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»Aber du glaubst doch an einen Gott?«

»Sehr wohl,« entgegnete der Indianer. »Glauben an großen Geist, er guter Geist, geben armen Indianer alles, Sieg über seine Feinde, Skalpe, Wild, Waffen, gutes Weib, Freunde, gute Kinder, er geben alles. Böser Geist, Degschuhvenoh, bringen alles Schlechte, Hunger, Not, Schnee und Eis — Krieger verliert Skalp, wenn böser Geist es haben will, dann nimmer kommen in glückliche Jagdgründe.«

»Aber du glaubst an eine Fortdauer nach dem Tode?«

»Schon sagen,« fuhr Athoree ernst fort, »guter Indianer gehen in glückliche Jagdgründe, er dort nie Not, viel Wild, gute Freunde, nicht Schmerz, nur Freude. Nur rote Männer dort, Streitaxt begraben, kein weißer Mann.«

»Und die Bösen?«

»Er gehen dahin, wo ewig Eis und Schnee, zum bösen Geist, er nie in glückliche Jagdgründe.«

»Auch dann, wenn er sonst auch brav ist, wenn er nur seinen Skalp verloren hat? nicht wahr?«

»Nie können Indianer ohne Skalp in glückliche Jagdgründe gehen — nie. Er bleiben in eisiger Nacht.«

»So ist mir schon erzählt worden. Doch, Athoree, willst du uns nicht sagen, wie der große Geist diese Erde und den roten Mann geschaffen hat?«

Leise und nicht ohne Feierlichkeit begann der Wyandot: »Der große Geist einst vor vielen, vielen Sommern, schaffen die Erde mit dem Hauche seines Mundes, machen das große Licht, das kleine Licht und die Sterne. Setzen die Erde auf den Rücken der großen Schildkröte, daß sie sie trage vom Morgen nach Abend. Er schaffen Bäume, Gras, lassen Sonne scheinen und Regenwolke kommen. Geben viel Wild in den Wald. Dann er nehmen rote Erde, formen daraus roten Mann, lehren ihn Bogen machen und Pfeil, das Wild erlegen, Feuer anzünden und sich Kleider fertigen aus der Haut des Wildes. Alles Gute er geben, schützen Indianer auch vor bösem Geist, der unaufhörlich lauert, wo er dem roten Mann Leid zufügen kann,« setzte er noch leiser hinzu. »Indianer leben, jagen, kämpfen, sterben und gehen dann zu Manitou, der ihn geschaffen, er guter Geist, er ihm lieben.«

Während der Indianer so sprach, leise und eindringlich, hier auf dem Boden, dem er entsprossen, er, der Sohn einer fremden Rasse, unter dem leisen Rauschen des Urwaldes, dessen Tiefen wohl selten ein Menschenfuß betreten hatte, beschlich den Grafen ein eigenes Gefühl. Vor ihm saß der Repräsentant eines dem Untergang unwiderruflich geweihten Volkes, dessen Väter viele Geschlechter hindurch hier einhergewandelt waren, und aus dem braunen ausdrucksvollen Gesichte des Indianers sprach zu ihm das herbe Schicksal eines der Vernichtung entgegeneilenden Stammes.

Es überkam ihn unwillkürlich ein Gefühl der Trauer darüber, daß ein nicht unbegabtes Geschlecht, wenn seine Entwickelung zur höheren Zivilisation auch noch so langsam sich vollzog, verschwinden mußte, ehe es auch nur eine Blüte treiben konnte.

Der Indianer schwieg und schaute vor sich nieder, ebenso der Graf.

Diese Gelegenheit aber benützte Michael, um wiederum das Wort zu ergreifen und sich über einen Punkt zu vergewissern, welcher ihm einiges Bedenken verursachte.

»Euer Gnaden werden erlauben, die Frage an Euer Gnaden zu richten, ob es wahr ist, wie der rote Mann hier sagt, daß seinesgleichen den Menschen die Haut vom Kopfe abziehen.«

»Ja, Michael, das ist Gebrauch bei den roten Kriegern.«

»Das ist aber eine ganz grausame Art und Weise, seine Gegner zu behandeln. Euer Gnaden. Einem den Schädel einschlagen, nun, das ist eine ganz regelrechte Sache, und geht manchmal nicht anders, aber so einem das Fell über die Ohren ziehen, das ist doch ganz unschicklich und unchristlich.«

»Die Kopfhaut des Feindes ist das höchste Siegeszeichen des indianischen Kriegers, nicht so, Athoree?«

Dieser nickte.

»Na, weißt du, mein roter Freund, schön ist das aber nicht, und ich hoffe, das nicht an dir zu erleben. Du hast dich heute zwar brav gegen mich benommen, das muß ich gestehen, aber solche Menschenschinderei könnte mich veranlassen, dir die junge Freundschaft zu kündigen. Du hast doch nicht schon etwa menschliche Kopfhäute abgezogen?«

Ein Ausdruck milden Triumphes flog über des Indianers dunkle Züge, der aber gleich darauf einem Ausdruck der Trauer Platz machte.

»Athoree wird keine Skalpe mehr nehmen,« sagte er langsam.

»Na, das freut mich, es ist sonst eine unheimliche Sache, mit dir umzugehen. So ein richtiger Christ scheinst du auch nicht zu sein, wenn ich auch nicht alles verstanden habe, was du vorhin Seiner Gnaden auskramtest. Gehst du denn auch hie und da einmal in die Kirche?«

Der Indianer hob den Arm und deutete auf die grüne Wölbung über sich, durch welche die ewigen Sterne herniederblitzten, deutete auf die uralten Bäume, welche sich ringsum erhoben: »Dies Kirche für roten Mann, hier er beten zu Manitou.«

»Na ja, das ist ja ganz gut, aber so ein bißchen ordentliche Religion muß doch sein; was du da vorhin erzählt hast, das schmeckt doch ein wenig nach Aberglauben.«

»Ich glaube, Michael,« sagte der Graf, »wir beten alle zu demselben großen guten Geiste, jeder auf seine Weise.«

»Nun, Euer Gnaden werden das ja schon verstehen, obgleich der Athoree bei uns in Irland mit seiner Religion nicht weit kommen würde. Pater Anselmus würde ihm schon so lange einheizen, bis er einen regelrechten Glauben hätte, wie sich‘s auch schickt.«

»Was beginnen wir mit den Fellen der Bären?« fragte der Graf, um dieses nun genug behandelte Thema abzubrechen.

»Frisches Fell sehr schwer, wird Maultier nicht tragen können, wenn überhaupt tragen, ehe es ganz trocken.«

»Es wäre doch zu bedauern, wenn wir diese schönen Siegeszeichen zurücklassen müßten.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der Indianer hastig seine neben ihm liegende Büchse ergriff und nach dem Innern des Waldes zu lauschte.

»Was gibt‘s?« fragte leise der durch die Bewegung des Indianers beunruhigte Graf.

»Pst!« flüsterte Athoree zurück. »Mann im Walde.«

Heinrich und der Graf griffen auch nach ihren Waffen.

»Indianer, Athoree?«

»Weißer Mann. Er kommen.«

So saßen sie lauschend, die Büchsen in der Hand, während Michael erstaunt um sich sah.

Jetzt hörten auch Graf Edgar und Heinrich einen leichten Schritt nahen.

Aller Augen richteten sich dahin, woher die Laute kamen; der Indianer hatte den Hahn seiner Büchse aufgezogen.

Nach kurzem atemlosem Harren öffneten sich die Büsche und heraus trat ruhig ein Mann in den Schein des Feuers, der nicht ohne Erstaunen die um dasselbe gelagerte Gruppe betrachtete. Der Mann trug das landesübliche Jagdhemd und stand, eine hohe Gestalt, auf seine Büchse gelehnt, da. Die Augen der Lagernden begegneten den seinen. Der Mann war eine auffallende Erscheinung; unter einer kleinen Fellmütze wallte schneeweißes Haar hernieder, der ziemlich lange Bart zeigte dieselbe ehrwürdige Farbe, und die Gesichtszüge waren bleicher, als sonst Wind und Wetter im Walde zu gestatten pflegen, doch ließen das blitzende Auge, die kräftige, elastische Haltung nicht auf das Alter schließen, dem schneeiges Haar eigen ist.

»Ich bin erstaunt. Fremde, euch hier zu sehen, wo selten der Fuß eines weißen Mannes den Boden tritt,« sagte der Mann.

»Kommt näher zum Feuer, Freund,« entgegnete ihm der Graf, dem das Aeußere des Fremden jegliche Besorgnis verscheuchte, »und laßt Euch nieder, wenn Ihr unsre Gesellschaft nicht verschmäht.«

Der Mann kam näher, und genauere Betrachtung seines Aeußern bestätigte nur die ersten flüchtigen Wahrnehmungen. Er ließ sich ruhig am Feuer nieder und sah jeden der Anwesenden einzeln und aufmerksam an. Diese ließen sich das schweigend gefallen.

Dann ließ der Mann seine Augen auf dem Grafen haften und fragte: »Was tut Ihr hier im Lande der roten Männer, Fremder?«

»Wir gedenken den Ottawas einen Besuch abzustatten, Mann, und reisen deshalb friedlich im Lande einher.«

Der Mann sah hierauf Athoree an.

»Bist du ein Ottawa, Indianer?«

»Warum du fragen?«

»Ich sehe nichts an dir,« und er musterte aufmerksam Athoree von Kopf zu Füßen, »was auf einen Ottawa schließen ließe.«

»Und wenn nicht Ottawa, was dann?«

»Dann würde ich um diese Fremden beruhigter sein.«

»Verstehe ich den Sinn Ihrer Worte, Herr,« nahm der Graf das Wort, »so trauen Sie den Ottawas keine freundlichen Gesinnungen gegen uns zu.«

Der Mann antwortete nicht und richtete seine Worte wieder an Athoree: »Wo führst du die Fremden hin?«

»Viel fragen. Erst wissen, warum fragen, dann vielleicht antworten. Erst wissen, wer du bist.«

Der Weißhaarige wandte sich dann wieder an Edgar: »Wie ich aus Ihrer Aussprache des Englischen vernehme, sind Sie ein Deutscher, Sir?«

»So ist es.«

»Wollen Sie Handel mit den Indianern treiben, daß Sie ein Saumtier mit sich führen?«

»Werter Herr,« entgegnete ihm der Graf, »Sie entwickeln eine ja sehr wohltuende Wißbegierde, aber ich bin ganz der Meinung meines indianischen Begleiters, erst zu wissen, wen ich vor mir habe und aus welchem Grunde Ihre Fragen gestellt werden.«

»Hm,« sagte der Fremde, »Sie sind mißtrauisch, kalkuliere, ist recht so bei Begegnungen im Urwald, besonders im Indianergebiet. Lebe seit mehreren Jahren einige Meilen von hier und ernähre mich wesentlich mit der Jagd. Erblicke selten einen weißen Menschen, wenn ich nicht nach dem Fort gehe. Sah Ihr Feuer durch die Büsche, dachte, es seien Ottawas, kam erst näher, als ich Weiße um dasselbe sitzen sah.«

»Stehen Sie mit den Ottawas nicht auf gutem Fuße?«

»Doch. Sie gehen mir aus dem Wege, sie fürchten mich.«

»Sie fürchten Sie?«

»Ihr Aberglaube macht mich ihnen zu einem Schreckgespenst, sie behaupten, meines weißen Haares wegen, ich sei dem Grabe entstiegen und wandle ohne Berechtigung unter den Lebenden einher. Ganz unrecht haben sie nicht,« sagte er für sich, doch verstand es der Graf. »Sie dulden mich deshalb auf ihrem Gebiet und lassen mich unbelästigt, ob ich gleich hier weder wohnen noch jagen dürfte.«

 

Der Mann hatte etwas Unheimliches an sich.

»Die Ottawas nennen mich den ›toten Mann‹ und scheuen mich. Das ist mein Verhältnis zu den roten Leuten hier.«

Der Fremde sprach so ruhig, mit einer gewissen Milde, aber so, als ob er von einem andern als sich selbst spräche, und aus dem Gesicht, welches höchstens auf einen Mann von vierzig Jahren schließen ließ, sprach trotz des tiefen Ernstes, der darauf lagerte, etwas Gutes, welches den Eindruck des Unheimlichen wieder milderte.

»Ich stelle meine Fragen nicht aus müßiger Neugierde, Herr, sondern aus Teilnahme, denn ich sah bald, als ich mich heranschlich, daß ich, bis auf den roten Mann, Leute vor mir hatte, die des Landes unkundig sind.«

»Nun, fürchten Sie etwas für uns, Herr?« fragte nicht ohne Besorgnis der Graf.

»Fürchten? Wenn ich wüßte, daß der Mann dort ein Ottawa wäre, ja. Und wenn der Mann kein Ottawa ist, auch.«

»Der ›tote Mann‹ fürchten nicht für sich?« fragte Athoree mit einem finstern Gesichtsausdruck.

»Für mich, Indianer?« und dann setzte er mit einem schmerzlichen Lächeln hinzu: »Ich habe auf dieser Welt nichts mehr zu fürchten, auch nicht deine finstern Blicke, Mann.«

»Sie werden mich sehr verpflichten, Sir, wenn Sie mir den Grund Ihrer Besorgnisse für unsre Sicherheit angeben wollten.«

»Wenn ich nur erst wüßte, was Sie, einen Deutschen, der, seinem Aeußern und besonders seinen wohlgepflegten Händen nach zu schließen, weder Landmann noch Kaufmann ist, hierherführt, so würde ich eher sagen können, welcher Gefahr Sie sich aussetzen.«

»Ich bin über Ihre Andeutungen, daß mich überhaupt Gefahr bedrohen könne, erstaunt und, ich gestehe es, auch beunruhigt. Ich habe auf dem Indianerdepartement in Lansing und von dem Agenten am Manistee auch nicht die mindeste Andeutung erhalten, daß, von einigem Raubgesindel abgesehen, gegen das man sich in diesen abgelegenen Gegenden überall selbst schützen muß, mir von den Indianern, welche ich aufzusuchen im Begriff bin, Unannehmlichkeiten bereitet werden könnten. Ich habe — um Sie in den Stand zu setzen, meine Lage zu beurteilen, teile ich es gerne mit — diese Reise angetreten, eine Privatangelegenheit mit dem Häuptling der Ottawas zu erledigen und überbringe ihm Geschenke.«

»Sie kommen also nicht im Auftrage der Regierung?«

»Keineswegs. Ich bin ein Fremder, ein Angehöriger des Deutschen Reiches.«

Nachdenklich schwieg der Mann mit dem weißen Haar und sagte dann: »Wenn Sie meinem Rate folgen wollen, begeben Sie sich von hier nach Fort Jackson, es ist, wie auch die Dörfer der Ottawas, in zwei Tagemärschen zu erreichen. Unterhandeln Sie von dort aus mit Peschewa.«

»Aber warum befürchten Sie denn etwas für uns? Die Ottawas sollen doch, seit der blutigen Züchtigung, die ihnen vor drei Jahren zu teil wurde, eingeschüchtert und friedlich sein?«

»Ist der rote Mann dort ein Ottawa, Herr?«

Der Graf blickte auf Athoree und fragte ebenfalls: »Bist du ein Ottawa, Freund?«

»Nein,« sagte Athoree kurz und scharf.

»Gut,« sagte der Fremde, »mein Bruder ist kein Ottawa, ich höre es. Ein Indianer,« sagte er zum Grafen, »wird sich unter Umständen für den Angehörigen eines andern Stammes ausgeben, aber nie seinen Stamm direkt verleugnen, er ist kein Ottawa. Sie haben also Zutrauen zu dem roten Mann?« setzte er fragend hinzu.

»Vollkommen.«

»So darf ich offen reden. Ich komme zwar mit den roten Leuten hier wenig oder gar nicht in Berührung, denn sie weichen mir, wie ich schon erwähnte, in abergläubischer Scheu aus. Aber ich lebe im Walde und die Wälder reden ihre eigene Sprache, die nicht jeder versteht. Es ist seit einiger Zeit eine unerklärliche Unruhe unter die Wilden gekommen, es laufen Boten durchs Land, hin und her, es kommen fremde Indianer hierher, es werden Beratschlagungen gehalten, die Ottawas nehmen einen trotzigen Ton an; es sind dies für den Kenner alles Anzeichen, daß die Roten etwas planen, und selbstverständlich gegen die Weißen. Was die Veranlassung ist, weiß ich nicht, aber als sicher nehme ich an, daß das Fort augenblicklich ein sicherer Aufenthalt für Sie ist, als die Dörfer der Ottawas.«

»Nach allem, was ich gehört habe, ist es doch undenkbar, daß die Indianer einen Kriegszug gegen die Weißen beabsichtigen.«

»Undenkbar? Bei einem Indianer ist nichts undenkbarer als bei einem launischen Kinde, was der Indianer in gewissem Sinne ist.«

»Aber die Macht des Staates?«

»Kennen die Leute nicht.«

»Und die fühlbare Lektion, welche sie vor drei Jahren bekommen haben?«

»Wenn diesen Leuten einer ihrer Medizinmänner, der sich großen Vertrauens erfreut, sagt: ›Diesmal werdet ihr siegen, so brechen sie los und wenn sie sich gleich den Kopf dabei einrennen.‹«

»O, das ist sehr traurig für mich. Nicht, daß ich direkte Gefahr fürchtete, aber der Zweck, der mich hierherführt, wird dadurch vereitelt, wenn Ihre Befürchtungen gegründet sind. Was meinst du, Athoree?«

Der Indianer hatte aufmerksam den Worten des Fremden gelauscht und ihn scharf beobachtet.

»Weißer Mann vielleicht recht haben, können nicht sagen; morgen sehen. Nicht denken, daß Ottawa Kriegspfad gegen weißen Mann betreten, vielleicht mit anderm Stamm kämpfen, Pottawatomies oder Saulteux. Morgen sehen. Jetzt schlafen;« und der Indianer nahm seine wollene Decke und legte sich neben dem Feuer nieder.

»Wenn Ihr erlaubt, bleibe ich an Eurem Feuer die Nacht, Herr, meine Hütte ist noch weit von hier entfernt.«

»Ihr seid willkommen.«

Der weißhaarige Mann streckte sich gleichfalls am Feuer nieder, und ihm folgte der Ire, seinen Shilallah im Arm.

Der Graf und Heinrich saßen noch eine Weile zusammen und ersterer teilte dem Jäger mit, was der seltsame Mann für Nachrichten gebracht habe.

»Ehrlich sieht der Mann aus, Herr Graf, ich habe ihn scharf ins Auge gefaßt und ich würde seine Warnung nicht in den Wind schlagen.«

»Nun gut, morgen wollen wir sehen,« und beide schickten sich zur Ruhe an.

Siebentes Kapitel. Der Häuptling der Ottawas

Wir müssen in unserer Erzählung etwas zurückgehen, um die folgenden Ereignisse erläutern zu können.

Der Fremde hatte die Wahrheit gesagt, zwei Tagemärsche von dem Feuer, an dem der Graf und seine Begleiter ruhig schliefen, lag Fort Jackson, der vorgeschobenste Posten der Staatentruppen in diesem nordwestlichen Teile des Landes.

Das kleine Fort war am südlichen Ufer de« anmutigen Chippeway-Sees errichtet, da wo der ziemlich breite, aber seichte Chippeway-Kreek sich in den See ergießt.

Gleich einer leuchtenden Perle in der Muschel, so ruhte der See, der wohl sechs bis sieben Meilen im Umfang haben mochte, in den schweigenden Wäldern, welche rings bis dicht zu seinen schilfumsäumten Ufern heranreichten und sich in seinem klaren Wasser spiegelten.

Hell strahlte bereits die Sonne hernieder und beleuchtete die mit Pallisaden gekrönten Wälle des Forts, die einfach im Viereck angelegt waren. Auf jedem Walle stand unter schützender Bedachung ein leichtes Feldgeschütz, flankiert von den mit Schießscharten versehenen Pallisaden. Ein lang ausgestrecktes niedriges Gebäude innerhalb der Umwallung diente der Besatzung von sechzig Mann zum Aufenthalte, während einige andre Blockhäuser den Offizieren und Unteroffizieren als Wohnung dienten. Ställe und Schuppen vervollständigten das Ganze.

Die kleine Bucht, in welche der See hinauslief, war ebenfalls in den Bereich der Befestigungen gezogen, welche einige Kähne zu schützen bestimmt waren.

Es war früh am Morgen und die helle Sonne sah eben über die Wipfel der Bäume herüber, zwei Schildwachen schritten schläfrig die einander gegenüber liegenden Wälle entlang, als die Türe des Gebäudes, welches die Mannschaften beherbergte, sich öffnete und drei Soldaten daraus hervortraten, welche Eimer in den Händen trugen.

Aus einem der kleinen Häuser nahte gleichzeitig ein narbiger Sergeant, der zum Tore schritt, welches sich nach Süden öffnete, dasselbe erschloß und die Soldaten hinaus ließ.

»Beeilt euch, Burschen,« sagte er hierbei, »damit der Kapitän nicht zu lange auf die Milch zu warten hat, sonst haben mir wieder einen schlechten Tag.«

»Ja, ja, Sergeant,« sagten die Soldaten und schritten dann über das sanft ansteigende Glacis, welches eine von allem Holze befreite glatte Schußfläche von über hundertundfünfzig Schritt zeigte.

Unfern des Forts waren auf einer Waldwiese während der Sommermonate die Kühe der Garnison eingepfercht, und die Leute begaben sich hinaus, sie zu melken.

Eben wollte der Sergeant die schwere Balkentüre wieder schließen, als aus dem Walde im raschen Trott der indianischen Läufer, einem Mittelding zwischen Schreiten und Springen, ein Eingeborener kam, aus das Tor zueilte und schon von weitem winkte, es für ihn geöffnet zu lassen.

Der Sergeant erwartete in der Tür sein Näherkommen.

»Was gibt‘s, Rothaut?« fragte er, als der Indianer vor ihm stand.

»Bringe Brief von großem Vater in Washington,« und dabei wies er auf die lederne Tasche, welche er um den Hals trug.

»So? Nun, so komm herein.«

Er ließ den Mann eintreten und schloß dann die Türe.

»Wo kommst du her?«

»Kommen von Fort Duncan.«

»Nun, da hast du einen guten Lauf hinter dir. Gib mir den Brief.«

»Nur Häuptling selber geben, so befohlen.«

»Na meinetwegen, dann mußt du noch etwas warten.« Er betrachtete den Indianer von oben bis unten, besonders seine Mokassins, die aus gegerbtem Hirschfell gefertigte Fußbekleidung und deren Verzierungen.

»Du bist ein Pottawatomie?« fragte der erfahrene Grenzsoldat, der aus jenen seinen Schluß machte.

»Pottawatomie.«

»Stehst du im Fort Duncan im Dienst?«

»Er Läufer für großen Häuptling dort, tragen Brief an andern Häuptling,« sagte nicht ohne einiges Selbstbewußtsein der Indianer.

»Na, das ist ja schon immer eine ganz hübsche Würde. Wie heißest du denn?«

»Er heißen Krähenfeder,«

»Auch ein hübscher Name. Setz dich daher,« und er wies auf einige Balken, welche unweit des Tores lagen. »Willst du eine Tasse Kaffee haben?«

Aus dem Schornstein der Hütte, aus welcher der Sergeant gekommen war, stieg bereits Rauch hervor und der Duft des Kaffees verbreitete sich.

»Haben du ein Schluck Rum, ihm lieber.«

»So? Na, den kannst du auch bekommen, wenn das ›ihm‹ lieber ist.«

Er ging zu seiner Behausung, kam gleich mit einem Glase des gewünschten Getränkes zurück und bot es dem Indianer. Dieser nahm das Glas, beroch es mit Entzücken und stürzte es dann hinunter.

»Das gut.«

»O ja, mitunter, nur muß man nicht zu viel davon nehmen. Sage einmal, Pottawatomie, was treibt ihr denn auf eurer Reservation?«

»O, schlafen, gehen jagen, flechten Körbe, großer Vater in Washington sendet Kühe und Schweine und Mais,«

»Nun ja, ihr liegt auf der Bärenhaut und Uncle Sam muß euch ernähren, während wir in solch elendem Neste den elendesten aller Dienste tun und euch bewachen müssen. Diebsbande, alle miteinander,« brummte er in sich hinein.

Während er noch mit dem Indianer sprach, öffnete sich die Tür des Kommandantenhauses und in die Morgenfrische trat der Befehlshaber des Forts, Kapitän Davis, ein junger brünetter Herr von eleganter Figur, der selbst hier in der Wildnis nicht ganz den Dandy vom Broadway verleugnete.

»Zum Teufel, Sergeant, sind denn die Kerls mit der Milch noch nicht zurück?«

»Zu Befehl, Herr Kapitän, müssen im Augenblick kommen.«

Eilig ging er auf den Offizier zu und meldete in vorschriftsmäßiger Haltung: »Ein Läufer von Fort Duncan mit einem Dienstschreiben für den Herrn Kapitän.«

»So? Was wird denn das wieder sein, der Alte hat eine wahre Schreibwut, habe erst vorige Woche einen Brief bekommen. Ach, Sergeant, wann wird das Leiden in diesem verwünschten Neste enden? Ich komme um, wenn das noch lange dauert.«

»Ja, schön, Herr Kapitän, ist diese Garnison nicht.«

»Wie mögen sie sich in New York nach mir sehnen, die Bälle und Soireen,« sagte der leichtlebige junge Offizier, der Kreolenblut in seinen Adern hatte. Der Teufel hole sämtliche Rothäute und die schwarzen Hunde dazu. Na, komm mal her, Bursche,« rief er dem Indianer zu, der sich ehrfurchtsvoll erhoben hatte, als der Kapitän erschien.

 

Dieser schritt eilig auf Kapitän Davis zu.

»Also, was bringst du?«

»Bringe großen Brief von Fort Duncan, vom großen Häuptling dort.«

»Ja, aus Langeweile schreibt er Briefe, der große Häuptling. Gib einmal her.«

Der Indianer öffnete die Tasche und überreichte dem Offizier ein in ein Stück Hirschhaut eingewickeltes Schreiben.

Dieser erbrach es, während er ein Gähnen kaum unterdrückte, langsam und murmelte: »Ein Dienstschreiben — lesen noch vor dem Frühstück? Starke Anforderung.«

Kaum aber hatte er begonnen zu lesen, als sein hübsches Gesicht, welches bisher üble Laune zeigte, sich erheiterte, und er jubelnd ausrief: »Sergeant, die Qual hat ein Ende, die Garnison wird gewechselt. Das ist die herrlichste Nachricht, die ich je dienstlich bekommen habe. Das Majorspatent wäre mir nicht so lieb gewesen, als diese Kunde.«

»Garnisonswechsel? Jetzt? Außer der Zeit?« bemerkte der Sergeant.

»O, die müssen in Washington eine Ahnung von der entsetzlichen Seelenqual bekommen haben, die ein Linienkapitän hier in der Wildnis zu ertragen hat. Ein halbes Jahr länger und ich wäre stumpfsinnig geworden. Den Göttern Dank. Ehe ich wieder in ein solches Quartier gehe, eher entsage ich dem Dienst, das hält kein Mensch aus. In vier Wochen, Sergeant, ziehen wir ab. Oberst Schuyler kommt und bringt neue Mannschaft für sämtliche Forts. Das ist eine Nachricht. Die Mannschaft soll heute eine Doppelration Rum haben, der Tag muß gefeiert werden. Wo bleiben denn die Spitzbuben mit der Milch, diese glorreiche Mitteilung hat mir Appetit gemacht.«

Kaum hatte er ausgesprochen, als sich heftiges Klopfen am Tor hören ließ.

»Da sind sie schon,« sagte der Sergeant und ging zum Eingang, um aufzuschließen. »Sachte nur, sachte, wir sind ja nicht taub.«

Er schloß auf und rasch und aufgeregt traten die Soldaten mit leeren Eimern herein.

»Nun? Was ist das?«

»Die Kühe sind fort, Herr Sergeant.«

Kapitän Davis hatte das gehört und stieß einen grimmigen Fluch aus.

»Was ist fort? Hierher!«

Die Soldaten traten rasch vor ihn hin und der älteste derselben meldete, daß sie den Pferch erbrochen gefunden und die Kühe augenscheinlich in der Nacht geraubt worden seien.

»Da soll doch — Himmel — nein, es ist zum Verzweifeln. Auch das noch? Das haben die roten Spitzbuben getan, O, verwünscht! Woher Ersatz nehmen? Hier in dieser Einöde? Und nun muß noch der strenge Schuyler kommen. Himmel! — Wo sind die Kühe hin?« schnauzte er die Soldaten an.

»In den Wald, Herr Kapitän.«

»Dummkopf, das kann ich mir wohl denken. Nach welcher Richtung?«

Die Soldaten sahen sich an.

»Wir haben nicht nachgespürt, Herr Kapitän, wir wollten so rasch als möglich Meldung machen.«

»Das fehlte noch in diesem Neste, womöglich jetzt alle Tage Hirschziemer essen zu müssen. Habt ihr nach Fußspuren gesucht?«

»Zu Befehl, ja, aber keine bemerkt.«

»Natürlich nicht. Das sind sicher diese indianischen Halunken gewesen. Aber das soll ihnen teuer zu stehen kommen, erhalte ich meine Kühe nicht zurück, rotte ich die ganze Rasse aus. Himmel —«

Sein Auge fiel auf den Läufer. »Das haben deine rotfelligen Spitzbubenbrüder getan, aber sie sollen es büßen.«

»Pottawatomie keine Diebe,« sagte nachdrucksvoll der Indianer.

»Alles eine Halunkenrasse, zum Aufhängen jederzeit reif. Lassen Sie Alarm schlagen, Sergeant,« kommandierte der heißblütige und jetzt zornige Südstaatenmann.

Alsbald ertönte die Trommel und in kurzer Frist stand die ganze Besatzung kriegsmäßig ausgerüstet in Front inmitten des Forts.

Kapitän Davis musterte die Leute rasch, sonderte die Hälfte ab und befahl seinem Leutnant, das Kommando im Fort zu übernehmen, während er mit dreißig Mann hinauszuziehen beabsichtige, um den Spitzbuben nachzusetzen.

»Lassen Sie die Leute Proviant und Munition fassen, Sergeant, in zehn Minuten marschieren mir aus.«

Er ging nach seiner Wohnung, um auch sich für den Zug zu rüsten, und erschien nach einigen Minuten wieder.

»Höre einmal, Pottawatomie, wie dein stolzer Nationaltitel lautet, du kannst mitkommen, du hast eine indianische Spürnase und wenn du mir hilfst, die Burschen zu finden, sollst du fünf Dollar haben.«

Der Indianer, der den Wert des Geldes recht gut kannte, grinste vor Vergnügen, erklärte seine Bereitwilligkeit, mitzugehen und nach Kräften Dienst zu leisten.

Die Hälfte der Besatzung, unter ihr auch der Sergeant, zog zum Tor hinaus und nahm ihren Weg zu dem im nahen Walde gelegenen Pferch.

Hier befahl Kapitän Davis Halt und rief den Pottawatomie an.

»Komm mit, besieh dir einmal die Sache und schaue gut nach Fußspuren aus.«

Er betrat den Pferch in Begleitung des Indianers, und dessen scharfem Auge zeigten sich bald die Eindrücke von mit Mokassins bekleideten Füßen.

»Also natürlich Landsleute von dir? Nicht wahr?«

»Indianer, ja, aber nicht Pottawatomie.«

Da wo die Fenz gebrochen war, führten die Spuren der Kühe in den Wald.

Kapitän Davis teilte jetzt seine kleine Schar in drei Teile und befahl, daß, während er mit zehn Mann und dem Indianer der Spur folgte, die beiden andern Abteilungen die Seeufer rechts und links absuchen und jedes menschliche Wesen, ob rot oder weiß, verhaften und nach dem Fort bringen sollten.

Hierauf zogen unter zwei Sergeanten zwei Abteilungen rechts und links ab.

Kapitän Davis, welcher mit seinen zehn Mann zurückgeblieben war, sagte jetzt zu dem Indianer: »Willst du also deine fünf Dollar verdienen, Rothaut, so mache dich ans Werk und ermittle mir, wer den Diebstahl begangen hat.«

Willig ging der Indianer auf der leicht erkennbaren Spur der Kühe einher. Der Kapitän und seine Soldaten folgten.

Nach einigen hundert Schritten, während sie ein Stück sumpfigen Bodens überschritten, bückte sich der Pottawatomie und hob einen beschmutzten und im Schlamm stecken gebliebenen Mokassin empor. Er untersuchte ihn einen Augenblick und hielt ihn dann dem Offizier entgegen, indem er sagte: »Ottawa!«

»So, also die Myrmidonen des Herrn Peschewa hatten Rindfleisch nötig? Nun, bei Jove, sie sollen es büßen. Nicht nur, daß sie unter unsern Augen uns die paar Rehe und Hirsche noch wegschießen, so daß man meilenweit laufen muß, um nur eine Hirschfährte zu sehen, sie stehlen uns auch noch unsre Kühe? Ich will ihnen das für immer verleiden!«

Die deutlich ausgeprägte Fährte führte bald nach dem Gestade des östlichen Seeufers. Dicht am Wasser fanden sie eine Stelle, auf welcher die Kühe geschlachtet waren. Häute, Eingeweide und fast sämtliche Knochen, denen das Fleisch sorgfältig abgeschält war, fanden sich vor, und weitere Nachforschungen ergaben, daß die Beute in Kanoes über den See fortgeschafft worden war.

Drei Kühe wurden vermißt, aber nur die Ueberreste von zweien hier gefunden.

Mit bitterem Ärger betrachtete Kapitän Davis den Schlachtplatz und befahl, umzukehren und den Rückmarsch zum Fort anzutreten.

Während sie am Ufer des Sees entlang gingen, der Indianer einige hundert Schritte voran, machte sein Ruf den Offizier und seine Mannschaften stehen. Ein Blick auf den See zeigte dem Kapitän ein mit zwei Männern besetztes Kanoe, welches eifrig nach dem gegenüberliegenden Ufer zustrebte.

»Legt an!« kommandierte Davis.

»Halt da, oder ich lasse Feuer geben!«

Die beiden Männer ruderten weiter.

»Feuer!« Und zehn Musketen entluden sich krachend. Den Insassen des Kanoes schien kein Leid widerfahren zu sein, doch hatten die eilig gezielten Schüsse das Fahrzeug wiederholentlich durchbohrt und eine Ruderschaufel zersplittert.

»Augenblicklich zurück ans Land, oder ich gebe euch die zweite Salve!«

Die beiden Männer, welche in dem Boote saßen, flüsterten einen Augenblick miteinander, dann kehrte der, welcher das noch brauchbare Ruder führte, den Kahn um und ruderte langsam nach dem östlichen Ufer zurück, an das Kapitän Davis mit seinen Soldaten getreten war.

»Was heißt das, Herr,« rief eine zornige Stimme aus dem Boote, »daß Ihr auf uns schießt, als ob wir wilde Tiere wären?«

»Kommt einmal ans Land, meine Burschen, dann wollen wir weiter reden.«