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Der Letzte vom "Admiral"

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Obgleich die Balinesen und Henrik noch einmal feuerten, sahen sie doch ihren Untergang vor Augen, die Träger suchten bereits das Weite.

»Gott sei mir gnädig«, murmelte Henrik, »aber wehrlos fallen will ich nicht!« Trotzigen Angesichts und blitzenden Auges schwang er die Büchse ums Haupt, bereit, bis zum letzten Augenblick zu fechten. Vor ihn stellte sich Karl Steffen, der die Lanze eines der entflohenen Träger ergriffen hatte: »Horsa nichts tun«, sagte er, sein Leben für das des Sohnes seines Kapitäns darbietend.

Das gellende, weithin hallende »Ahi!« des Schlachtrufs der Balinesen wandte aller Blicke und brachte die Sassaker zum Stehen. Eine starke Reiterschar, die langen Lanzen eingelegt, bog um das Gehölz und stürmte in vollem Rosseslauf auf die Feinde zu.

Voran jagte der Führer, den blitzenden Säbel in der Hand.

»Anak Madé!« schrien die Balinesen neben Henrik wie besessen und nahmen dann den Schlachtruf auf. Es war der Sohn des Radscha, der zu kühnem Angriff seinen Reitern voranstürmte.

Mit einem gräßlichen Angstgeheul stürzten die gänzlich überraschten Sassaker davon, sich über das Feld zerstreuend. Das Erscheinen Anak Madés brachte alles zu wilder Flucht. Staunend und jubelnd sah es Henrik. Prachtvoll war der Anblick, wie die malerisch gekleideten Reiter einherjagten. Ihre langen Lanzen bohrten sich in die Leiber der Flüchtenden.

Fritz, der jetzt durch das Geschrei veranlaßt, hinter seinem Busch hervorlugte, die Feinde fliehen sah, Henrik jubeln hörte, schrie ein über das andere Mal: »Hurra!« Diese kriegerische Kundgebung verstummte aber alsbald, als er den Führer der Sassaker, der sich aus dem Gedränge losgemacht hatte, in wilder Eile auf sich losstürmen sah.

»Ach du meine Jüte, det jilt mir.« Der Sassaker hatte Fritz wohl kaum gesehen, dachte jedenfalls nur an Rettung vor den Reitern Anak Madés und lief was er konnte.

Wenn er seine Richtung beibehielt, mußte sie ihn dicht an dem Busch, der Fritz barg, vorüberführen, und dies mochte wohl in dem Schneider den Glauben erregen, daß er auf ihn zulief.

Der durch Todesangst zur Verzweiflung getriebene Berliner warf dem Flüchtigen einen Ast, den er krampfhaft ergriffen hatte, vor die Füße, und zwar so glücklich, daß der schwere Mann darüber stolperte, mit voller Wucht zur Erde stürzte und besinnungslos dalag.

»Hurra! Wir haben ihm«, schrie Fritz in hoher Aufregung. »Fangt ihm! Hurra!« und lief zu Henrik, Schutz bei ihm zu suchen.

Dieser und die Balinesen, welche nur Augen für die Reiter hatten, so aufmerksam gemacht, kamen heran, und die Soldaten Ara Labungs bemächtigten sich leicht des so schwer niedergestürzten Mannes. Kaum war das geschehen, als Anak Madé heranjagte. Seine Freude war groß, als er die beiden Europäer wohlbehalten vor sich sah. »Ich hätte mir das ganze Leben hindurch Vorwürfe gemacht, wenn euch ein Unheil getroffen hätte. Die Schurken haben mich getäuscht«, sagte er.

Ara Labung stattete ihm jetzt kurzen Bericht über die Reiseerlebnisse ab, die der Prinz nicht ohne Verwunderung hörte. Als er erfuhr, daß der Verräter Rasido unter des Offiziers Kugel gefallen sei, sagte er: »Er hat Glück gehabt.«

Sein Blick fiel jetzt auf den gefangenen und gebundenen Führer der Sassaker. »Oh, Ita Rasu, bist du in meiner Gewalt? Du sollst es büßen, die Waffen gegen mich erhoben zu haben. Wer nahm ihn gefangen?«

Die Soldaten, die auf des Schneiders Geschrei herbeigeeilt waren und sich des Bewußtlosen bemächtigt hatten, deuteten auf Fritz.

»Was?« sagte erstaunt Anak Madé. »Sie, mein jugendlicher Freund, haben diesen gefährlichen Mann überwältigt?«

»Ja, Durchlaucht Exzellenz«, erwiderte der von der Frage verständigte Fritz, »er wollte sich an mir machen, aber da warf ick ihm den Knüppel zwischen die Beene. An die Wimpern laß ick mir nich klimpern.«

»Ich bin sehr erfreut, daß dieser Mann nicht entkommen ist. Sie haben ebensoviel Kaltblütigkeit wie Tapferkeit bewiesen. Ich bin Ihnen aufrichtig dankbar.«

»Wenn ick nu nich wenigstens die vierte Klasse kriege, dann jibt et keene Gerechtigkeit uff Erden«, murmelte Fritz hierauf in sich hinein. »Det soll mir eener nachmachen.«

Was von den Sassakern nicht niedergestreckt war, hatte die Flucht ergriffen, und die Reiter kehrten zurück. Gleichzeitig traf ein starker TruppInfanterie auf dem Feld ein.

Anak Madé erteilte Befehle, die auf die Gefangennahme der in dem Felsengewirr sich befindenden Sassaker Bezug hatten, mit deren Besiegung Ara Labung betraut wurde, und lud dann die jungen Leute ein, mit ihm nach Gunung Sari zurückzukehren. »Nur die Sorge um Sie hat mich ins Feld getrieben«, sagte er, »meine kriegerische Aktion gegen die Rebellen beginnt erst, wenn ich genügend Truppen vereinigt habe.«

Es wurden Pferde gebracht, und Henrik und Fritz ritten in Begleitung eines Trupps nach dem Schloß des Radscha. Steffen lief nebenher.

Während sie gemächlich dahinritten, fragte Henrik den Schneider: »Wo warst du denn, während wir andern fochten.«

»Icke? Ick hatte mir aus strategischen Gründen in't zweete Treffen zurückjezogen, ick machte die Reserve, und die Reserve is immer die Hauptsache, sagte der Feldwebel, der eene Stiege unter uns wohnte.« »So, du warst in Reserve?« »Na, woll nich? Ich lauerte auf den Haupträuber un habe 'n denn ooch jlücklich erwischt.«

Henrik, der wohl gemerkt hatte, wie eilig der Schneider verschwunden war, als die Gewehre der Sassaker knallten, war eigentlich froh gewesen, daß der Berliner Jüngling sich aus der Schußlinie entfernt hatte, denn nützen konnte er doch nichts. Da ihn aber die Prahlereien Fritzens stets von neuem amüsierten, sagte er nur: »Ich dachte, du habest dich beiseitegedrückt.« »Een Drückeberger? Icke? Da kennst du mir aber schlecht.« »So hätten wir also eine neue Heldentat von dir zu verzeichnen.« »Ah, det mach ick immer so.«

»Und verkriechst dich, wenn's losgeht?«

»Ick sagte dir schon, aus strategische Jründe«, entgegnete ärgerlich Fritz. »Willst de mir vielleicht um meine Reputation bringen.«

»Um den Heldenlorbeer auf deinem Haupt? Nein. Ich sehe immer mehr ein, daß Falstaff recht hat, wenn er sagt, daß Vorsicht der Tapferkeit besseres Teil ist. Du kennst Sir John Falstaff?«

»Nie von jehört.«

»Na, der war ebenso tapfer wie du.«

»Mir ejal, jeder tut wat er kann, und ick gloobe, ick habe et janz jut jemacht.«

Aus des Prinzen Mitteilungen, der sich persönlich aufgemacht hatte, um sie aufzusuchen, entnahmen sie, daß der Aufstand größern Umfang angenommen habe und daß Mr. Blake mit dem »Arang« nach Bali gesegelt sei, um Truppen herüberzuholen. Je näher sie Gunung Sari kamen, desto häufiger trafen sie auf lagernde Regimenter.

Spät gegen Abend trafen sie in der Hauptstadt ein. Henrik und Fritz bezogen ihre bisherige Wohnung und sanken nach den Anstrengungen der letzten Tage bald in tiefen Schlaf. Karl Steffen, der treulich gefolgt war, suchte sich im Park ein Nachtlager.

Sie hatten am andern Morgen kaum gefrühstückt, als ein Inder bei ihnen erschien, der in schwer verständlichem Englisch den Wunsch Anak Madés übermittelte, sie sofort zu sehen. Unter des Boten Führung begaben sie sich eilig zum Palast, in dessen Seitenflügel der Sohn des Radscha wohnte. Sie trafen auf ihrem Weg viele Reiter, welche wohlgeordnet hielten und einen durchaus kriegerischen Eindruck machten.

Das Vorzimmer des Prinzen war mit Offizieren gefüllt, die neugierig die Milchgesichter und besonders den Schneider anstarrten. Nach einigem Harren wurden sie bei Anak Madé eingeführt, der, bereits kriegerisch gerüstet und, wie es schien, sehr ernst gestimmt, sie mit gewohnter Herzlichkeit empfing. »Ich erhielt gute und schlimme Nachrichten, meine Freunde. In Ampanan ist gestern ein englisches Schiff eingelaufen, welches nach Madras in See geht. Es steht euch frei, diese Gelegenheit zur Heimkehr zu benutzen, wenn ihr mir nicht die Freude machen wollt, länger meine geehrten Gastfreunde zu sein. Ihr seid in Gunung Sari für alle Zeit willkommen. Zwar muß ich euch verlassen, ernste Nachrichten aus dem Osten zwingen mich, in einer Stunde auf dem Weg dorthin zu sein, ob und wann ich wiederkehre, wissen die Unsterblichen allein. Ich muß den Aufstand rasch und blutig unterdrücken – und«, fügte er nachdrucksvoll hinzu, »es wird geschehen.«

Es lag in der Haltung des jungen Mannes der hoheitsvolle Ernst und die gehaltene Energie, die den Gebieter kennzeichnen und Ehrfurcht abnötigen. Als Fritz Fischer die Worte des Prinzen übertragen waren, sagte dieser: »Dann wollen wir machen, daß wir hier von wegkommen, Hamburger, denn wenn ick mir ooch nich fürchte von Krieg, so bin ick doch kein Freund nich von. Hat er sonst nischt gesagt?« fragte er hastig mit erwartungsvollem Blick.

Henrik erklärte hiernach dem Prinzen, daß sie es unter diesen Umständen vorzögen, das englische Schiff zu benutzen, und sprach seinen Dank für die gastliche Aufnahme aus.

»Nicht doch, ich bin euch Dank schuldig und werde dessen auch nie vergessen, wie ich hoffe, daß auch ihr Anak Madé ein freundliches Andenken bewahren werdet.«

Er überreichte Henrik ein goldenes mit Edelsteinen geschmücktes Armband von kunstvoller indischer Arbeit und Fritz ein kleineres zugleich mit einem kostbaren funkelnden Ring. Beides von hohem Wert. »Dies zur Erinnerung an mich.«

Fritz starrte seine Geschenke und besonders den Ring mit grenzenlosem Erstaunen an.

»Det schenkt mir die Exzellenz? Ach Jotte doch! Da is aber det Ende von weg.«

Hierauf händigte Anak Madé Henrik ein Taschenbuch ein, das eine stattliche Zahl englischer Banknoten barg.

»Hier sind die Mittel zur Rückkehr in eure Heimat und eine Summe für den guten Waldmenschen, um ihm den Schritt in seine frühern Verhältnisse zu erleichtern.«

 

Henrik war von so viel Güte gerührt und sagte dies auch dem Prinzen.

Anak Madé wiederholte: »Ich bin euch verpflichtet«, und reichte Henrik die Hand.

Als er sich dann an Fritz wandte und mit einem feinen Lächeln sagte: »Ich hoffe, Sie werden freundlich meiner denken und stets die Ihnen angeborene Tapferkeit bewahren«, entgegnete dieser: »Ich bedanke mir noch schönstens, Exzellenz Durchlaucht, un wenn Sie mal nach Berlin kommen, jehen Sie mir nich vorüber, Reezenjasse 17, vier Treppen in't zweete Hinterhaus. Jrüßen Sie mir ooch die alte Exzellenz und sie hätte mir sehr jefallen.«

Fritz war sehr bewegt, als er diesen Abschiedsgruß stammelte, den Henrik freilich nur in sehr freier Übertragung dem Prinzen vermitteln konnte. Nachdem der Prinz noch gesagt, daß sein Vater sich aus Gesundheitsrücksichten die Freude versagen müsse, die Deutschen zu empfangen, daß er aber das Beste für ihre Zukunft wünsche, verabschiedete er sich mit warmer Herzlichkeit.

Bald darauf verließ er an der Spitze von zweitausend Reitern Gunung Sari.

Da nach seiner Abreise die beiden Jünglinge nichts mehr hier fesselte, ließen sie Anstalten treffen, um nach Ampanan an Bord des Engländers überzusiedeln. Als die Pferde zur Reise vorgeführt wurden, fragte Henrik Fritzen, der in einem Meer von Wonne schwamm und immer wieder seine Geschenke liebevoll betrachtete: »Wollen wir nicht auch den grauen Papagei mitnehmen?«

»Det falsche Beest? Erinnere mir nur nich daran.«

Gefolgt von dem unermüdlichen Steffen und begleitet von zahlreichen Dienern traten sie ihren Weg nach Ampanan an. Fritz hatte nur noch den einen Wunsch, sich im indischen Anzug hoch zu Roß photographieren lassen zu können, sonst war er ganz glücklich. Sie trafen unterwegs starke Infanteriemassen, die von der See kamen und nach Osten zogen, und langten ohne Gefahr in der Hafenstadt an.

Zu ihrer Freude trafen sie dort Mr. Blake, der eben mit Truppen eingelaufen war. Er war über ihr Abenteuer auf dem Rindjani ebenso erstaunt, wie über ihr glückliches Entkommen erfreut.

»Sowie ich die erste Kunde von dem Aufstand bekam, fürchtete ich für Sie das Ärgste, Sie dürfen von großem Glück sagen, der Gefahr entkommen zu sein.«

In seiner Gesellschaft begab sich Henrik an Bord des englischen Schiffes und vereinbarte mit dessen Kapitän die Passage nach Madras. Er und Fritz erhielten eine kleine Kajüte hinten, während Karl vorn zwischen den Leuten untergebracht werden sollte. Es zeigte sich, daß der Sohn des Radscha für Henrik und Fritz in sehr schön gearbeiteten Kisten noch Anzüge und balinesische Waffen mitgegeben hatte, die seine Diener an Bord des Engländers ablieferten.

Da Henrik sich danach sehnte, wieder europäische Tracht anzulegen, sagte er zu Fritz, während sie am Quai im bunten Volksgewühl umherschritten: »Du könntest mir eigentlich einen Anzug machen, Fritz, Stoff werden wir wohl bei einem chinesischen Händler finden.«

»Nu bin ick so lange indianischer Prinz jewesen un nu werd' ick wieder Schneider«, sagte er melancholisch.

»Ich denke, du bist stolz auf dein Metier?«

»Bin ick ooch, aber weeßte, Prinz is ooch scheene, wenn et ooch in ne wilde Jejend is.«

»Dann bleib doch hier! Deine anerkannte Tapferkeit wird dir die höchsten kriegerischen Würden eintragen.«

»So? Un meene liebe Olle? Un die Jeschwister. Ne, weeßte, hierher in so Länder mit feuerspeiende Berge, wo sie einen so mir nischt dir nischt abmurksen, passe ick doch nich.«

»Also du machst mir, machst uns Anzüge?«

»Weeßte, hier möchte ick et doch nich jerne un uff dat Schiff sin wir doch noble Passagiere vor die Kajüte, da möcht ick et ooch nich.«

»Du hochmütige Schneiderseele, willst den großen Herrn spielen, merke ich.«

»Sei nur ruhig, ick komme bald jenug wieder an die Nadel.«

»Und ich auf den Mast als flinker Marsgast, Gott sei Dank.«

Bei einem chinesischen Händler sahen sie zu ihrem Erstaunen einige ganz neue und gutgearbeitete Matrosenanzüge, sicher europäischen Ursprungs, die wohl einem gescheiterten oder beraubten Schiff entstammen mochten. Auch neue Hemden fanden sie bei dem Mann vor, und Henrik erhandelte mit sachverständiger Hilfe Fritzens einige der Anzüge und ein gutes Teil Wäsche. Als Fußbekleidung mußten sie vorläufig noch ihr indisches Schuhwerk behalten.

Sie ließen die erworbenen Anzüge an Bord bringen, und Henrik begann sich umzukleiden, während Fritz sich von seiner Balinesentracht, obgleich sie ihm oftmals Unbequemlichkeiten bereitete, noch nicht trennen mochte. Sie erinnerte ihn an die Heldenzeit seines Lebens.

Henrik hatte nach richtiger Matrosenart Nadeln, Zwirn und dergleichen von dem Chinesen miterhandelt. Da ihm seine Jacke nicht ganz passen wollte, ersuchte er Fritz, seine Künste an dem Kleidungsstück zu probieren, was dieser um so weniger abschlug, als sie allein in ihrer Kajüte waren.

Flugs saß er mit gekreuzten Beinen auf dem Tisch und handhabte die Nadel mit dem Eifer und Geschick des geübten Schneiders, als unerwartet die Tür sich öffnete und Mr. Blake hereintrat, der nicht ohne sichtbares Erstaunen auf den so beschäftigten Schneiderjüngling blickte.

Fritz, so überrascht, sprang herab, wobei Henrik lachte, was den Schneider noch mehr ärgerte.

Mr. Blake, der nach Gunung Sari reiten mußte, war gekommen, von den beiden jungen Leuten Abschied zu nehmen, was er mit den besten Wünschen für deren Zukunft in liebenswürdiger Weise tat.

Daß Anak Madé den Aufstand der Sassaker rasch unterdrücken werde, erschien ihm zweifellos, und er hegte nur den Wunsch, gelegentlich mit den Kanonen seines Schoners eingreifen zu können.

Auch er bat die beiden Deutschen, ihm freundliches Andenken zu bewahren.

Als er fort war, sagte Fritz verdrießlich: »Nu wissen sie et, det ick zu de Zunft jehöre.«

»Das wird den Radscha und seinen Sohn sehr freuen, denn Mr. Blake sagte mir, daß die Kleiderkünstler in diesem Lande so hoch geschätzt werden, daß man sie den Edelleuten zurechnet.«

»Is det wahr?«

»So wahr mir Mr. Blake das gesagt hat.«

»Denn is jut, wenn sie mir nur ästimieren.«

Hierauf packte er seinen Balinesenanzug sorgfältig ein.

»Darin jeh ick aber uff de Maskerade bei Pinkerts in die Mühlenjasse, die sollen aber Oogen machen, wenn ick mit so wat echt Türkisches ankomme.«

Bald erschien er in Matrosentracht, die auch Karl Steffen, der sich still am Vorderkastell hielt, bereitwillig angelegt hatte. Am Abend noch ging der »Cumberland« südwärts in See.

Wiedersehen

Es dauerte einige Zeit, bis die jungen Leute nach den so abenteuerlichen aufregenden Ereignissen der letzten Zeit und besonders der jüngsten Tage das ruhige Gleichgewicht ihrer Seelen wieder gefunden hatten. Außer der Umgebung, der europäischen Kost, die sie doch schließlich der indischen vorzogen, trug auch das freundliche Benehmen Kapitän Fultons dazu bei.

Auch er vernahm mit Verwunderung die Schilderung ihrer Erlebnisse und bezeigte ihnen aufrichtige Teilnahme. Vor allem aber erregte ihn das Schicksal des Waldmenschen.

Er schlug vor, ihn zu seinem eigenen Besten im Schiffsdienst zu verwenden, und da Henrik diesem Vorschlag gern zustimmte, wurde Steffen gefragt, ob er arbeiten wollte. Begierig ging dieser darauf ein, er ward der Steuerbordwache zugeteilt, in der er schweigend, aber überaus pünktlich seinen Dienst verrichtete.

Mit großem Interesse lauschte der Kapitän den Schilderungen ihrer Erlebnisse auf Lombok. »Ich befahre diese Meere seit Jahren«, sagte er, »und laufe fast alljährlich Ampanan an, ohne mehr als die Küste gesehen zu haben; und selbst im Hafen haben wir Europäer nur mit den chinesischen Zwischenhändlern zu tun. Sie haben ein besonderes Glück gehabt, das Innere in etwas kennenzulernen. Der Radscha, der hier herrscht, mag ja ein vortrefflicher Mann sein, und daß er seine Unabhängigkeit bewahren möchte, wird ihm ja niemand verübeln; die innern Zwistigkeiten auf diesen Inseln dienen aber nur dazu, sie um so sicherer unter die Oberherrschaft der Holländer zu bringen.«

Im weitern Verlauf der Unterredung sprach man von dem »Roland« und seinem wahrscheinlichen Schicksal.

Kapitän Fulton, welcher die indischen Gewässer seit Jahren besuchte, bemerkte: »Die in Ost einsetzenden Stürme sind im Indischen Ozean sehr gefährlich, besonders wenn sie ein Schiff in der Nähe der Südküste der Sundainseln treffen. Sie setzen aus und fahren um die halbe Windrose herum. Dazu bieten die Küsten keine Ankerplätze als Zufluchtsorte. Ich glaube gern, daß Herr Findling ein erprobter Seemann ist, doch gibt es kein tückischeres Gewässer auf Erden als diesen Ozean. Ich will hoffen, daß sein Schiff der Gefahr glücklich entronnen ist.«

Diese Äußerungen des erfahrenen Schiffers stimmten Henrik sehr traurig, seine schlimmsten Befürchtungen schienen hier bestätigt zu werden. Auch der Schneider war aufrichtig betrübt, als er erfuhr, wie nahe der Gedanke läge, daß der »Roland« zugrunde gegangen sein könne.

»Det wäre recht schade, Hamburger«, meinte er, »denn der Herr Findling war so 'n netter Mensch un hatte so wat Liebes und Jebildetes an sich. Det wär recht schade.«

Henrik war auf das ernstlichste besorgt um das Schicksal des ihm so sympathischen Mannes, der ihn der See entrissen hatte, und sehnte den Augenblick herbei, der ihn zu einem größern Hafen führen würde, wo er Näheres und hoffentlich Günstiges über den »Roland« zu erfahren erwartete. Die tiefe Erschütterung seiner Seele, welche die wunderbare Auffindung der letzten Ruhestätte seines Vaters hervorgerufen hatte, war durch die nachfolgenden Ereignisse etwas gemindert worden. Jetzt bei leichtem Wind über den Ozean gleitend und unbeschäftigt, kehrten seine Gedanken zu dem einsamen Grab zurück. Er suchte zu ergründen, wie die Katastrophe so grauenvoll über die Mannschaft des »Admirals« hereingebrochen war.

Eingedenk der dem verwilderten Mann gegenüber gebotenen Vorsicht, hatte er keine Frage an ihn gerichtet, aber doch mit Freuden bemerkt, daß er in angestrengter Tätigkeit – und Kapitän Fulton sorgte dafür, daß er beschäftigt wurde – sich langsam an das zivilisierte Leben gewöhnte. Auch sein früheres, verwildertes Aussehen war durch nochmaligen Schnitt von Haar und Bart sehr wesentlich verändert.

Heute saß er allein auf dem Vorderdeck und splißte Taue, eine Arbeit, welcher er zwar gewachsen war, die aber unter den ungeübten Fingern nur langsam vonstatten ging.

Den Matrosen war der sonnverbrannte und schweigsame Mensch mit seinen so oft ins Weite stierenden Augen unheimlich und sie hielten sich fern von ihm. Auch zu necken wagte ihn keiner, nachdem sie Proben seiner riesenhaften Körperkräfte gesehen hatten; sie ließen ihn still seinen Dienst tun. Henrik ging nach vorn und lehnte sich ans Bollwerk. Wie immer zog ein Schimmer von Freude über Karl Steffens Züge, wenn Horsa in seine Nähe kam.

»Nun, Karl, bist du gut zuwege?« fragte Henrik.

Nach einiger Zeit, während deren er sinnend vor sich hinsah, erwiderte Karl: »Es lag wie Blei hier oben«, er deutete auf die Stirn, »aber es wird mit jedem Tag leichter. Vor den Augen schwebte es wie Nebel, ich sah und erkannte nur wenig, aber es wird heller um mich – heller.«

Langsam und stockend kamen diese Worte über seine Zunge, welche sich immer noch ungebärdig zeigte, aber sie kündeten doch deutlich, daß die Nacht, welche seinen Geist umhüllte, allmählich wich, und was mehr war, daß er seinen Zustand erkannte.

»Und du sehnst dich nicht nach deinem bisherigen Aufenthalt, nach der Lebensweise zurück, welche du auf der Insel führtest?« fragte Henrik.

Ein leichter Schauer überlief seinen Leib, dann sagte er: »Nein.« Er arbeitete eine Zeitlang eifrig und fragte dann, innehaltend: »Welche Jahreszahl haben wir?«

»1880.«

Er ließ den Marlpfriem sinken und sann angestrengt nach. »1880«, wiederholte er leise, »1880 – und 1866 war es, ja, 1866.«

Mit fieberhafter Eile splißte er dann weiter, so, als ob er quälende Gedanken dadurch verscheuchen wollte; Henrik verließ ihn, um die Regungen seiner Seele nicht zu stören.

Er begegnete Fritz, der sich als gutbeköstigter Kajütenpassagier äußerst wohlfühlte, in diesem Augenblick aber verdrießlich aussah.

»Nun, Mensch, der das unermeßliche Glück hat, mit Spreewasser getauft zu sein, welche Wolke lagert über deinem Geist?«

»Weeßte, Hamburger, die janze wilde Sache uff die olle Tigerinsel un dann hinterher die indianische Anjelejenheit mit Jartenpalais, feuerspeienden Berg un den Krieg, det kommt mir manchmal nur wie ein Traum vor.«

 

»Gewiß, Fritz, nur ist es gut, daß uns der Traum einige handgreifliche und wertvolle Andenken zurückgelassen hat.«

»Det muß wahr sind, die jelben Exzellenzen haben sich sehr honorig jegen mir benommen, allens wat recht is. Ick habe et aber ooch verdient, det wirst du zujeben, denn ick habe doch eejentlich die jrausame Schlacht jewonnen.«

Henrik war über diese Behauptung Fritzens nicht sonderlich erstaunt, ja, er hatte Ähnliches erwartet und fragte ganz ernsthaft: »Du, mein kleiner Napoleon? Wieso denn? Ich glaubte, es wäre der Prinz mit seinen Reitern gewesen.«

»Allens richtig, aber wenn ick den schrecklichen Räuberhauptmann nich dingfest jemacht hätte, dann wär' die Jeschichte wieder von vorne losjejangen. Det kannst du jlauben und dann hätten sie mir und dir abgemurkst, und allens war futsch.«

»Zugegeben. Deine großen Verdienste um die Sache des Radscha werden ja auch wohl in der Geschichte Lomboks fortleben und ich werde mir die Freude machen, sie in Deutschland zu verbreiten. Was ist denn nun aber der langen Rede kurzer Sinn?«

»Siehste, Hamburger, ick ärgere mir doch manchmal im stillen, daß die jelbe Exzellenz, mit det Palais un die Springbrunnen, mir nich so wat vor't Knopploch jejeben hat, et hätte mir zu großen Spaß jemacht, mit so'n wilden Orden heimzukommen!«

»Aber Mensch, du besitzest ja einen der höchsten lombokschen Orden, was willst du denn noch?«

»Wie denn? Ick habe doch bloß det kleene Armband, det kriegt de Line, un den Ring.«

»Nu ja, das ist ja der Orden, an blauem Band um den Hals zu tragen.«

»Den Ring?«

»Du kannst doch nicht verlangen, daß die Indier genau dieselbe Form zur Verzierung einer verdienstvollen Brust haben, wie wir Abendländer. Was bei uns ein Stern ist, das ist bei den Balinesen ein Ring. Höchste Klasse mit Brillanten!«

»Meenste det wirklich? Oder is det man Mumpitz?«

»Aber das ist doch ganz klar.«

»Wenn ick den Orden aber um den Hals trage«, meinte Fritze nachdenklich, »dann dürfte ick ihn in Berlin bald los sein.«

»Das könnte wohl so kommen.«

Fritz versank in Gedanken und fragte dann: »Wieviel meenste denn, Hamburger, dat det Ding an Jeld wert is?«

»Der Stein? Ich verstehe mich zwar nicht sonderlich auf Diamanten, aber ich glaube, du wirst, wenn du ihn einem Juwelier anbietest, vier- bis fünfhundert Taler dafür erhalten.«

»Wieviel?« schrie Fritz.

Henrik wiederholte die Summe. Fritze machte einen Satz und drehte sich dann um sich selbst. Mit strahlendem Gesicht rief er dann: »Denn is et jut, Hamburger, denn bin ick aber scheene 'raus. Denn wird det versilbert, und wenn et ooch 'n Orden is, un dann koofe ick de Olle een Kleid un 'n Hut mit oben wat druff, un die Line ooch, Jule und Aujust kriegen ooch wat ab, dann soll aber die Reezenjasse Oogen machen.«

»Ich glaube, es ist das Beste, was du mit deinem Orden anfangen kannst, denn von unserer Regierung würde er doch schwerlich anerkannt werden.«

»Is mir ejal, ick bin jetzt janz zufrieden; det is der richtige Orden vor mir.«

Und Fritze war mit diesem wertvollen Orden, den er seiner unbezweifelten Tapferkeit verdankte, jetzt wirklich höchst zufrieden.

Bei ruhigen Luftströmungen war der »Cumberland« bis etwa zum l00. Grad östlicher Länge gesegelt, als gegen Abend der Wind sich stärker erhob. Dem Kapitän gefiel das Aussehen des Himmels durchaus nicht und er ließ Leinwand kürzen, so daß das Schiff nur noch vor gerefften Obersegeln, dem Fock- und dem Vorstengenstagsegel dahinlief; dies war kurzes Tuch für ein Schiff, welches den Wind fast über Heckbord hatte. Dennoch ließ der Kapitän gegen neun Uhr wieder reffen. Ununterbrochen blies es aus Südost, und als der Morgen heraufkam, lief das Schiff nur noch unter Fock- und dem großen Marssegel. Alle andere Leinwand war in der Nacht geborgen worden. Henrik war früh an Deck gekommen, und auch Kapitän Fulton war bereits erschienen.

Der Sturm brauste unheimlich im Takelwerk, und die Wellen liefen so hoch, daß es schwer war, einen Ausguck auf den Horizont zu bekommen. Der Kapitän hielt bei dem gewaltigen Luftdruck auch das Marssegel noch für zu viel für das Schiff und befahl, es einzunehmen.

Das war ein schwieriges Stück Arbeit, und die geübtesten Matrosen gingen hinauf, um das Stück Leinwand zu bergen. Als sie oben waren, riefen sie das Deck an, doch bei dem Wind konnte kein menschlicher Ruf nach hinten dringen. Fulton, der das Kommando führte und nicht gut nach oben gehen konnte, bat den in seiner Nähe stehenden Henrik, in die Besantakelage zu steigen und sich umzusehen nach dem, was die Matrosen gewahrt haben mußten.

Alsbald stieg Henrik empor und erblickte zu seinem nicht geringen Erstaunen auf der Steuerbordseite ein Schiff, welches gleichen Kurs mit dem »Cumberland« hielt und nicht hundert Faden abstand. Das fremde Schiff lag unter ganz kurzer Leinwand, hielt sich stetig vor dem Wind, sobald es den Luftzug fühlte, gierte aber furchtbar, sobald es in den Wellenhöhlungen lag, worin ihm der »Cumberland« nichts nachgab. Ehe Henrik nach unten kommen konnte, erbebte das Schiff bis in seine Grundfesten.

Fulton hatte, während der »Cumberland« zwischen den zu Wasserbergen sich erhebenden Wellen lag, eben den Befehl zum Lösen der Schoten des Marssegels erteilt, und alle Hände waren unter der Aufsicht der Steuerleute mit Aufbietung aller Kraft beschäftigt, Halsen und Bauchgordingen anzuziehen, als das Schiff wieder in den Sturm trat, das Marssegel mit einem kanonenschußähnlichen Knall zerriß und das gewaltige Stück Leinwand in Streifen mitsamt den Blöcken und Kardeelen, welche an der Rahe geblieben waren, so furchtbar umherpeitschte, daß es das Leben der Leute oben in die dringendste Gefahr brachte. Dabei erbebte der Mast in seinen Grundfesten. Sofortige Hilfe war not. Die Fetzen und Blöcke mußten abgeschnitten werden, wenn sie nicht großes Unheil anrichten sollten.

Während die Leute oben noch zauderten, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, stieg mit einer selbst dem verwegensten Seemann unbegreiflichen Schnelligkeit Karl Steffen in die Takelage. Alles starrte nach dem kühnen Mann hin. Mehrmals war er in ernstester Lebensgefahr, aber es gelang ihm, ungefährdet und in kürzester Zeit Blöcke und Leinwand abzuschneiden, die von dem Sturm davongeführt wurden, so daß bald nur die nackte Spiere sich dem Auge bot.

Erst jetzt, als die Gefahr für die Leute wie für Steffen beseitigt war, ging Henrik hinab und meldete dem davon sehr betroffenen Kapitän die Nähe des mit dem »Cumberland« gleichen Kurs haltenden Schiffes.

Fulton stieg in die Besanwanten, bis er Ausguck auf den Fremden hatte, und Henrik folgte ihm. Das Schiff war bis auf Fock, Sturmsegel und die Besangaffel nackt. Gleichzeitig sanken beide Schiffe in die Wellenhöhlungen, und nun war nichts von dem Fremden zu gewahren. Als der »Cumberland« mit der nächsten Welle sich hob, sahen Fulton und Henrik mit Schrecken, daß das fremde Fahrzeug kaum dreißig Faden entfernt, gerade dwars von seinem Kurs abgierte. Das war ein furchtbarer Augenblick. Gleich wildgewordenen Rennern rasten die beiden Schiffe durch die Wogen, um dann unsicher in den Wellenhöhlungen hin und her geworfen zu werden, sobald sie den Wind verloren. Stießen sie, mit furchtbarer Kraft vom Sturm dahingeführt, zusammen, so waren beide rettungslos verloren. Einen Augenblick gar schien es, als ob der Fremde von gewaltiger Welle gehoben mit seiner ganzen Wucht auf den »Cumberland« stürzen wolle.

»Ruder hart Backbord!« schrie der Kapitän mit aller Kraft, und drüben – fast berührten die Nahen des fremden Schiffes die des »Cumberland« – sprang ein athletischer Mann den Steuerleuten zu Hilfe, um das Ruder nach Steuerbord zu reißen. Einen hellen Jubelschrei stieß da Henrik aus, denn der dort drüben – ja, es konnte keine Täuschung sein – war Findling! Deutlich sah Henrik sein kühnes Gesicht, und auch jener mußte ihn erkannt haben, denn er beantwortete den Freudenruf. Der nächste Augenblick mußte über Leben oder Tod entscheiden. Da! – ein Seufzer der Erleichterung entrang sich jeder Brust; die Schiffe gehorchten dem Steuer und traten auseinander.