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»Da bin ick aber sehr für«, sagte Fritz eifrig, »bei die Hauerei kommt nischt 'raus.«

»Na«, sagte Henrik, dem selbst die gefährliche Lage die Laune nicht verderben konnte, »ein kleiner Orden –«

»Wenn ick immer neue Heldentaten deswegen verüben soll, dann is mir daran ooch nischt mehr jelegen.«

Ara Labung befahl, die gefesselten Pferde freizulassen, der übliche Weg war ihnen verlegt, und ein Rückzug über die Felsen machte die Tiere unnütz.

Während Steffen nach Süden hin, wo die Sassaker lagerten, Wache hielt, verharrten die andern schweigend, bis auf den Schneider, der seinen Gefühlen über das Unbehagliche der Lage oftmals kräftigen Ausdruck verlieh.

Endlich zuckten die ersten Lichter über den Himmel hin, die Sonne nahte, und ihr Aufgang vollzieht sich in diesen südlichen Breiten sehr rasch.

Sobald die Helligkeit es erlaubte, sah sich Ara Labung aufmerksam in dem Felsenkessel, an dessen einem Ausgang sie hielten, um. Zur Rechten glaubte er eine zum Aufstieg geeignete Stelle zu bemerken. Er sandte den Gewandtesten seiner Leute dorthin, der bald zurückkam und versicherte, dort sei es möglich, nach oben zu gelangen.

Auf Ara Labungs Befehl begaben sich alle dorthin.

In weitausgreifenden Sprüngen nahte sich Steffen.

»Kommen«, sagte er lakonisch.

Der Offizier befahl seinen Spähern, Deckung am Fuß des Felsens zu suchen, und den Dienern, nach oben zu steigen, zugleich forderte er Henrik und Fritz auf, den Felspfad emporzuklimmen.

Fritz ließ sich das nicht zweimal sagen und kletterte mit einer Eilfertigkeit nach oben, die deutlich erkennen ließ, daß er kriegerischen Verwicklungen durchaus abhold sei. Ihm folgten, zwischen den Dienern, Henrik und Steffen. Der Pfad, den sie emporklommen, war steil, bot aber für kräftige Männer keine besondern Schwierigkeiten, auch unterstützten Büsche, die aus den Felsen wuchsen, das Aufsteigen.

Schon waren auch die Schützen, denen sich Ara Labung als letzter anschloß, auf dem Weg nach oben, als ein Truppmit Flinten bewaffneter Sassaker vorsichtig das Felsenrund, von Süden kommend, betrat.

Als der balinesische Offizier auf der Höhe angelangt war, sagte er, auf die Feinde, denn als solche mußten sie bezeichnet werden, deutend: »Es steht zu fürchten, daß wir umstellt sind, der Schurke Rasido kennt das Gebirge.«

»Sollte es so schwierig sein, einen offenen Weg zu finden?«

»Sehr schwierig. Der Berg ist außerordentlich zerklüftet, und von uns kennt ihn niemand; wir können leicht in eine Felsenge geraten, aus der kein Entrinnen ist.«

Während dieser Unterredung war Fritz Fischer nahe an den Felsrand getreten, um einen Ausblick nach unten auf die sich in gemessener Entfernung haltenden Sassaker zu haben, als auf der seinem Standpunkt gegenüberliegenden Felshöhle ein Schuß krachte und eine matte Kugel des Schneiders Ohrläppchen empfindlich, gleich einem glühenden Eisen, streifte. Der so jäh und unsanft berührte Schneider, der sich kaum Rechenschaft über die Ursache seines Schmerzes geben konnte, um so weniger, als man den Schützen nicht sah, ergriff wütend einen großen Stein und warf ihn mit den Worten: »Verwünschte Gesellschaft! Kommt mir nur nicht so«, in kindischem Zorn nach der Richtung, woher die Kugel gekommen war. Der Stein fiel in kaum zwanzig Schritt Entfernung herab, denn besonderer Kraft erfreute sich Fritz Fischer nicht, polterte in die Rinne, welche die Balinesen heraufgeklettert waren, und riß dort zwei andere Steine im Herabrollen mit sich.

Während Ara Labung sagte: »Zurück, wir müssen Deckung suchen«, erschallte von unten wildes Schmerzensgeheul.

Eine Schar wohlbewaffneter Sassaker hatte sich am Fuß des Felsens, wo sie von oben nicht gesehen werden konnte, hingeschlichen und war im Begriff, auf dem von den Verfolgten eingeschlagenen Weg diesen nachzuklettern.

Mit furchtbarer Wucht sausten die oben mitgerissenen Steine in sie hinein, töteten mehrere und fügten andern schwere Verletzungen zu.

Erstaunt standen die oben, die nur das Wehgeschrei hörten, ohne die Feinde zu sehen, am meisten Fritz.

Ara Labung, der sofort begriff, was unten vorgegangen, rief: »Herr, das war ein Wurf zur rechten Zeit. Steine hinab!« Und jeder schleuderte Steine über die Felsen.

Bald gewahrte man Fliehende, die sich beeilten, den furchtbaren Geschossen zu entgehen.

»Sie haben uns vor einem tückischen Angriff gerettet, Herr.«

»Wat meent er, Hamburger?«

Dieser übersetzte, und Fritz, dem nun auch klar wurde, welche, freilich unbeabsichtigte Wirkung sein knabenhafter Wurf gehabt hatte, richtete sich stolz empor und sagte: »Det bringt ooch nur 'n Berliner fertig. Die haben ihre Haue weg.«

»Fritz, du bist wirklich der geborene Napoleon; du hast durch deine ebenso kluge wie entschlossene Tat den Feind, der uns so nahe war, verjagt.«

»Meenste nich? Ick jloobe ooch.«

Wieder krachten zwei Schüsse von der gegenüberliegenden Seite, aber die Entfernung war zu groß, die Kugeln taten keinen Schaden.

Da die trefflichen Snydergewehre der Balinesen viel weiter trugen als die Büchsen, mit denen herübergeschossen war, befahl Ara Labung seinen Leuten, nach der Stelle zu feuern, wo der Pulverdampf aufgestiegen war. Gleich darauf krachte eine Salve, und gellendes Geheul drüben zeigte an, daß sie nicht vergeblich abgegeben worden war.

»Wir müssen jetzt auf gut Glück unsern Weg nach unten suchen, Mr. Henry. Sobald wird man nicht wagen, uns hier zu folgen«, sagte der Offizier.

Sie betraten den dichten Wald, der den Felsen krönte.

Unaufgefordert ging Steffen, der recht gut begreifen mochte, um was es sich handle, voran. Da sie einer hinter dem andern gehen mußten, verstummte jede Unterhaltung.

Wiederholt mußten sie Bäume, die der gestrige Sturm entwurzelt hatte, überklettern, was mit nicht geringer Anstrengung verknüpft war.

Endlich wurde der Wald lichter. Der Matrose schlich zu dessen Rand und hielt dort Umschau. Er sah dort einen wohl mehr als hundert Meter tiefen, düstern Abgrund vor sich, der in wechselnder Breite sich nach rechts und links erstreckte. Sein geübtes Ohr vernahm nichts Verdächtiges. Er ging zurück und rief die andern. Mit Schrecken sahen diese den grausigen Felsspalt vor sich. Selbst dem Berliner fiel hier kein Witzwort ein.

Nach kurzer Beratung beschloß man, an dem Abgrund hinzugehen, bis sich eine Stelle zum Übergang finden würde. Dem Stand der Sonne nach, es war noch früh am Tag, dehnte sich der Spalt von Ost nach West aus, und der Weg der Flüchtlinge führte nach Süden.

Endlich gewahrten sie einen hohen fichtenähnlichen Baum, der sich über den hier nicht mehr als zwanzig Schritt breiten Abgrund neigte. Der Sturm hatte seine Wurzeln nur teilweise zerrissen, er war gebeugt, aber nicht gebrochen.

»Hier«, sagte Karl Steffen, »Baum – übergehen.« Erstaunt fragte der hiervon in Kenntnis gesetzte Ara Labung: »Wie soll das geschehen?« Schon war Steffens Riesenkraft am Werk, die zähen Wurzeln, die den Baum noch hielten, mit seiner Axt durchzuhauen; schon neigte sich der Wipfel tiefer und tiefer zum jenseitigen Rand, als Geschrei und Schüsse sie belehrten, daß sie entdeckt seien. Einige Kugeln, von unsichtbaren Feinden abgefeuert, schlugen in ihrer Nähe ein. Die Balinesen griffen zu den Büchsen und nahmen gedeckte Stellungen.

Mit gewaltigem Eifer arbeitete Steffen, den die Schüsse gar nicht einzuschüchtern schienen, weiter. Jetzt senkte sich der mächtige Stamm, der Wipfel lag drüben fest, eine Brücke war hergestellt.

»Horsa, kommen«, rief Steffen. Henrik nahte ihm, der Matrose hob ihn empor und trug ihn, mit seinem Leib ihn deckend, mit unvergleichlicher Behendigkeit über den seine Äste nach allen Seiten hin erstreckenden Stamm. Drüben ließ er ihn los, lief zurück und holte Fritz auf gleiche Weise.

»Ach Jotte, ach Jotte, Karlchen, laß mir nich fallen«, brachte dieser zitternd hervor, »ick bin an solche Extratouren nich gewöhnt.«

Auch er gelangte glücklich hinüber, und wieder kehrte der furchtlose Matrose zurück. Die Sassaker hatten wohl erkannt, was da vorging, obgleich die Äste und dichten Zweige mit ihrem Nadelschmuck verhinderten, daß sie die über den Baum gehenden Gestalten zu erkennen vermochten, und mehrmals zischten ihre Kugeln durch die Zweige. Aber auch die Balinesen hatten gefeuert und jedenfalls die Feinde dadurch von einem Vorstoß abgehalten.

»Kommen Sie herüber«, rief Henrik, »der Weg ist gefahrlos.«

Ara Labung befahl den Trägern, hinüberzugehen.

Zitternd gehorchten die Leute und langten glücklich drüben an, während die Schützen ihr Feuer fortsetzten. Jetzt rief der Offizier auch den Soldaten zu, einzeln hinüberzugehen und von drüben das Gefecht fortzusetzen. Die Leute gehorchten ohne Hast und begannen, drüben angelangt, sofort von neuem das Feuer, wie es schien, mit besserer Wirkung als die Sassaker, trotzdem sich diese ängstlich gedeckt hielten. Jetzt waren nur noch Ara Labung und Steffen drüben, und Henrik wurde von Besorgnis um den tollkühnen Mann ergriffen. Auch er hatte einige Schüsse abgegeben, um die Feinde zu schrecken; getroffen hatte er niemand.

Als Ara Labung auf der Fichte war, erschollen von neuem Axtschläge an der Wurzel des Baumes, Steffen hieb die Stangenwurzel völlig durch. Da sah Henrik, wie ein Kerl drüben heranschlich und sein Gewehr auf Steffen anlegte.

In Todesangst schrie er: »Karl!« riß die Büchse an die Wange, feuerte, und durch die Schulter getroffen taumelte der Sassaker zurück und ließ seine Waffe fallen. Mit einem Sprung war Steffen auf dem Baum und wand sich einer Tigerkatze gleich durch dessen Äste.

Neben Henrik auftauchend sagte er mit freudigem Grinsen: »Horsa schießen – gut« und streichelte ihm sanft die Schulter.

 

»Wir sind jetzt freilich auf der andern Seite«, sagte Ara Labung, »aber die dort haben nun auch eine Brücke.«

»Schießen!« sagte Steffen zu Henrik und ließ gleich darauf mit furchtbaren Schlägen seine Axt spielen, um den Wipfel des Baumes abzuhacken.

»Was will er machen?«

»Vermutlich die Brücke zerstören.«

Zum Schutz Steffens befahl Ara Labung, stetig zu feuern, woran auch Henrik sich beteiligte. Aber die Feinde schienen eingeschüchtert, nur hie und da antwortete ein Schuß. Karl hatte nahe dem Rand den obern Teil des Stammes durchhauen, ergriff jetzt einen starken Ast, dessen er sich ganz nach Schifferart als Hebel bediente, und seiner ungeheuern Kraft gelang es, das Ende des Stammes über den Rand zu schieben. Während der Baum mit tosendem Geräusch zur Tiefe stürzte, sprang Karl in die Büsche.

»Hätte ich es nicht gesehen«, sagte der Balinese, »nie hätte ich es geglaubt; das ist übermenschlich.«

»Da ist doch der Riese Goliath ein Waisenknabe jejen«, äußerte der staunende Berliner. »Det jeht über die Hutschnur.«

»Brav, Karl«, sagte Henrik und schüttelte dem ehemaligen Schiffsgefährten seines Vaters die Hand.

Dieser nickte vergnügt.

»Nun aber fort, sonst verlegen sie uns weiter unten den Weg.«

Mit scheuer Verwunderung staunten die Balinesen den Matrosen an, dessen Körperkraft ihnen unheimlich erschien. Der Weg führte sie anfänglich durch den Koniferenwald und brachte sie dann in ein Tal, der von einem klaren Bach durchflossen wurde, während seine Wände von Büschen und Laubbäumen eingefaßt waren.

An einer geschützten Stelle machten sie halt, nachdem einige Wachen ausgestellt waren, tranken von dem Wasser und sprachen den zum Glück mitgeführten Speisen zu.

Ihre nächste Zukunft besprechend, sagte Ara Labung: »Anak Madé ist zwar durch die verräterischen Sassaker getäuscht worden, doch ist er ein zu umsichtiger und entschlossener Kriegsmann und verfügt über zu zahlreiche Truppen, als daß Mataram oder Ampanan Unheil drohen könnte. Auch wird er, sobald er die Gefahr erkannt, die uns wie ihm droht, Hilfe für uns abgeschickt haben.«

»Es wäre zu wünschen.«

»Werden wir denn aus det Feuerjebirge mit die Abjründe glücklich 'rauskommen, Hamburger?« fragte Fritz hierauf.

»Ich hoffe; im schlimmsten Fall mußt du uns herausreißen, Napoleon aus der Reezengasse.«

»Ick habe det jetzt schon 'n paarmal jetan und die janze Jeschichte 'rausgerissen und unzählige Menschen det Leben gerettet, aber immer kann ick det ooch nich, det strengt an. Ick fühle et in allen Knochen.«

»Es ist sehr schlimm für uns, daß wir keinen Führer haben, der unsern Fuß leitet«, äußerte der Offizier, »der Rindjani ist kein Berg, er ist ein ganzes Gebirge, und wir haben ihn an der gangbarsten Stelle erstiegen.«

»Trifft Ihre Vermutung zu, daß die Eingeborenen sich in Massen erhoben haben, und ich zweifle nicht, daß sie zutreffend ist, so werden wir auch in der Ebene Feinden begegnen, wenn wir diese erreichen.«

»Diese werden unsere Reiter bald von Feinden gesäubert haben. Alle unsere Kämpfe mit den Sassakern spielen sich im gebirgigen Osten der Insel ab, wo ihnen die Bodengestaltung zu Hilfe kommt.«

Nachdem man ausgeruht hatte, ward der Weitermarsch angetreten, und zwar so, daß stets Wachen vorausgingen, während Steffen einem Spürhund gleich die Flanken des Zuges bewachte. Anfänglich folgte man dem Lauf des Baches in dem lieblichen Tal, als aber dieser nach Norden umbog und Ara Labung daraus schloß, daß er sich ins Meer ergieße, an dessen einsamem, rauhem Ufer ihnen keine Hilfe irgendeiner Art winkte, ward beschlossen, einen sich quer vor ihnen hinziehenden waldigen Hügelrücken nach Süden hin zu überschreiten. Schon war es warm um sie geworden, und die Vegetation näherte sich bereits der der Ebene.

An einem Bach, der diesmal nach Süden floß, beschloß man zu übernachten. Feuer wagte man nicht anzuzünden, aus Furcht, Feinde anzulocken. Bald lag alles, von der Anstrengung des Tages erschöpft, in tiefem Schlaf.

Die Nacht verlief ungestört, und nach Sonnenaufgang setzte man den Marsch fort. Bald traten sie aus dem Wald hervor und sahen ein Felsenlabyrinth vor sich, das in wilder Zerklüftung eine große Anzahl Wege zeigte. Während sie überlegten, welchen Pfad sie wählen sollten, ging Steffen in das Felsengewirr hinein und entschwand ihren Blicken.

»Det is wieder so 'ne Wolfsschlucht aus 'n Freischütz«, sagte Fritz, »wenn wir man hier jlücklich durchkommen.«

»Wir müssen irgendeinen Wasserlauf suchen, der uns den Weg durch dies Felsengewirr zeigt«, sagte Ara Labung.

Während sie noch berieten, kam Steffen aus den Felsen zurück, zum Erstaunen der andern einen Menschen auf seinen Schultern tragend, dessen Hände er fest umklammert hielt. In wenigen Minuten war er bei den Freunden und setzte einen jungen Eingeborenen, der auf das äußerste erschreckt schien, vor Ara Labung hin.

»Hast du einen Gefangenen gemacht, Karl?«

»Fangen«, war die kurze Antwort.

Der Offizier betrachtete den jungen, nur mit einer Sarong bekleideten Menschen, dessen dunkle Augen die Angst seines Herzens verrieten, aufmerksam.

»Tu bist ein Sassaker?« fragte er ihn dann in der Sprache dieses Volkes.

»Nein, Herr«, erwiderte der Junge balinesisch, »ich bin ein Balinese wie du.« Dabei irrten seine Blicke von dem entsetzlichen Menschen, der ihn hierher gebracht, zu den weißen Gesichtern der beiden Europäer, derengleichen er wohl noch nicht gesehen hatte.

»Wo kommst du her? Was tatest du in den Felsen dort?«

»Oh, Herr, ich bin entflohen. Die Sassaker überfielen uns, die wir am Fuß des Berges wohnen, und töteten Männer und Frauen; da lief ich in Todesangst davon, mich zu verbergen, bis der furchtbare Mensch dort mich ergiff. Du bist ein Balinese, Herr, und wirst mich schützen.«

»Wo stehen die Sassaker, die euch überfielen?«

»Sie lagern unten, wo die Pfade zu den Bergen führen. Sie harren, wie ich aus ihren Gesprächen erlauschte, denn ich verstehe ihre Sprache, auf Anak Madé, der auf dem Berg sein soll, wie sie sagten.«

»Waren es viel?«

»Viel, Herr.«

»Kannst du uns hinabführen in die Ebene?«

»Ja, Herr, aber die Sassaker werden euch töten.«

»Wenn sie können, gewiß, wir müssen sie umgehen.«

»Es wird schwierig sein.«

»Diese Milchgesichter sind Freunde Anak Madés; er wird dich reich belohnen, wenn du hilfst, sie nach Gunung Sari zu führen.«

»Ich will euch führen, so gut ich kann. Doch, Herr, ist es wahr, ist der Sohn des Radscha auf dem Berg?«

»Nein.«

»Oh«, sagte der Jüngling mit leuchtenden Augen, »so wird er die Sassaker jagen.«

»Ich hoffe es. Doch jetzt zeige uns den Weg, aber hüte dich, uns in die Hände der Feinde fallen zu lassen.«

»Ich will vorsichtig sein. Doch, Herr, sage dem schrecklichen Menschen dort«, er schaute angstvoll nach Steffen hin, »daß er mir nichts zuleide tue.«

»Er wird dir nichts tun. Geh nur.«

Der Jüngling, dessen balinesische Abkunft dem Offizier Bürge war, daß er es redlich meinte, ging voran, und vorsichtig, die Waffen schußbereit, folgten ihm die andern in das Felsengewirr. Karl Steffen, der einer Gemse gleich klettern konnte, erstieg hie und da, besonders bei Wendungen auf ihrem Pfad, die Felswände, um weitere Umschau halten zu können.

Plötzlich hielt er inne und gab ein Zeichen mit der Hand. Alle blieben stehen. Der Matrose kam rasch herab und sagte zu Henrik: »Leute dort.«

»Feinde?«

»Flinten.«

Ara Labung ließ alle eine Gefechtsstellung annehmen und sagte zu dem jungen Balinesen: »Sieh nach, ob es Sassaker sind.«

Der kletterte gehorsam an einer geeigneten Stelle hinauf und berichtete, bald zurückkehrend, daß ein starker Truppder aufständischen Eingeborenen in einem Felsenrund dort lagere und ihnen den Weg versperre.

»Gibt es keinen Pfad, sie zu umgehen?«

»Ja, Herr, aber wir müssen dann zurück und einen weiten Umweg nehmen.«

»So wollen wir zurückgehen.«

Auf seinen Befehl traten alle den Rückzug an.

»Wo jeht et denn nu hin? Müssen wir wieder mang die Abjründe?«

»Nein, wir wollen nur den Feinden, die vor uns lagern, aus dem Weg gehen.«

»Det is det eenzig Richtige, wir machen et wie die Franzosen und konzentrieren uns rückwärts.«

Sie waren zwischen den steilen zerrissenen Felsen noch nicht weit gegangen, als sie von vorn her Stimmen vernahmen, die der Wind ihnen zutrug.

Alle standen und lauschten.

»Ach Jotte doch, Hamburger, jetzt haben sie uns in die Klemme«, sagte zitternd der Schneider.

»Still!«

Es war kein Zweifel, daß Leute ihnen entgegenkamen, die ja nur Feinde sein konnten. Der balinesische Offizier verlor seine männliche Haltung nicht. Er schaute an den Felsen in die Höhe, nach einem Ausweg suchend.

»Weißt du keinen Rat?« fragte er den jungen Menschen.

Dieser erklärte ängstlich, er wisse keinen.

»Was ist das dort oben?« fragte Ara Labung weiter, auf eine dunkle, zum Teil mit Buschwerk umstandene Stelle deutend. »Dort ist eine Höhle«, erklärte der junge Balinese, »aber, Herr, es sind Geister darin.«

»Nun, vor den Geistern dort fürchte ich mich weniger, als vor denen hier unten.«

»Fragen Sie Ihren wilden Freund, ob er dort hinaufklettern kann!« wandte er sich an Henrik.

Als Steffen dies verdeutlicht war, stieg er ohne weiteres empor, und es zeigte sich, daß der Aufstieg weniger schwierig war, als es von unten den Anschein hatte.

Von oben herab winkte er zu kommen, indem er zugleich den Schal, der sein Gewand zusammenhielt, abnahm und herunterhängen ließ, damit er den Folgenden zur Unterstützung dienen könne.

»Laßt mir man zuerst hinauf«, sagte Fritz, »auf mir haben sie et abgesehen, seit ick die Kerls mit die Steine massakriert habe.«

Aber Ara Labung befahl, daß die Träger die Schals abnehmen und zusammenbinden sollten und schickte mit diesem Leitseil den fremden Jungen hinauf, der bald, neben Steffen stehend, es um eine Felszacke schlang.

Das erst von fern vernommene Stimmengewirr war näher gekommen.

»Laßt mir rauf«, sagte Fritz und begann alsbald mit Hilfe des Seiles den Fels zu erklimmen.

»Nun Sie, Mr. Henry.«

Henrik folgte.

Da die Gefahr, von Feinden überrascht zu werden, näher und näher kam, und so die Füße der Bedrängten beflügelte, waren in kurzer Frist alle oben, wo sie eine sich dem Anschein nach weit in die Felsen erstreckende Höhle vor sich hatten. Kaum waren die Flüchtlinge eingetreten und die verbundenen Schals heraufgezogen worden, als eine Schar Sassaker sichtbar wurde, deren Stimmen sie gehört hatten. Voran ging der alte Rasido, dem Anak Madé seine Gastfreunde anvertraut hatte, und die Balinesen erkannten im Zug einzelne derer, welche als Träger und Diener mit zum Krater hinaufgegangen waren.

Als Ara Labung den Verräter erblickte, der ihn und seine Begleiter in diese gefährliche Lage gebracht hatte, der seinem Prinzen nach dem Leben strebte, wie er wohlgefällig plaudernd und lachend einherging, übermannte den heißblütigen Inder der Zorn, und dem neben ihm stehenden Soldaten die Büchse aus der Hand reißend, legte er an und streckte den Sassaker mit wohlgezieltem Schuß nieder.

Donnernd hallte der Schuß in den Felsklüften nach, und die durch diesen unerwarteten Angriff, der gleich einem Blitz aus heiterm Himmel den Führer niederschmetterte, entsetzten Sassaker waren gleich darauf hinter der nächsten Felsecke verschwunden.

»Oh«, sagte nach einem kurzen Aufleuchten wilden Triumphes der Offizier mit einem Ausdruck der Trauer, »ich ließ mich hinreißen. O Torheit. Jetzt haben wir alles zu fürchten.«

Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre die Schar vorbeigezogen, ohne die Flüchtlinge, denen ihr Marsch galt, zu gewahren. Deren Lage war jetzt, der Offizier hatte recht, äußerst gefährlich geworden.

Die Schar seiner Begleiter stand stumm in der nach hinten sich verdunkelnden Höhle, die in der Nähe des umbuschten Eingangs Befindlichen lugten hinaus nach Feinden, doch nichts war von solchen zu gewahren.

Diese wußten aber jetzt, wo die Verfolgten sich befanden, und kam kein Entsatz, mußten sie sich ergeben oder verschmachten. An Entsatz war um so weniger zu denken, als sie von dem Weg, den sie nach oben genommen hatten, abgewichen waren. Dies alles ging dem balinesischen Offizier durch den Kopf und stimmte ihn sehr mißmutig.

»Det wird wohl jetzt so 'ne Belagerung werden«, meinte Fritz melancholisch, »mit Hunger und Durst.«

»Hoffentlich kommt es nicht so weit«, sagte Henrik, den auch ernste Besorgnisse anwandelten, um den Schneider zu trösten.

 

»Weeßte, da wär' ick denn doch lieber uff die Robinsoninsel, vors Hungern bin ick nich, un ick habe ooch eenen mächtigen Durst.«

Die Balinesen hatten aufmerksam die gegenüberliegenden Felsen beobachtet, da der Gedanke nahe lag, daß die Feinde diese erklettern und von dort aus einen Angriff versuchen würden. Traurig saß Fritz neben Henrik. Karl Steffen, der im Dunkeln zu sehen vermochte, hatte sich in der Tiefe der Höhle verloren. Auch die Balinesen verhielten sich stumpf.

So vergingen lange beängstigende Minuten. Aus ihrem Sinnen erweckt wurden die beiden Deutschen, als die Soldaten plötzlich zu ihren Büchsen griffen.

Es war den Feinden gelungen, die gegenüberliegende Felspartie von der andern Seite her zu erklimmen.

Einige Köpfe zeigten sich drüben, und gleich darauf krachten Büchsen auf und Kugeln schlugen in den Eingang.

Zwei der Soldaten, gute Schützen, feuerten zurück, ihre Kugeln trafen, und alle Köpfe verschwanden drüben; auch das feindliche Feuer verstummte.

»Was haben Sie für Hoffnung, Sir?« fragte nach einiger Zeit Henrik den Offizier.

»Gar keine«, erwiderte dieser finster, »sie werden uns aushungern.«

»Könnten wir uns nicht im schlimmsten Fall unter gewissen Bedingungen in Gefangenschaft geben?«

»Das wäre sicherer Tod. Diese Rasse ist erbarmungslos.«

Das war schlimme Kunde.

»Ick habe so Durst, Hamburger«, sagte Fritz leise.

»Mußt es aushalten«, entgegnete Henrik.

»Aber wat wird denn nu aus uns? Wir können doch nich ewig hier bleiben.«

»Das mag Gott wissen.«

»Ick habe et dir immer gesagt, bleib von die feurigen Berge weg.«

»Mach mir jetzt keine Vorwürfe. Wer konnte das voraussehen.«

Stumm und traurig saßen beide nebeneinander.

Aus dem Dunkel der Höhle tauchte Karl Steffen auf, dessen Abwesenheit bei dem Ernst der Stunde kaum bemerkt worden war, und legte mit freundlicher Gebärde vor jedem der Jünglinge eine der traubenartigen Früchte der Gebangpalme und einige frische Feigen nieder.

Erfreut schauten Henrik und Fritz auf, mit nicht geringem Erstaunen die Balinesen.

»Wo hat der Mann die Früchte her?«

»Woher, Karl?«

Er deutete rückwärts: »Dort – Garten.«

»Ein Garten?«

»Kommen.«

Er ging zurück, und Henrik, Fritz, der eifrig den Feigen zusprach, sowie Ara Labung folgten ihm. Da es dunkel wurde, je weiter sie in die Höhle, die sich zu einem Gang verengte, eindrangen, gab Steffen den ihm Folgenden seinen Schal, an dem er sie weiter führte. Der Pfad machte verschiedene Windungen und lief endlich bergab. Zu ihrer Freude sahen sie Dämmerlicht vor sich, welches rasch mit ihrem Fortschreiten zunahm und endlich in Tageshelle überging, die zu einer wohl mannshohen Öffnung hereinfiel.

Zu ihrem Entzücken schauten sie hier durch in ein rings von hohen Wänden umgebenes Tal von geringem Umfang, das frisches Grün, Gras, Büsche, einige Gebangpalmen und Feigenbäume aufwies.

Sie traten hinaus in den Sonnenschein und standen auf einem kleinen weltabgelegenen Plätzchen von seltener Anmut. Einem köstlichen Garten glich dies abgeschlossene Rund; der Waldmensch hatte treffend den Ausdruck gewählt: »Danke dir, Erhalter«, murmelte der Balinese.

»Das ist köstlich«, sagte Henrik.

»Ja, det is hübsch«, äußerte Fritz, »wenn ick nu wat vor den Durscht hätte. Karlchen, jibt et hier nischt zu trinken, nu wenn et man Pumpenheimer is.«

Dieser nickte und führte ihn zu einem dem Fels entströmenden kleinen Quell, dessen Wasser sich zwischen dem Gras verlor.

Mit Jubel wurde das frische Naß begrüßt und der sich bei der Hitze fühlbar machende Durst gestillt.

»Wasser is doch det scheenste was' jibt«, sagte Fritz, »ick habe det schon eenmal erfahren.«

Ara Labung, der sich aufmerksam in dieser so lieblichen Zufluchtsstätte umgesehen hatte, sagte jetzt zu Henrik: »Dieses wunderbare Plätzchen bietet gewiß zunächst einige Sicherheit, aber wünschenswert wäre es doch, wenn ein Ausweg sich fände, der uns die Flucht ermöglichte.«

Steffen, als ob er die englisch gesprochenen Worte verstanden hätte, winkte Henrik, zu ihm zu kommen; er stand vor einem dichten Alanggebüsch, das sich an die Felswand anlehnte. Als Henrik neben ihm war, bog er die Zweige auseinander und machte so eine niedrige Öffnung sichtbar, die nach unten zu führen schien.

»Führt der Gang ins Freie?« fragte freudig überrascht Henrik.

Steffen nickte.

Henrik machte sofort Ara Labung aufmerksam, der über die Aussicht, diesen Felsenwall im Rücken der Feinde verlassen zu können, nicht wenig erfreut war.

»Das ist ein seltenes Glück, und wir können Ihrem Freund nicht dankbar genug sein.«

Während die drei Europäer in dem stillen Asyl zurückblieben, ging der Balinese zu seinen Leuten, um sie herbeizurufen.

Zitternd folgten ihm die abergläubigen Menschen, deren Phantasie alle Höhlen ihres Landes mit Spukgestalten bevölkert. Ihre Freude war nicht gering, als sie den sonnigen Felsengarten erblickten und frisches Wasser fanden.

Ara Labung fragte jetzt den jungen Menschen, den Steffen gefangen hatte, ob er die Wege auf der andern Seite des Felsens kenne.

Dieser bejahte.

»Können die Feinde rasch dort hinkommen?«

»Sie müssen einen großen Umweg machen.«

»Werden wir bald Wald erreichen?«

»Bald, Herr.«

»So wollen wir uns von der Sicherheit des Weges überzeugen und dann den Weitermarsch antreten, der Wald schützt uns genügend.« Er trat dann in den Gang, den des Waldmenschen Späherauge entdeckt hatte, und schritt ihn, gefolgt von Steffen, Henrik und dem jungen Balinesen hinab. Nach vielleicht fünfzig Schritten, sie konnten überall aufrecht einhergehen, sahen sie Dämmerlicht vor sich und fanden einen gleichfalls dicht mit Gestrüppbedeckten Ausgang.

Vorsichtig und nicht ohne Mühe drängten sie sich so weit hindurch, um einen Ausblick gewinnen zu können. Sie sahen ein breites Felstal vor sich, das nach Süden hin durch waldige Hügel abgeschlossen wurde, während nach Norden starre Felsen emporragten.

Von Feinden war nichts zu gewahren.

»Kennst du diesen Weg?«

»Ja, Herr, dort hinter jenen Hügeln liegt meine Heimat.«

»So wollen wir weitergehen, Anak Madé wird in großer Sorge um seine jungen Freunde sein.«

Der Verlauf der gigantischen Felszüge hatte ihm gesagt, daß die vor der Höhle lauernden Feinde in der Tat große Umwege machen mußten, ehe sie ihren Weitermarsch hindern konnten. Im Wald hoffte er, jeder Verfolgung entgehen zu können; ein Nachtmarsch schien ihm untunlich.

Die Träger und Soldaten wurden herbeigerufen, und Fritz, der ein stattliches Gericht Feigen zu sich genommen hatte, gesellte sich zu Henrik.

»Det war 'n recht hübsches Sommerlogis«, meinte er, auf das köstliche Plätzchen anspielend, welches sie eben verlassen hatten, »det müßten wir bei Berlin haben, det wär wat vor Rentjehs.«

Eilig zogen sie jetzt davon.

Steffen und der junge Balinese gingen als Späher voran, und nach einer Stunde anstrengenden Marsches erreichten sie, aus dem chaotischen Felsengewirr heraustretend, tropischen Wald mit seinem dichten Schatten, seinem Reichtum an Früchten, Vögeln und Affen. Nach kurzer Rast setzten sie ihren Weg wohlgemut, doch immer mit großer Vorsicht fort. Als sie endlich aus dem Wald herauskamen, sahen sie zerstörte Wohnungen und stießen auf einzelne Leichen.

»Wo liegt Mataram?«

Der junge Balinese, der traurig auf seine verwüstete Heimat blickte, gab die Richtung an. In dieser zogen sie durch ein sanft sich neigendes Wiesental weiter und wollten eben zur Seite eines Gehölzes in die Ebene treten, welche Mataram umgibt, als aus den Büschen einige Schüsse fielen, einer der Träger getroffen aufschrie und gleich darauf eine starke Schar Sassaker mit wildem Geschrei auf sie zustürmte. Mit einer außerordentlichen Schnelligkeit verschwand Fritz Fischer hinter einem Busch. Die Balinesen verloren aber ihre Ruhe nicht und feuerten auf ihres Führers Befehl mit guter Wirkung. Auch Henrik hatte entschlossen seine Büchse in den Haufen abgefeuert. Die Feinde hielten einen Augenblick im Vorschreiten inne, das wohlgezielte Feuer hatte sie erschreckt, dann aber stürmten sie unter der Führung eines großen, starken Mannes, der eine Lanze schwang, wieder heran.