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Der Letzte vom "Admiral"

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»Verwünschtes Beest!« murrte Fritz.

»Komm nur, Held der kleinen Sundainseln, ick heww ook so 'n lütten Appetit, wi wolld enn beten eeten.«

Er ging mit dem Vogel, der traulich auf seiner Schulter saß, langsam dem Haus zu, und mürrisch und schweigend folgte Fritz.

»Was fehlt dir denn eigentlich, Mensch?« fragte Henrik. »Rück doch heraus damit.«

Als der Schneider immer noch verstockt schwieg, fuhr Henrik fort: »Jetzt schieß aber los, oder ich lasse dich auf ›die verzauberte Insel‹ hier sitzen.

»Ich bin jiftig auf dir.«

»Warum denn?«

»Du willst mir verhauen.«

»Ich dich verhauen?« fragte Henrik erstaunt.

»Hast doch jesagt, ick sollte wat erleben.«

»Nun ja, ich wollte dich von den Malaien auslachen lassen wegen deiner Geisterfurcht.«

»Wenn unser Meester sagte, ›ick sollte wat erleben‹, dann jing die Keilerei aber ooch jleich los.«

»Mein lieber Junge, so war's nicht gemeint«, erwiderte Henrik lächelnd.

»Ick hätt' et ooch nich um dich verdient, seitdem ick dir det Leben jerettet habe.«

»Du hast mir das Leben gerettet?« fragte höchst erstaunt Henrik.

»Na, woll nich?«

»Wie denn? Wie denn, Fritze?«

»Wenn ick det Wasser nich ausjeschöpft hätte aus die Jondel bei die jrausliche Fahrt nach die Tigerinsel, wo wärst du denn jeblieben, Hamburger?«

»Ja, Napoleon, das ist aber auch wahr«, erwiderte der entzückte Henrik, »und diese Tat aufopfernder Menschenliebe vermehrt das Register deiner Heldenwerke wesentlich. Schade, daß wir in Hamburg keine Orden haben, sonst würde ich einen beim Senat für dich beantragen.«

»Ach, hör uff, da wird nich einmal hier wat aus werden«, erwiderte traurig Fritz.

»Nun, komm nur, wasserschöpfender Lebensretter, noch ist nicht aller Tage Abend, jetzt laß uns friedlich zu Nacht essen und von der Heimat plaudern.«

»Na, wenn du mir wieder ästimierst, Hamburger«, sagte der gutmütige Berliner, »denn is et ja jut.«

Und vergnügt schritten beide ihrer Behausung zu, sich bald angelegentlich in eine gründliche Untersuchung des ihnen vorgesetzten reichlichen Mahles vertiefend.

Am andern Morgen meldete sich bei den beiden jungen Leuten Ara Labung, den Anak Madé ihnen zugewiesen hatte, um ihnen als Führer zu dienen. Der junge Balinese, den die malerische Uniform sehr gut kleidete, sprach fließend englisch und zeigte sich als ein Mann von feinen Umgangsformen. Er brachte Grüße des Prinzen und kündigte dessen baldige Rückkehr an.

Durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Kalkutta war ihm europäische Art nicht fremd, und er hatte sogar eine nicht üble Kenntnis der politischen Verhältnisse Europas, obgleich auch ihm im inselindischen Staatsleben die Holländer als der wichtigste Faktor erschienen, mit dem die eingeborenen Fürsten rechnen müßten.

In seiner Gesellschaft besuchten sie Mataram, die eigenartige Stadt mit ihrer so gemischten Bevölkerung, besichtigten den großen Palast des Radscha, der eine Fülle indischer Kunstwerke und einen unvergleichlichen Reichtum barg.

Einige Ausflüge in die Umgebung lehrten sie das anmutige und schöne Land kennen. Die Hitze wurde durch den Monsun, die zu bestimmten Jahreszeiten einsetzende, bald nach Ost, bald nach West sich richtende Luftströmung, erheblich vermindert. Für den Schneider hatte man ein ruhiges Pferd ausgewählt, und Fritze Fischer begann sich im Sattel behaglich zu fühlen.

Wiederholt besuchte man auch Apanam und den »Arang«, um Mr. Blake zu begrüßen und Karl Steffen zu erfreuen. Nach des Kapitäns Aussage war bei dem herrschenden Wind noch für längere Zeit keine Aussicht, ein zur Heimkehr der beiden Deutschen geeignetes Fahrzeug einlaufen zu sehen.

So waren einige Tage in anmutigem und anregendem Wechsel verbracht, als Anak Madé wieder eintraf.

Er machte den jungen Gastfreunden seinen Besuch und war erfreut zu hören, daß sie sich äußerst wohl fühlten.

»Ihr sollt eine freundliche Erinnerung an Lombok und mich mitnehmen und bewahren«, sagte er herzlich.

Wie aus seinen Mitteilungen hervorging, war das Land ruhig, keine Gefahr eines Aufstandes vorhanden und so der Anschlag auf sein Leben wohl nur ein Ausfluß persönlicher Rache gewesen. Obgleich eine strenge Untersuchung im Gang war, hatte sie bis jetzt kein Ergebnis geliefert, da der junge gefangene Malaie wenig auszusagen vermochte und der mit Mannschaft ausgesandte Offizier es sicher sehr schwierig fand, die noch auf der Insel vorhandenen Piraten einzufangen, denn er war noch nicht zurückgekehrt.

Mit Vergnügen vernahm Anak Madé, daß Henrik sein Heimatland schön fand.

»Gern würde ich mir auch einmal Ihre ferne Welt ansehen«, äußerte er, »doch darf ich zunächst nicht daran denken, mich auf längere Zeit zu entfernen. Mein Vater ist alt und kränklich, und ich bin seine rechte Hand.«

Henrik konnte es nicht unterlassen, den deutsch und englisch sprechenden Papagei zu erwähnen.

»O ja«, sagte der Prinz, »den hat mir Mr. Blake zum Geschenk gemacht, der ihn von einem Matrosen kaufte. Er soll auch deutsche Worte sprechen. Hat er Sie damit überrascht?«

Anak Madé lächelte, als ihm Henrik Fritzens Abenteuer erzählte.

Als der Prinz dann im Lauf des Gesprächs nach besondern Wünschen Henriks fragte und dieser zu erkennen gab, daß es ihn überaus beglücken würde, den aus der Ferne so oft angestaunten, hoch zum Himmel ragenden Vulkan besteigen zu dürfen, entgegnete der Sohn des Radscha ernst: »Es ist dies schwieriger, als Sie glauben; ich habe den Versuch gemacht und bin gescheitert. Der Gunung Rindjani ist ein feuerspeiender Riese von geheimnisvoller Tücke. In seinem Innern glüht und zuckt es, und um seinen Scheitel weht eisige Luft. Ich gestehe, daß die Kälte mich wieder hinabgetrieben hat, ehe ich den Gipfel erreichte.«

Aber Kälte konnte Henrik, dem Sohn aus dem Norden, bestimmt nichts anhaben. »Ich würde es als ein großes Glück betrachten, jenen Bergriesen besteigen zu dürfen, vielleicht als erster Europäer, der seinen Krater erreicht.«

»Ich finde Ihren Wunsch begreiflich, Mr. Henrik, und es wird Ihnen leichter werden als mir, die kalten Luftströme dort oben zu ertragen. Ich weiß, was die nordischen Länder bringen, ich habe in Kalkutta sogar gefrorenes Wasser gesehen und seine Temperatur kennengelernt.«

Henrik, der vor Begierde brannte, die abenteuerliche Fahrt auf den interessanten und eine außerordentliche Rundsicht versprechenden Berg zu wagen, wiederholte seine Bitte, worauf der Prinz erwiderte: »Wenn Ihnen das so viel Freude macht, will ich Sie gern hinaufgeleiten lassen. Es ist sehr mühevoll, sogar nicht ungefährlich, doch habe ich Leute zur Verfügung, die den Berg kennen und dafür sorgen werden, daß Sie ungefährdet zurückkommen. Ich werde sogleich die nötigen Befehle erteilen.«

Hocherfreut dankte Henrik, und der Sohn des Radscha entfernte sich. Als Henrik jetzt Fritz Fischer, der stumm und in ehrfurchtsvoller Haltung der Unterredung mit angewohnt hatte, jubelnd mitteilte, daß Anak Madé die Ersteigung des Vulkans guthieß, machte der Schneider ein sehr langes Gesicht.

»Nimm mir's nicht übel, Hamburger«, sagte er dann, »aber du bist ein janz verdrehtes Huhn. Wat hast du denn nu uff den ollen rauchenden Berg zu suchen?«

»Denke doch, Fritz, wenn wir als die ersten Besteiger des Rindjani, des höchsten Berges der Sundainseln, in der ganzen Welt ausposaunt werden.«

»Is mir ejal. Laß dir nur ausposaunen, ick jeh' uff solche Berge nich.«

»Aber der Prinz sagt, daß es ganz ungefährlich ist.«

»Det hat der jut sagen, ick jeh' nich. Det kann keen Mensch von mir verlangen, det ick uff so feuerspeiende Berge jehen soll.«

»Du wirst dich doch jetzt, wo du ganz wiederhergestellt bist, von dieser herrlichen Fahrt, die uns nie im Leben wieder geboten wird, nicht ausschließen?«

»Det werd' ick janz jewiß.«

»Fritz, was werden die Reezengasse und die Nachwelt sagen, wenn du diese Gelegenheit ausschlägst, berühmt zu werden?«

»Det ick mir nich so leicht vor was fürchte, det weeßt du, Hamburger, aber uff so hohle Berge mit Feuer drin jeh' ick nu partutemang nich, und da kannst du dir uff 'n Kobb stellen.«

»Welche Ehre für uns, wenn es durch alle Zeitungen läuft, Fritz Fischer aus Berlin und Henrik Horsa aus Hamburg bestiegen mit unvergleichlicher Kühnheit den Gunung Rindjani, dessen Gipfel bisher noch kein Europäer erreicht hatte.«

»Ick bin jar nich eitel, Hamburger; tu mir die einzige Liebe und bleib von den ollen Berg weg. Wenn du in det Feuerloch da oben reinfällst, wat hast du dann davon?«

»Na, so nahe werde ich nicht herangehen.«

Alle Überredungskünste, um den Schneider willfährig zu machen, die Vulkanbesteigung zu versuchen, scheiterten an dessen unbezwinglichem Widerwillen gegen feuerspeiende Berge.

Sie nahmen ihr Abendmahl in Gesellschaft Ara Labungs ein, der sich gleich Henrik einen hohen Genuß von der Besteigung des Rindjani versprach.

Der Gunung Rindjani

Als Henrik am andern Morgen zum Fenster hinausblickte, sah er Karl Steffen ganz gelassen auf einer Ruhebank sitzen und ihm freundlich zunicken, als dieser ihn gewahrte.

»Oh«, sagte Henrik erfreut, »war dir das Schiff zu enge, Karl? Sei willkommen am Land.«

»Lange Wald gelebt«, erwiderte Steffen langsam, »wieder Wald sehen – Horsa sehen.«

»Brav, mein Freund, komm herein.«

Gleich darauf erschien der verwilderte Mann in dem Zimmer, das den jungen Leuten als Speiseraum diente. Karl Steffen nickte dem Schneider zu und blickte strahlend auf Henrik.

»Ich finde es sehr begreiflich, daß dir ein im Hafen ankerndes Schiff als ungewohnte Fessel erschien, und freue mich, daß du an Land gekommen bist. Setz dich und nimm teil an unserm Frühstück.«

 

Der ehemalige Matrose setzte sich unbehilflich; man sah ihm an, daß er sich Zwang antat; ihm, der so lange das Leben eines wilden Tieres geführt hatte, war das Sitzen auf einem Stuhl fremd, auch übte er große Vorsicht in der Auswahl der ihm vorgesetzten Speisen, die ihm ungewohnt waren. Er griff fast nur zu Früchten und in Wasser gekochtem Reis.

»Det Karlchen von die Insel«, meinte Fritz, der, nebenher bemerkt, nicht guter Laune war, »müßte doch seine Toilette etwas vervollkommnen.«

Steffen trug nichts weiter als sein indisches langes Gewand.

»Das ist wahr, mein Lieber«, sagte Henrik, »und da könntest du dir wesentliche Verdienste erwerben, wenn du während meiner Abwesenheit Karl einen hübschen Anzug machen würdest. Stoff, Nähzeug und Bügeleisen wollen wir schon anschaffen.«

»Hör mal, Hamburger«, sagte der Schneider sehr ernst, »ick habe dir schon auseinanderposamentiert, det ick Jründe habe, hier mein ehrenvolles Metier nich auszuüben, aus höhern Rücksichten, weißt du.«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Henrik, »du bist nur inkognito hier, von wegen –« und er tippte mit dem Finger auf seine Brust, »aber dann komm mit mir.«

»Ick habe ooch Jründe, uff keene verdächtigen Berggelegenheiten zu jehen.«

»Ihr Schneider habt keine Courage, das weiß man ja.«

»Hör mal, Hamburger«, sagte Fritz in großer innerer Erregung, »wenn du det sagst, du, der mir mitten mang die Schlacht jesehen hat, dann hört aber die Jemütlichkeit uff.«

Fritz Fischer war sehr beleidigt.

»Ich kenne ja deinen Mut, Fritz«, sagte begütigend Henrik, »und eben deshalb wundere ich mich, daß du mich nicht begleiten willst.«

»Ick tu' et nich«, erwiderte der Schneider, störrisch, »keen richtiger Berliner jeht uff eenen feuerspeienden Berg, ick tu' et nich.«

»Gut, gut. – Aber du, Karl Steffen, begleitest mich?«

Dieser nickte: »Ich geh', wo Horsa geht.«

»Ja«, brummte der Schneider, »der Mann paßt uff verrückte Berge, ick bin doch zu aufjeklärt, um mich mir nichts dir nichts in die Luft sprengen zu lassen.«

»Ja, Karl, du bist anhänglicher als dieses Kind der Reezengasse, dieser Napoleon in Duodezausgabe, der mir zwar durch Wasserschöpfen das Leben, dem ich aber zehnmal mehr, dem ich sein besseres Selbst gerettet habe.«

»Wat hast du mir gerettet?«

»Mensch, Schneider, Münchhausen, begreifst du denn nicht, welchen Dienst ich dir erwiesen habe, als ich dich von der teuflischen Macht des verzauberten Papageien befreite, der dich, einen ebenso tapfern als geistig hochstehenden Jüngling, der mit Spreewasser »getooft« ist, zu einem ›Döskopp‹ machen wollte? Begreifst du das denn nicht, Undankbarer? Ohne mich wärest du jetzt wirklich ein Döskopp.«

Fassungslos starrte ihn der Berliner an. »Nu ja«, brachte endlich der verblüffte Schneider, der sich doch innerlich schämte, daß er sich von dem Papagei ins Bockshorn jagen ließ, stotternd hervor, »nu ja, det unjebildete Vieh – det is – wat meenste denn eejentlich mit det allens?«

»Döskopp!« krächzte es vom Fenster her, und auf den nahen Zweigen saß der Papagei, den man die Tage her mit Süßigkeiten vom Tisch freigebig bedacht hatte.

Das übte nun freilich als Nachklang von Henriks Predigt eine so komische Wirkung, daß dieser sich vor Lachen nicht zu lassen wußte.

Fritz aber war sehr verdrießlich. »Immer mußt du mir uzen.«

»Nein, es war mir nur ein Bedürfnis, auch meine Verdienste um dich, der du mir durch Wasserschöpfen das Leben gerettet hast, hervorzuheben. – Übrigens würde ich mir diese beleidigenden Ausdrücke der Papageiengeister verbitten.«

»Na, warte nur, ick werde et dir schon wieder jeben«, brummte Fritz.

Ara Labung, der junge Balinese, erschien in Begleitung von Dienern, welche Jagdanzüge und Waffen trugen.

»Prinz Anak Madé hat schon gestern abend alle nötigen Befehle für Ihren Ausflug gegeben, und wir können bald nach Mittag die Reise antreten, Gentlemen. Er sendet hier für das Bergsteigen geeignete Kleider und Flinten für den Fall, daß Sie unser Bergschaf, das nur am Rindjani vorkommt, jagen wollen. Alles andere führen die Diener mit.«

Das freute Henrik sehr.

Als er das Erstaunen gewahrte, mit dem der junge Balinese Karl Steffens absonderliche Erscheinung betrachtete, erklärte ihm Henrik, wer er sei.

»Ja, ja, jetzt erinnere ich mich«, erwiderte der Offizier, »der Prinz hat von diesem Waldmenschen wiederholt gesprochen. Wird er mit uns gehen?«

»Er möchte mich gern begleiten.«

»Das mag er ruhig tun, unser Ausflug wird ihm seine einsame Insel mit ihrer Felsformation zurückrufen.«

»Nun, Fritz, komm, wir wollen Bergsteigertoilette machen.«

»Ick jeh' nich.«

»Sei kein Narr.«

»Der wär' ick, wenn ick mitjinge; ick tu' et nich.«

»Na, dann muß ich es allein mit dem Rindjani aufnehmen, denn hinauf will ich nun einmal, auch wenn mir deine Tapferkeit nicht zur Seite steht.«

Er bat Ara Labung, ihn zu entschuldigen, begab sich mit den Dienern in das Schlafzimmer und legte die neue Tracht an. Er sah prächtig aus in den hohen ledernen Gamaschen, der enganliegenden buntgestickten Weste mit der schön verzierten, einem Jatagan ähnlichen Waffe im seidenen Gürtel und der Büchse in der Hand.

»Een hübscher Junge bist de doch, Hamburger«, meinte Fritz.

»Mach dich ebenso hübsch.«

»Ne, ick tu' et nich«, und entschlossen entfernte er sich.

Ara Labung sagte, daß gegen Mittag alles zum Ritt fertig sein und er die Herren abholen werde.

Zur festgesetzten Zeit erschienen die Pferde und wohl ein Dutzend Diener, die beladene Handpferde führten. Fritz Fischer hatte sich nicht sehen lassen, er mußte wohl im Park umherwandern.

Mit Ara Labung erschien auch Anak Madé, und zwar beritten.

»Ich werde Ihnen«, sagte der Prinz zu Henrik, »bis zu Ihrem ersten Nachtlager das Geleite geben, um mich zu überzeugen, ob meine Befehle ausgeführt sind.«

Henrik war von dieser Aufmerksamkeit ungemein angenehm berührt.

»Nun«, fragte der Prinz, »wo ist denn das andere junge Milchgesicht?« Er bediente sich scherzend des Ausdrucks, mit dem die Europäer gemeinhin im indischen Archipel von den Eingeborenen bezeichnet werden.

Henrik sagte ihm, daß sich Fritz entschieden geweigert habe, an der Reise teilzunehmen.

»Ja«, äußerte lächelnd Anak Madé, »es gibt auch hier im Land Leute genug, die vor dem rauchenden Riesen abergläubische Scheu hegen, ich selbst habe nur mit innerm Beben den Berg bestiegen. – Ah«, fuhr er, Steffen gewahrend, fort, »da ist ja unser Waldmensch. Will er Sie begleiten?«

»Er wünscht es.«

»Nehmen Sie ihn nur mit, er kann Ihnen nützlich sein.«

Auf einen Wink Anak Madés brach man auf.

Noch im Sattel sah sich Henrik nach dem Berliner um, gewahrte ihn aber nicht, obgleich Fritz aus einem Busch den Abritt beobachtete.

Steffen weigerte sich entschieden, ein Pferd zu besteigen, und ging den Reitern, denen sich einige bewaffnete Soldaten zugesellt hatten, nach.

Das Land, das sie nach Norden hin durchritten, war eben und von kleinen Flußläufen durchzogen. Zwischen den zur Seite ihres Weges liegenden Dörfern zeigten sich ausgedehnte Reis- und Maisfelder, Anpflanzungen von Bananen, Feigen und Gebangpalmen. Die kleinen Häuser der Landbewohner waren teils aus Ton, teils aus Bambus errichtet; in letztern wohnten dann sicher Sassaker, während die Balinesen den Ton als Baumaterial vorzogen. Hie und da wiegten prächtige Kokospalmen ihre Blätter im lauen Wind. Das Land war überall gut bebaut und schien fruchtbar zu sein. Zahlreiche Pferde weideten auf ausgedehnten Wiesen, und dichte Scharen von Enten belebten Teiche und Bäche. Enteneier und Pferde sind wichtige Handelsartikel für Lombok. In der Ferne zeigten sich bewaldete Höhen, über die immer noch das Haupt des Gunung Rindjani emporragte.

Karl Steffen folgte treulich den Reitern und lief, als die Kavalkade sich in Galoppsetzte, in gleicher Schnelle und scheinbar ohne Anstrengung nebenher.

Das weiße Gesicht Henriks wurde von den dem Zug Begegnenden mit staunender Bewunderung betrachtet, Anak Madé überall ehrfurchtsvoll begrüßt.

Nach kurzem, wenig anstrengendem Ritt erreichten sie ein Wäldchen, in dem um dort aufgeschlagene Mattenzelte wohl fünfzig Männer versammelt waren, deren größerer Teil dem Volk der Sassaker angehörte. Es war die für Henriks Bergreise ausersehene Begleitung. Feuer, an denen gekocht und gebraten wurde, brannten, und zahlreiche Pferde waren ringsum angebunden.

Die Reiter ließen sich auf ausgebreiteten Teppichen nieder, und die Diener überreichten Tee. Steffen war gleichzeitig mit den Reitern eingetroffen, zu nicht geringem Staunen der berittenen Balinesen, doch hielt er sich abseits.

Anak Madé ließ einen alten Sassaker vor sich kommen, der Henrik, wie er diesem sagte, als erfahrener Führer dienen sollte. Ein sehniger Bursche, dem graues Haar, das lang unter dem bunten Kopftuch hervorquoll, das braune hagere Gesicht umwallte, beugte sich vor dem Prinzen.

»Ich bin glücklich, Herr«, sagte er mit kriechender Höflichkeit, »daß ich dich von neuem auf den Berg geleiten kann.«

»Dieses Glück wird dir nicht zuteil werden, Mann, aber das Milchgesicht neben mir wirst du zum Rauch oben führen und es wohlbehalten zurückbringen.«

Wer die Weise des alten Sassakers kannte, würde wahrgenommen haben, daß des Prinzen Worte ihm eine bittere Enttäuschung bereiteten.

»Geschieht dem Milchgesicht Übles, wirst du es büßen, Rasido«, fuhr Anak Madé fort.

»Rasido, Herr«, sagte der Mann unterwürfig, »wird das Milchgesicht zurückbringen oder selbst nicht wiederkehren.«

»Nach glücklich vollbrachter Reise werde ich dich belohnen, Rasido.«

Der Sassaker neigte sich.

»Du kennst den Berg, der Auf- und Abstieg kann auch zu dieser Jahreszeit ohne Gefahr bewerkstelligt werden?«

»Der Berg ist ruhig, seine Geister schlafen.«

»Gut, du siehst, daß ich dir vertraue, Rasido.«

»Dein Diener, Sohn des Radscha, wird das Vertrauen rechtfertigen.«

»Hast du alles, was du brauchst, um den Berg zu überwinden?«

»Es ist alles vorhanden.«

»Verdiene dir deine Belohnung.«

Er winkte und der Sassaker entfernte sich demütig.

»Ich muß Sie bald verlassen, Mr. Henrik«, sagte der Prinz, »ich bin in Mataram nötig, doch Ara Labung«, der Offizier hatte auf Anaks Befehl bei ihm und Henrik Platz genommen, »wird mich vertreten, und Sie werden auch an ihm einen Freund haben.«

Während sie sich noch über den Vulkan und die Hindernisse auf dem Weg zu seinem Gipfel unterhielten, hörten sie Pferdegetrappel an der Grenze des Wäldchens, und gleich darauf trat zu freudiger Überraschung Henriks Fritz Fischer auf ihn zu, während ein mit diesem eingetroffener Diener sich zu Anak Madé wandte.

»Fritze! Da bist du ja!« rief Henrik, dem der gute Schneider doch sehr gefehlt hatte.

»Ja, Hamburger«, sagte der, »ick konnte et nicht übers Herz bringen, dir allein in dein Unglück rennen zu lassen, et hätte mir det Herz abjedrückt. Wir waren zusammen arme Robinsons uff die schofele Insel, wir müssen schonst zusammenhalten, unter die wilden Menschenbrüder.«

»Das wollen wir auch, Fritz«, entgegnete Henrik, der die Anhänglichkeit des Schneiders, die selbst die Furcht vor dem Vulkan überwand, schätzte, herzlich und schüttelte ihm die Hand.

Jetzt erst gewahrte der Schneider, der eine Stunde nach Henrik in Begleitung eines Dieners aufgebrochen war, um diesen einzuholen, Anak Madé.

»Ach du jrundjütiger Himmel, unsere Hoheit, Durchlaucht. Entschuldigen der Herr Exzellenz jütigst, aber ick habe Ihnen nich gleich beaugenscheinigt, weil ich nur an diesen tollen Hamburger dachte, bei dem eene Schraube los ist.«

Fritz ließ sich wiederum eine stattliche Anzahl seiner Bücklinge zuschulden kommen, die selbst dem ernsten Fürsten ein Lächeln abnötigten. Von Henrik unterrichtet, daß den jungen Berliner das Herz in letzter Stunde dem Freund nachgetrieben habe, reichte er ihm freundlich die Hand und forderte ihn auf, sich bei ihnen niederzulassen, was Fritz mit seltsamem Anstand auch glücklich fertig brachte.

»Es ist schön, junger Freund«, sagte der Prinz, »daß Sie Ihren Gefährten nicht verlassen und die ihn erwartenden, nicht unerheblichen Anstrengungen teilen wollen.

»Ick werde mir bemühen, Durchlaucht Hoheit«, stammelte Fritz und verbeugte sich, schon sitzend, mehreremal.

Nach wenigen noch gewechselten freundlichen Worten erhob sich Anak Madé, mit ihm die andern. Die Reiter seiner besondern Begleitung saßen augenblicklich im Sattel, und das Pferd des Prinzen wurde vorgeführt.

 

Er reichte Henrik die Hand. »Erfüllen Sie Ihres Herzens Wunsch und kehren Sie glücklich nach Gunung Sari zurück, der Erhalter beschütze Sie.«

»Es is doch 'n janz famoser Kunde, der jelbe Prinz, und jar nich hochnäsig«, meinte Fritz.

»Er ist ein prächtiger Mensch, du aber, meine liebe Schneiderseele, auch; ich freue mich von ganzem Herzen, daß ich dich bei mir habe.«

»Wenn man nur allens jut abläuft.«

»Sei doch kein Hasenherz.«

»Na, et is nu ejal, nu mal rin in't Verjnügen.«

Sie ließen sich mit Ara Labung wieder auf dem Teppich nieder, und Fritz füllte seinen Magen mit einer nicht unerheblichen Ladung von Reis und gekochten Hühnern.

Bald kam die Nacht, und die jungen Leute suchten ihr Lager, das ihnen in einer der Basthütten auf Polstern bereitet war, während Steffen, einem treuen Wächterhund gleich, davor schlief.

Bald nach Tagesanbruch wurden sie geweckt.

Während sie mit Ara Labung frühstückten, wurden die Polster und die Mattenzelte den Pferden, die zu dem Zweck mitgeführt wurden, aufgepackt.

Fritz Fischer, der sich, ehe er Henrik nachritt, in den übersandten Jagdanzug geworfen hatte, trug mit einigem Selbstbewußtsein die dazu gehörende kurze Hiebwaffe im Gürtel, die Büchse hatte er zurückgelassen: »Denn weeßte«, hatte er geäußert, »so 'n Ding kann losjehen un det is ne jefährliche Jeschichte.«

Die Besorgnisse um den Ausgang der seiner Meinung nach so gefährlichen Expedition hatten übrigens weder seinen Schlaf noch seinen Appetit beeinträchtigt.

Bald saß alles zu Pferd und ritt im Morgensonnenschein dem Rindjani zu. Es war ein stattlicher Reitertrupp, der die rauhe Straße einherzog, überaus malerisch durch die farbigen Gewänder. Die große Zahl beladener Saumrosse erhöhte das Stattliche des Zuges.

Karl Steffen, an den Henrik nach seinem Erwachen freundliche Worte gerichtet hatte, bewegte sich auf seinen nackten braunen Füßen zur Seite der Reiter. Der schweigsame Mann im indischen Gewand, dessen helleres Haar zu der gebräunten Gesichtsfarbe nicht passen wollte, der mit ungeschütztem Fuß auch auf rauhem Boden mit dem galoppierenden Pferd Schritt hielt, war den Balinesen und vor allem den Sassakern aufgefallen, die ihn mit bemerkbarer Scheu betrachteten.

Das Land war überall gut angebaut und ziemlich dicht besiedelt. Von allen Seiten liefen Leute herbei, um den Zug und die noch nie gesehenen Milchgesichter anzustaunen. Henrik ritt in der fröhlichsten Stimmung neben dem jungen Balinesen und Fritz einher. Dieser hatte bei dem mühelosen Ritt durch die Ebene seine gute Laune wiedergefunden und erging sich in kühnen Vergleichen zwischen dem, was ihnen vor Augen lag und der Umgebung von Berlin, wobei er nicht vergaß, deren landschaftliche Reize hervorzuheben. Zu ihrer Rechten zogen sich, als sie weiter kamen, sehr lieblich gestaltete, dicht bewaldete Höhen hin, und allgemach stieg auch ihr Weg empor.

Als sie endlich in einen Wald einritten, dessen mächtige Baumgestaltungen von fremder ungewohnter Art Henrik bewundernde Ausrufe entlockten, wurde der Schneider wieder verdrießlich, und statt seine Aufmerksamkeit der reichen Vogelwelt, den buntgefieberten Kakadus, grünen Tauben oder den häufig auftretenden Affen zuzuwenden, schaute er oft ängstlich um sich her.

Dämmerung umfing die Reisenden, und der Weg wurde hie und da so schmal, daß sie einzeln reiten mußten.

Als Henrik und Fritz wieder zusammen ritten und der Schneider nach beiden Seiten wieder ängstlich ausschaute, sagte Henrik endlich: »Was hast du denn? Fürchtest du dich etwa? Wilde Tiere gibt es hier nicht.«

»Ich fürchte mir ooch nich vor wilde Tiere, aber ick fürchte mich vor die braunen Menschen. Det is ne Jegend hier, wo sie eenen abmurksen können, ohne det irgend einer wat von erfährt.«

»Du, ich spreche gleich die Sprache der Papageien, wenn du so fortfährst. Du weißt doch?«

»Ja, ick verstehe dir, ›Döskopp‹ meinst du.«

»Wir reiten unter der Bewachung von fünfzig zuverlässigen Leuten, stehen unter dem Schutz des Landesherrn.«

»Ick sage dir, Hamburger, die braunen Menschen hier sind sich nich jut untereinander, jib nur mal acht, wie sie sich absentieren und immer in zwei Teile jehen.«

Diese Bemerkung des Schneiders verriet mehr Scharfsinn, als bei ihm vorauszusetzen war, und machte Henrik, welcher der Begleitung wenig Beachtung geschenkt hatte, betroffen.

Als Ara Labung sich wieder zu ihm gesellte, teilte er ihm mit, was Fritz wahrgenommen haben wollte.

»Ihr Freund hat durchaus richtig gesehen«, erwiderte dieser. »Unsere Mannschaft setzt sich aus Sassakern und Balinesen zusammen, zwischen denen sowohl die Sprache als auch vor allem die Religion, deren Gesetze sich bis auf Speise und Trank erstrecken, einen wesentlichen Unterschied bedingen. Die Sassaker sind Mohammedaner, wir dienen Brahma, und dazu kommt, daß ich wohl der einzige Balinese hier sein dürfte, der die Sprache der Eingeborenen spricht, wie auch wohl unter jenen nur Rasido, unser Führer, unser Idiom verstehen wird. Daraus erklärt sich die Einteilung unserer Leute in zwei Gruppen ganz natürlich, einig aber sind diese in treuer Pflichterfüllung.«

Als dem Berliner dies verdolmetscht war, äußerte er: »Det mag allens sind, aber ick traue die Leute nich.«

Als sie nach mehrstündigem Ritt durch den dichten Wald endlich aus diesem heraustraten, sahen sie in seiner ganzen Majestät den riesigen Pik von Lombok vor sich. Der massige Koloß mit seinen bewaldeten Vorbergen, seinem sich vom klaren Abendhimmel scharf abhebenden Haupt, dem in unbewegter Luft senkrecht zum Himmel aufstrebend eine Dampfwolke entstieg, machte einen gewaltigen Eindruck.

Während Henrik sich diesem überließ, schlugen die Diener an einer geschützten Stelle das Lager auf und zündeten Feuer an.

»Ja«, sagte Fritz, »et is kolossiv, det muß wahr sin. Rauchende Berge haben wir bei uns doch nich.«

»Nun, haben wir nicht auch zwei rauchende und feuerspeiende Berge in Europa?«

»Det wirst du mir nich weismachen.«

»Aber, Mensch aus Spreeathen, du hast doch sicher vom Vesuv und Ätna gehört?«

»Ach so, die meenste? Von den eenen hab ick mal jehört, det is aber in de Türkei oder so rum.«

»Na, kommen wir wieder glücklich zur Heimat, kaufe ich dir ein Geographiebuch und Bilder vom Vesuv und Ätna.«

»Ick wollte, ick hätte et erst«, seufzte Fritz.

Als sie sich am Feuer niederließen, erschien Karl Steffen, den sie den ganzen Tag nicht gesehen hatten, und brachte einige Hühner, die er auf seine Weise erlegt hatte und welche, rasch zubereitet, ein überaus wohlschmeckendes Abendbrot lieferten.

Henrik veranlaßte den Matrosen, sich neben ihn zu setzen. Er befürchtete, das ungezügelte Umherstreifen in den wilden, einsamen Wäldern könne den kaum aus langem Schlaf erwachten Menschen in seine alten Gewohnheiten zurückfallen lassen. »Ziehst du nicht den unendlichen Ozean diesen düstern Waldungen vor, Karl?«

Nach einiger Zeit entgegnete dieser: »See gut – Wald gut. Er geht mit Horsa – See – Wald.«

»Selbstverständlich bleibst du bei mir. Hoffentlich sehen wir unser altes, schönes Hamburg bald wieder.«

Als die Nacht hereinbrach, bot sich den Augen der Lagernden ein wunderbares Schauspiel. In regelmäßigen Pausen brach aus dem Krater des Berges Feuerschein, der die gewaltige ihm entstiegene Dampfwolke von unten rötlich beleuchtete. Es war ein ebenso prächtiger als gewaltiger Anblick.

»Janz kolossiv«, murmelte der hingerissene Schneider. »Det wär wat vor de Berliner, besonders wenn et nischt kostet, aber ick jeh nich hin, wo det Feuer brennt.«

Lang saß Henrik noch, als schon alle schliefen, in der stillen Nacht und schaute abwechselnd zu den glänzenden Sternen und zu der feurigen Wolke des Piks empor, deren Glanz weit über Land und Meer leuchtete. Erst spät suchte er das Lager auf. Vor dem Zelt schlief Karl.

Am andern Tag stieg der Zug durch Wälder und Felsschluchten unter nicht geringen Anstrengungen zum Berg empor. Überaus herrlich waren die Ausblicke in die bewaldeten Täler, die in malerischer Abwechslung des Blattgrüns vom hellsten bis zum dunkelsten, bestrickend wirkten.