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Der Letzte vom "Admiral"

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Als der »Cumberland« sich wieder mit der Welle hob, war der »Roland«, immer noch Ruder Steuerbord, weit genug abgetrieben, um jede Gefahr eines Zusammenstoßes auszuschließen.



Henrik war von dem wunderbaren Wiederfinden des »Roland« und seines fast schon tot geglaubten Freundes Findling auf das innigste erfreut. Sehnsüchtig hing sein Blick an dem in Sturm und Wellen schwankenden Schiff. Dort am Bollwerk stand Findling und schwenkte den Hut – Martin und die Matrosen schauten herüber – Henrik winkte mit der Hand – die Schiffe sanken nieder – Wasserberge türmten sich zwischen ihnen auf – und als die Fahrzeuge wieder hoch auf der Flut erschienen, war kein Gesicht mehr zu erkennen. Doch, Gott sei Dank, Findling lebte, der »Roland« schwamm noch auf dem Wasser!



Fulton und Henrik stiegen hinab; in voller Herzensfreude berichtete letzterer dem Kapitän, daß dort sein Schiff segele. Fulton teilte seine Freude.



»Wunderbar genug, Sir. Wünsche Euch Glück. Dort kommandiert ein erfahrener Seemann. Sah, wie er sein Schiff handhabt. Lassen Sie die Besangaffel aufziehen«, rief er dem Steuermann zu, »der Deutsche hat recht, daß er sie führt. Das Schiff liegt ruhiger und wir nehmen weniger Wasser über.« Es geschah, und die Wirkung war bald sichtbar.



Henrik suchte Fritz auf, der in seiner Koje lag. Als jener in die Kajüte stürmte, fuhr der Schneider erschreckt empor: »Ach Jott, jeht et wieder los?«



»Junge, Fritze, Schneiderseele – der ›Roland‹ ist da, Findling läßt dich grüßen«, jubelte Henrik. Fritze sah ihn groß an und dachte: Ach Jott, is der rappelig geworden?



»Gaffe nicht so, Schneider – es ist, wie ich sage – der ›Roland‹ ist da, nicht eine Meile von uns steht er. Komm mit an Deck, daß du ihn selbst sehen kannst.«



Fritz war zwar kein Freund vom Aufenthalt an Deck bei solchem Wetter, sprang aber doch behend aus der Koje, und mit einem »Det wäre!« folgte er Henrik. Bald sahen sie den »Roland«, der immer noch neben ihnen herlief, etwas voraus auf den Wellen schaukelnd.



»Un det, meenste, wär der ›Roland‹?«



»Ja, Fritze, das ist er, und Findling war beinahe hier an Bord.«



>»Nanu? Bei det Wetter?«



»Ja, er hatte es eilig, uns wiederzusehen.«



»Und?«



»Zog es aber doch vor, ruhigeres Wasser abzuwarten, ehe er uns seine Visite macht. Er läßt dich grüßen.«



»Na, da is aber det Ende von weg«, brachte der staunende Schneider hervor. »Hast du ihm denn gesprochen?«



»Natürlich; er sagte, er habe hier schon drei Wochen auf uns gewartet.« Mit der so unverhofften Freude wachte aller Jugendübermut in Henrik wieder auf.



»Wie konnte er denn wissen, det wir hier vorüberkutschieren würden?«



»Weißt du, was Trigonometrie ist?«



»Nee.«



»Nun, infolge trigonometrischer Berechnungen wußte er, daß wir ihm hier begegnen mußten.«



»Det jeht aber doch über die Hutschnur.«



Die geheimnisvollen Berechnungen der Schiffer, nach denen sie den Kurs bestimmen, waren Fritz freilich stets höchst wunderbar erschienen, aber diese trigonometrische Leistung schien ihm doch über das Maß des Menschlichen hinauszugehen!



»Willst du mir wieder mopsen, Hamburger?«



»Wieso denn? Du siehst doch, daß der ›Roland‹ da ist. Packe deine Sachen zusammen; sobald das Wetter es erlaubt, siedeln wir über.«



»Ooch mit die Trigonometrie?«



»Selbstverständlich, auf der Lehre vom Dreieck beruht das ganze Weltall.«



»Na, mir is et ejal, meintwegen uff en Zweieck. Aber ick freue mir doch kollosiv, det am ›Roland‹ noch allens in Ordnung is.«



Henrik teilte Kapitän Fulton seinen Wunsch mit, sobald es tunlich sei, mit Fritz und Steffen nach dem »Roland« überzusetzen, einen Wunsch, den der Engländer ganz natürlich fand. Der Wind legte sich in den nächsten Stunden, und die beiden Schiffe – der »Roland« stand kaum eine Meile ab – trugen wieder die gewöhnliche Leinwand. Als die See sich so weit beruhigt hatte, daß ein Boot ausgesetzt werden konnte, kürzte der »Roland« Segel und signalisierte, daß er den »Cumberland« sprechen wolle. Fulton antwortete, daß er beilegen werde.



Henrik hatte sein Gepäck an Deck schaffen lassen, sich dann an Steffen gewandt und diesem mitgeteilt, daß er an Bord des Schiffes, dem er angehöre, übersetzen werde, wobei er selbstverständlich voraussetze, daß Steffen ihn begleite.



»Ich gehe mit – Horsa«, hatte dieser erwidert, »ich gehe mit – immer mit.«



Als die Schiffe noch einige hundert Faden entfernt waren, legten beide bei und der »Roland« ließ ein Boot zu Wasser. In freundlicher Weise hatte Fulton sich schon von Henrik und Fritz verabschiedet. Karl Steffen aber, für dessen Schicksal er fortwährend ein besonderes Interesse zeigte, der dem »Cumberland« einen so wichtigen Dienst geleistet hatte, schenkte er zum Dank für seine kühne Tat eine silberne Taschenuhr, die der Arme mit freudigem Staunen entgegennahm.



Das Boot des »Roland« kam heran, die Kisten der jungen Leute wurden hineingeschafft, und mit kräftigen Schlägen trieben die Leute, welche Henrik und Fritz jubelnd begrüßt und Karl Steffen angestaunt hatten, das Boot zurück.



Einige Minuten später lag Henrik an Findlings Brust. Fritz war von dem Wiedersehen nicht weniger ergriffen. Die Freude der Mannschaft über die Rückkehr der Verlorengeglaubten äußerte sich auf mannigfache Weise. Verwundert blickten alle auf Steffen, der still nach vorn gegangen war. Findling führte Henrik in seine Kajüte und lauschte dort der fast wundersamen Mär von dessen jüngsten Erlebnissen. Ergreifend war ihm, daß das Geschick den Jüngling zum Grab des Vaters geführt hatte, der unter seltsamen Umständen gemordet worden war. Mit steigernder Teilnahme vernahm er von dem verwilderten Menschen, den Henrik dort gefunden und mit an Bord geführt hatte. Dann berichtete er, wie der »Roland« in jenem Sturm schwere Havarie erlitten und Poerworedja auf Java anlaufen mußte, um seine Schäden auszubessern, ehe man zu den Inseln, an denen die beiden jungen Leute Zuflucht gefunden haben konnten, zurückzukehren vermochte. Er hatte nur schwache Hoffnung gehegt, daß die Jolle sich in dem Sturm halten werde, und Henrik mit trauerndem Herzen verlorengegeben. Dennoch hatte er acht Tage zwischen den Inseln gekreuzt, nach Spuren der Verlorenen gesucht und, als alles dies vergeblich war, endlich die Fahrt nach Ceylon wieder aufgenommen, mit der Überzeugung, daß das Meer die Jolle mit ihren Insassen verschlungen habe.



»Die Überraschung, als ich dich im Besan des Engländers erblickte«, so schloß er, »war so jäh, so gewaltig, daß ich fast auf den ›Cumberland‹ aufgelaufen wäre, und immer noch erscheint mir deine Rettung wie ein Wunder.«



Während Findling mit Henrik in der Kajüte weilte, umringten die Matrosen Fritz, um von ihm zu erfahren, was mit ihm und Henrik in jener Zeit vorgegangen sei.



Staunend horchten sie, als der Schneider den Aufenthalt auf der Insel beschrieb, ihnen erzählte, wie sie mit Tigern und Panthern gekämpft hatten, wie ein gelber Prinz mit unzähligen Dienern und einer Jacht, wie sie prächtiger kein Kaiser habe, gelandet sei, um zu jagen. Er vergaß nicht, den Überfall durch die Malaien kräftig auszumalen, erwähnte, wie Henrik der Durchlaucht das Leben gerettet und wie er selber durch kaltblütige Entschlossenheit einige von der Mörderbande gefangengenommen habe. Von dem verwilderten Menschen, den sie gefunden, von dem einsamen Grab und allem, was sich daran knüpfte, sprach er, nach Henriks Wunsch, nicht. Dann erzählte er mit glühender Phantasie von seinem Aufenthalt auf Lombok, dem Schloß, den Fürsten, der Besteigung des Rindjani mit ihren wundersamen Abenteuern und vergaß nicht, besonders da Henrik nicht dabei war, seine unglaublichen Taten gebührend hervorzuheben.



»Det war ne vornehme Sache bei die jelbe Durchlaucht Exzellenz, det kann ick euch aber sagen. Jold un Silber un Diamanten, det lag nur so haufenweise rum, und Elefanten und Rhinozerosse und Kamele jingen man so in den Jarten spazieren, un uff alle Bäume saßen dressierte Papageien un sangen die schönsten Arien. Aber fein, det könnt ihr jlooben. Mit die alte Durchlaucht hatte ick mir so befreundet, det sie mir zum Geheimrat oder so wat machen wollte, ich lehnte et aber ab, weil ick doch wieder nach Hause muß. Als ich aber nu schließlich eine janze Schlacht jewonnen hatte, da hat er mir mit Tränen in de Oogen seinen höchsten Orden verlihen, erste Jlasse am blauen Band um den Hals. Un die um den Hals det sin die richtigen.«



Matrosen sind Freunde von wunderbaren Begebenheiten und erzählen gerade solche mit Vorliebe, die des märchenhaften Charakters nicht entbehren, die letzten Schilderungen des Schneiders erschienen ihnen indessen doch zu bunt.



»Na, Sneffter«, sagten die einen, »wenn wi di dat all gläuwen söllt, dann lat us doch den Orden 'n beten ankieken.«



Würdevoll zog Fritz seinen Ring, den er an einer starken Schnur um den Hals und auf der Brust verborgen trug, hervor und zeigte ihn den über die Pracht des Steines erstaunten Leuten.



»Dat is awer 'n Ring.«



»Det is uff Lombok der Diamantenorden erster Klasse und verleiht den erblichen Adel.«



»Donderslag, dann bist du ja een von de Barons?«



»Det will ick meenen.«



So wenig die Matrosen den Erzählungen des drolligen Schneiders, der bei ihnen seiner Anspruchslosigkeit und Gefälligkeit wegen sehr beliebt war, Glauben schenkten, so sehr imponierte ihnen der Ring, dessen Wert einige von ihnen annähernd zu schätzen wußten.



»Donnerkiel, so 'n Orden wulld ick ook woll hewwen.«



Nachdem sie das Schmuckstück genügend bewundert, fragte einer der Leute: »Wat is denn dat vor'n Kirl, den Ji an Bord bracht hewwt?«



Fritz war sich dessen, was ihm Henrik eingeschärft hatte, bewußt. Henrik wollte nicht haben, daß Steffen ein Gegenstand unpassender Neugierde oder gar roher Scherze würde, und deshalb sollte der Zustand, in welchem sie ihn gefunden, der Mannschaft verborgen bleiben.

 



Fritz sagte deshalb nur: »Das ist ein schiffbrüchiger Matrose, der mit uns fahren will.«



Damit waren die Leute zufrieden, denn daß er ein Seemann war, hatten sie in der Art, wie er an Bord stieg, erkannt.



Auf dem Vorderdeck hatte sich, während die Matrosen mittschiffs um Fritz herstanden, eine wundersame Szene abgespielt. Martin, der alte Matrose, der immer noch aushilfsweise den Steuermann während der Wache vertrat, hatte dem Schneider eine Zeitlang zugehört und war dann nach vorn gegangen, um sich den Fremden näher zu betrachten. Steffen hatte sich am Fuß des Gangspills niedergelassen und sah nachdenklich vor sich hin. Der Ausdruck seiner Züge war, seitdem er die Insel verlassen und wieder unter Menschen, unter seinesgleichen weilte, ein anderer geworden. Die träumerische Stumpfheit war von seinem Gesicht gewichen und hatte einem Ausdruck von Intelligenz Platz gemacht, der, wenn Henrik mit ihm sprach und Erinnerungen in ihm wachzurufen suchte, lebendiges Geistesleben erkennen ließ.



Martin musterte den gebräunten, narbigen Burschen, der da vor ihm saß, von oben bis unten. Steffen, der sinnend ins Weite gesehen hatte, richtete das Haupt auf und blickte mit seinen blauen Augen Martin gerade an.



Dieser zuckte zusammen, als ob er einen elektrischen Schlag bekommen hätte, und starrte den Mann fast fassungslos an. Dann holte er tief Atem und sagte: »Bist du Korl Steffen, min Backkamrad von datomalen?«



Nach einer Weile entgegnete der Angeredete, dessen Blicke forschend auf Martins Gesicht weilten: »Ich bin Karl Steffen aus Finkenwerder.«



»Herr und Gott, dat gifft doch noch Wunners! Korl, Korl, kennst du mi denn nich mehr?«



Immer noch war das Auge Steffens fragend auf Martins Züge gerichtet.



»Karl, besinn di – wie makten tausamen use erste Fohrt upde ›Anna Marie‹, weeßt noch? Wo oft sün wie tosamen segelt – besinn di.«



Als Steffen immer noch nicht antwortete, seufzte Martin: »Ach du leiwe God, ick gläuw, de Kirl is dösig.«



Gleich darauf aber fuhr er wieder fort: »Weest du noch, min Jung, as wi mal seekrank weeren und halfdod in use Kojen leegen, und de Stürmann keem mit dat Tauende un bracht us dormit an Deck? Ick seh di no upalle vör uppentern.«



Da lachte Steffen still in sich hinein, das Bild, welches jener zurückzurufen sich bemühte, mochte wohl vor seinem Geist aufgestiegen sein. Er sah Martin wieder an, stand auf, legte die Hände auf seine Schultern, blickte ihm treuherzig in die Augen, und dann kam es leise von seinen Lippen: »Jetzt weiß ich's – du bist Martin Härting von Ritzebüttel, mein alter Maat.«



»Jonge! Jonge! Wi mi dat freut, dat du mi nu all wedderkennst!«



Findling und Henrik waren auf Deck erschienen, hatten Martin eifrig auf Steffen einredend erblickt und den letzten Teil ihrer Unterredung mit angehört. Der Kapitän rief Martin an. Gehorsam schritt dieser zu ihm.



»Oh, Kapitän«, sagte Martin, der, wenn er mit Findling sprach, in sein aus allen niederdeutschen Dialekten gemischtes Schifferplattdeutsch auch gar noch Hochdeutsch einfließen ließ, »der Mann ist en ohlen Schiffskamerad von mir, den ich lange für tot hielt – oh, et ist ganz merkwürdig. Ich habe ihm gleich erkannt, trotz der Jahre, die twischen liegen – und he besann sich jetzt auch auf mi. Min God, wer harr dat woll dacht!«



Findling nahm ihn beiseite und teilte ihm mit, unter welchen Umständen Karl Steffen unter Menschen zurückgekehrt sei, und wie es deswegen sowohl der Verschwiegenheit, als der vorsichtigen Behandlung des Mannes bedürfe, um seinen Geist wieder ganz erstarken zu lassen.



Betroffen vernahm dies Martin.



»Awer dösig is hei nich, hei hedd mi kennt.«



Er versprach, den Mann ruhig seiner Wege gehen zu lassen, und bat nur, ihn seiner Wache zuzuteilen. Dies wurde ihm zugesagt.





Point de Galle



Yenrik war über die Begegnung zwischen Steffen und Martin hocherfreut, bildete die Jugendfreundschaft zwischen beiden doch eine neue starke Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart herüber.



Findling ließ zur Feier des freudigen Ereignisses der Wiederkehr der beiden jungen Leute der Mannschaft einen Extragrog reichen. Bald fügte sich alles wieder in die gewohnte Ordnung. Henrik tat Dienst in der Steuerbordwache, Steffen wurde der Mittelwache zugeteilt, und der durch seine abenteuerlichen Erlebnisse höchlich aufgeblasene Schneider flickte wieder die Jacken und Hemden der Mannschaft, wenn auch nicht gerade mit Behagen. Mit günstigem Wind liefen sie nordwärts auf Point de Galle zu.



Steffen, der freundlich, aber schweigsam einherging und seine Arbeit tat, stand bald durch seine Geschicklichkeit und ungewohnte Muskelkraft bei der Mannschaft in hoher Achtung. Martin behandelte ihn, durch Findling und Henrik angeleitet, mit großer Klugheit. Er sprach, wie es die Gelegenheit bot, von ihrer gemeinsamen Vergangenheit, ohne nach seinen Schicksalen zu fragen, und behandelte ihn im Dienst, den Steffen freilich fast instinktiv in allen seinen Einzelheiten noch inne hatte, als ob jener nie das Deck eines Schiffes verlassen hätte. Martin entsann sich sehr gut, daß Steffen unter Kapitän Horsa mit dem »Admiral« ausgefahren und mit diesem verschollen war. Einen gewaltigen Eindruck machte es auf ihn, als er erfuhr, wo die Mannschaft des »Admiral« geendet hatte, und daß Steffen als einziger Überlebender der Wächter des Grabes gewesen war, in dem sein Kapitän und seine Schiffskameraden schliefen.



»Hier, Henrik«, sagte er wieder in seinem eigentümlichen Gemengsel von Hoch und Platt, »is en verruchtes Verbrechen begangen worden! Aber der liebe Gott hat Sie nicht umsonst an das Grab Ihres Vaters föhrt und Karl finden laaten. Der Tag der Vergeltung für das vergossene Blut wird kommen, gläuwen Se mi man!«



Er erzählte auch von Steffen, daß er sich schon früh durch Geschicklichkeit und außerordentliche Körperkraft sowie durch kindliche Gutmütigkeit ausgezeichnet habe; daß es sehr schwer gewesen sei, ihn zum Zorn zu reizen; war das aber geschehen, dann hätte man allen Grund gehabt, ihn zu fürchten.



Bemerkenswert war es, daß Steffen jetzt oft auf ein Gespräch über gemeinsame Jugenderlebnisse mit freudiger Erinnerung einging, dagegen über den Untergang des »Admiral« und sein Leben auf der Insel tiefes Schweigen bewahrte.



Für Henrik zeigte er eine Hingebung, die wahrhaft rührend war. Hatte jener oben etwas zu tun, und Steffen war gerade frei, so zeigte dieser sich sofort bereit zu helfen oder ihm die Arbeit abzunehmen, so daß Henrik sich oft genug dagegen wehren mußte.



Für einen Seemann wie Findling war der als Waldmensch aufgefundene Matrose ein Gegenstand hohen Interesses. Er beobachtete ihn, soweit es seine Stellung zuließ, fortwährend und gewahrte mit Freuden, wie ruhig und sicher er im Dienst war. So hatte er ihn nach der Reihe der Mannschaftsordnung auch an das Steuer treten lassen, freilich nicht ganz ohne Besorgnis; aber Steffen entwickelte auf diesem besonders verantwortlichen Posten in so hohem Grad die gewissenhafteste Aufmerksamkeit und seemännische Geschicklichkeit, daß bei Findling jede Befürchtung schwand. Es war ganz augenscheinlich, daß der stille Mensch sich in der altgewohnten Umgebung langsam aber sicher selbst wieder fand. Der geheimnisvolle Untergang des »Admiral« an einer unbewohnten Insel erregte auch in Findling den lebendigen Wunsch, die nähern Umstände kennenzulernen, die zu diesem Unglück führten, doch mußte man die Aufklärung, mit Rücksicht auf Steffen, späterer Zeit überlassen.



Nach einer ruhigen Fahrt lief der »Roland« in den geräumigen Hafen von Point de Galle ein. Schiffe aller europäischen Nationen ankerten vor diesem bedeutenden Handelsplatz und zwischen ihnen chinesische Dschunken, Fahrzeuge aus indischen Gewässern und die eigenartigen Schiffe der Araber, welche – beiläufig bemerkt – noch immer ein sogenanntes lateinisches, das ist dreieckiges Segel führen. Ein buntes Gemisch von Singalesen, Chinesen, Indern, Malaien, Arabern, Negern, in allen möglichen Farbenabstufungen, vom leichten Gelb bis zum dunkelsten Schwarz, belebte Hafen und Quais, und ein Sprachengewirr herrschte, welches an den Turmbau zu Babel erinnerte.



Kaum hatte der Hafenoffizier dem Schiff seinen Platz in der Reihe der andern angewiesen, kaum war der »Roland« festgelegt worden, als auch schon der Agent des Hauses Oswald & Co. an Bord erschien. Findling stellte sich ihm als den derzeitigen Befehlshaber des Schiffes vor und gab einen kurzen Bericht über das Ende Kapitän Jansens.



Der Agent, ein Herr Spieß, der die ausgedehnten Handelsverbindungen des Hauses auf Ceylon zu überwachen und den Verkehr mit den einheimischen Handelshäusern zu vermitteln hatte, war ein noch junger Mann, von magerer, kleiner Gestalt und einem Gesicht, welches lebhaft an Reineke Fuchs erinnerte. Die zurückliegende Stirn, die vorstehende schmale und lange Nase, das spitze Kinn, die kleinen, funkelnden, dunkeln Augen riefen bei jedem Beobachter diesen Vergleich hervor. Klugheit und Verschmitztheit lagen in diesem Gesicht, dessen gelbliche Farbe nicht auf gute Gesundheit schließen ließ, während die ziemlich stark gerötete Nase auf den häufigen Genuß geistiger Getränke hinzudeuten schien. Er war in einen sehr eleganten hellen Anzug gekleidet und hatte verbindliche Manieren. Herr Spieß kam mit einer gewissen Hast an und seine erste Frage war, ob ein Superkargo oder sonst ein Bediensteter der Firma vom Kontor an Bord sei. Als diese Frage verneint wurde, nahm er sofort eine ruhigere Haltung an. Die Geschäfte zwischen ihm und Findling waren rasch erledigt. Die Konnossemente gaben genau an, was gelandet werden sollte, und des Herrn Spieß Sache war es, den »Roland« nach Auftrag des Hauses zu beladen. Er forderte Findling noch auf, während dessen Aufenthaltes in Point de Galle sein Gast zu sein, was dieser aber höflich ablehnte.



Am andern Tag begab sich Findling zum Konsul, um amtlichen Bericht über die Vorgänge an Bord und den Tod des Kapitäns abzustatten. Nachdem ein Protokoll aufgenommen war, führte der Konsul, Herr Peters, Findling in sein Privatgemach. »Oswalds haben mir da eine absonderliche Aufgabe zugewiesen, die Ermittlung der Abreise meines Vorgängers Isenhoit betreffend«, sagte der Konsul, nachdem sie sich niedergelassen hatten. »Sie sind von dem, was zu erforschen wäre, unterrichtet?«



Findling teilte mit, was ihm aus den Papieren des Kapitäns über die Sache bekannt geworden war.



»Ich habe die Akten des Konsulats und die amtlichen Hafenregister zu Rate gezogen, bisher aber nur feststellen können, daß Isenhoit im Juni des Jahres 1854, begleitet von seinem kleinen Sohn, dessen Wärterin und einem Diener, mit der Bark ›Elisabeth‹ von hier abgesegelt ist; diese Bark ist im Atlantischen Ozean verschollen. Kurz vorher war ein spanisches Schiff, der Schnellsegler ›Gallego‹, nach Cadix in See gegangen. So weit stimmt also die Aussage des Evers. Ob der ›Gallego‹ zu jener Zeit ebenfalls zugrunde gegangen, habe ich noch nicht ermittelt, doch erwarte ich darüber Nachricht von den spanischen Behörden, an die ich mich brieflich gewandt habe. Außeramtliche Nachforschungen haben zu keinem greifbaren Resultat geführt. Von den jetzt hier lebenden Deutschen war keiner zu jener Zeit in Point de Galle anwesend, Europäer halten an diesem ungesunden Platz nicht lange aus. Ich habe einige der ehemaligen Diener Isenhoits ermittelt, Eingeborene; aber die wissen weiter nichts, als daß ihr einstiger Herr mit einem großen Schiff davonfuhr. Nur ein hier lebender Malaie, der eine Schenke für Seeleute hält und mit den Matrosen allerlei mehr oder minder ehrenwerte Geschäfte macht, der auch Isenhoit gelegentlich als Makler gedient haben will, entsann sich, daß der Konsul mit einem andern Schiff abgesegelt sei, als dem ursprünglich bestimmten, und zwar weil er Nachrichten aus Deutschland bekommen hatte, die seine baldige Anwesenheit dort wünschenswert machten. Er hätte deswegen das früher in See gehende und schnellere Schiff benutzt. Ob es ein Spanier gewesen sei, wußte der Mann nicht mehr; indessen ist die Aussage dieses Malaien so verworren, daß man keinen besondern Wert darauf legen kann. Über die Hamburger Matrosen Evers und Werner geben die Konsulatsakten nichts an. Freilich will das, da ein Teil des Archivs durch Feuer zerstört worden ist, nicht viel sagen. Für die Behauptung des Evers spricht also nur die Aussage Ali Tungas, des Malaien, den Sie ja selbst vernehmen können; er haust unten am Hafen und spricht ganz gut Englisch.«



Aus all dem glaubte Findling entnehmen zu können, daß die Aussagen des Evers doch wohl auf Wahrheit beruhen mußten, so verwunderlich es auch war, daß sich weder hier noch in Deutschland Aufzeichnungen oder Briefe vorfanden, aus denen hervorging, ob und wann der Konsul ein anderes Schiff, als das ursprünglich bestimmte, zur Heimreise benutzt habe. Wenigstens aber dienten diese spärlichen Nachrichten dazu, seine Fahrt nach dem Schatz weniger aussichtslos zu machen. Den Malaien wollte er aufsuchen. Konsul Peters, dem Findling sehr gefallen hatte, bat ihn, sein Haus als sein eigenes zu betrachten, er sei jederzeit willkommen.

 



Als Findling an Bord zurückkam, fand er Henrik an Deck eifrig einem eben einlaufenden englischen Dampfer nachschauend, der in der Nähe des »Roland« vorbeigestrichen war.



»Nun, was hat denn der Steamer Bemerkenswertes?« fragte Findling.



»Wenn es jemals einen Doppelgänger gegeben hat so dürfte er dort an Bord sein. An jenem Hinterdeck stand ein Mann, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit meinem Vetter Onno hatte.«



»Der Engländer kommt über Singapore von China, Junge, und von der Seite dürfte dein Verwandter schwerlich anlangen.« Findling schlug dann vor, später an Land zu gehen, um Wäsche und Kleider für ihn einzukaufen, was Henrik sehr angenehm war.



Das Schiff und die Leitung des Löschens und Ladens wurde Marholm überlassen. Ein Dutzend Malaien war für die Arbeit angeworben worden.



Für den Abend hatte Findling beschlossen, das Lokal des Malaien Ali Tunga aufzusuchen, und Henrik aufgefordert, ihn zu begleiten.



»Du bekommst in einer solchen Spelunke, hier, wo sich Asien und Europa ein Stelldichein geben, ein gutes Stück Welt zu sehen.«



Natürlich sagte Henrik vergnügt zu.



»Kennst du übrigens«, fuhr er, während sie an Deck im Schatten des Sonnensegels hin und her schritten, fort, »den Namen Isenhoit?«



Höchlichst erstaunt blickte Henrik bei dieser Frage zu ihm auf.



»Oh, gewiß.«



»Hast du von einem Konsul Isenhoit etwas gehört, der vor Jahren hier amtlich tätig war?«



»Auch das. Aber verzeihen Sie, Herr Findling, wie kommen Sie zu dieser Frage?«



»Davon nachher. Was weißt du von diesem Isenhoit?«



»Er ist vor Jahren – wie lange es her ist, weiß ich augenblicklich nicht – auf der Rückfahrt nach Europa untergegangen. Seine Witwe ist die teure Freundin meiner Mutter, und sie weint noch heute um den Gemahl und ihr Kind, die beide das Meer verschlang.«



»Sind die Isenhoits reich?«



»Sie waren einst begütert und gehören zu den ältesten Geschlechtern Hamburgs; auch der Konsul, der, wie ich glaube, der Letzte der Familie im Mannesstamm war, dürfte mindestens wohlhabend gewesen sein. Doch ist sein Vermögen mit ihm zugrunde gegangen.«



»Also seine Witwe lebt noch?« fragte Findling gedankenvoll.



»So hoffe ich.«



»Und ist sie arm?«



»Ich fürchte, sehr arm.«



»Hm. Weißt du, wo der Konsul zugrunde ging?«



»Im Atlantischen Ozean mit der Vark ›Elisabeth‹.«



»Das hast du von Frau Isenhoit?«



»Aus ihrem Munde.«



»Wo war denn die Frau, während ihr Mann auf See sich befand? Wenn du des Konsuls Gattin kennst und sie sogar mit deiner Mutter befreundet ist, bist du ja wohl über diese Verhältnisse unterrichtet.«



»Frau Isenhoit war nach Deutschland geeilt, weil ihre Mutter schwer erkrankte, und hatte Mann und Kind, einen Säugling, hier zurückgelassen. Erst nach geraumer Zeit folgte ihr der Konsul, der, nachdem er seine Geschäfte abgewickelt hatte, sich wieder im Vaterland niederlassen wollte. Vater und Kind versanken im Meer und mit ihnen auch das Vermögen, welches der Konsul, der ein Kenner war, vorteilhaft in Edelsteinen angelegt hatte.«



Die Gattin war also, so mußte sich Findling sagen, jedenfalls der Überzeugung, daß Isenhoit auf der »Elisabeth« gesegelt sei. Nach Deutschland war also keine Kunde gelangt, nach welcher der Konsul das Schiff gewechselt habe. Über den Grund, welcher ihn veranlaßte, nach Isenhoit zu fragen, ließ er sich Henrik gegenüber nicht aus, so sehr dieser auch begierig war, zu erfahren, wie Findling dazu gekommen sei, so ganz unerwartet den ihm wohlvertrauten Namen zu erwähnen. Findling ließ überhaupt das Thema fallen.



Die Mannschaft hatte Erlaubnis erhalten, an Land zu gehen, bis auf zwei Matrosen, welche der Wachtdienst auf dem Schiff erforderte. Karl Steffen, dem das rege Getriebe am Hafen wenig angenehm zu sein schien, hatte keine Lust bezeigt, das Schiff zu verlassen, und Martin, der sich aus den Fre