Za darmo

Der Sohn des Gaucho

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Die Puelchen

Am Morgen erschienen Boten im Lager und fragten nach dem Capitano. Sie berichteten über die Lage in der Pampa und brachten Botschaft von dem Befehlshaber der weiter südlich operierenden Gauchoschar. Alfonso Diaz ließ die Unterführer zusammenrufen und unterrichtete sie über die eingetroffenen Meldungen. Danach hielten die Puelchen in starker Zahl im Westen des Waldsees. Der Anführer der südlichen Abteilung schlug vor, Diaz sollte mit ihm am Ufer des Salmonero, eines salzigen Sumpfes etwa in der Mitte zwischen beiden Kampfgruppen gelegen, zusammentreffen. Die Caudillos stimmten zu, und gleich darauf riefen die dumpfen Töne der Hörner die Reiter in den Sattel. In kurzer Zeit war alles bereit. Aurelio bestieg den Braunen seines Vaters; Cid war bereits abgeholt worden, und Don Juan schwang sich auf das gefangene Indianerpferd, dem er den eigenen Sattel aufgelegt hatte.

Die Gauchoschar war in drei Abteilungen gegliedert, deren jede unter einem besonderen Anführer stand, während Alfonso Diaz das Ganze leitete. Bei der ersten Abteilung, die auch zuerst aufbrach, befand sich Jeronimo Diaz; er ritt, wie Aurelio zornig bemerkte, auf Cid. Die zweite Abteilung folgte, mit ihr Alfonso Diaz selbst; die dritte stand unter dem Befehl Juan Perez‘. Sie bestand größtenteils aus jüngeren Leuten; Aurelio unter ihnen.

Die Reiter waren in landesüblicher Art mit Lanze, Lasso und Bolas ausgerüstet. Nur wenige trugen Gewehre auf dem Rücken; auch Aurelio führte seine Büchse mit. Späher waren der vorrückenden Streitmacht weit vorausgesandt, die nun in leichtem Galopp über die Pampa ritt.

Nach einigen Stunden machten sie Halt und fütterten die Pferde. Sie sprachen von dem bevorstehenden Kampf. Aurelio fiel ein, was ihm Don Enrique über europäische Reiterangriffe erzählt hatte. »Unsere Kampfesweise ist falsch«, sagte er. »Ein geschlossener, wohlformierter Angriff erzielt ganz andere Wirkungen als der Ansturm einer ungeordneten Reiterschar.« Die jungen Männer hörten ungläubig zu; einige lachten. Sie waren gewöhnt, in wilden Haufen, jeder einzelne sich der Schnelligkeit seines Pferdes überlassend, anzugreifen, der eigenen Kraft und Geschicklichkeit vertrauend. »Du wirst uns noch erzählen, daß die Europeos besser reiten als die Gauchos!« lachte ein junger Mann.

»Nein, Don Emilio«, sagte Aurelio, »das glaubt selbst mein Freund, der Aleman, nicht. Er sagt, die Gauchos seien die ersten Reiter der Welt. Trotzdem würden sie einem geschlossenen Angriff europäischer Reiterformationen nicht widerstehen können.«

»Das mag er ruhig glauben«, sagte Don Emilio, »er hat sicher noch keine Gauchos beim Angriff gesehen.«

»Wahrscheinlich doch«, erwiderte Aurelio, »sicherlich können wir jedenfalls von den Europeos, was die Kriegführung betrifft, mancherlei lernen. Mein Vater hat unter den großen Capitanos gefochten, und sie alle hatten ihre Feldherrenkunst von den Europeos gelernt oder sie in Spanien oder Frankreich erworben.«

»Da drüben sollen die Leute gar zu Fuß kämpfen, habe ich gehört«, sagte ein anderer, »mich schaudert, wenn ich daran denke.«

»Sie kämpfen wirklich zu Fuß«, versetzte Aurelio, »und mein Lehrer, Don Estevan, hat mir erzählt, daß selbst die furchtbaren Reiterangriffe des großen Franzosenkaisers Napoleon in einer großen Schlacht an den fest im Viereck stehenden Fußtruppen gescheitert sind.«

»Napoleon hätte Gauchos haben müssen, dann hätte er gewonnen«, lachte ein junger Mann.

Während sie noch so dasaßen und plauderten, riefen die Hörner zum Aufsitzen. Wenig später saßen alle im Sattel. Von Süden her jagten, noch weit entfernt, einige Reiter heran; sie winkten mit den Lanzen.

Von der mittleren Abteilung der Gauchos hielten Alfonso Diaz und seine Unterführer. Sie sahen nach Süden aus. Aller Augen folgten ihren Blicken.

»Die Puelchen kommen«, sagte Juan Perez und deutete auf einige nach Westen flüchtende Strauße, die so weit entfernt waren, daß nur das schärfste Auge sie wahrnehmen konnte. »Dort reiten sie«, sagte er und machte noch auf einen kreisenden Kondor aufmerksam, der einem Pünktchen gleich am Horizont schwebte.

»Wenn Murillo nicht rechtzeitig eintrifft, müssen wir den Kampf allein aufnehmen oder den Puelchen den Rücken zeigen«, bemerkte Alfonso Diaz.

»Wir werden gleich hören«, rief einer der Caudillos, »dort kommen schon die Späher.« Ohne deren Ankunft abzuwarten, beorderte Don Alfonso zwei jüngere, gut berittene Gauchos, den Befehlshaber der anderen Gauchogruppe, Murillo, aufzusuchen und ihn über Lage und Stellung zu unterrichten.

Die Späher kamen heran und meldeten, daß eine starke Indianerschar nordwärts ziehe; die ungefähre Zahl hatten sie nicht feststellen können. Von Murillo hatten sie nichts bemerkt. Die Indios hatten den Salmonero umgangen und waren nach Norden vorgedrungen, bevor die beiden Gauchogruppen sich vereinigen konnten. Das schloß indessen nicht aus, daß sie sich mit einem Teil ihrer Kräfte direkt gegen Murillo gewandt hatten. Jankitruß, der Puelchenhäuptling, war ein sehr erfahrener Reiterführer.

Die Männer ordneten sich nun in drei Haufen, die beim Angriff nach einem bestimmten Punkt vordringen sollten. Den scharfen Augen der Gauchos bezeichneten flüchtige Tiere die Stellung der Indianer, und es währte nicht lange, da gewahrten sie auch schon deren Vortrab.

»Wir werden bald wissen, wie stark sie sind«, äußerte Juan Perez, »die müssen dort vor uns über die Bodenwelle.« Bald erhoben sich, in weiter Entfernung noch, riesige Staubwolken. »Es sind mindestens zweitausend Pferde, die dort herankommen«, sagte Juan.

»Dann wird es geraten sein, den Rückzug anzutreten«, versetzte Alfonso Diaz, »wir sind kaum achthundert Mann. Wollen wir nicht von Murillo abgedrängt werden, müssen wir nach Osten; dann haben wir die Puelchen in der Flanke. Gelingt es ihnen, uns den Weg nach Süden zu verlegen, müssen wir fechten, oder sie vernichten Murillo.«

Während er noch überlegte, gewahrte man einige Reiter, die von Südosten kamen; das konnten nur Boten Murillos sein. Die Reiter näherten sich mit großer Schnelligkeit. Sie waren Abgesandte Murillos und meldeten, daß ihr Capitano mit seiner Gruppe heranziehe , da ihm die Bewegung der Puelchen nicht verborgen geblieben sei. »So nehmen wir den Kampf auf«, sagte Diaz.

Die Boten wußten weiter zu berichten, daß sie weiter nördlich eine kleine Reiterschar bemerkt hätten. Bei diesen Reitern habe es sich zweifellos nicht um Indianer gehandelt. Die hier versammelten Gauchos hatten nichts von diesen Reitern gesehen; sie maßen der Meldung keine Bedeutung bei; wahrscheinlich handelte es sich um einen Karawanenzug nach Mendoza.

Die Feinde kamen näher; schon waren die weit auseinandergezogenen Linien der Puelchen zu erkennen. Bald mußte man mit ihnen zusammenstoßen.

Alfonso hatte seinem Sohn, der am rechten Flügel weilte, wiederholt sagen lassen, er solle nicht den Schimmel reiten, doch der Junge hatte sich nicht belehren lassen. Der Cid sei das beste Pferd der Pampa, hatte er erklärt, und er wolle es reiten, wenigstens solange es Tag sei. Juan Perez hatte seine Leute nach Gauchoart geordnet. Sein Gesicht war ernst und verschlossen, dann und wann streifte ein sorgenvoller Blick das Gesicht Aurelios. Die immer näherkommenden Puelchen verfolgten offensichtlich die Absicht, die Gauchos auf beiden Flanken zu überflügeln.

Perez hatte die Flintenträger zu einer geschlossenen Gruppe vereinigt. Die Männer hatten den Befehl, die Kampfhandlungen mit einem Salvenfeuer zu eröffnen, bevor sie zur Lanze griffen und sich an dem allgemeinen Angriff beteiligten. Er wußte aus Erfahrung, daß die Puelchen zuerst ihre Bolas zu schleudern pflegten, ehe sie die Lanze zum Angriff senkten; er hoffte, sie durch die Schüsse zu erschüttern und seinen eigenen Vorstoß auf solche Weise wirksamer zu machen.

Die heranstürmenden Indios boten mit ihren flatternden Ponchos und den wehenden, mit Bändern geschmückten langen Haaren einen malerischen Anblick. Manches Auge ging spähend nach Südosten, aber von Murillos Gauchos war noch nichts zu bemerken. »Tief zielen!« rief Perez, »trefft die Pferde!«

Eine lange, dunkle Reihe Indianer kam wogend heran; allen voran ritt ein hochgewachsener Krieger. Aurelio hob seine Büchse und schoß; der Mann stürzte vom Pferd.

»Feuer!« rief Juan, und die Büchsen der Gauchos entluden sich. Sie richteten Verwirrung in den Feindreihen an; die gefürchteten Bolas kamen nicht.

»Adelante!« schrie Diaz, »Adelante!« antwortete der Ruf der Unterführer. Drüben erscholl das wilde Gebrüll der Indianer, hier das Feldgeschrei der anstürmenden Gauchos; mit eingelegten Lanzen prallten die Reiterhaufen aufeinander.

Das aus fünfzig Gewehren abgegebene Feuer der Gauchos hatte die Indianer stark erschüttert; schon vor dem Zusammenstoß wälzten sich Männer und Pferde am Boden. Die Gauchos, obgleich unregelmäßiger anreitend als die Indios, waren dadurch im Vorteil; sie wüteten wie die Teufel. Die Puelchen warfen die Pferde herum, jagten davon.

Die Gauchos, kampfglühend, wollten hinterher, das donnernde »Alto!« Juan Perez‘ hielt sie zurück.

»Sammeln!« befahl er, »die Gewehre laden!« Er ritt zwischen den jungen Leuten umher. »Nie nachstoßen ohne Befehl!« sagte er, »die Wilden sind tückisch.«

Vom rechten Flügel, dem offenbar der Hauptstoß gegolten hatte, klang tosendes Geschrei herüber. Die Männer sahen: die Gauchos dort drüben wankten, wichen zurück, allen voran das weiße Pferd Jeronimo Diaz‘. Fünfzig Reiter waren ihm auf den Fersen. War er verwundet? Er schien des Pferdes nicht Meister, die Feinde erreichten ihn, drei, vier Lassos fielen auf ihn nieder, rissen ihn aus dem Sattel; reiterlos jagte Cid über die Pampa. Infernalisches Jubelgeschrei gellte bei den Indios auf.

»Das ist die Rache für Maripil und die Vergeltung für den Lasso am linken Fuß«, murmelte Perez. »Warum mußt du den Schimmel reiten, auf dem Jankitruß‘ Sohn besiegt wurde?« Kaltblütig flog der Blick des Gauchos über das Feld. Die Stellung der Kämpfenden hatte sich verschoben. Erst war der rechte Flügel der Puelchen zurückgewichen, jetzt der der Gauchos. Doch noch hielt das Zentrum die Stellung.

 

Freilich, die Übermacht der Feinde war groß. Die auf dem rechten Flügel geworfenen Gauchos jagten davon, von einer großen Zahl Indianer gefolgt. Doch der geschickte Kazike Jankitruß, der mit wilder Freude gesehen hatte, wie der Reiter des Schimmels stürzte, in dem alle Puelchen den Besieger Maripils vermuten mußten, ordnete seine Leute bereits zu einem zweiten Angriff.

Aurelio, der im dichtesten Gewühl gekämpft hatte, ritt unter seinen Gefährten umher und beschwor sie, in geschlossenem Treffen zu fechten. »Gut«, riefen einige, »ordne du uns, du bist der erste Reiter der Pampa.«

Schnell ordnete Aurelio die jungen Männer in zwei Abteilungen; Juan ließ ihn gewähren. Die Schlachtreihe der Puelchen setzte sich schon in Bewegung, als von Norden her Schüsse krachten und alle hinter den flüchtigen Gauchos einhersprengenden Indianer in höchster Eile zurückjagten. Dicht hinter ihnen tauchte eine dichtgeschlossene Reihe von Reitern auf, die im Trab herankamen. Nun begann sich auch der versprengte Flügel der Gauchos wieder zu sammeln.

Doch die Puelchen griffen nun mit aller Gewalt den linken Flügel und gleichzeitig das Zentrum an. Juans Augen weilten auf Aurelio, der in der Mitte wie selbstverständlich das Kommando ergriffen hatte. Die Puelchen kamen heran, die Büchsen der Gauchos krachten und lösten verheerende Wirkung aus. Die geschlossene Reihe der jungen Männer, Juan Perez und Aurelio voraus, ging zum Angriff über. Dicht geschlossen, die Lanzen eingelegt, jagten sie auf die ungeordnet herankommenden Indios los. Sie warfen, eine undurchdringliche Mauer, die Puelchen im ersten Anprall über den Haufen.

Gleichwohl wurde im Zentrum hart gekämpft. Jankitruß führte hier persönlich. Alfonso Diaz, schwer getroffen durch den Tod des Sohnes, focht wie ein Rasender. Aber die Übermacht war zu stark; es war kein Zweifel, daß die Indios am Ende das Feld behaupten mußten, da erscholl in der Flanke der Puelchen ein Schlachtruf, wie er bis zu diesem Tage wohl nie zuvor in der Pampa gehört wurde. »Hurrah!« brüllte es, und an die fünfzig Männer auf starken Pferden jagten in geschlossener Schlachtordnung zwischen die Indios, alles niederwerfend, was sich ihnen in den Weg stellte. Allen voran sprengte ein blonder Mann mit blitzendem Säbel, der nach links und rechts wuchtige Hiebe austeilte.

»Vater!« rief Aurelio jubelnd, »hörst du, Vater? Don Enrique ist da mit den Alemans!«

Staunend sahen die Söhne der Pampa, wie die Alemans in die Scharen Jankitruß‘ einbrachen. Das Zentrum der Gauchos sammelte sich wieder und drang abermals vor. Und auch der rechte Flügel formierte sich neu und stellte sich nochmals zum Kampf.

Jankitruß gab das Zeichen zum Rückzug. Seine Männer waren weit über das Schlachtfeld zersprengt.

»Adelante! Adelante!« erklang es aus den Reihen der Gauchos, und »Adelante!« hallte es im Rücken der Indios wider. Murillos Schar stürmte heran. Da faßte Entsetzen die ohnehin schon weichenden Puelchen. Tote und Verwundete zurücklassend, jagten sie nach Westen in wilder, regelloser Flucht, von Murillo und Diaz‘ rechtem Flügel, der die Scharte auswetzen wollte, verfolgt. Die anderen blieben zurück; Mensch und Tier waren nach dem heißen Kampf erschöpft.

»Gott sei gelobt!« sagte Juan Perez; sein flammender Blick suchte Aurelio, der vor seiner tapferen Schar hielt. Die Gefahr war beseitigt, die Indios auf der Flucht, von Tausenden rachgierigen Gauchos verfolgt.

»Vater, hier ist Don Enrique«, rief Aurelio.

Dort hielten die fünfzig Deutschen von Cordoba, vor ihnen Erich Stormar. Juan Perez und Aurelio ritten hin. »Don Enrique!« »Amigo mio!« tönte es hin und zurück; Hände fanden sich zu herzhaftem Druck.

»Was sollte ich machen?« sagte Erich Stormar. »Als Aurelio mir davonlief, ritt ich zu meinen Landsleuten nach Cordoba und stellte ihnen die Gefahr vor, die den Ansiedlungen von den Indios drohte. Ich sagte ihnen, daß es ihre Pflicht als nunmehrige Kinder Argentiniens sei, den Nachbarn in der Gefahr beizuspringen. Es ist mir nicht schwer geworden, sie zu überzeugen. – Da sind meine Männer«, sagte er, auf seine Reiter deutend. »In der Eile, die geboten war, konnte ich nur diese kleine Schar zusammenbringen.« Perez ritt zu ihnen hin und sagte den von allen angestaunten Alemans Worte herzlichen Dankes.

Bald darauf brachte man ihm die Nachricht, daß auch Alfonso Diaz gefallen sei. Damit fiel nach den getroffenen Vereinbarungen der Oberbefehl an ihn. Er befahl, sich der Verwundeten anzunehmen und ein Lager für die Nacht vorzubereiten. Eine Gefahr seitens der Puelchen war nicht mehr zu erwarten.

Die Gauchos zählten an achtzig Tote und eine größere Zahl Verwundeter; die Verluste der Puelchen betrugen ein Vielfaches.

Die Nacht kam heran, und die Feuer wurden entzündet. Juan Perez und Aurelio weilten mit ihren engsten Gefährten bei den Deutschen, die so rechtzeitig in den Kampf eingegriffen hatten. Mit Verwunderung betrachteten die Gauchos die stämmigen, größtenteils hochgewachsenen und blondbärtigen, ihnen so fremdartigen Gestalten der Estrangeros, deren schwungvollem Angriff Jankitruß am Ende erlegen war. Aurelio saß neben seinem Freund aus dem fernen Deutschland, und er sowohl als auch Juan Perez freuten sich, daß der Bann, der Erich Stormar den Menschen ferngehalten hatte, gebrochen schien. Die blonden Männer, die selbst außer einigen leichter Verletzten keine Verluste zu beklagen hatten, waren nun nach der Schlacht heiter und guter Dinge, sie sangen die Lieder ihrer Heimat, denen die Gauchos mit Interesse lauschten.

Der furchtbare Ernst des Tages war vergessen, und bald breitete sich der Friede der Nacht über die schweigende Pampa.

Gefährlicher Besuch

Pati, genannt der Feuerkopf, arbeitete im Garten der Estancia. Er warf von Zeit zu Zeit einen Blick nach Süden, als ob er von dorther etwas erwarte. Auf der Veranda saß im vollen Licht der Morgensonne die alte Mulattin und nähte. Sie sah auf, als Don Estevan aus der Tür trat, und war nicht wenig erstaunt, ihn mit einer alten Reiterpistole und zwei Karabinern beladen zu sehen.

»Um Gottes Willen, Don Estevan«, sagte sie, »was wollt Ihr denn mit dem Schießzeug?«

Der junge Gelehrte schob seine Brille zurecht, sah die Alte flüchtig an und antwortete mit bedächtigem Ernst: »Es könnte ja immerhin sein, daß es den Indios einfiele, auch unserer Estancia einen Besuch abzustatten. Ich halte es jedenfalls für richtig, wenn wir uns auf diese Möglichkeit vorbereiten.«

Da wärest du gerade der Rechte! dachte die Mulattin und konnte angesichts der schmächtigen Gestalt des Lehrers ein Schmunzeln nicht unterdrücken. »Bringt bloß das schreckliche Zeug wieder fort«, sagte sie, »ich sehe es schon losgehen.«

»Señora«, versetzte der Bakkalaureus, »ich habe böse Dinge von diesen Puelchen und Pehuenchen gehört und will Sancho veranlassen, noch einige Verteidigungsmaßregeln für den Fall eines Angriffs zu treffen.«

In eben diesem Augenblick betrat Pati die Veranda. »Nanu, Don Estevan«, sagte er, »was treibt Ihr denn da?«

»Lacht mich nicht aus«, antwortete der Gelehrte. »Wie wäre es, wenn wir eine Art Wall um das Haus errichteten und alle verfügbaren Schußwaffen bereitmachten?«

»Redet ihm das bloß aus, Don Sancho«, sagte die Alte, »es gibt sonst noch ein Unglück.«

Pati sah den Bakkalaureus mit einem offenen Lachen an. »Gebt Euch keine Mühe, Don Estevan«, sagte er, »die Gauchos stehen gegen die Roten im Feld. Wie sollten die Puelchen hierher kommen?«

»Die Gauchos könnten immerhin der Übermacht weichen müssen«, versetzte der Gelehrte.

»Weichen?« Pati schien entrüstet. »Die Gauchos vor diesen lumpigen Indios weichen? Ihr habt Vorstellungen!«

»Ich bin geneigt, alles für möglich zu halten und mich deshalb auf alle Möglichkeiten vorzubereiten«, sagte Don Estevan.

Pati wurde plötzlich ernst. »Denkt nicht, daß ich Euch höhnen will, oder daß ich Eure Sorge gering achte«, sagte er, »nur über eines dürft Ihr Euch ruhig klar sein: wenn die Gauchos geschlagen sind, dann sind die Puelchen wie der Wirbelwind hier und schneiden uns mit oder ohne Vorbereitungen die Hälse ab.«

»Das will ich wenigstens so lange wie möglich zu hindern suchen«, sagte der Bakkalaureus, dem es, obgleich er stets hinter den Büchern hockte, keineswegs an Mut und Entschlossenheit fehlte. »Es ist schade, daß wir Don Aurelio nicht hier haben«, sagte er, »er könnte in die Pampa reiten und uns als eine Art Vorposten dienen.«

Pati warf einen Blick in die fernen Berge und sagte: »Es ist gut, daß Aurelio nicht hier ist. Zu halten wäre er nicht gewesen, und zum Kampf mit den Puelchen ist er noch zu jung. Er ist bei dem Aleman ganz gut aufgehoben.«

»Das ist schon richtig«, versetzte der Bakkalaureus, »und im Grunde bin ich auch froh, daß er bei dem Aleman ist. Der Mann weiß auch geistige Güter zu schätzen; der Junge kann manches von ihm lernen.« Er unterbrach sich plötzlich und wies mit der Hand nach draußen. »Was sind denn das für Reiter?« sagte er und zeigte auf den Waldsaum am Fluß.

Pati sprang jäh auf und blickte hinaus. Dort drüben ritten fünf Lanceros; sie kamen den Rio Quinto herauf. Er wandte sein Auge und erblickte eine zweite Gruppe uniformierter Lanzenreiter, die von der anderen Seite näherkamen. Im Antlitz des Rotkopfes erschien ein grimmiger Ausdruck. »So, sind die Kanaillen schon da!« murmelte er.

Ein junger Neger, der im Feld gearbeitet hatte, kam atemlos zur Veranda gelaufen und meldete: »Soldados kommen von Osten her, viele Soldados.« Pati zwang sich zur Ruhe. »Na, hoffentlich bringen sie Gutes«, sagte er. »Geh an deine Arbeit, und sei höflich zu den Soldados!« Als der Neger fort war, wandte er sich Don Estevan zu und sagte: »Wenn Ihr Aurelio lieb habt, Señor, so laßt vor den Soldaten kein Wort über seinen Aufenthalt verlauten.« Der Gelehrte sah ihn erstaunt an. »Wenn Ihr meint, daß es dem Jungen Nachteil bringen könnte, gewiß nicht«, antwortete er. Pati wandte sich der Mulattin zu: »Hast du gehört, Jaquita?«

»Ich habe gehört, Don Sancho«, die Alte sah Pati mit großen Augen an, »Jaquita wird nichts sagen.«

Pati trat vor die Veranda und sah nach den Lanceros aus; die schwenkten ein und kamen auf die Estancia zugeritten.

»Ah, da ist ja der Cabezarojo, den Gomez so ins Herz geschlossen hat«, murmelte der voranreitende Offizier, als er den Rotkopf erblickte, »also sind wir an der richtigen Stelle.« Er kam heran, zügelte sein Pferd und sagte, die Hand leicht an das Käppi legend:

»Nun, mein feuerhaariger Freund, wem gehört denn diese schöne Estancia?«

»Sie gehört Señor Perez, Euer Gnaden«, antwortete Pati und zog seinen breitrandigen Strohhut.

»Und wer bist du?«

»Der Majordomo Don Juans, Sancho Pereira«, antwortete Pati.

»Ich hoffe, Ihr werdet den Soldados seiner Excellenz einige Gastfreundschaft gewähren«, sagte der Offizier.

»Die Soldados Seiner Excellenza sind willkommen«, entgegnete der Majordomo, »sie mögen dieses Haus als das ihrige betrachten.«

»Danke, mein Freund, wir wollen von der Einladung Gebrauch machen.« Er sprang ab, warf den Zügel seines Pferdes einem der Soldaten zu und betrat die Veranda, wo Don Estevan und die Mulattin beieinander standen. Sancho sah, daß der Mann die Abzeichen eines Lugarteniente trug.

Der Leutnant, ein kräftiger, untersetzter Mann mit hochfahrenden Zügen, warf sich in einen der Sessel und musterte die Anwesenden. »Diable, was hast du für einen brennenden Busch auf dem Haupt!« sagte er zu Pati. »Wo stammst du her, Mann? Bist du ein Ingles?«

»Nein, Señor«, antwortete Pati, »ich bin ein Bürger dieses Landes und habe für Don Manuel im Felde gestanden.«

»Caramba! Müssen die unitarischen Hunde gelaufen sein, wenn sie deine brandrote Mähne sahen! – Wer seid Ihr, junger Mann, und was macht Ihr da mit den Gewehren?« wandte er sich Don Estevan zu.

Der Gelehrte warf ihm einen wenig freundlichen Blick zu und sagte mit gemessener Höflichkeit: »Ich bin nicht gewöhnt, in dieser Weise angeredet zu werden, Señor.«

Der Offizier warf ihm einen stechenden Blick zu. »Nun, mein mageres Hühnchen, du wirst dich daran gewöhnen müssen«, zischte er. Dann wandte er sich wieder dem Majordomo zu: »Kann ich die Ehre haben, dem Herrn der Estancia meine Aufwartung zu machen?«

»Bedaure sehr, Señor. Don Juan ist leider abwesend«, sagte Pati.

»Oh, das ist bedauerlich.« Der Offizier schien unangenehm überrascht. »Ist er zum Abend zurück?«

Pati zuckte bedauernd die Achseln. »Das ist sehr zweifelhaft, Señor.«

 

Der Offizier wandte sich ab; sein Gesicht hatte sich beträchtlich verfinstert. »Dann sorgt für Speise und Trank für mich und meine Leute«, sagte er kurz.

»Sehr wohl, Señor.« Der Majordomo verneigte sich leicht. »Ihr werdet Euch nicht zu beklagen haben.« Er gab Befehl, eine Kuh für die Lanceros zu schlachten, und forderte die Mulattin auf, Mate zu bereiten. Als er um das Haus ging, bemerkte er, daß ein Teil der Reiter nach Osten zu in einem Halbkreis aufgestellt war, während die übrigen den Flußübergang besetzt hielten.

Dieser Überzahl Widerstand zu leisten, falls sie Gewalt anwenden würden, war nicht denkbar. Pati segnete die Stunde, die Juan und Aurelio von der Estancia fortführte, denn er fürchtete für beide; daß auch ihm Gefahr drohen könnte, daran dachte er nicht.

Der Offizier hatte es sich auf der Veranda bequem gemacht; er sprach kräftig den Speisen zu, die die Mulattin ihm vorsetzte. Der Bakkalaureus war mit seinen Gewehren in das Innere des Hauses gegangen. Die Lanceros hatten draußen am Fluß Feuer entzündet und brieten bereits Stücke der frisch geschlachteten Kuh.

Pati ging gleichfalls ins Haus und in Juans Gemach. Hier nahm er zwei gute Büchsen von der Wand, untersuchte sie sorgfältig und versteckte sie in der Nähe der kleinen Tür auf der Rückseite des Gebäudes. Dann erschien er wieder in seiner gewöhnlichen, phlegmatischen Haltung auf der Veranda.

Der Offizier hatte zwar mit gutem Appetit gefrühstückt, schien aber gleichwohl schlechter Laune. Er pfiff nach dem Fluß hinüber; einer seiner Männer kam herbeigesprungen. Er flüsterte ein paar Minuten lang eindringlich mit dem Mann und schickte ihn alsdann nach dem Ufer zurück. Gleich darauf bestiegen zwei Lanceros ihre Pferde und überquerten den Quinto.

Don Estevan betrat die Veranda wieder, ausgerüstet mit einer Botanisiertrommel; er wollte an dem Offizier vorbei ins Freie hinaus. Der Lugarteniente rief ihn an. »Kommt einmal hierher, Ihr bebrillter Ziegenbock«, sagte er, »ich will Euch ein bißchen näher betrachten.«

»Ihr scheint nicht zu wissen, mit wem Ihr sprecht«, sagte Don Estevan finster.

»Jedenfalls mit einem dreisten Burschen«, knurrte der Offizier, »aber ich schätze, er wird bald bescheidener werden. Kommt hierher!« schrie er, »ohne Umstände jetzt!«

Der schmächtige Gelehrte trat furchtlos auf ihn zu und sah ihm mit kaltem Blick in die Augen.

»Wer seid Ihr?« herrschte der Offizier ihn an.

»Mit welchem Recht fragt Ihr mich das?« sagte Don Estevan.

»Mit diesem!« schrie der Lugarteniente und schlug auf seinen Säbel. »Ich stehe hier im Namen des Präsidenten und bin beauftragt, nach verdächtigem Gesindel zu suchen.«

»So sucht immerhin«, entgegnete Don Estevan und wandte sich ab.

»Hierher!« brüllte der Offizier. »Hierher auf der Stelle oder ich lasse Euch an einen Pferdeschweif binden und durch die Pampa schleifen.«

»Das werdet Ihr bleiben lassen«, entgegnete Don Estevan, »ich bin Graduierter der Universität zu Buenos Aires.«

»Hab mir schon gedacht, wo Ihr herstammt«, schrie der Offizier, »was treibt Ihr hier auf der Estancia?«

»Ihr werdet meine Antwort kaum verstehen, Señor«, lächelte der Bakkalaureus, »ich treibe botanische Studien.«

»So? Treibt Ihr? Ich denke mir schon, Freundchen, was Ihr hier treibt«, knurrte der Offizier »und verlaßt Euch darauf, ich bringe es heraus. – Wer ist das?« herrschte er die eben eintretende Mulattin an, auf den Bakkalaureus deutend.

»Das ist Don Estevan, Señor«, antwortete Jaquita verschüchtert.

»Was tut der Mann hier?«

»Was soll er tun, Señor? Er lehrt Don Aurelio das Lesen.«

»Wer ist Aurelio?«

»Der junge Señor, Euer Gnaden.«

»So, der junge Señor. Und wo steckt der junge Señor?«

»Er ist mit Don Juan in die Pampa geritten.«

Pati kam herein; er hatte die letzten Worte gehört. »Was befehlt Ihr, Señor?« fragte er höflich.

»Ich will wissen, was dieser bebrillte Jüngling aus Buenos Aires hier tut und wo deine Herren sind! Ich würde mich nicht wundern, wenn ich hier in ein verdammtes Unitariernest geraten wäre.«

In Pati begann der Zorn aufzusteigen, doch bezwang er sich. »Mueran los Unitarios« rief er. »Wir sind gute Konföderierte, Señor.«

»Nun, das wird sich bald zeigen«, sagte der Offizier. Er ließ einen langen Pfiff ertönen. Im gleichen Augenblick wurde vom Süden her heller Hufschlag hörbar, gleich darauf hielt mit strahlendem Gesicht dicht vor der Veranda – Aurelio auf seinem Cid.

»Aurelio!« riefen Pati, Don Estevan und die Mulattin wie aus einem Munde.

»Lieber, alter Pati!« strahlte Aurelio; plötzlich erstarrte sein Gesicht, er gewahrte die Soldaten. Vom Fluß her jagte der herbeigepfiffene Lancero heran. Pati kam zur Besinnung; dicke Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn. »Aurelio«, flüsterte er, »um Gottes Willen, Aurelio, du mußt ja fort, du mußt fort!« Er geriet ins Stammeln.

»Por el nombre de Dios!« sagte der Offizier, »da hätten wir ja das junge Hähnchen im Garn. Steig ab!« schrie er Aurelio zu, zog gleichzeitig sein Pistol aus dem Gürtel und spannte den Hahn.

Keines Wortes mächtig, aus allen Wolken gerissen, saß Aurelio auf dem Schimmel; nichts als Erstaunen stand in seinem Gesicht. Das Pistol des Offiziers fiel zur Erde und entlud sich. Der sanfte Don Estevan, der dicht neben den Lugarteniente getreten war, hatte es ihm aus der Hand geschlagen. Der Offizier fuhr herum. »Diable!« brüllte er, »wer wagt es – —? Du Lump!« schrie er den Bakkalaureus an, »bist du wahnsinnig geworden?« Zehn Lanceros parierten vor der Veranda ihre Pferde und umringten Aurelio, der noch immer keines Wortes mächtig war.

»Herunter mit dem Burschen!« schrie der Offizier, auf den Jüngling deutend und zog den Säbel.

Pati, nunmehr zum äußersten entschlossen, hob eben die Faust, um den Mann niederzuschlagen, da dröhnte der Boden abermals unter zahlreichen Pferdehufen; dicht vor der Gruppe verhielt Juan Perez sein schnaubendes Roß, neben ihm Erich Stormar, die Büchse in der Hand, und hinter den beiden an die dreißig junge Gauchos.

»Was geht hier vor?« schrie Juan den überraschten Offizier an, »wer seid Ihr?«

»Ich denke, das seht Ihr«, sagte dieser, »ein Offizier der Armee.«

»Und was wollt Ihr hier? Was bedeutet Euer Auftreten im Haus eines friedlichen Mannes?«

Der Lugarteniente hatte sich gefaßt, er trat einen Schritt zurück. »Ihr seid ja wohl Juan Perez, und der junge Mann auf dem Schimmel ist Euer Sohn?« sagte er. »Nehmt also Kenntnis davon, daß ich beauftragt bin, Euch beide und diesen rothaarigen Burschen da als Hochverräter zu verhaften. Im Namen Don Manuels!« setzte er hinzu, wohl wissend, welchen Zauber dieser Name auf alle Gauchos auszuüben pflegte.

Tatsächlich entstand unter den Reitern bei diesen Worten eine heftige Bewegung. Jetzt kommt es darauf an! dachte Perez; er war sehr blaß geworden, bewahrte aber nach außen hin völlige Ruhe und Gelassenheit.

»Befehl ist Befehl!« sagte er, »habt also die Güte, mir den von Seiner Excellenza unterzeichneten Haftbefehl zu zeigen.«

Der Lugarteniente, von der Ruhe des Gauchos verblüfft, kam ins Stammeln. »Ich habe nur mündlichen Befehl«, sagte er.

»Oh!« versetzte Don Juan mit vollkommener Beherrschung. »Nun, von Don Manuel habt Ihr ihn kaum, das müßte sehr sonderbar zugehen. Zudem sehe ich, daß Ihr die Abzeichen der Provincia Santa Fé an der Uniform tragt. Ihr lügt, wenn Ihr sagt, daß Ihr auf Befehl des Präsidenten handelt.«

Das Gesicht des Offiziers lief hochrot an. »Caracho!« schrie er, »du Gauchohund wagst es, mich einen Lügner zu nennen?«

»Ich will dir etwas sagen«, entgegnete Perez mit gelassener Verachtung in der Stimme, »ich bin Capitano der Gauchoreiterei und bekleide hier außerdem das Amt des Alkalden. Ich verspüre nicht übel Lust, dich als Räuber und Wegelagerer aufhängen zu lassen.«

»Wagt es, mich anzurühren«, stammelte der Offizier, »ich bin Lugarteniente im Dienste der Republik und handle auf Befehl des Gobernadors von Santa Fé, Don Francisco de Salis.«