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Der Letzte vom "Admiral"

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Zu seiner freudigen Überraschung wurde dem Kapitän von den noch an Bord gebliebenen beiden Häuptlingen durch Vermittlung Aturas die Mitteilung gemacht, daß am andern Tag noch mehr Kopra zur Stelle sein würde. Dies änderte seine Absicht, noch vor Dunkelwerden in See zu gehen, und er beschloß, an seinem Ankerplatz zu bleiben. Den Vorschlag des Obersteuermanns, wenigstens die Bucht zu verlassen, um weiter draußen zu ankern oder unter gekürztem Tuch zu kreuzen, der mit der Gefahr eines möglichen nächtlichen Überfalls motiviert wurde, lehnte der Kapitän ab, da von den Wilden, welche eine so starke Mannschaft und so zahlreiche Gewehre gesehen hätten, nichts zu befürchten sei. Die beiden Eingeborenen schickten sich an, sich für die Nacht häuslich an Deck niederzulassen. Dies wollte aber der Kapitän denn doch nicht zugeben. Er ließ ihr Kanu aufs Wasser setzen und ihnen bedeuten, sie sollten sich beeilen, zu ihren heimischen Wäldern zurückzukehren. Stumpfsinnig gehorchten die beiden und ruderten der Küste zu. Die auf der Fahrt üblichen Wachen wurden auch diese Nacht beibehalten.

Kapitän Jansen, sehr zufrieden mit seinem Geschäft, zog sich in seine Kajüte zurück, um sich an einer Flasche Wein zu laben.

Ruhig verlief die erste Wache. Die Nacht war dunkel, aber ein milder Lufthauch zog über Meer und Land. Auf Befehl des Kapitäns, der nur kurze Zeit in der Bucht zu weilen gedachte, war, um den Leuten Arbeit zu ersparen, nicht wie gestern die schwere Ankerkette ausgelassen worden. Der Buganker war an einem starken Kabel niedergegangen.

Als um Mitternacht die Mittelwache antrat, zog sich der Obersteuermann in seine Kajüte zurück und Henrik ging nach seiner Koje.

Der Steuermann hatte sich die Wache über still und schweigsam verhalten und war nicht auf seine gestrigen vertrauensvollen Mitteilungen, welche dem jungen Matrosen so innige Teilnahme abgenötigt hatten, zurückgekommen. Selbstverständlich wagte Henrik nicht, das Thema zu berühren. Erwähnt hatte Findling nur, daß in der Bucht eine Strömung vorhanden sei, die aber bei dem guten Ankergrund die Sicherheit des »Roland« nicht beeinträchtigen könne. Freilich sei bei einem etwa ausbrechenden Weststurm Gefahr vorhanden, an die Küste geschleudert zu werden. Auch die Nähe des weitausgedehnten Riffs, welches man freilich von der Bucht aus nicht gewahren konnte, flößte ihm Unbehagen ein.

Dennoch war die Nacht so ruhig, die hohen Berge der Insel bildeten eine so sichere Lee gegen alle Windströmungen von Ost und Nordost, die hier um diese Jahreszeit vorherrschen, daß Findling sich frei von jeder Besorgnis zur Ruhe begeben hatte und bald in einem tiefen Schlaf lag.

Henrik schlief, wie man eben mit achtzehn Jahren schläft, wenn man einen Tag voll Arbeit in frischer Seeluft hinter sich hat.

Zwei Stunden mochten so vergangen sein, als er sich heftig gerüttelt fühlte; die Augen öffnend erblickte er bei dem schwachen Licht der von der Decke herabhängenden Öllampe Fritz Fischer vor sich.

»Komm gleich, Hamburger, komm an Deck, et is nich allens richtig da draußen.«

Im Nu war der so aufgescheuchte Henrik aus der Koje und fuhr, da er nach Matrosenart fast ganz angekleidet schlief, sofort in seine Stiefel. »Was gibt's?«

»Komm nur, et ist etwas nich janz richtig und oben schläft allens.«

Hastig ging Henrik hinauf. Fritze verschwieg, daß sein nach unfreiwilligen Fasttagen noch sehr unregelmäßiger Appetit ihn an Deck geführt hatte, um sich in der Kombüse nach einem »Häppken« umzuschauen. Als Henrik das Deck betrat, erkannte er sofort, daß das Schiff losgetrieben war. Ohne die schlafende Wache zu beachten, sprang er nach hinten, schlug mit der Faust an Findlings Kajüte, schreiend: »App, Stürmann, wi sin affdrewen.«

Augenblicklich hörte man den Steuermann sich regen und seine Stimme »Glik, Jonge!« antworten.

Der »Roland« schaukelte auf langen Wellen und ein unheimliches Geräusch war zu vernehmen. In kürzester Zeit betrat Findling das Deck. Einen Blick warf er nach Himmel und Wasser – das Schwanken des Decks sagte ihm, daß sie außerhalb der Bucht seien – sein Ohr faßte das eigentümliche Rauschen. »Donnerkiel, dat Riff!« entrang es sich seiner Brust. »Wache auf! Hinunter mit dem Buganker! Alle Hände an Deck! Weckt den Kapitän!«

Schlaftrunken sprangen die Leute der Mittelwache auf und stürzten nach vorn, wo der eine Buganker, den Findling so fürsorglich klargehalten hatte, noch draußen hing. Das Schiff trieb, Spiegel voran, in einer scharfen Strömung.

Schon eilten auch, durch das Aufstoßen von Handspeichen auf das Deck geweckt, die Matrosen herauf, welche zur Back gegangen waren. Marholm, der sehr niedergedonnert war, daß man ihn schlafend getroffen hatte, war nach vorn geeilt.

Jetzt kam eilends der Kapitän heraus.

»Was gibt's? Was gibt's?«

»Das Schiff treibt auf das Riff zu.«

Den Kapitän faßte Entsetzen; er vernahm jetzt auch das Rauschen der Brandung und war keines Wortes mächtig.

Der Anker ging nieder, die Kette rollte mit unheimlich klirrendem Geräusch durch die Klüse.

Alle an Deck standen lautlos in der schweigenden Nacht da, das Brechen der Wellen an den scharfen Felskanten sagte ihnen zu deutlich, daß naher Untergang sie bedrohe. Die ganze Kette, hundert Faden, rollte ab, der Anker kirrte nicht. Der schwache Luftzug war östlich.

»Der Anker faßt nicht Grund, Herr Kapitän; soll ich Segel setzen lassen, um nach West abzukommen?«

Kapitän Jansen, sonst ein mutiger und besonnener Schiffsführer, war von dem Unerwarteten so erschüttert, daß er nur sagte: »Lassen Sie Segel setzen!«

Näher klang das unheimliche Rauschen der Brandungswellen. Aber nie zeigt sich der Seemann größer als in der Ruhe, mit der er den todbringenden Gefahren des Meeres zu begegnen weiß.

»Alle Hände zum Segelsetzen!« dröhnte Findlings Stimme über Deck.

Die Leute, eine auserlesene Schar, von der jeder selbst bei dunkelster Nacht jedes Tau fand, standen schon an den Wanten und Brassen.

»Los das Großsegel, den Klüver, die Besangaffel! Steuer hart backbord! Luvbrassen bemannt!« Die Leute wußten, es ging ums Leben, und die Leinwand kam mit großer Schnelligkeit hernieder. Mit ebenso großer Präzision schwenkten sich die Rahen, und kaum waren die Schoten gefestigt, so fühlte auch das Schiff, welches das Riff immer noch spiegelwärts hatte, den Wind und trieb nicht mehr nach hinten.

Doch da in der dunkeln Nacht weder Land noch Meer zu sehen waren, konnte nicht erkannt werden, ob es Fahrt machte.

»Herunter mit Mars- und Bramsegel, Jungens, laßt alle Leinwand fallen!«

Die Matrosen waren oben geblieben und führten die Befehle trotz der tiefen Finsternis mit Sicherheit aus.

Leise sagte Findling zu Henrik, der die Besangaffel bedient hatte und jetzt im schwachen Schein der Decklaterne erkennbar unweit stand: »Geh zum Koch, er ist ein zuverlässiger, mutiger und erfahrener Mann, er soll Wasser, Zwieback, Schweinefleisch ins Langboot bringen, aber vorsichtig, daß die Leute es nicht gewahren. Leg die Flinten und Patronentaschen ins Boot und die Taljen an, damit wir es gleich ausschwenken können.« Eilig entfernte sich Henrik, der die eherne Ruhe seines Befehlshabers aus tiefster Seele bewunderte, um dessen Befehle auszuführen. Schweigend harrte alles an Bord der Wirkung des Luftzuges in der entfalteten Leinwand. Da schlief der Wind ein und die Segel hingen schlaff herab. Immer näher scholl das dumpfe Brausen, schon leuchtete der weiße Schaum durch die Nacht – das Schiff trieb langsam achterwärts seiner Vernichtung entgegen.

»Alles von oben herunter!« donnerte Findling. »Wir müssen das Langboot aussetzen, Kapitän, in fünf Minuten sind wir auf dem Riff. Nehmen Sie Ihre Papiere, Kompaß, Instrumente und Karten, es ist Zeit.«

»Sie haben recht«, sagte der Kapitän niedergeschlagen, »ich bin gleich zurück«, und ging in seine Kajüte.

Die Mannschaft war eilig aus dem Takelwerk an Deck herabgekommen. Mit felsenfestem Vertrauen harrten sie der Befehle Findlings, die so ruhig, so entschlossen gegeben wurden.

»Langboot fertig zum Ausschwenken. Segel und Riemen hinein!«

Obgleich ein solcher Befehl in dieser Lage des Schiffes dessen Untergang ankündigte, gehorchten die Leute schweigend und willig.

Der Koch und Henrik hatten mit fast übermenschlichem Eifer gearbeitet, das Boot war verproviantiert, die Taljen eingehängt. Findling fühlte sich am Rock gezupft, neben ihm stand der Schneider und sagte wehmütig: »Lassen Sie mir nich sitzen, Herr Steuermann.«

»Nein, Junge, bleib bei mir.«

Immer furchtbarer, grausiger tönte das hohle Rauschen der Brandung durch die Nacht. Schon hob sich das schwere Langboot, um über Bord zu gehen, als der helle Ruf von vorn ertönte: »Der Anker hat gefaßt!«

Ein Gefühl der Erlösung, neuen Lebens ging durch alle Herzen. Die Arbeit am Boot stockte, aber Findling, nach vorn gehend, rief den Leuten zu: »Nur hinab damit, kann nie schaden!« und das Boot senkte sich aufs Wasser. »Loten!« befahl Findling. Das Lot fiel, und es erwies sich, daß sie in zwanzig Faden Tiefe ankerten. Das Schiff lag fest.

Findling ließ die Brassen loswerfen, damit das Fahrzeug vor einem sich erhebenden Luftzug tot lag, und dann langsam die Ankerkette anziehen. Der Anker hatte fest gefaßt, und Findling ließ die ausgelaufene Kette auf vierzig Faden verkürzen. Der Kapitän kam eilig herbei; bereit, sein Schiff zu verlassen, sah er es mit tiefer Freude vor Anker und lobte, was Findling getan. Erst jetzt, wo größere Ruhe in allen Gemütern herrschte, belehrte sie das Geräusch, daß sie auf drei Seiten von Brandungen umgeben waren.

Man ließ noch einen weiteren Anker fallen.

Marholm, der zweite Steuermann, hatte sich überzeugt, daß das Tau, welches den »Roland« in der Bucht festlegte, mit scharfen Messern durchschnitten war.

 

Diese Tatsache, Beweis einer unheimlichen Tätigkeit der Wilden, rief Grimm und Verwunderung hervor.

»Die Strömung hätte uns unweigerlich auf den Felsen geworfen und das müssen die Schelme gewußt haben«, sagte Findling zu dem Kapitän.

»Aber zu welchem Zweck?«

»Sie konnten sich, sobald das Schiff zerschlagen war, allerlei Strandgut auslesen, Herr Kapitän; an dies gut bewaffnete Schiff trauten sie sich nicht und zogen es vor, sich hier im Riff ihren Raub zu holen. Die Kopra wird zu Ende sein, nicht aber die Begierde dieser Menschen, sich in den Besitz wertvoller Dinge zu setzen.«

Der Kapitän ersparte zunächst dem Zweiten Steuermann die Vorwürfe, die er verdiente, und sagte: »Welch ein Glück, Findling, daß Sie die Abtrift bemerkten.«

»Das war Henrik vorbehalten, er rief mich auf.«

»Du, Junge?«

»Nein, Herr Kapitän, hier unser Schneider hat die Gefahr entdeckt.«

»Donnerschlag, wie is dat? Vertell mi dat, min Jong.«

Fritz erzählte nun, daß ihn der Hunger an Deck getrieben hatte und daß ihm hierbei das Schaukeln des Schiffes und das unheimliche Rauschen aufgefallen sei.

Jansen und Findling lachten und der Kapitän sagte: »Na, God segne din Apptit, min Jonge. Awer du hest dat, wat wi an di gewandt hewwen, all riklich wedder gaud makt. Du bist us nix mehr schullig.«

Fritz Fischer war nicht wenig stolz, daß sein nächtlicher Furagierungsgang so erfreuliche Resultate erzielt hatte.

Es blieb nichts übrig, als den Morgen abzuwarten, ehe weitere Schritte geschehen konnten. Jansen befahl, den Leuten Grog zu verabreichen, und bald saßen die braven Jungen seelenvergnügt, trotz der überstandenen und sie noch erwartenden Gefahren, und ließen sich den »Steifen« munden.

Sie legten sich dann mit dem felsenfesten Vertrauen, welches sie ihren Offizieren entgegenbrachten, an Deck zum Schlafen nieder, Jansen aber und die Steuerleute erwarteten unruhig den Aufgang der Sonne, um Gewißheit über ihre Lage zu erhalten.

Der Überfall

Endlich stieg die Sonne über dem Meer empor und sandte eine Flut goldenen Lichtes über die Wellen. Der Kapitän und die Offiziere gingen nach oben, um weitern Ausblick zu haben. Was sich da ihren Augen bot, war nicht erfreulich.

Bis auf den Ausgang nach Norden hin, durch den sie vermittels der Strömung zwischen die Riffe geraten waren, zeigten sich nach Westen und Süden nur Brandungswellen, in meilenweiter Ausdehnung. Auch der Raum zwischen der unfernen, hier in Felsenformationen hoch und schroff aufragenden Küste war mit Riffen durchsetzt.

Mit Schrecken sah Jansen, daß sie in der Dunkelheit bis auf hundert Faden an die Riffe herangetreten waren. Bei leichtem Wind schaukelte sich die Barke jetzt gemächlich vor ihren Ankern, aber dieser Wind blies leider von Norden und verlegte so den einzigen Rettungsweg; ein Aufkreuzen dagegen war nicht möglich. Die Strömung, welche sie südwärts getrieben hatte, lief in das Riffgewirr hinein.

Hierauf bauend, sagte Jansen: »Es muß sich ein Weg durch die Brandungen finden. Hier droht Gefahr, auf die Klippen getrieben zu werden, wenn es stärker von Norden her weht. Lassen Sie uns die Jolle und das Lot nehmen und uns nach einem Ausweg umsehen.«

Die Jolle wurde klargemacht, die Bootsmannschaft, zu welcher Henrik gehörte, der Kapitän und Findling, begaben sich hinein, und man ruderte, fortwährend lotend, auf die Brandung zu. Es zeigte sich, daß ein breiter und tiefer Kanal hineinlief, der sich aber bald dem Land zuwandte, von dem ihnen Felsen entgegenstarrten. Den Weg fortsetzend kamen sie dicht ans Ufer. Hier wandte sich der Kanal fast in einem spitzen Winkel nach Süden. Jansen und Findling überzeugten sich, daß es möglich sei, den »Roland« mit Hilfe des Wharptrosses den Winkel beschreiben zu lassen, wenn er dabei auch dicht an die Uferfelsen treten mußte. Wassertiefe war überall genug vorhanden. Sie verfolgten den Kanal nach Süden und entdeckten zu ihrer Freude, daß er, ohne Hindernisse zu bieten, dem Schiff gestattete, in den Ozean zu laufen. Als sie sich hiervon überzeugt hatten, traten sie in froher Stimmung den Rückweg an.

Der Buganker wurde gehoben, und man ließ den »Roland« sich langsam um den zweiten ausgebrachten Anker drehen, bis sein Bug nach Süden stand. Etwas Leinwand wurde entfaltet, und das Schiff glitt zwischen die unter dem Wogenanprall schäumenden Klippen. Der Wind blies stetig aus Nord, und der »Roland«, der dem Steuer gut gehorchte, legte mit ruhiger Sicherheit seinen Weg durch den Kanal zurück. Unweit des Landes ließ Jansen die Segel tot an den Wind bringen und sandte die Jolle mit dem Wurfanker am Wharptroß nach dem Felsengestade, um ihn dort festzumachen. Dies gelang auch nach einiger Mühe. Die Schwierigkeit war, den »Roland« den Bug nach vorn, so zwischen den spitzauslaufenden Klippen und dem Ufer zu wenden, daß er mit der Nase von neuem nach Süden zu stehen kam, wo er dann bei diesem Wind leicht den Ozean erreichen konnte. Der Raum für das Wenden war dem Schiff so knappzugemessen, daß der Wurfanker dreimal an anderer Stelle ausgelegt werden und die gesamte Mannschaft mit Aufbietung aller Kraft am Gangspill arbeiten mußte, um es in dem engen und winkeligen Fahrwasser um die Riffspitze herumzubringen. Der Himmel hatte sich umzogen und große Tropfen fielen nieder, die einem echten Tropenregen vorangehen.

Jansen rief die Jolle zurück, um die Arbeit später fortsetzen zu lassen, und ließ die angestrengten Leute hinab und zu Tisch gehen. Er selbst, wie auch Findling, begaben sich in ihre Kajüten; auf dem Deck waren nur noch Henrik, Fritz Fischer und der Insulaner von Neuhannover, welcher mit großer Aufmerksamkeit die Felsen betrachtete, denen das Bugspriet so nahe gekommen war. Ein furchtbarer Platzregen prasselte hernieder, und Henrik und der Berliner krochen, da man in Erwartung eines solchen die Luken geschlossen hatte, rasch unter das Gig des Kapitäns, welches am Vormast kieloben lag; ihnen folgte der Insulaner.

Unendliche Flut strömte herab, das Deck stand bald fußhoch unter Wasser. Diese Regen, so gewaltig sie auch auftreten, sind nur von kurzer Dauer. In zehn Minuten war der Guß vorbei und die Flut hatte sich den Weg durch die Speigaten gesucht. Ein eigentümliches Geräusch auf Deck machte Henrik und Fritz stutzen, sie streckten rasch und neugierig die Köpfe unter dem Boot hervor und sahen mit versteinerndem Schreck etwa fünfzig bis sechzig bewaffnete Wilde an Bord verteilt. Einige von ihnen waren im Begriff, eine schwere Kiste auf die Luke zu schieben, welche zum Mannschaftslogis führte, während andere hinten neben der Luke standen, die den Eingang zu der Kajüte bildete.

Kaum waren die jungen Leute bemerkt, als sie hervorgezogen wurden und ein Haufe grimmig grinsender Wilder um sie stand, die sie mit den Waffen bedrohten.

»Ach Jotte doch!« stöhnte entsetzt der Schneider. Henrik schwieg, obgleich auch durch ihn Schauer des Entsetzens zogen. Gleich darauf kroch Atura unter dem Boot hervor; auch auf ihn stürzten sich die Kannibalen, doch er rief dem einen der Häuptlinge, die an Bord gewesen waren, einige Worte zu, worauf dieser befahl, von ihm abzulassen.

Die Luke, welche den Eingang zu den Kajüten deckte, wurde zurückgeschoben und zu Henriks tiefstem Schrecken erschien Kapitän Jansens Haupt über Deck.

»Zurück!« schrie Henrik ihm gellend zu, alle Rücksicht auf seine eigene Lage vergessend. Doch schon sauste, von hinten her geführt, eine Keule auf des Kapitäns unbeschütztes Haupt hernieder und mit zerschmettertem Schädel sank der Körper vornüber, von kräftigen Fäusten aufs Deck heraufgerissen.

Aus der Luke aber krachten zwei Revolverschüsse und zwei Wilde schrien auf, einer brach zusammen; da wurde auch die Luke schon wieder zugezogen. Eilig wälzten auch hier die Insulaner schwere Gegenstände darauf. Einem Messerstich war Henrik nur entgangen, weil Atura ihn rasch zurückzog und sich vor ihn stellte.

Der Anblick des erschlagenen Kapitäns, dessen Blut das Deck rötete, war schauderhaft. Totenbleich standen die beiden jungen Leute da, fürchtend, daß auch sie dieses Schicksal ereile. Die Insulaner schienen aber zunächst nicht die Absicht zu haben, die waffenlosen Gefangenen zu töten. Jetzt wurde es auch im Mannschaftslogis lebendig und kräftige Versuche gemacht, die Luke zu heben. Schimpfworte drangen herauf, die Matrosen schienen keine Ahnung von dem Zustand auf Deck zu haben.

Die drei Gefangenen wurden jetzt, während eine starke Zahl der Wilden vorn Wache hielt, nach hinten geführt und Atura veranlaßt, die unter Deck befindlichen Mannschaften anzurufen. Er forderte, dem Befehl gehorchend, den Steuermann zu einer Unterredung.

Dieser kam zur Luke, als er des Insulaners Stimme hörte, doch war sein erstes Wort: »Henrik!«

»Hier, Herr!«

»Bist du gefangen?«

»Ja.«

»Ist der Kapitän tot?«

»Ja, Herr Findling, leider.«

»Wieviel der Halunken sind an Bord?«

»Wohl sechzig Mann.«

»Die Luken sind verrammelt?«

»Ja.«

Mit einer grimmigen Miene schob der früher so blödsinnig vor sich hinstierende Häuptling, der jetzt sehr energisch dreinblickte, Henrik zurück und rief Atura ein befehlendes Wort zu.

»Herr!« wandte sich dieser englisch an Findling.

»Sprich, ich höre.«

»Das Schiff ist im Besitz der Feinde.«

»Ich weiß es. Was wollen sie?«

»Ihr sollt alles, was ihr an Tauschwaren habt, herausgeben, dann wollen sie euch absegeln lassen.«

»Ja, wie den Kapitän«, murrte Findling in deutscher Sprache. »Sage ihnen, Atura«, fuhr er dann englisch fort, »ich wäre dazu bereit und wolle alles zusammensuchen; wenn aber dir oder den beiden jungen Leuten ein Leid geschehe, sprengte ich mich mit dem ganzen Schiff in die Luft, dann bekämen sie gar nichts und führen damit zur Hölle, wohin sie überhaupt gehörten.«

Der Insulaner übertrug das so gut wie möglich den Wilden und diese schienen von der Zusicherung, die Tauschwaren zu erhalten, sehr befriedigt zu sein.

Findling rief noch: »Henrik, geh nach dem Vorderdeck, wenn du kannst.«

Dieser antwortete nicht, um nicht den Verdacht zu erregen, daß die Worte ihm galten.

Die Gefangenen wurden mittschiffs geführt. Bange Minuten verflossen. Erstaunt hörte Henrik Holzäxte unter Deck in Tätigkeit. Auf eine Frage des Häuptlings an Atura über die Ursache dieses Geräusches, erklärte dieser: »Sie öffnen die Kisten, um die Waren auszupacken.«

Die Augen der Wilden glänzten vor Habgier und Mordlust.

Unbeachtet hatte sich Henrik immer mehr und mehr dem Vorderdeck genähert. Jetzt hörte er unter sich die tiefe Stimme des Steuermanns: »Antworte nicht, Henrik, wenn du es nicht ohne Gefahr tun kannst; bleibe mit den andern vorn, gehe aber aus der Nähe der Luke.«

Jetzt wußte Henrik, was die Axthiebe unten bedeuteten; durch den Raum war eine Verbindung zwischen Vorder- und Hinterschiff hergestellt worden, und die gesamte Mannschaft jetzt vereinigt.

Bald darauf rief Findling wieder an der hintern Luke den dolmetschenden Insulaner an. Dieser begab sich nach achtern und fast alle an Deck befindlichen Wilden folgten ihm. Henrik und der vor Angst halbtote Schneider lehnten sich vorn ans Bollwerk.

»Sage doch den Wilden, Atura, daß wir jetzt alles geben wollen, was wir haben, aber sie sollen sich erst an das Land verfügen.«

Als ihm dies übersetzt wurde, lächelte der Anführer der Wilden höhnisch und ließ entgegnen, sie möchten nur alles zu den kleinen Kajütenfenstern herausreichen – dort wären Kanus, um es aufzunehmen.

»Nein«, meinte Findling, »das geht nicht, sie müssen dazu die Luke öffnen.«

Dies wurde abgelehnt.

Dann war es eine Zeitlang still. Unter der Luke des Vorderdecks schrie dann Findling: »An die Bordwand, Henrik!« Und kaum hatte er dies ausgesprochen, als eine explodierende Pulverschachtel die Luke zersplitterte und zugleich die beschwerende Kiste beiseite warf. »Drupp, Jungens! Rächt unsern ollen Kaptein!« schrie Findling und sprang auf Deck. Augenblicklich krachte seine Büchse, ihre Kugel in den Haufen der Wilden sendend. Er warf sie weg und griff zum Revolver. Atura sprang hinten über Bord. Mit Hurra stürmten die wutschnaubenden Matrosen heraus, feuerten die Büchsen ab und stürzten dann, unaufhörlich aus den Revolvern feuernd, in der Linken Axt oder Lanze haltend, vor.

Die Eingeborenen waren zwar mit der Feuerwaffe und ihrer Wirkung nicht unbekannt, doch kamen diese gefürchteten Kannibalen zu selten mit Europäern in Berührung, um eine Ahnung von der Verheerung zu haben, welche das Feuer der Matrosen jetzt unter ihnen anrichtete.

 

Nachdem sie durch Beschwerung der Luken die Mannschaft unten eingesperrt hatten, hielten sie sich auf Deck für vollständig sicher und für Herren des Schiffes. Ihre Siegeszuversicht war so groß, daß die meisten ihre Waffen, Speere und Lanzen mittschiffs oder vorn abgelegt hatten.

Größer als dieses Bewußtsein war aber das Entsetzen, welches die Explosion an der Vorderluke, das Losbrechen und rapide Feuer der Matrosen hervorrief. Mehr als ein Dutzend der Ihrigen lagen tot am Boden, eine größere Zahl war verwundet, und als die furchtbaren Weißen herankamen, da sprangen alle, die es vermochten, heulend zurück. Auch Henrik hatte, als seine Kameraden vorstürmten, eine Pike ergriffen und sich ihnen angeschlossen, ihm nach eilte der fast von Sinnen geratene Schneider, mit einer Lanze, bewaffnet. Doch schon stürzten sich die Wilden kopfüber ins Wasser. Ein Verwundeter raffte sich vom Deck auf und kletterte über die Bordwand, als Fritz Fischer herankam; der jetzt sehr zornig gewordene Schneider gab dem Wilden noch einen Schlag mit der Lanze über den untern Teil seines Rückens, ehe er ins Wasser plumpste.

»Du Racker, du, du willst Beefsteak aus mir machen, dir will ich et jeben, du sollst an Fritze Fischer denken!«

Er stürmte weiter, die Lanze drohend in den Händen schwingend, gleich Ajax dem Telamonier, doch fernere Gelegenheit zu rühmlichen Taten ward ihm nicht gegeben. Die kampfbereiten Wilden waren von Deck verschwunden, und die Waffe des wütenden Schneiders wäre bald den Matrosen gefährlich geworden, wenn sie ihm nicht einer aus der Hand gerissen hätte. Die durch den Tod des Kapitäns zu wilder Wut gereizten Leute warfen alle Insulaner, ob lebend oder tot, ins Meer.

Ein gellendes Hurra feierte den glänzenden Sieg, der ihnen kein Blut gekostet hatte. Atura, der sein Leben durch einen rechtzeitigen Sprung ins Meer gerettet hatte, kletterte jetzt vorn über Bord wieder herein. Die Matrosen feuerten noch nach den im Meer Schwimmenden, aber Findling war sich trotz der Aufregung der Stunde der Gefahr, mit welcher sie die nahe, hochgelegene Küste bedrohte, von welcher die Feinde mit ihren Pfeilen das Deck bestreichen konnten, vollständig bewußt, um so mehr, als jetzt nach des Kapitäns Tod alle Verantwortung auf ihm lag. Im Kommandoton, ruhig wie sonst, schrie er über Deck: »Heda, holla! Vorwärts und den Anker up Stürbordside bracht! Vorwärts, Kinnings, wi möten maken, dat wi all von die ollen Felsen afkamen.« Gehorsam gingen die aufgeregten Leute sofort ins Boot und ans Wharptroß. Findling lud seine Büchse und forderte Henrik auf, dasselbe zu tun, um mit ihm die gefahrdrohenden Felsen zu beobachten, vor allem, um die Leute in der Jolle zu schützen.

»Ich weiß ja, du kannst schießen; wo ein Kopf erscheint, feuere darauf, du rettest einem der Unsern das Leben.«

Die Matrosen arbeiteten mit großer Energie. Bald neigte sich der Schnabel des Schiffes in den nach Süden führenden Kanal und die Leute in der Jolle kamen mit dem Wurfanker zurück.

Noch einmal nahte sich das Hinterteil des »Roland« den Uferfelsen, einige von oben herabgewälzte Felsbrocken konnten Unheil anstiften, doch nichts Gefahrdrohendes zeigte sich, die Wilden waren betäubt von der furchtbaren Niederlage. Das Schiff fing den Wind, als jetzt die Brassen angezogen wurden, und glitt vor leichter Brise nach Süden. In zwei Minuten waren sie auch vor Pfeilschüssen von den Felsen aus durch die Entfernung geschützt. Die Boote wurden gehißt und alles weggestaut. Die Leiche des Kapitäns, welche mit einem weißen Tuch bedeckt am Achterdeck lag, wurde in die Kajüte getragen und dort bis zur Bestattung niedergelegt. Findling befahl dann, das Deck zu scheuern, und noch ehe sie in den Ozean traten, waren alle Spuren des blutigen Kampfes verwischt. Findling übergab Marholm das Kommando mit dem Befehl, nach Norden aufzukreuzen. Er wollte den in der Bucht gekappten Anker nicht einbüßen und darum dem Ort einen zweiten Besuch abstatten. Dann begab er sich in die Kajüte.

Neben Henrik stand Fritz Fischer, einen erbeuteten Speer in der Hand, seine Züge glänzten in hohem Siegesbewußtsein.

»Siehste, Hamburger, det nenn ick Krieg führen, ick sage dir, wenn wir aus de Reezenjasse einmal anfangen, denn wird et aber schlimm.«

»Ja, ich habe dich bewundert. Wieviel der Feinde hast du denn wohl erlegt?« »Nu, so 'n Stücker drei hab' ich massakriert, die werden an mir denken.«

Henrik lachte herzlich, aber Fritz hielt diesen ungezügelten Ausbruch von Heiterkeit für bewundernde Zustimmung.

»Mir is et nur lieb, dat wir die Menschenfresserbande los sind, von wejen die alte Frau, die würde sich doch sehr jejrämt haben, wenn sie Hackefieesch aus mir jemacht hätten. Sage mal, Hamburger, hast du denn auch noch ne Olle?«

Als durch diese Frage plötzlich das Bild der Mutter vor Henriks Seele gebracht wurde, traten ihm Tränen in die Augen.

Fritz bemerkte das und fragte in herzlichem Ton: »Du hast ihr wohl sehr lieb?«

Henrik nickte stumm.

»Nu, ick meine ooch, un komm ick wieder zurück, soll et die Alte jut bei mir haben.«

Henrik reichte ihm die Hand und sagte: »Kehren wir zur Heimat wieder, Fritze, soll in der Reezengasse keine Not mehr herrschen.«

»Na, dat jebe der liebe Jott, et is manchmal knapp jejangen, seit Vater dod is – aber die alte Frau hat den Kobb oben, det muß jeder sagen, der ihr kennt. Wat die vor Oogen machen wird, wenn se hört, dat ick mir hier mit de Wilden rumjebalgt habe.« Er lächelte vergnügt, indem er sich ausmalte, wie er die Reezengasse mit seinen Abenteuern in Staunen setzen würde, und Henrik konnte die Vermutung nicht unterdrücken, daß die drei heutigen Opfer des Schneiders sich bis zur Rückkehr zur Heimat wohl zu einem Dutzend und mehr steigern würden.

Fritz wurde jetzt beordert, bei der Einhüllung der Leiche des Kapitäns tätig zu sein, und ging nach der Kajüte. Für drei Uhr wurde die Mannschaft im Sonntagsanzug zum Begräbnis befohlen. Man behält auf See nicht gern eine Leiche lange an Bord.

Als die Stunde gekommen war, versammelten sich die Leute auf dem Achterdeck, alle in sauberer Kleidung und Wäsche. Die Leiche des Kapitäns wurde herausgetragen. Sie lag auf einer Planke und war in Segelleinen gehüllt, ein schweres Bleistück am Fußende befestigt. Die Steuerleute waren in schwarzen Oberröcken und Kastorhut erschienen.

Findling las aus dem auf norddeutschen Schiffen üblichen Buch ein Gebet, dann ließ man die Leiche über Bord gleiten und der Seemann hatte das ihm eigenste Grab gefunden. Der wohlwollende Befehlshaber wurde von der Schiffsmannschaft aufrichtig betrauert. Hierauf wurde, soweit die Ereignisse des Tages es gestatteten, die gewöhnliche Ordnung wieder hergestellt.