beiden Indianer, wie man nach dem der Vögel und Tiere auf ein herannahendes Gewitter schließen kann.«

»Nun, wenn das der Fall ist, so wünsche ich nur, daß sie uns bald in greifbarer Gestalt entgegentritt, denn das Gefühl, aus jedem dichten Busche hervor könnte plötzlich eine Büchse krachen, ist kein sehr angenehmes.«

»Sie dürfen sich auf die Wachsamkeit des Indianers, auf die Sumachs, welche trotz ihres Alters noch die Augen eines Falken hat, und auf mich, der ich mich auf den Wald und auch ein wenig auf indianische Teufeleien verstehe, verlassen, ganz unvorbereitet wird uns keine Gefahr finden. Es ist die Möglichkeit denkbar, daß die Roten unter sich in Streit geraten sind, und da könnten wir natürlich leicht zwischen zwei Feuer kommen. Ich werde sehr befriedigt sein, wenn wir die Wälle des Forts hinter uns haben.«

Der Graf gesellte sich zu Heinrich und teilte ihm den wesentlichen Inhalt seines Gesprächs mit Johnson mit.

»Ich habe schon längere Zeit das Gefühl, Herr Graf, als ob wir uns zwischen Franktireurs befänden und lasse nichts außer acht. Wir haben in Frankreich solche Kriegszüge, wo hinter jedem Baume einer von diesen Spitzbuben lauern konnte, kennen gelernt. Ich bin auf der Hut.«

Sumach ließ einen leichten Ausruf vernehmen, worauf Johnson sofort stillstand, ein Beispiel, dem die andern folgten, auch Michael.

»Was gibt‘s, Sumach?«

»Athoree muß sehen,« sagte die Alte und deutete auf die Erde.

Sie ließ einen leisen, aber sehr durchdringenden Pfiff vernehmen, wie ihn das Eichhorn oftmals hören läßt, der sofort von vornher erwidert wurde. Johnson trat näher und richtete seine Augen auf den Boden: »Das ist die Spur eines Weißen, Sumach, die wir da kreuzen.«

»Weißer Mann, ja. Athoree sehen.«

Eilig schritt dieser schon heran. Seine Mutter unterrichtete ihn von der Entdeckung. Er beugte sich nieder, betrachtete die Spur, welche Edgar und Heinrich nur undeutlich erkannten und über welche sie achtlos hinweggegangen sein würden, selbst wenn sie mit dem Vorsatz ausgezogen wären, sie zu suchen. Der Indianer richtete sich auf und sagte lakonisch, auf die Spur deutend: »Iltis!«

»Iltis? Und dort Burton ermordet? So wirst du wohl recht haben, daß dieser seinen Gefährten meuchlerisch überfallen hat.«

»Er allein, nicht gefährlich. Müssen weiter gehen.«

Er schritt wieder davon und der Zug setzte sich von neuem in Bewegung.

»Diese Spitzbuben vom Muskegon scheinen sich hier ein Stelldichein gegeben zu haben, Heinrich,« sagte Edgar zu diesem. »Die andern Herren werden nicht weit sein.«

»Nun,« entgegnete der Jäger, »begegne ich einem derselben, so will ich ihn die Angst, welche ich bei dem Prairiebrande ausgestanden habe, büßen lassen.«

»Unrecht geschieht ja allem Vernehmen nach keinem von diesen Gesellen, wenn eine Kugel ihn niederstreckt, indessen ist es doch besser, wir gehen ihnen aus dem Wege, wir haben andre Dinge zu tun. Ich muß gestehen, ich habe mir diesen Zug zu den Ottawas leichter vorgestellt, die Leute am Muskegon und der freundliche Mister Baring hatten doch recht, als sie mir einige Gefahr in Aussicht stellten, ob ich gleich keine Ahnung habe, woher sie kommen soll. Welch ein Glück, daß wir Johnson gefunden haben, der in diesen Wäldern zu Hause ist.«

»Es ist ein wildes Land, Herr Graf, und wilde Menschen bewohnen es, rote und weiße. Ich habe mich mehr als einmal mit Wilddieben herumgeschossen, aber das ist doch kein Vergleich gegen ein Feuergefecht in diesen Wäldern. Kommt aber meine Zündnadel in Tätigkeit, so sollen sie auch erfahren, was eine preußische Jägerbüchse leistet.«

»Du hast doch noch Patronen genug?«

»Zwanzig habe ich bei mir und zweihundertfünfzig trägt das Maultier, damit muß ich auskommen.«

Sie schritten schweigend weiter. Dann blieb der Graf etwas zurück, um dem guten Michael, der unfreiwillig schweigend und sich gelegentlich mit dem Maultier veruneinigend einherzog, einige freundliche Worte zu sagen. Mit behaglichem Grinsen nahte sich ihm der Sohn Erins.

»Nun, Michael, wie geht es mit dem Tiere?«

»Es ist eine störrische Bestie, Ew. Gnaden, und ich wollte, ich dürfte ein wenig fluchen, dann sollte es schon besser gehen. Nichts erleichtert die Seele mehr, als ein kräftiges Wort, Ew. Gnaden dürfen mir glauben.«

»Nun, zu Zeiten,« lächelte der Graf, »mag das ja sein. Aber wir dürfen kein Geräusch verursachen; Vorsicht ist geboten, Michael.«

»Aber warum denn nur, Ew. Gnaden? Wir sind doch ganz friedliche Leute und bringen den braunen Menschen Geschenke; wer will uns denn was anhaben?«

»Ich weiß nicht, ob uns eine wirkliche Gefahr bedroht, Michael, obgleich Johnson und dein Freund Athoree nicht ganz ruhig zu sein scheinen. Gleichviel. Tritt etwas Störendes ein, so laß augenblicklich das Maultier laufen und komm zu uns oder wirf dich zu Boden. Es ist bedauerlich, daß du keine Büchse führst.«

»Ach, Ew. Gnaden meinen, weil so ein paar Schufte etwa auf uns schießen könnten? Meiner Mutter Sohn fürchtet sich nicht, vor niemand, auch wenn er kein solch Schießeisen hat, und wenn sie herankommen, so wird mein Shilallah mit sechsen fertig, darauf können sich Ew. Gnaden verlassen.«

 

»Das glaube ich dir, Michael, nach der, Probe, welche du mit der Bärin abgelegt hast. Hätte ich übrigens gewußt, welche Gefahren uns hier bedrohen könnten, so würde ich dich, der du der Waffen und des Waldes unkundig bist, denselben nicht ausgesetzt haben.«

Michael mißverstand ihn und sagte ganz treuherzig: »Ich werde Ew. Gnaden nicht verlassen und wenn hundert Stück von solchen Strolchen kommen, das tut Michael O‘Donnel nicht. Und ich werde, wenn‘s not tut, für Ew. Gnaden fechten, wie nur der beste Bursche aus Leitrim fechten kann.«

»Nun, es ist recht, mein braver Michael, mir müssen jetzt schon zusammenhalten und uns gegebenen Falles unsrer Haut wehren.«

»Darauf dürfen Ew. Gnaden rechnen,« und der kräftige Paddy schwang seinen schweren Stock, »meiner Mutter Sohn stellt seinen Mann. Nur daß man gar nicht reden darf, ist sehr unangenehm.«

»Es darf nicht sein, Michael.« Auch diese Unterredung wurde in leisem Tone geführt. »Hoffentlich sind wir noch vor Nacht im Fort, da wirft du wohl Gelegenheit finden, deinem irischen Herzen Luft zu machen.«

Der Graf ging wieder an die Spitze des Zuges, als Athoree zurückkehrte und Johnson anredete. Er deutete nach der Seite hin, nach welcher ihr Weg führte, und sagte: »Dort Fluß, tief, wie hinüber kommen?«

»Liegt dort kein Baum quer über das Wasser?« fragte Johnson erstaunt.

»Nicht Baum dort.«

»Sollte ich den Weg verfehlt haben?« Er sah sich aufmerksam um. »Es kann nicht sein,« sagte er dann, »einige Hundert Schritt oberhalb oder unterhalb unsrer Marschlinie muß ein Baum das Wasser überbrücken, ich habe ihn selbst im verflossenen Jahre gefällt.«

»Komm und sieh.«

Beide gingen rasch voran und die andern folgten ihnen in gleichem Schritte. In wenigen Minuten hatten sie das Ufer eines kleinen Flusses erreicht, der, ohne starke Strömung zu haben, ziemlich tief zu sein schien und wohl dreißig Schritt breit sein mochte.

Johnson prüfte die Gegend und sagte dann, stromab deutend, mit Bestimmtheit: »Dort lag der Baum, nicht hundert Schritt von hier.«

»Ihn Frühjahrswasser wegschwemmen? He?«

»Nein, ich bin noch vor drei Monaten hier gewesen, und habe auf ihm den Fluß überschritten, das kann nicht sein.«

Sie gingen das Flußufer hinab.

»Hier lag der Baum,« und Johnson deutete auf eine Stelle, einige Schritte vor sich, wo deutlich der tiefe Eindruck zu bemerken war, den der schwere Stamm des Baumes im Erdreich hinterlassen hatte.

»Was bedeutet das?« sagte Johnson besorgt.

Athoree war einige Schritte vorausgegangen und stieß einen leisen Ruf jäher Ueberraschung aus. Augenblicklich stand Johnson ihm zur Seite. Beide starrten ernst zu Boden. Auch der Graf und Heinrich kamen heran. Des Indianers Augen funkelten und durchforschten mit den Blicken eines Raubtieres das gegenüberliegende Ufer.

»Was gibt‘s?« fragte leise Graf Edgar.

Johnson deutete auf tief in dem weichen Boden ausgetretene Spuren, ähnlich denen, welche im Schnee zurückbleiben, wenn zwei hintereinander gehen, und der Folgende sorgfältig in die Fußstapfen des Vorangehenden tritt.

»Was ist es?«

»Die Ottawas sind auf dem Kriegspfade, Herr,« sagte Johnson mit tiefem Ernste.

»Woraus schließen Sie das?«

»Weil sie in indianischer Ordnung marschiert sind, das heißt einer in die Spur des andern tretend. Wenn sie in friedlicher Absicht durch die Wälder ziehen, tun sie das nicht. Gerechter Gott, die Roten auf dem Kriegspfade? das bedeutet Unheil für mancher Mutter Sohn.«

Der Graf betrachtete die tiefe Spur, nicht ohne Besorgnisse aufsteigen zu fühlen, und übertrug Heinrich dann die Worte Johnsons.

Athoree hatte den Boden ringsum durchforscht.

»Was meinst du, Wyandot?«

»Ottawa Streitaxt ausgraben.«

»Aber wem kann es gelten? An das Fort werden sie sich unmöglich trauen, das ist wohl bewacht, und wollten sie in die Ansiedlungen fallen, wären sie nicht dieses Weges gekommen. Das ist mir ein Rätsel. Wieviel glaubst du, daß es waren, Indianer?«

»Fünfzig, sechzig Krieger, vielleicht mehr.«

»Eine solche Schar wird das stark befestigte Fort nicht anzugreifen wagen, welches zwanzig Mann lange verteidigen können. Haben die Ottawas den Baum ins Wasser gestürzt?«

»Er so tun, du hier sehen,« und er zeigte, wie die Füße derer, welche den Baum umwälzten, sich in den Boden gegraben hatten. Ein Versuch, die Spuren zu verwischen, war nicht gemacht worden.

»Aber warum?«

»Andre nicht sollen folgen auf Baum.«

»Das verstehe wer kann.«

»Lassen Sie uns hinter die Büsche treten, hier könnten uns Späheraugen treffen.«

Sie begaben sich in das nahe Unterholz, wo sich auch Michael mit seinem Maultier einfand.

»Da sind mir in eine Lage geraten, Herr Graf, die nicht vorauszusehen war, sonst hätte ich Sie nimmer hierhergeführt.«

»Wenn überhaupt eine Gefahr für uns besteht, Mister Johnson,« entgegnete der Graf ruhig, »so wäre sie dort, von wo wir kommen, gewiß nicht geringer gewesen als hier, und ich freue mich jetzt doppelt, daß wir Ihres Beistandes in einer Situation, welche verwickelt zu werden droht, nicht entbehren. Ohne Athoree und Sie wäre ich ratlos in diesen Wäldern.«

»Was können die Ottawas planen? Streit mit den Pottawatomies? Deren Dörfer liegen weitab.«

Athoree hatte sich ruhig neben seine Mutter auf einen umgefallenen Baumstamm gesetzt.

»Was meint der Wyandothäuptling?« wandte sich Johnson ernst an den Indianer, ihm zum erstenmal diese Bezeichnung gebend, welche der Sohn Sumachs durch die ernste, würdevolle Haltung, welche er, seit er den Kriegspfad gesehen, angenommen hatte, herausforderte.

»Er Häuptling, du recht, Athoree Häuptling der Wyandots,« entgegnete mit gelassener Höflichkeit der Indianer, der so ruhig dasaß, als ob keine Gefahr irgend einer Art vorhanden sei. »Er denken so: Ottawa auf Kriegspfad, da nicht Zweifel. Fort angreifen, nicht genug Krieger hier,« er wies auf die Spur, »vielleicht an ander Stelle mehr Krieger über Fluß gehen. Hier nicht mehr kommen, sonst nicht Baum in Wasser werfen.«

»Für wie alt hältst du die Spur. Sind sie heute vorübergezogen?«

»Nicht heute, gestern. Tau auf Spur gefallen, Ottawa weit von hier.«

»Aber wohin rätst du, daß mir uns jetzt wenden?«

»Athoree fremd hier. Ansiedlungen weit, Ottawa nah. Wenn auf Kriegspfad gegen weißen Mann, er Spur von weißem Manne folgen, nicht verbergen können, schießen tot, nehmen Skalp.«

»Verwünschte Geschichte mit den Skalpen das,« sagte Michael, der wie alle mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte.

»Fort, wie weit?«

»Am Abend können wir dort sein.«

»Ottawa nicht Fort angreifen bei Tag, zu wenig Krieger, nicht bei Nacht, roter Krieger nur bei Nacht fechten, wenn müssen, sonst, wenn sterben, er in glückliche Jagdgründe auch in ewiger Nacht bleiben. Möglich, daß lauern um Fort, bis Soldat herauskommt, das möglich. Wenn Ottawa Beil ausgraben gegen weißen Mann, hier Gefahr, dort Gefahr, drüben bei Fort nicht größer als hier. Gehen hin, und wenn dunkel, schleichen leise in Fort.«

»Das scheint mir auch das einzig Richtige, Häuptling; ich sehe, du bist ein kluger und entschlossener Mann. In der Tat, Herr Graf, es bleibt unter diesen Umständen nichts übrig, als auf jedes Fährnis hin zu versuchen, ins Fort zu gelangen. Vielleicht beunruhigen mir uns ja ohne Not, aber ich pflichte dem Indianer vollkommen bei.«

»Nun, wenn zwei solche erfahrene Männer dieser Meinung sind, so schließe ich mich derselben natürlich an. Ich verlasse mich durchaus auf Ihre Führung und werde Sie mit Heinrich nach Kräften in allem unterstützen, was Sie für unsre Sicherheit nötig halten anzuordnen. Sind wir gezwungen, zu kämpfen, nun, Heinrich und ich sind hinreichend an Gewehrfeuer und Kanonendonner gewöhnt, wir werden nicht ungefährliche Gegner sein.

»Dann also nach dem Fort,« sagte Johnson entschlossen, »es bleibt nichts andres übrig. Aber jetzt der Uebergang über den Fluß hier? Ich fürchte, wir dürfen nicht wagen, einen Baum zu fällen, um uns einen Uebergang zu bereiten.«

»Axt weithin hören,« sagte Athoree, »nicht gut.«

»Es ist freilich etwas oberhalb eine Furt, aber sie ist schwer zu passieren, besonders für das Maultier, das Wasser ist tief.«

»So lassen wir das Tier zurück,« meinte der Graf.

»Es wäre nicht gut, denn stoßen wir wirklich auf die Ottawas, so liefern die Geschenke und Schreiben, welche Sie, wie Sie mir sagten, mitführen, den Beweis, daß Sie in der freundschaftlichsten Absicht hierhergekommen sind. Wir müssen den Uebergang versuchen, nasse Kleider wird‘s freilich geben.«

Sie schritten einige Hundert Schritt am Wasser hinauf und Johnson sagte stehenbleibend: »Hier ist die Furt, sie erstreckt sich direkt in der Richtung von hier nach jener Schierlingstanne drüben. Erst will ich die alte Frau ans andre Ufer bringen, der Irländer kann warten, bis ich zurückkomme.«

»Athoree alte Mutter tragen.«

»Das überlaß nur mir, Häuptling, ich kenne die Furt besser und bin stärker als du.«

Er nahm Sumach auf den Arm und schritt ins Wasser, welches ihm bald bis unter die Achseln reichte, aber festen Schrittes, Athorees Mutter auf der linken Schulter tragend, mit der Rechten die Büchse emporstreckend, während die Alte ihm Pulverhorn, Kugelbeutel und Jagdtasche hielt, schritt er hinüber und setzte seine Bürde ans Land.

Ihm auf dem Fuße war Athoree gefolgt.

Johnson ging wieder zurück.

Der Graf und Heinrich wateten hinüber, gleich Johnson, hoch in den Händen empor haltend, was nicht naß werden durfte.

»Nun du, mein guter Bursche,« sagte Johnson zu Michael. »Nimm die Ladung auf deinen irischen Schädel und kreuze den Fluß, ich komme mit dem Tiere nach.«

Wie er gesagt, tat Michael und brachte auch seine Last trocken auf die andre Seite. Das Saumtier hinüber zu führen, konnte aber nur einem Mann von der Körperkraft gelingen, wie sie Johnson besaß. Das starke, bockige Tier scheute und stemmte sich mit aller Kraft dem Versuche entgegen, es ins Wasser zu ziehen. Aber Johnsons eiserner Arm zwang es hinein. Mit derselben Kraft hielt er dem in der Flut in wilder Angst kämpfenden Tier den Kopf über Wasser und brachte es glücklich ans andre Ufer, wo es zitternd anlangte.

Alle, selbst Michael, der ein ungewöhnlich starker Bursche war, staunten bei dieser Kraftprobe, und der Ire sagte: »Das hätte meiner Mutter Sohn nicht fertig gebracht. Bei St. Patrick, das sind Muskeln.«

Michael belud dann das Tier wieder, alle rangen sich so gut sie konnten die Kleider aus, und von neuem begann in tiefem Schweigen der Marsch, unter Beobachtung der größten Vorsicht. Die Stimmung war eine sehr ernste geworden, und jeder hielt seine Büchse schußfertig im Arm, selbst Michael, welchem das Tier, nachdem Johnsons machtvoller Arm es gebändigt, ruhig folgte, hielt seinen Stock kampfbereit.

Athoree ging mit den Schritten einer Katze voran, ohne sich aber weit von dem Zuge zu entfernen, so daß ihn die Folgenden stets im Auge hatten.

Lautlose Stille herrschte hier im tiefen Walde. Kein Vogel ließ sich hören, kein Eichhörnchen kletterte munter in den Aesten, kaum ein Luftzug war zu spüren. Hoch lag das welke Laub am Boden und dämpfte das Geräusch der Schritte. Mit Vorsicht vermieden es nach Johnsons Anweisung die Dahinschreitenden, am Boden liegende dürre Aeste mit dem Fuße zu berühren, ob es gleich trotz der Warnung oft genug vorkam, daß das Knacken eines solchen hörbar wurde.

Seltsam war Graf Edgar zu Sinne, als er so mit der Büchse in der Hand in der Dämmerung des amerikanischen Urwaldes einherschritt, vor sich des Indianers schattenhaft nur erscheinende Gestalt, dessen Schritte auf dem Laub und bei dem von weichem Hirschleder umhüllten Fuß nicht vernehmbar waren, über sich das dichte Laubdach, welches kaum hie und da ein Sonnenstrahl durchdrang, ringsumher aufragende Waldesriesen und mehr oder minder dichtes Buschwerk, zu seinen Füßen oftmals vermoderte Baumstämme, welche den Weg versperrten. Sorglos hatte er den ersten Teil seiner Waldreise zurückgelegt, und das Gefühl, gefährdet zu sein in dieser Einsamkeit, war ihm erst seit seiner Zusammenkunft mit Johnson aufgestiegen und durch die jüngsten Entdeckungen wesentlich gestärkt worden. Er sowohl als auch Heinrich waren Männer von unbezweifelter Tapferkeit, die in mehr als zwanzig Schlachten und Gefechten die Kugeln um sich pfeifen hörten, aber dieses leise Einherschleichen im düsteren Walde, in dessen Halbdunkel möglichenfalls das Leben nur vom scharfen Auge und seinen Gehör abhing, diese ununterbrochene Anspannung aller Sinne hatte etwas unheimlich Aufregendes. Mit Hurra! und schlagenden Tambours gegen eine Batterie anzustürmen, schien den europäischen Kriegern leichter, als so zwischen Baum und Busch, wo die tiefe geheimnisvolle Stille jeden Augenblick vom Donner einer Büchse unterbrochen werden konnte, einherzumarschieren.

 

Dabei bevölkerte die erregte Phantasie die düstere Umgebung mit den Gestalten wilder Feinde, und mehr als einmal, wenn ein Tier flüchtig wurde oder die Blätter stärker rauschten, wurde die Büchse emporgerissen. Mit ernstem, doch gleichmütigem Gesicht ging Johnson einher, dessen schneeiges Haar und weißer Bart ihn in dieser Umgebung wirklich wie den Geist des Urwalds erscheinen ließen, ein Name, den ihm der Offizier des Forts nicht unpassend erteilt hatte.

Ihr Weg lief fortwährend neben dem tief ausgetretenen Kriegspfad her, welchen die Schritte der Ottawas hinterlassen hatten, denn dieser führte in seiner Verlängerung direkt auf das Fort zu.

Nachdem sie einige Meilen auf diese Weise zurückgelegt hatten, immer den Spuren der Indianer entlang, machte Athoree die Folgenden aufmerksam, daß die Ottawas sich geteilt haben müßten.

Dies war am Boden leicht zu erkennen, sie waren fast im rechten Winkel auseinander gegangen. Beide Teile aber in derselben Ordnung, in welcher der ganze Zug einhergeschritten war.

»Wo der See?« fragte er Johnson.

Dieser deutete gerade auf sich hin.

»Wo Fort?«

Johnson gab ihm die Richtung an.

»Ottawa sich teilen. Fort und See umgehen? Kanoes hier?«

»Dies mag wohl sein, denn ich weiß, daß sie im Chippeway-See fischen, und so werden sie gewiß ihre Kähne hier versteckt haben.«

Der Indianer entgegnete nichts und ging nach kurzer Frist langsam weiter, dann blieb er, wie vorher der Graf, stehen und wartete, bis Michael kam, dem in der letzten Zeit bei dem Geheimnisvollen, was ihn hier umgab, die Lust zu reden vergangen war.

Athoree ging langsam neben ihm her, und da er nicht sprach, fragte Michael endlich: »Willst du etwas von mir?«

»Du starke Hand, starkes Herz; ihm sehen. Was du tun, wenn Injin kommen?«

»Du meinst, wenn deine Landsleute uns zu Leibe rücken?«

»Nicht Landsleute, Ottawa ander Volk, nicht Athorees Volk.«

»Na, ‚s wird sich ziemlich gleich bleiben,« murmelte der Ire.

»Was du tun, wenn kommen Injin? Mir sagen.«

»Je nun, ich werde sie behandeln wie die Bärin, und das hast du ja gesehen.«

»Gut, wenn kommen nah. Bärin keine Büchse, Ottawa Büchse, schießen gut. Was du tun, wenn schießen? Das sagen.«

Der Irländer kratzte sich den buschigen Kopf.

»Höre einmal, Indianer, zum Ausreißen ist meiner Mutter Sohn nicht gemacht, verstehst du? Und wenn sie auf uns schießen —? Hm. Du glaubst doch an Gott, nicht wahr?« »Glaube an großen Geist.«

»Nun ja, siehst du, dann muß mich der liebe Gott schützen, wir stehen alle in seiner Hand.«

»Das gut. Großer Geist mächtig. Noch besser, du kommen gleich hinter Athoree, legen in Gras, er für dich schießen. Kommt mit Tomahawk, Ottawa, du nehmen Stock und machen so wie mit Bärin. He?«

»Segne meine Seele, du bist wirklich ein guter Kerl, Indianer,« und Michael reichte ihm treuherzig die Hand, »anfangs, weißt du, mochte ich dich nicht recht, das kam davon, daß ich deinesgleichen noch nicht gesehen hatte, aber ich weiß jetzt, besonders seitdem du deine Mutter wieder hast, daß dir das Herz auf dem rechten Fleck sitzt.«

»Nicht so viel reden. So tun wie Athoree sagen.«

Der Wyandot ging zu seiner Mutter.

»Die alte Frau ist müde vom langen Wege?« fragte er in der Sprache seines Volkes.

»Der Weg ist bald zu Ende, wir sind am Fort, noch ehe die Sonne sinkt.«

»Die Ottawas haben den Kriegspfad betreten.«

»Sumach sah es.«

»Die Kugel macht keinen Unterschied zwischen einer Squaw und einem Krieger.«

»Wird Athoree fechten?«

»Athoree gehört zu Gutherz, er hat den letzten Sprossen Meschepesches vor Schmach bewahrt. Nicht gern wird Sumachs Sohn gegen die Ottawas kämpfen, sie sind nicht seine Feinde, aber greifen sie uns an, muß Athoree Gutherz schützen und fechten.«

»Gut.«

»Was wird Sumach tun?«

»Sumach wird, wenn Athoree das Zeichen gibt, im Grase liegen gleich der Schlange und lauschen.«

»Gut. Sumach ist die Frau und Mutter von Wyandotkriegern, Sumach ist klug. Athoree wird für sie fechten und mit ihr sterben.«

»Nicht sterben,« sagte die Alte eifrig, »Athoree wird fliehen, wenn die Ottawa kommen, sie werden Sumach kein Leid zufügen, die Ottawa kennen Sumach.«

»Athoree wird bei der Mutter bleiben.«

»Hört der Häuptling der Wyandots noch auf seiner Mutter Stimme?«

»Er tut es. Athoree glaubte Sumach beim großen Geiste, er vernahm ihre Stimme in dem Rauschen der Zweige und hörte auf sie. Athoree wird tun, was Sumach sagt.«

»So wird der Wyandothäuptling, der Enkel Meschepesches, seinen Skalp retten, der darf nicht trocknen im Wigwam eines hündischen Ottawa. Kann Athoree nicht sitzen am Ratsfeuer seines Volkes, soll er doch als Häuptling eingehen in die glücklichen Jagdgründe. Sumach sagt es, sie ist sicher vor dem Tomahawk der Krieger.«

Die alte Frau sprach leise, aber mit nachdrücklichem, feierlichem Ernste, und der Indianer neigte gehorsam, fast demütig das Haupt.

Nach dieser kurzen Unterredung begab er sich wieder an die Spitze des Zuges, der schweigend wie bisher im Schatten des Waldes seinen Weg fortsetzte.

Die Sonne sank, und während ihre letzten Strahlen noch die Wipfel der Bäume vergoldeten, herrschte tief unten bereits Nacht.

Endlich gewahrte das scharfe Auge des Indianers, daß es nach vorn hin lichter wurde.

»Alle niederlegen,« flüsterte er Johnson zu, »Athoree allein gehen, sehen nach Ottawas.«

Dieser nickte und teilte den andern Athorees Absicht mit, und auf seinen Wink ließen sich alle nieder und waren im Waldesdunkel nicht von Baum und Buschwerk zu unterscheiden.

Gleich einer Schlange wand sich der Sohn Sumachs schnell und geräuschlos durch die Büsche und kauerte sich am Rande des Waldes nieder. Draußen war es noch hell genug, Fort und See überschauen zu können.

In tiefster Ruhe lag das schöne Gewässer vor ihm, still und friedlich das kleine Fort an seinem Ufer.

Aber des Indianers Herz blieb unberührt von der feierlichen Schönheit eines solchen Abends; sein Adlerauge überflog den See und die Waldesränder und haftete dann lange an dem Fort, welches so schweigend vor ihm lag, als habe niemals Leben in ihm geherrscht.

Kein Laut klang von da herüber, kein Rauch stieg über die Pallisaden empor, still — alles — still.

Der Indianer wußte so viel, daß strenge Disziplin in den Garnisonen der Weißen herrsche, welche Lärm irgend welcher Art nicht gestattete, doch diese Lautlosigkeit war ihm verdächtig.

Noch einmal flog sein Blick über das Fort und den Waldsaum hin — dort an den Büschen glaubte er eine Bewegung zu bemerken, nein, es war nur der Wind, der die Zweige bewegte.

Rasch schritt er zurück zu den harrenden Freunden. »Nun, Athoree?«

»Nichts sehen. Alles still, zu still. Fort zu viel Schweigen.«

»Was heißt das?« fragte Johnson.

»Alles Schweigen, nichts hören von Langmesser, kein Rauch. Kommen sehen.«

Er ging voran und lautlos folgten ihm alle. Selbst das Maultier mußte eine Ahnung von Gefahr haben, denn es zog wiederholt in auffälliger Weise die vom Fort herkommende Luft ein und zitterte.

Bald standen der Indianer, Johnson und die beiden Deutschen am Waldesrande und sahen See und Fort vor sich.

»Das ist seltsam,« sagte Johnson, »sollte die Garnison ausgerückt sein?«

Die Nacht sank mehr und mehr hernieder. Graf Edgar hatte ein kleines aber scharfes Glas genommen und überflog das Fort.

»Da ist Küchenrauch,« sagte er endlich.

»Wo?« Und Johnson nahm das Glas.

Auch er bemerkte eine dünne Rauchsäule, die gen Himmel stieg, aber auf dem dunklen Waldhintergrunde bei dieser Beleuchtung selbst von des Indianers Auge nicht wahrgenommen werden konnte.