Za darmo

Der Sohn des Gaucho

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»Bist du verwundet?« fragte der Deutsche.



»Schwer, Señor, mein Bein ist getroffen.«



Enrique machte sich erst wieder schußfertig, bevor er sich dem Manne näherte. Er warf einen Blick nach unten, doch nichts war zu erkennen, was auf eine Wiederholung des Angriffes hätte schließen lassen. Dann trat er zu dem Mann, und auch der General kam heran. In der Dämmerung war der Verwundete bereits gut zu erkennen.



»Die Waffen fort!« schrie Enrique ihm zu.



Der Mann schob stöhnend die Lanze von sich und warf das Messer weg. »Tötet mich nicht, Señores!« sagte er.



»Wir sind keine Mörder. Wer bist du?«



»Ein Lancero des Gobernadors von Santa Fé.«



»Was wolltest du hier?«



»Wir haben Befehl, den General d‘Urquiza zu verhaften.«



»Wie kommt ihr dazu, ihn hier zu suchen?«



»Wir waren in Cordoba beim dortigen Gobernador, damit er uns helfe, den General zu fangen, doch er erklärte, daß er keinen Mann zur Verfügung habe, und so mußten wir unverrichteter Dinge wieder fort. Als wir durch die Pampa nach Süden ritten, fingen wir auf dem Pferd eines Kameraden, den ein Aleman jüngst erschossen, einen Burschen ein, der in seiner Angst gestand, wo er das Pferd gefunden und daß er auch den Aleman gesehen habe. Er hat uns hierhergeführt.«



»Wie stark seid ihr?« setzte Don Enrique das Examen fort.



»Wir waren fünfunddreißig Mann, als wir ins Tal ritten. Wieviel jetzt noch leben, weiß ich nicht.«



»Was vermutest du? Werden deine Kameraden einen neuen Angriff versuchen? Sage die Wahrheit, und ich will dich verbinden, im anderen Fall jage ich dir eine Kugel durch den Kopf, sobald ich merke, daß du gelogen hast.«



»Einen neuen Angriff wird man schwerlich wagen«, sagte der Mann. »Die Felsen sind schwer zu erklimmen. Ihr seid jetzt gewarnt, und die Männer fürchten Eure Büchse. Aber weichen? Ich glaube es nicht. Auf den Kopf des Generals ist ein hoher Preis gesetzt.«



»Aber wenn der General nun gar nicht hier wäre?«



»Unser Anführer glaubt, daß er noch hier ist, Señor.«



»Nun, mag er bei seinem Glauben bleiben«, sagte Don Enrique trocken, »ich werde jetzt Verbandzeug holen, um Eure Wunde zu verbinden.« Er ging und sagte leise zu d‘Urquiza: »Danke Euch für den Schuß, General. Er kam zur rechten Zeit. Mit einer Lanze hätte ich es aufgenommen, ich bin ein ganz guter Bajonettfechter, aber nicht mit dreien.« Er half dem General den steilen Weg hinab und fand dort, wo der Pfad mündete, Aurelio mit der gespannten Büchse in der Hand. »Nun?« fragte er.



»Die Steine müssen Wunder gewirkt haben«, sagte der Junge, »ich hörte unten schreien, habe aber keinen Gegner gesehen.«



Als der Deutsche mit dem Verbandszeug und einem Instrument, die Kugel aus der Wunde zu entfernen, auf dem Felsen erschien, stieg gerade der Sonnenball über dem Horizont empor. Er sah jetzt, daß er in dem Verwundeten einen jungen, verwegen aussehenden Burschen vor sich hatte, der bleich am Boden saß und wimmerte. Enrique untersuchte die Wunde, fand, daß es sich um einen glatten Durchschuß handelte, verband den Mann und gab ihm zu trinken. In etwa vierzehn Tagen werde er geheilt sein, verhieß er. Der Lancero stammelte einen Dank, und der Deutsche, der ihn jetzt nicht in die Höhle hinabschaffen wollte, bettete ihn im Schatten eines Felsstückes auf dem üppig sprießenden Gras. Die Sonne strahlte nun bereits vom hellen Himmel hernieder, und Enrique benützte sein Glas, um die Umgebung zu durchsuchen. Er stellte sogleich fest, daß sie nach wie vor von den Lanceros eingeschlossen waren. Allerdings befanden die Belagerer sich außerhalb des Schußbereiches seiner Büchse. So mußte man sich eben gedulden und die fernere Entwicklung der Dinge abwarten.



Er stellte nun den General an den Felsweg, sandte Aurelio hinauf, um oben Wache zu halten und machte sich selbst an die Bereitung eines Frühstücks. Während er noch damit beschäftigt war, vernahm er den hellen Ruf Aurelios. Er ergriff die Büchse und eilte nach oben.



»Seht, Don Enrique, was bedeutet das?« Der Junge wies in das Tal hinab, in das der Felspfad mündete.



Zu seinem Erstaunen sah der Deutsche, daß ihre sämtlichen Gegner in einem Haufen hielten und nach Nord ausschauten. Plötzlich ertönte, aus vielen Kehlen gerufen, ein schallendes »Adelante!«, und um eine Baumgruppe herum sprengte eine Reiterschar mit eingelegten Lanzen auf die Lanceros zu. Die warteten aber die Entwicklung des Angriffs erst gar nicht ab, sondern machten auf der Stelle kehrt und jagten auf schnaubenden Rossen davon, als sitze ihnen der Teufel im Nacken. Mit finsterem Grimm sah Aurelio den zerlumpten Burschen, der die Lanceros hergeführt hatte, auf dem Rücken seines Cid hinterherjagen. Er legte den Finger an den Mund und pfiff dem Tier, das von Jugend auf an diesen Lockruf seines jungen Herrn gewöhnt war. Cid bäumte sich wild bei dem vertrauten Laut und warf sich herum. Ehe der Reiter ihn wieder in seiner Gewalt hatte, flog diesem ein Lasso über den Kopf und riß ihn aus dem Sattel.



Die plötzlich aufgetauchte Reiterschar brauste vorüber. Enrique sah ihr in maßloser Verblüffung nach. Aurelio, glücklich, seinen Cid wiederzubekommen, eilte hinab, an dem erstaunten General vorüber, der offensichtlich auch noch nicht wußte, was er von der Sache halten sollte. Vom Fels kam jetzt der sehr erregte Enrique herab. Ehe der General noch eine Frage an ihn richten konnte, rief von unten eine dröhnende Stimme in deutscher Sprache herauf:



»Heda, Landsmann! Steckt Ihr da oben?«



»Hier!« antwortete fassungslos der Estrangero.



Man vernahm Schritte auf dem Felspfad, ein hochgewachsener Mann mit blondem Vollbart erschien, hinter diesem ein geschmeidiger Vaquero.



»Ein hübsches Adlernest habt Ihr Euch hier gebaut, Landsmann«, sagte der mit der dröhnenden Stimme, »mir scheint, ich bin gerade noch zurechtgekommen, um Euch das Ungeziefer zu verscheuchen?« Enrique, unfähig ein Wort zu sagen, drückte dem Blondbärtigen stumm die Hand.



Der Vaquero, ein Mann mit einem klugen Gesicht, hatte den General ins Auge gefaßt und war mit der leisen Frage an ihn herangetreten: »General d‘Urquiza?« Als der General bejahte, zog der Vaquero ihn beiseite und verwickelte ihn in eine leise geführte Unterhaltung.



»Wie, um alles in der Welt, kommt Ihr hierher, Landsmann?« fragte Enrique, der sich mittlerweile gefaßt hatte, den Blondbärtigen.



»Das ist bald gesagt«, antwortete der. »Ihr wißt ja, daß am Tercero und am Bergabhang von Cordoba zahllose Deutsche wohnen, die engen Kontakt miteinander halten. Der Bursche, den sie da unten eben gefangen haben, ein elendes Subjekt, hatte einen Freund von mir, Klaus Hansen, ermordet und beraubt. Nun, da sind wir, unserer dreißig zusammen, zu Pferde gestiegen und haben, von zwei Vaqueros geführt, die Verfolgung aufgenommen. Wir hatten uns eben in Bewegung gesetzt, da kam jener Mann dort« – er deutete auf den Vaquero, der mit dem General d‘Urquiza sprach – »und teilte uns mit, daß hier im Süden des Gebirges ein Deutscher in Gefahr sei, von den Soldknechten des Diktators in Buenos Aires umgebracht zu werden. Ich kannte den Mann, der durchaus kein Vaquero, sondern ein Senator aus Cordoba ist, die rechte Hand des Gobernadors, und wußte also gleich, daß mehr dahinterstecke. Nun sind wir Deutsche alle dem Gobernador ergeben, der ein ehrenwerter, uns wohlgesinnter Mann ist, und deshalb beschlossen wir, die Gelegenheit zu nützen und hier einzuschreiten. Wir stießen auf die Spur des Banditen, folgten ihr, hörten, während wir lagerten, Eure Schüsse, brachen auf, jagten die Lanceros des Herrn de Salis zum Teufel, und da sind wir also. Das ist die ganze Geschichte.«



»Es ist eine großartige Sache!« versicherte Don Enrique und drückte dem Blondbärtigen die Hand.



»Wer ist der Señor, mit dem der Senator spricht?« fragte er und deutete heimlich auf d‘Urquiza.



»Ein Mann, den ich vor Herrn de Salis‘ Söldnern gerettet habe«, antwortete Enrique.



»Also unser Freund!« stellte der andere fest. »Aber nun kommt mit hinunter und begrüßt Eure Landsleute«, fuhr er fort. Enrique folgte ihm und sah sich, unten angekommen, von einigen zwanzig Männern umringt, die trotz der Ponchos, mit denen sie bekleidet waren, sogleich als Estrangeros erkennbar waren. Sie standen in Gruppen umher und plauderten. Als Enrique mit seinem Begleiter herankam, richteten sich aller Augen auf ihn. Plötzlich stieß einer der Männer einen Überraschungsruf aus und kam schnellen Schrittes heran. »Aber das ist doch Erich Stormar«, rief er; Freude und Erstaunen malten sich gleicherweise auf seinem Gesicht.



»Stormar, seid Ihr‘s oder seid ihr‘s nicht?« »Natürlich ist er es!« rief ein anderer, der herangekommen war. »Wo habt Ihr denn um alles in der Welt gesteckt? Wir dachten, Ihr wäret längst nicht mehr im Lande.«



Don Enrique stand schweigend auf und sah auf die Männer; er war blaß geworden, aber in seinen Augen zuckte es verdächtig. »Ja«, sagte er schließlich leise, demjenigen, der ihn zuerst angerufen hatte, die Hand reichend, »ich bin es. Was hilft das Leugnen, da ihr einmal da seid?« Es erwies sich nun gleich, daß noch mehrere alte Bekannte von ihm unter den Männern waren, die sich nun einer nach dem anderen herandrängten, um ihm die Hand zu schütteln. Er ließ das alles einigermaßen teilnahmslos und gewaltsam bemüht, seine Bewegung zu verbergen, über sich ergehen.



»Es hieß unlängst, Ihr seiet tot, der Tyrann habe Euch verschwinden lassen«, sagte einer. »Großartig, daß Ihr am Leben seid. Aber warum vergrabt ihr Euch so? Ihr müßt mit uns kommen, Land genug ist vorhanden.« Enrique antwortete nicht.



»Ich war vor einigen Monaten am Parana«, sagte ein anderer der Männer, »da sah ich Euren Freund Arno Thormäl. Ihr wart früher doch immer unzertrennlich. Ich fragte ihn nach Euch, aber er sagte, Ihr seiet verschollen und wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Thormäl ist mittlerweile ein großer Mann geworden, er hat eine Estancia, um die ihn ein Graf beneiden könnte. Wird der eine Freude haben, wenn er erfährt, daß wir Euch hier gesund und munter angetroffen haben.«

 



Das sehr blasse Gesicht Stormars hatte sich über diesen Worten zusehends verfinstert; er biß die Lippen zusammen und schwieg. »Was habt Ihr denn?« fragte der gesprächige Landsmann, aber Stormar winkte ab. »Später«, sagte er nur. Sein Blick fiel auf Aurelio, der, auf seinem wiedererlangten Cid sitzend, herangekommen war und staunend die stämmigen, durchweg blonden und ihn begreiflicherweise fremdartig anmutenden Gestalten der Reiter betrachtete. Er sah, daß Don Enrique von den Estrangeros jubelnd und freundschaftlich begrüßt wurde und schloß daraus und aus dem Äußeren der Männer sogleich, daß es sich um Landsleute seines Lebensretters handeln müsse. Als Stormar sich jetzt abwandte und der Junge den düsteren, fast zerquälten Ausdruck auf dem Gesicht des verehrten Mannes gewahrte, ritt er auf ihn zu und fragte: »Was ist das, Don Enrique? Freut Ihr Euch nicht, Landsleute getroffen zu haben? Es sind doch Landsleute von Euch?«



Stormar sah ihn an, und sein Gesicht hellte sich auf. »Doch, Aurelio«, sagte er, »ich freue mich sehr. Es kam da nur manches ein bißchen unerwartet. Auch Freude braucht Zeit, um zu wirken.«



Die deutschen Reiter hatten Feuer angezündet und bereiteten sich eine Mahlzeit. Nicht weit von ihnen lag der Bursche, der die Lanceros hergeführt hatte und von Cids Rücken mit dem Lasso heruntergeholt worden war, gebunden auf der Erde. In seinen zerrissenen Zügen malten sich Angst und Entsetzen; er wußte, daß er keine Gnade zu erwarten hatte.



Nach einiger Zeit kam auch der General in Begleitung des als Vaquero verkleideten Senators heran. Da sein Gastfreund ihm alle Vorräte der Höhle zur Verfügung gestellt hatte, trug er einen der dort vorhandenen Ponchos um die Schultern gehängt. Erich Stormar ging auf ihn zu. »Das war Hilfe in der Not, General«, sagte er; »es sind alles Landsleute von mir.«



»Ich hörte es«, antwortete d‘Urquiza, »und ich kann dem Geschick nicht genug für diese Wendung danken, mit der schlechterdings niemand rechnen konnte. Der Zusammenhang der Dinge ist übrigens ganz einfach. De Salis hatte den Gobernador von Cordoba um Hilfe ersucht. Ortega ist aber ein alter Freund und Waffenbruder von mir. Selbst konnte er sich nicht bloßstellen, doch war er entschlossen, mich zu retten. Deshalb sandte er den Señor Dorrego aus« – er stellte den verkleideten Senator mit einer Handbewegung vor —, »und er vermochte es, Eure Landsleute, die gerade dabei waren, einen Spitzbuben zu jagen, für den Fall zu interessieren. Ich werde mich nun zunächst mit den Alemans nach Cordoba begeben, von dort aus werden wir weiter sehen. Wollt Ihr Euch nicht Eurer Einsamkeit entreißen und mit mir kommen?«



Stormar schüttelte den Kopf. »Erlaßt mir das jetzt, Don José«, sagte er, »Ihr könnt jederzeit auf mich zählen, und ich denke, eines Tages werde ich dabei sein, jetzt gehe es noch nicht.«



Die deutschen Reiter begannen sich fertig zu machen. Der noch auf der Felskuppe liegende Gefangene wurde mit Hilfe eines Lassos heruntergeschafft; er sollte ebenso wie der gebundene Mörder und Pferdedieb mitgenommen werden. Noch einmal wurde Stormar von den Männern bestürmt mitzukommen; er schüttelte den Kopf. »Ich werde zu Euch kommen«, sagte er, »später. Ich bin noch nicht soweit.«



Sie schüttelten ihm die Hände und schwangen sich auf die Pferde. Die Gefangenen nahmen sie in die Mitte. General d‘Urquiza ging auf den neben seinem Cid stehenden Aurelio zu. »Leb wohl, mein junger Freund!« sagte er. »Bewahre José d‘Urquiza ein gutes Andenken.« Er verabschiedete sich herzlich von dem zurückbleibenden Deutschen, schwang sich gleichfalls aufs Roß und ritt den anderen nach.



Erich Stormar, neben Aurelio stehend, sah hinter ihm her. »Dort reitet der Retter Argentiniens«, sagte er leise und wandte sich dann ab. Das Tal lag still und friedlich wie früher. Die Lanceros hatten immerhin Zeit gefunden, ihre Toten und Verwundeten mitzunehmen. Auch von denen, die Aurelio zweifellos mit den herabgeschleuderten Felsstücken getroffen hatte, war nichts mehr zu sehen.



Einige Tage vergingen den beiden in der Felseinsamkeit Zurückgebliebenen in vollkommener Ruhe. Sie ritten in die Bergwälder und in die Pampa und stellten den Hirschen nach; Erich. Stormars Wesen lockerte sich zusehends auf. In den Mußestunden erzählte er dem lauschenden Jungen von der fernen Heimat und von seinen Erlebnissen.



Eines Abends war Aurelio noch einmal auf den Felsvorsprung hinausgetreten, um die unvergleichliche Pracht des dunklen Sternenhimmels zu betrachten. Er war so in die Großartigkeit des Anblicks versunken, daß er auf nichts weiter achtete. Plötzlich glaubte er am südwestlichen Horizont ein Licht aufflackern zu sehen; das kam ihm sonderbar vor. Er ging zu Stormar in die Höhle und erbat sich sein Fernglas, um mit dessen Hilfe die auffällige Erscheinung zu prüfen. Er gewahrte in weiter Ferne deutlich drei rötliche Lichtpunkte. Stormar trat neben ihn und erstaunte, als er den Jüngling heftig zusammenzucken sah. »Was gibt es denn?« fragte er. Der sah ihn aus schreckenstarren Augen an. »Los Indios!« murmelte er.



»Indios? Wo?«



»Die Fanale am Rio Quinto leuchten«, stammelte Aurelio, »es ist gar kein Zweifel, die Puelchen sind da!« Nun schrak auch Stormar, der ja die Befürchtungen Don Juans kannte, zusammen. »Täuschst du dich auch nicht?« fragte er.



»Nein, Don Enrique«, sagte Aurelio. »Die Fanale warnen die Grenze vor den roten Räubern und rufen die Gauchos zusammen.« Er nahm die Büchse und sagte abschiednehmend: »Adio, amigo mio!«



»Was heißt das? Wohin willst du gehen?«



Aurelio sah ihn erstaunt an. »Wohin? Zu meinem Vater natürlich. Soll ich an seiner Seite fehlen, wenn der Puelche kommt?«



»Es wird dir nichts übrigbleiben, mein Junge«, sagte der Deutsche. »Denn ich kann dich nicht reiten lassen.«



In den Augen des Jünglings flammte es auf. »Was heißt das, amigo?« stieß er heraus. »Die Feuerzeichen rufen zum Kampf, mein Vater ist in Gefahr, und Ihr wollt mich zurückhalten?«



»Um dich vor dieser Gefahr zu schützen, hat dich dein Vater hierher gebracht«, sagte Stormar. »Ich bin ihm verantwortlich für deine Sicherheit.«



Das Antlitz des Jungen wurde fahl, seine Augen verschleierten sich. »Er liebt mich nicht«, stammelte er, »mein Vater liebt mich nicht. Sonst müßte er wissen, daß ich an der Schande sterben würde, wenn ich an seiner Seite im Kampfe fehlen müßte. Ich kann Euch nicht gehorchen, Señor«, sagte er, ruhiger werdend, aber mit unheimlicher Entschlossenheit. »Ich kann auch meinem Vater diesmal nicht gehorchen; Ihr würdet mich mit Gewalt zurückhalten müssen, und das werdet Ihr nicht tun. Gebt mir eine von Euren Lanzen, Don Enrique, ich werde sie brauchen.«



Er wartete die Antwort nicht ab. Er ergriff eine der an der Wand lehnenden Lanzen, flüsterte: »Hasta luego, amigo!« und eilte leichtfüßig davon.



Einen Augenblick nur stand der Deutsche verwirrt, dann eilte er dem Jungen nach. Aber Aurelio kam schon auf dem gesattelten Schimmel aus dem Korral geritten, die lange Lanze in der Hand.



»Ich reite mit dir«, sagte der Deutsche kurzentschlossen, »ich bin gleich bereit.«



Der Jüngling lächelte. »Teurer Freund«, sagte er, »Euer Maultier kann mit meinem Cid unmöglich Schritt halten. Fürchtet nichts! Gott ist über uns allen. Hasta luego!« Er gab dem Tier die Sporen und sprengte davon.



Schwer bedrückt blieb Erich Stormar zurück. Er wußte, es hatte keinen Sinn, dem Jüngling nachzureiten. Er kannte die heimlichen Zeichen nicht, die dem Gaucho den Weg durch die Pampa weisen, und außerdem hatte Aurelio selbstverständlich recht; sein bestes Maultier konnte mit dem Schimmel Cid nicht Schritt halten. Von den widerstreitendsten Empfindungen hin- und hergerissen, stieg er wieder zu seiner Höhle hinauf.



In der Pampa

Aurelio jagte durch die nächtliche Pampa. Die Wahl des Weges überließ er Cid. Seine Pulse jagten, und in seinem Herzen hämmerte die Unruhe. Der Vater war in Gefahr! Er selbst ging dem Unbekannten entgegen, einem Erlebnis, das er nur vom Hörensagen kannte. Er wußte: der Puelche war der Feind, der grausame, hinterlistige, von dessen erbarmungsloser Kriegführung die Gauchos an den abendlichen Feuern schaurige Dinge erzählten.



Keine Anwandlung von Furcht war in ihm. Er wußte, wenn die Gauchos aufgeboten wurden, um zum Kampf für ihr Leben und Eigentum anzutreten, lag der Sammelplatz südlich des Rio Quinto an einem weit ausgedehnten salzigen Sumpf, in einer Stellung, die dem von Süden andringenden Feind den Weg nach den Siedlungen verlegte und zugleich den sich sammelnden Gauchos einige Sicherheit gegen übermächtigen Angriff gewährte.



Dort würde er den Vater finden. Es hatte keinen Sinn, ihn erst auf der Estancia zu suchen. Die Sterne wiesen ihm den Weg nach Süden, der ihn schließlich an die Ufer des Rio Quinto führen mußte. Dabei war er sich klar darüber, daß er in dieser Nacht nicht mehr weit kommen würde. Cid war bereits von der Jagd ermüdet, und es war nicht klug, ihn zu Tode zu hetzen. Immerhin, das Ufer mußte er erreichen.



Und er erreichte es. Das Pferd gab her, was es zu geben hatte. Als es das frischere und weichere Pampasgras unter sich fühlte, das die Nähe des Flusses verriet, eilte es schneller vorwärts. Und schließlich glänzte vor ihm das silberne Band des Quinto; Aurelio sprang aus dem Sattel. Den Übergang über das Wasser mußte er auf den Morgen verschieben, er war bei Nacht zu gefährlich. Er sattelte Cid ab und ließ ihn laufen. Dann suchte er sich eine Lagerstatt unter einem dichtbelaubten Baum, wickelte sich in Poncho und Pferdedecke und streckte sich, den Sattel als Kopfkissen benutzend, zur Ruhe aus.



Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, als er erwachte, und er machte sich Vorwürfe, so lange geschlafen zu haben. Nachdem er hastig das bißchen Mundvorrat, das noch von der Jagd her in seiner Tasche steckte, verzehrt hatte, sattelte er das Pferd, sah vorsorglich nach Büchse und Zündhütchen, stieg auf und ritt langsam am Ufer entlang, nach einer Furt suchend. Bald fand er eine zum Übergang geeignete Stelle und überquerte den Fluß.



Und wiederum nahm er den Weg nach Süden, mit der Sicherheit des Pampasbewohners sich nach den Gräsern richtend, die dem kundigen Auge deutlich die Spuren der kalten südlichen Luftströmungen zeigten. Er überanstrengte Cid nicht, denn er wußte, daß das Pferd für den Notfall bei Kräften bleiben mußte. Unausgesetzt flog sein prüfender Blick über die ungeheure Fläche der Pampa, er beobachtete den Flug der Vögel, aber nichts Verdächtiges fiel ihm auf. Als es an der Zeit war, eine weitere Ruhepause eintreten zu lassen, erlegte er mit den Bolas ein Pampaskaninchen, zündete mit Hilfe von Breasträuchern Feuer an und briet sich die Jagdbeute.



Er verbrachte eine zweite Nacht im Pampasgras und setzte seinen Ritt mit dem ersten Morgengrauen fort. Oft kreuzte er nun kleine Wasserarme, an deren Lauf er sich orientieren konnte, um die Richtung nach Süden nicht zu verlieren. Cid hielt alles, was er versprochen hatte, er durchmaß spielend den Raum.



Im Laufe des Nachmittags fiel ihm am Schilfsaum eines Baches, der in einiger Entfernung vorüberfloß, etwas auf. An einer Stelle folgten die langen Halme nicht mit gleicher Regelmäßigkeit dem sie beugenden Luftzug, auch schienen einige Gräser geknickt.



Was hatte das zu bedeuten? Er kannte die Indianer der Pampa und ihre Kriegsweise nur aus den Schilderungen anderer, wußte aber sehr wohl, daß gegenüber diesen mit der Schläue des Fuchses ausgestatteten Kriegern die denkbarste Vorsicht am Platze war. Seiner Berechnung nach konnte er nur mehr wenige Leguas von den Salzsümpfen entfernt sein, denn er ritt durch hartes Gras. War der durch den Schilfsaum gekennzeichnete Wasserlauf sumpfig, dann war es möglich, daß sich dort vor ihm ein Hirsch gesuhlt hatte. Waren die Indios aber schon auf dem Kriegszug, dann war es auch nicht unmöglich, daß ihre Späher bis nördlich der Sümpfe streiften.



Plötzlich flogen zu seiner Rechten, weit oberhalb der ihm verdächtigen Stelle, einige Enten auf. Aurelio stutzte. Was hatte die Tiere hochgescheucht? Sein Auge mühte sich, den Schilfsaum zu durchdringen, aber er gewahrte nichts Verdächtiges; die Enten fielen gleich darauf wieder ein.



Er beschloß dennoch, den Bach weiter unten zu durchreiten. Als er sich dem Ufer näherte, strengte er Auge und Ohr auf das äußerste an, vernahm aber nichts als das leise Rauschen des Schilfes und sah auch nichts, was Verdacht erregen konnte. Er ritt in das Schilf hinein, das einen schmalen Saum bildete, dann durch das ziemlich seichte Wasser, und gewann ohne Schwierigkeit das jenseitige Ufer.



Als er drüben den Schilfsaum eben verlassen wollte, strauchelte Cid, der mit den Vorderhufen in eine unsichtbare Vertiefung geraten war, und der Reiter, gezwungen, der unfreiwilligen Bewegung zu folgen, neigte sich nach vorn. Diese Bewegung rettete sein Leben, denn dicht hinter seinem Kopf sauste eine schwere Kriegsbola vorbei, die, mit großer Sicherheit geschleudert, ihn unfehlbar getroffen haben würde, wenn das ausgleitende Roß ihn nicht vornüber gerissen hätte.

 



Bedienen die Pampasindianer sich auf der Jagd gegen große Tiere dreier dieser durch Riemen miteinander verbundenen Schleuderkugeln, während sie gegen geringeres Wild nur zwei anwenden, so schleudern sie im Krieg, besonders beim Angriff, um den Gegner zu verwirren, nur eine Kugel, die wie die anderen an einem kurzen Riemen um das Haupt geschwungen und dadurch zu tödlicher Wirkung beflügelt wird.



Aurelio fühlte das Sausen des Geschosses, er kannte das Geräusch, und, den Kopf wendend, sah er in etwa fünfzig Schritt Entfernung einen braunen Reiter halten, dessen von langem, dunklen Haar umrahmter Kopf gerade noch über das Schilf hervorragte. So sehr er erschrak, faßte er sich doch sogleich, gab Cid die Sporen und legte die Lanze ein.



Der Schimmel flog wie ein Pfeil vorwärts; ein gellender Ruf des Indios folgte ihm. Nach einigen gewaltigen Sprüngen riß Aurelio das Tier herum, daß es sich auf der Hinterhand fast auf der Stelle drehte, und hielt die Lanze vor. Schon hielt er dem Wilden gegenüber und sah in die dunklen, haßfunkelnden Augen des Mannes. Der Wilde mochte überrascht sein; er hatte wohl vorausgesetzt, daß der Reiter auf dem Schimmel die Flucht ergreifen würde. Jetzt warf er gewandt sein Pferd zur Seite und beschrieb in leichtem Galopp einen Bogen um seinen jugendlichen Gegner. Aurelio ließ Cid halten, folgte mit leichter Drehung der Bewegung des Puelchen und musterte den Wilden, der ihn mit so tückischem Angriff überfallen hatte.



Er sah einen kräftigen Mann von dunkler Hautfarbe mit den charakteristischen Gesichtszügen der Indios vor sich. Das straffe, lang herabwallende Haar war durch ein glitzerndes Band zusammengehalten, ein wallender Poncho fiel dem Mann von den Schultern herab, die lange, mit Straußenfedern geschmückte Lanze ruhte leicht in seiner Hand.



Der Mann, obgleich sicherlich älter als Aurelio, war gleichfalls noch jung, er war stämmiger und vor allem erheblich breitschulteriger als dieser. Nachdem sie ein Weilchen einander lauernd und beobachtend umkreist hatten, ließ der Puelche sein Pferd wieder in leichtem Bogen ansprengen; Aurelio vollführte die entgegengesetzte Bewegung, so daß die beiden Reiter einen Kreis beschrieben, dessen Durchmesser wohl siebzig bis achtzig Schritt betragen mochte. War Aurelio auch noch nie im Kampf gewesen, so war er doch in allen Phasen des Reiterkampfes Mann gegen Mann durch Juan geübt worden und wußte, daß es dem Wilden darauf ankam, ihm die Sonne ins Gesicht zu bringen, um dann auf ihn loszustürmen. Der Puelche erkannte bald, daß er einen Reiter ersten Ranges und ein unvergleichliches Pferd vor sich hatte, das dem leisesten Schenkeldruck folgte.



Als der Indio bei der kreisenden Bewegung der beiden Reiter zum zweitenmal die Sonne im Rücken hatte und sie Aurelio gerade in die Augen schien, sprengte er plötzlich mit eingelegter Lanze auf den jungen Gaucho los. Aber mit einigen Sprüngen seines Cid nach links vereitelte der Jüngling den gefährlichen Angriff und bot dem Indio die Brust, während sie beide die Sonne zur Seite hatten.



Wieder begann dasselbe Manöver wie vorher. Als durch Aurelios Geschicklichkeit und die Vortrefflichkeit seines Pferdes auch der zweite Angriff mißlang, lachte der Junge dem Indio in das Gesicht. Der fühlte den Hohn umso tiefer, als sein Gegner noch so jung war. Plötzlich sprengte er zurück.



Aurelio blieb an seinem Platz halten; die Sonne hatte er nun zur Rechten. In einer Entfernung von zweihundert Schritt hielt auch der Wilde. Aurelio sagte sich, daß der eigentliche Angriff nun erfolgen werde; sein Auge haftete fest auf dem Feind. Der Puelche setzte sein Pferd in leichten Galopp, direkt auf Aurelio zu. Dieser tat augenblicklich das gleiche und steigerte den Lauf seines Tieres, sobald der Indio eine raschere Gangart einschlug.



Sie mochten noch hundert Schritt voneinander entfernt sein, da legte der Puelche die Lanze ein und sprengte nun im vollen Rosselauf heran, gellende Schreie ausstoßend und die Spitze seiner Waffe in kreisende Bewegung setzend.



Gleichzeitig mit dem Puelchen spornte auch Aurelio seinen Cid zu rasendem Lauf, auch seine Lanze bewegte sich hin und her, um den Gegner irrezuführen, nur Sekunden dauerte es, bis die Reiter sich erreichten, und nur sekundenlang währte die Entscheidung. Im letzten Augenblick war es Aurelio durch eine blitzschnelle Bewegung gelungen, die Lanze des Indios zur Seite zu drängen; dicht an seiner Schulter stieß sie vorbei ins Leere, gleichzeitig traf die eigene Waffe den Roten in die Brust. Er mußte sie loslassen, um nicht mitgerissen zu werden. Blitzschnell riß er sein Pferd herum und griff für alle Fälle nach der Büchse. Da sah er den Puelchen zu Boden stürzen.



Langsam ritt er heran und sah mit Schaudern den Todeskampf des Gegners. Er zog ihm die Lanze aus der Wunde und suchte ihm beizustehen, doch tat der Mann schon nach wenigen Minuten seinen letzten Atemzug.



Nach der Anstrengung des Kampfes fühlte Aurelio sich ermattet und niedergeschlagen. Er hatte einen Menschen töten müssen; in seinem Innern krampfte sich etwas zusammen, wenn er daran dachte, aber er hatte keine Gelegenheit, lange betrüblichen Gedanken nachzuhängen, denn als er jetzt aufsah, gewahrte er einen Reiter, der von Osten her in rascher Gangart auf ihn zusprengte. Er sah sofort, daß es sich um einen Indianer handelte. Er warf einen hastigen Blick über die Pampa und sah: auch von Westen jagte ein Mann heran, ebenfalls ohne Zweifel ein Puelche. Und endlich, der Atem drohte ihm zu stocken, gewahrte er auch im Süden, wenn auch noch in weiter Entfernung, drei herannahende Reiter, die er gleichfalls für Indios halten mußte. Mit solcher Übermacht konnte er keinen Kampf aufnehmen; jetzt galt es, der Schnelligkeit Cids zu vertrauen.



Ein Jüngling von weniger Kühnheit und Umsicht wäre nach Norden zu entflohen, Aurelio sagte sich indessen, daß er sich dadurch von seinen Freunden entfernte, und das wollte er nicht. Sehr viele Späher der Puelchen konnten in diesem Teil der Pampa unmöglich sein. Er beschloß, dem von Osten herankommenden Gegner unmittelbar entgegenzureiten. Gelang es ihm, diesen kampfunfähig zu machen, dann durfte er hoffen, in der Nacht nach Süden ausbrechen und am anderen Tage die Salzsümpfe erreichen zu können. Entschlossen, sich der unausweichlichen Gefahr zu stellen, befestigte er die Lanze an seinem linken Arm und nahm die Büchse zur Hand. Er hatte sich in diesen Tagen unter Erich Stormars Anleitung geübt, auch vom Rücken des jagenden Pferdes zu schießen. In raschem Galopp jagte er nach Osten zu, dem Puelchen entgegen. Bald darauf bemerkte er, daß die von Süden kommenden Reiter ihre Richtung geändert hatten, und zwar nach Osten zu. Doch waren sie noch zu weit entfernt, um bei einem Zusammentreffen Aurelios mit dem Puelchen eingreifen zu können.



Die schußfertige Büchse in der Hand sprengte Aurelio dem Indio entgegen. Doch war er entschlossen, die Waffe nur im äußersten Fall zur Verteidigung seines Lebens anzuwenden, einen so nachhaltigen Eindruck hatte der Tod des ersten Gegners auf ihn hinterlassen. Er mochte sich dem Puelchen etwa auf tausend Schritt genähert haben, als dieser hielt und nach Süden ausschaute; doch kam er gleich darauf wieder näher. Aurelio ließ ihn herankommen. Zweihundert Schritt, dachte der Junge, eine weite Entfernung, aber es müßte schon gehen. Der Puelche deckte sich, so gut es gehen wollte, hinter dem Hals seines Pferdes. Er rechnete wohl nicht ernstlich damit, daß eine Büchse auf diese Entfernung hin sicher zu treffen vermöchte. Aurelio zielte auf die Brust des Indianerpferdes und drückte ab. Das Tier bäumte sich auf und brach in die Knie. Der Indianer sprang ab und jagte mit hastigen Sprüngen auf das Unterschilf zu. Aurelio ließ ihn laufen; er wußte, daß er von dem unberittenen Mann nichts mehr zu fürchten hatte. Er sah nach dem von Westen kommenden Gegner aus, aber der hatte sonderbarerweise bereits gewendet und jagte in der Ferne davon. Dagegen waren die drei Reiter im Süden inzwischen so nahe herangekommen, daß Aurelio es für gut hielt, seinen Cid ausgreifen zu lassen, damit ihm nicht der Weg nach Osten abgeschnitten würde. Eben wollte er sich in Galopp setzen, als er gewahrte, daß einer der drei Reiter eine Lanze