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Der Letzte vom "Admiral"

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Henrik war in Gedanken versunken und achtete deshalb der kühnen Behauptung des Spreeatheners nicht.

Nach einiger Zeit äußerte der Schneider, der vom Schweigen kein Freund war: »Worüber jrübelste denn, Hamburger?«

»Ich sinne über die wunderbaren Fügungen nach, die uns aus tiefem Elend hierhergeführt an den Hof eines gastfreien Fürsten.«

»Ja, Hamburger, et is wunderbar jenug, und der liebe Jott muß et doch jut mit uns meinen. Wenn et man nur so bleibt.«

»Du hast recht, noch sind wir weit vom Heimatland, doch ich würde mich der Gegenwart mit ungetrübter Freude hingeben, wenn ich über das Schicksal des ›Roland‹ beruhigt wäre.«

»Ja, der jute Herr Findling; aber sei man ruhig, Hamburger, dem wird der liebe Jott ooch aus die Patsche helfen.«

»Mögest du wahr sagen.«

»Meene liebe Olle, die wird sich ooch schon um mir ängstigen, un et is schade, det hier keen Postbureau is mit Briefmarken, ick würde ihr schonst allens schreiben, und der Jule würde eine unbändige Freude über die wilden Marken haben.«

»Das müssen wir noch aufschieben, bis wir in eine Hafenstadt kommen, die regelmäßige Verbindung mit Europa hat.«

»Wenn sie in der Reezenjasse wüßten, wie ick hier in die fremde Kledasche rumgehe un von Hoheiten und Durchlauchten ästimiert werde, die würden sich aber wundern. Recht nobel jeht et hier zu, det muß ick sagen. Von so 'ne Jegend hab' ick doch keene Ahnung jehabt.«

»Diese Insel ist auch wohl kaum je von Europäern, die Häfen ausgenommen, betreten worden, es ist eine unbekannte, eigenartige Welt.«

»So?« meinte Fritz nachdenklich, »dann werden sie hier am Ende gar keenen Orden haben.«

Es zuckte um Henriks Mundwinkel, und seine Augen drückten das Vergnügen aus, das er bei dieser hingeworfenen Äußerung des Schneiders, die da ankündete, womit sich seine Gedanken vorwiegend beschäftigten, empfand.

»Aber warum nicht?« erwiderte er mit drolligem Ernst. »Haben wir Elefanten- und Schaffellorden –«

»Wat haben wir?«

»Nun, Dänemark hat den Elefantenorden, und Spaniens Goldenes Vlies ist nichts weiter als ein Widderfell.«

»Na, da is doch det Ende von weg«, sagte erstaunt der Schneider.

Ernsthaft aber fuhr Henrik fort: »Warum sollten die Leute hier nicht einen Tiger-, Panther-, Rhinozerosorden haben?«

»Hm, möglich wäre et ja. Ick habe nur jar nischt jesehen an die Leute, nich emal 'ne Dienstschnalle oder so wat.«

»Nun, wir werden darüber noch ins klare kommen, der Prinz ist ein sehr gebildeter Mann, hat unter Engländern gelebt und weiß, was sich ziemt.«

»Diamanten oder so soll et in diese Länder doch recht viele jeben.«

»Das glaube ich auch, und deshalb werden wahrscheinlich alle Orden nur in Brillanten verliehen werden.«

»Meenste?« Fritze versank wieder in Nachdenken, sagte aber nach einiger Zeit: »So 'n Rhinozerosorden möchte ick aber doch nich jerne haben.«

»Unsinn! Du brichst die Brillanten 'raus und trägst den Orden versteckt.«

Mr. Blake, der ebenfalls die Nacht in Gunung Sari zugebracht hatte, ließ sich melden und begrüßte die jungen Leute freundlich.

In der zwischen ihm und Henrik in englischer Sprache geführten Unterhaltung teilte der Kapitän des »Arang« mit, daß der Prinz schon vor Tagesanbruch mit einer Schar Reiter ins Land geritten sei.

Zur Erklärung fügte er hinzu: »Die Balinesen, als der herrschende Stamm auf dieser Insel, werden von den Eingeborenen des Landes, den Saffakern, gefürchtet und gehaßt, und blutige Aufstände gehören nicht zu den Seltenheiten. Anak Madé fürchtet, daß der Anschlag auf ihn nicht nur von raublustigen Malaien ausgegangen sei, sondern daß die Saffaker nach seinem Leben strebten. Der Prinz, der vor vier Jahren einen Aufstand mit großer Tapferkeit niederwarf, ist sehr gefürchtet von den Eingeborenen, und er ist mit der ihm eigenen Kühnheit ins Land geritten, um sich von der Haltung der Saffaker und ihrer Häupter zu überzeugen. Er läßt seinen jungen Gastfreunden seine Grüße vermelden und sie bitten, alles, was ihm gehöre, als ihr Eigentum zu betrachten.«

Trotzdem Henrik von dem Sohn des Radscha bereits Andeutungen erhalten hatte, welche einiges Licht auf die innern Verhältnisse des Landes warfen, überraschte es ihn doch, daß Anak Madé sich so rasch auf eine Expedition begeben hatte, die kriegerische Gefahren in sich barg, und er äußerte dies Mr. Blake gegenüber.

»Ich glaube nicht«, entgegnete dieser, »daß die Gefahr eines Aufstandes droht, denn die Entschlossenheit und Tapferkeit Anak Madés sind bekannt genug, sein Ritt ins Land wird, immer vorausgesetzt, daß die Saffaker sich überhaupt zu rühren gedächten, überaus einschüchternd wirken.«

»Sie leben schon längere Zeit hier, Mr. Blake?«

»Vier Jahre. Anak Madé lernte mich auf seiner Reise nach Kalkutta – ich diente als Steuermann auf dem Dampfer, der ihn trug – kennen und fand Gefallen an mir. Auch in Kalkutta sah ich ihn wiederholt, während er dort studierte. Als er mir schließlich den Vorschlag machte, als Schiffsführer in die Dienste seines Vaters zu treten, nahm ich an und befinde mich hier ganz wohl, der Radscha sowohl als der Prinz sind vornehme, fürstliche Naturen.«

»Und Sie denken hier zu bleiben?«

»Doch nicht. Ich werde recht hoch besoldet und führe ein bequemes Leben, doch hoffe ich, in einem oder zwei Jahren mit meinen nicht unerheblichen Ersparnissen mein Vaterland wieder aufsuchen zu können.«

»Sie kennen gewiß auch das Innere des Landes?«

»Ich bin nie weiter als Mataram und Gunung Sari gekommen, doch habe ich in diesen Jahren sorgfältige Küstenvermessungen vorgenommen. Das Innere der Insel ist unbekannt, es existiert auch keine Karte davon; die Fürsten scheuen sich, fremde Gelehrte ins Land zu lassen, sie fürchten ungemein, daß die Holländer Gelüste nach Lombok verspüren und ihnen ihre Macht nehmen könnten.«

»Das Innere des Landes und besonders der riesenhafte Vulkan müssen sehr Interessantes bieten.«

»Mag sein, doch ich habe als Seemann kein Verlangen, dort Studien zu machen.«

»Für mich wäre es die Befriedigung eines heißen Wunsches, das Innere dieses seltsamen Landes sehen und den feuerspeienden Berg besteigen zu dürfen.«

»Ich fürchte, Sir, daß dieser Wunsch ohne Erfüllung bleiben wird.«

»Schade. Welche Aussicht bietet sich uns denn, von hier aus nach einem besuchten Hafen gelangen zu können?«

»Der Verkehr europäischer Schiffe in Ampanan ist ein sehr unregelmäßiger. Einem der chinesischen oder malaiischen Küstenfahrer sich anzuvertrauen, ist untunlich, wir müssen deshalb warten, bis ein Dampfer oder Kauffahrer anlegt, doch fürchte ich, daß da noch einige Zeit vergehen wird.«

»So müssen wir uns in Geduld fassen; unsere gegenwärtige Lage läßt ja nichts zu wünschen übrig.«

»Soweit es mein Dienst erlaubt, stelle ich mich gern zur Verfügung«, sagte Mr. Blake höflich, »doch muß ich jeden Augenblick des Befehls gewärtig sein, Soldaten nach irgendeinem Punkt der Küste zu führen, so daß ich mich bald an Bord begeben muß. Der Prinz hat indessen einen jungen Offizier, der mit ihm in Kalkutta war und trefflich Englisch spricht, zu Ihrem Adjutanten ernannt. Ara Labung, der im Land weilt, wird sich noch heute bei Ihnen melden.«

Henrik drückte sein Bedauern aus, daß er die Gesellschaft Mr. Blakes entbehren solle.

»Sie werden in diesem köstlichen Landaufenthalt des Radscha nicht nur Erholung, sondern auch Unterhaltung finden. Wenn es Ihnen beliebt, machen wir einen Spaziergang durch den Park, den Sie gestern doch nur flüchtig gesehen haben.«

Henrik und Fritz folgten gern der Einladung des gefälligen Mannes. Durch schattige Alleen, deren Bäume reich von buntfarbigen Papageien der verschiedensten Gattungen und den schönen grünen Tauben belebt waren, die den kleinen Sundainseln eigentümlich sind und sehr wenig Scheu vor Menschen haben, führte er sie nach einem Teil des Parkes, den sie gestern nicht betreten hatten.

Hier befand sich die Tiersammlung des Radscha. In geschmackvoller Anordnung waren die Tiere in einzelnen Häuschen, die als Käfig dienten, oder auf umfriedigten Plätzen untergebracht. Da auf den kleinen Sundainseln schon längst die größern wilden Tiergattungen ausgestorben sind, stammten die Bewohner der fürstlichen Menagerie größtenteils aus Indien.

Der bengalische Tiger war in mehreren prächtigen Exemplaren vertreten, die das Staunen und Grausen Fritz Fischers hervorriefen.

»Det sind jrade solche Canaillen, wie du eene jeschossen hast, Hamburger.«

Nicht ohne innern Schauder dachte Henrik an seine Begegnung mit der gefährlichen Bestie, und Mr. Blake vernahm davon wie von dem Keulenschlag, mit dem der Waldmensch sie abgetan, mit Staunen und Bewunderung.

»Det is 'ne jefährliche Sorte«, meinte Fritz.

Auch der schwarze Panther war vorhanden, dessen Anblick Henrik lebhaft die Erinnerung an seines Vaters einsames Grab zurückrief.

Zahme indische Elefanten, Hirsche und Rehe, der nur den Sundainseln angehörende Hirscheber, Büffel, einige riesige Exemplare des Gangeskrokodils zogen ihre Aufmerksamkeit an.

Die Schlangen waren zahlreich in starken Glaskästen vertreten. Vogelhäuser, welche schöne Exemplare sämtlicher Vogelarten der Sundainseln bargen, gewährten überraschende und anmutige Bilder.

Die Bewohner eines großen Affenhauses entzückten vor allem Fritz Fischer.

»Det is 'n Zoologischer«, äußerte er. »Der kann sich beinah mit unserm messen, vor 'ne wilde Insel is det janz hübsch.«

Das Ganze war zwischen Bäumen und Büschen angebracht und hatte malerische Wirkung.

Während sie dahinschritten, ehrfurchtsvoll von einigen der Wärter begleitet, begegnete ihnen ein junger Hindu, der, zum Hof des Radscha gehörend, sich durch große Gewandtheit in indischen Zauberkunststücken auszeichnete und auch gestern abend schon vor den entzückten Zuschauern einige seiner Künste gezeigt hatte.

 

»Da kommt Sundara, der indische Magier«, sagte Mr. Blake, »vielleicht ist er in der Laune, uns einige seiner geheimnisvollen Produktionen vorzuführen. Ich will ihn darum bitten.«

Er rief den höflich grüßenden Hindu an, stellte ihn den jungen Leuten vor und trug ihm dann seine Bitte – Sundara verstand und sprach Englisch – ihnen einige Beweise seiner ungewöhnlichen Kunstfertigkeit zu geben, vor.

Der Hindu, ein junger Mann mit klugem Gesicht, der Mr. Blake als eine am Hof des Radscha angesehene Person kannte und wußte, daß er in den beiden Weißen Gäste des fürstlichen Hofes vor sich hatte, nickte lächelnd Gewährung.

Sie waren an einem freien Platz angekommen, der, von schattigen Bäumen umgeben, eine gleichmäßige, von äußerst kurz gehaltenem Rasen bedeckte Fläche bildete.

Der Hindu rief einem der Menageriewärter etwas zu, worauf dieser rasch einen aus Bambusstreifen geflochtenen länglichen Korb herbeiholte, wie man sie überall sah. Sundara, der Hindu, übergab diesen leeren, durchsichtigen Korb Fritz und ersuchte ihn in englischer Sprache, diesen irgendwo auf dem Rasenplatz mit der Öffnung nach unten aufzustellen.

»Wat soll ick machen, Hamburger? Uff Zauberjeschichten laß ick mir nich in, det sag ick jleich.«

»Du sollst nur den Korb irgendwo hinstellen.«

»Jut, det will ick machen.«

Er trat vor, setzte den Korb, den Boden nach oben, nieder und ging dann wieder zurück.

Die Europäer standen etwa zwölf Schritte von dem Korb, der, leicht und durchsichtig gearbeitet, absolut nichts in sich verbergen konnte. Die Menageriediener standen weiter ab. Der Hindu schritt um den Korb herum, leise murmelnd, machte einige Gebärden nach dem Korb zu, blieb stehen, hob den Korb empor und – sechs Schlangen reckten züngelnd ihre Häupter hoch aus dem Gras.

Es war staunenswert, denn auch das ganz kurze Gras konnte die Tiere nicht verborgen haben.

»Det is kolossal«, murmelte Fritz. »Sind sie jiftig?«

Der Hindu, den Korb in der Hand, umschritt im Kreis die Schlangenhäupter, die, sich zu ihm neigend, ihm folgten, deckte dann den Korb wieder darüber, und nach einigen beschwörenden Gebärden hob er ihn wieder empor, lächelnd einladend, sich zu überzeugen, daß die Schlangen verschwunden seien. Alle traten hinzu, betrachteten den ganz gewöhnlichen Korb und den unberührten, festen Erdboden. Die Schlangen waren verschwunden, wie sie gekommen waren.

»Da is aber det Ende von weg«, erklärte Fritz.

»Die Künste dieser indischen Jongleure«, sagte Mr. Blake, »sind staunenswert.«

Er und Henrik überhäuften Sundara mit Lobsprüchen, die dieser wohlgefällig entgegennahm.

»Was meinst du«, sagte Mr. Blake dann zu ihm, »wenn du uns das bewundernswerteste deiner Kunststücke vorführtest, das mit den Pfeilen; du würdest uns allen eine große Freude damit bereiten.«

Der Inder sah nach dem Himmel und den Baumkronen, prüfte den Luftzug, sagte dann, er sei bereit, und gab einem der Diener einen Befehl, worauf sich dieser flink entfernte.

»Jetzt werden Sie etwas zu sehen bekommen«, äußerte Blake, »was ein Europäer niemals fertig bringt.«

»Glauben Sie, daß ein Europäer das Schlangenkunststück nachahmen kann?«

»Das wäre möglich.«

»Wie erklären Sie es sich?«

»Diese Leute haben ein wunderbares Talent, Schlangen zu zähmen und abzurichten. Ich zweifle nicht, daß er die Schlangen bei sich trug, sie, ungesehen von uns, ins Gras unter den Korb schlüpfen ließ und dann, unsere Aufmerksamkeit durch seine Gebärden ablenkend, wieder an sich rief. In der Dressur dieser Tiere liegt hier das Wunderbare.«

Schon kam der Diener zurück und überreichte dem Hindu einen Bogen und ein Bündel Pfeile.

Dieser wählte sorgfältig acht Pfeile aus und steckte sie nebeneinander in den Gürtel.

»Ich muß einen Schuß tun, Sahib, um den Luftzug zu erproben.« Er legte einen neunten Pfeil auf die Sehne und schoß ihn senkrecht in die Höhe. Der Pfeil kam herab und sauste einige Schritte von der Gruppe entfernt bis fast zu dem befiederten Ende in den Boden. Der Indier wechselte hiernach seine Stellung und bat die andern, zu seiner Seite zu treten. Als dies geschehen war, schnellte er mit einer fabelhaften Schnelligkeit alle acht Pfeile, die er im Gürtel trug, einen nach dem andern in die Höhe – und alle acht Pfeile fielen, einen Kreis bildend, gleichzeitig wieder hernieder.

»Wonderful!« rief der Engländer, »herrlich! prächtig!« Henrik. Auch Fritz, der freilich die außerordentliche Geschicklichkeit, welche das Abwägen der größern oder geringern Kraft erforderte, mit der die Pfeile in blitzschneller Folge emporgeschnellt wurden, nicht zu würdigen vermochte, stimmte ein. Henrik aber, der recht gut erkannte, worin die wunderbare Kunst des Hindu bestand, staunte sie deshalb um so mehr an. Blake und er drückten Sundara lebhaft ihre Anerkennung aus und sagten ihm Dank.

»Sie haben recht, Mr. Blake«, sagte Henrik dann, »das wird nie ein Europäer nachahmen, das ist staunenswert.«

Der Jongleur sammelte seine Pfeile, grüßte und entfernte sich, während die Jünglinge unter des Kapitäns Führung weitergingen.

Sie erreichten durch einen schattigen Laubgang einen freien grünen Platz, an dessen Ende sich ein Tempel erhob, vor dem einige prächtige Kühe weideten.

»Das ist ein den indischen Gottheiten geweihtes Haus, in dem die Balinesen ihre Andacht verrichten.«

Es war ein mit reichster indischer Ornamentik geschmücktes Gebäude, das sie vor sich sahen, dessen unterer Teil aus rötlichem Sandstein, dessen oberer aus kostbaren geschnitzten Hölzern errichtet war. Zwei riesenhafte, aus Stein gemeißelte Figuren, in den grotesken, doch bedeutungsvollen Formen der indischen Symbolik ausgeführt, flankierten den Eingang, zu dem einige Stufen hinaufführten. Der von hohen Bäumen umstandene Platz, das still und einsam daliegende Gebäude machten einen feierlichen Eindruck.

»Wat is denn det?« fragte leise Fritz.

»Ein Hindutempel.«

»Ach, du meenst so 'ne Kirche vor die braunen Menschen?«

»So ist es.«

»Jotte doch, wat haben die aber vor Fratzen vor die Tür, die haben ja acht Arme.«

»Still, diese Figuren sind den Leuten heilig.«

Ein weißgekleideter Priester erschien im Eingang und schritt dann auf sie zu.

»Müssen wir uns entfernen, Mr. Blake?«

»O nein, die Leute sind nicht fanatisch.«

Der Priester kam heran und betrachtete mit großer Aufmerksamkeit Henrik und Fritz. Er grüßte höflich, und sich an den Engländer wendend, fragte er in balinesischer Sprache: »Sind das die jungen Europäer, die Anak Madé vor dem Kris der Malaien gerettet haben?«

Als Mr. Blake bejahte, wandte er sich an Henrik und Fritz. »Ihr waret das Werkzeug der Gottheit, Freunde, um dieses Land vor unendlichem Weh zu bewahren. Wir sind euch dankbar und haben Wischnu, dem Erhalter, Opfer für euch dargebracht.«

Mr. Blake übertrug Henrik diese Worte.

»Du sagst recht, Priester, wir waren Werkzeuge in Gottes Hand.«

»Gefällt es euch, Freunde, in das Haus der Ewigen zu treten, ihr seid willkommen.«

Henrik, der gern die Gelegenheit benutzte, das Innere eines Hindutempels zu sehen, nahm die Einladung dankbar an.

Fritze sagte, als ihm die Aufforderung, den Tempel zu betreten, verdeutscht wurde: »Ick jehe mit, Hamburger, ick werde dir in die Jötzengegend nich allein lassen.«

Der Priester geleitete sie durch den Haupteingang und eine Vorhalle in das Innere des Tempels. Die vor dem Eingang emporragenden massigen Götterbilder sahen in der Nähe noch abschreckender aus als aus der Ferne, wie auch die reiche, phantastische Ornamentik der Front etwas Sinnverwirrendes hatte, was dem Herrn aus der »Reezengasse« Unbehagen verursachte.

In das Innere geführt, befanden sie sich in einem hohen und umfangreichen Raum, den geheimnisvolle Dämmerung einhüllte. Die Wände waren bedeckt mit symbolischen Figuren in für den Nichteingeweihten unverständlicher wirrer Zeichnung. Auf steinernen Altären lohten kleine Feuer, und betäubender Geruch verbrannten Räucherwerks füllte den ganzen Raum. Rechts und links erhoben sich Götterbilder, die in dem Dämmerlicht der großen Halle unheimlichen Eindruck machten.

Das mächtigste dieser, die göttlichen Gewalten darstellenden Bildwerke erhob sich dem Eingang gegenüber und ragte hoch auf. Die verzerrten Gesichtszüge, die unförmlichen Leiber, die vervielfachten Glieder der nur entfernt an Menschen erinnernden Figuren, auf denen der Schein der Altarflammen unruhig hin und her zuckte, waren eher geeignet, Grausen zu erwecken, als Ehrfurcht oder Bewunderung hervorzurufen.

»Hamburger«, flüsterte Fritz, »ick verziehe mir, ick halt et nich aus, et jruselt mir. Et riecht hier nach Menschenblut.«

»Still!«

Der Priester, der sie langsam und schweigend einherführte, geleitete sie jetzt zu einem andern Ausgang, der in einen freundlichen Hofraum auslief, den die Wohnungen der Priester einfaßten.

Hier sagte er: »Wir gestatten selten Fremden, die nicht zu Brahma beten, Eingang in den Tempel, aber jeder gute Mensch ist der Gottheit angenehm, und daß ihr gute Menschen seid, habt ihr bewiesen.«

Andere Priester erschienen, begrüßten die Fremden, überreichten ihnen Blumen und jedem ein Täfelchen aus Bambusrinde, auf denen Sprüche aus den heiligen Schriften der Inder eingekratzt waren.

Die drei Europäer dankten und verabschiedeten sich. Gleich darauf umfing sie der hochstämmige Wald, der an die Tempelmauer grenzte. So groß Henriks Interesse an dieser Stätte eines fremden Kultus war, so teilte der Schneider es durchaus nicht, ihm waren Tempel, Priester und Götterbilder höchst unheimlich erschienen.

»Zu die ollen Zauberer mit's Räucherwerk in die dunkle Bude und die steinernen Fratzen jeh' ick nich wieder hin; det is ne scheene Jesellschaft.«

Henrik wollte ihn über die Religion Brahmas belehren, aber Fritz unterbrach ihn: »Laß jut sein, Hamburger, ick will nischt von wissen, det is allens fauler Zauber. Ick habe Jeschichten von so Sachen jelesen, die murksen hier Menschen ab, det kenn ick schonst.«

Alle Bemühungen Henriks, ihm diesen törichten Glauben zu nehmen und ihn zu überzeugen, daß der Gottesdienst der Hindu keine blutigen Opfer bedinge, blieben fruchtlos.

»Det kenn' ick allens, Hamburger«, erwiderte er, »ick habe von jelesen mit Ferdinand Cortez un so, ne det is ne jrausliche Mörderbande, ick will nischt mit zu tun haben. Ick verlasse mir nur uff unsere Durchlaucht, der ick doch schließlich det Leben gerettet habe, der Prinz wird mir nischt tun lassen.«

»Tu hast dem Prinzen das Leben gerettet?« fragte Henrik, über diese neueste Münchhauseniade des Berliners doch verblüfft.

»Meenste nich? Der Mordbube mit det krumme Messer, den ick jefangen jenommen habe, hatte et doch sicher auf die Durchlaucht Exzellenz abjesehen, det is doch mal klar, und et wär' ooch 'n scheenes Malör passiert, wenn ick ihm nich zahm jemacht hätte. Det war 'n schwerer Junge, sag' ich dir.«

»Diese Auffassung ist zwar sehr eigenartig«, sagte Henrik hoch belustigt, »aber sie hat viel für sich.«

»Ich jloobe ooch«, meinte Fritz und murmelte in sich hinein: »Ich bin nur neugierig, wie die hier sich löffeln werden.«

Henrik wandte sich von dem mit so beneidenswerter Phantasie begabten ehrgeizigen Schneider zu Mr. Blake, dessen Schilderungen feierlicher Handlungen in und vor dem Tempel, denen er wiederholt mit angewohnt hatte, er mit Interesse lauschte.

Fritz Fischer gab hierauf den Wunsch zu erkennen, etwas »zu mangscheen«, da die »Tempelangelegenheit ihm alteriert habe«, und Mr. Blake, hiervon verständigt, schlug den Heimweg ein.

In der den beiden angewiesenen Wohnung angelangt, fanden sie, ganz nach dem Wunsch Fritzens, dessen Appetit, seiner Phantasie darin gleich, etwas Ungeheuerliches an sich hatte, ein reiches Mahl bereit, dem sie mit Behagen zusprachen.

Als Mr. Blake nach beendetem Mahl seine Absicht ankündigte, nach Ampanan zu reiten, um nach dem Schoner zu sehen, erklärte Henrik, der den Waldmenschen nicht so lange allein lassen wollte, ihn begleiten zu wollen. Fritz lehnte eine Aufforderung hierzu ab, da er eine »Schlafung« zu machen gedenke, und Henrik, der herzlich wünschte, seinen Leidensgefährten bald wieder in aller Kraft vor sich zu sehen, drang nicht weiter in ihn.

Auf den herbeibeorderten Pferden ritt er mit Mr. Blake in Begleitung einiger Diener davon, während Fritz sich zum Mittagsschläfchen auf einem weichen Polster niederließ.

 

Als der junge Schneidergeselle sich nach einiger Zeit »aus Morpheusens Armen«, wie er gern sagte, erhob, setzte er sich an das offene Fenster und schaute sinnend hinaus.

»Es jeht mir recht jut hier in die fremde Jegend, allens wat wahr is, und die Leute essen janz jut hier; ick wollte, det jute Mutterchen und die andern hätten ooch wat von.« Er eilte in Gedanken nach der fernen Heimat und suchte die Wohnstätte seiner Lieben auf.

»Ob sie wohl an mir jetzt denken?« sagte er leise vor sich hin.

»Döskopp!« klang es ganz deutlich in einem etwas krächzenden Ton an sein Ohr.

Hoch horchte er auf, er kannte den plattdeutschen Ausdruck sehr gut. »Nanu? Wat is 'n det? Hamburger, bist du et?«

»Schafskopp!« sagte dieselbe Stimme.

»Du, das verbitt' ich mir aber«, fuhr er jetzt empor. »Mach deine Witze mit andern Leuten.«

Er blickte zornig zu der Fensteröffnung hinaus, gewahrte aber niemand. Auf den Bäumen spielten die grünen Tauben, Kakadus und kleine bunte Papageien, wie sie den ganzen Park belebten; sonst lag alles still und einsam da. »Hamburger, uze mir nich und komm hervor«, rief er nach den Büschen hin.

»Hahaha!« erklang ein schrilles Lachen, und zwar kam der Ton von oben.

Er erschrak doch in der Tiefe seiner Seele bei dem ungewohnten höhnischen Ton. Er blickte empor, gewahrte aber nichts als die Ausladungen des hölzernen Baues, in dem er sich befand.

»Na, da is doch det Ende von weg? Wer is denn det?«

Dem Schneider wurde unheimlich zumute.

Aus den Büschen vor ihm klang es jetzt recht deutlich herüber: »Good morning.«

»Ja, good morning, hol dich der Kuckuck; wenn du mich zum besten haben willst, werde ick dir wat zeigen. Ick bin noch mit janz andere Leut fertig jeworden.«

Während der Schneider auf Antwort harrte und seine Augen anstrengte, um das Gebüsch zu durchdringen, klang es über seinem Haupt: »Döskopp!« ein Ausruf, dem wieder das höhnische, unheimliche Lachen folgte.

Fritz wurde sehr bleich.

»Det jeht nich mit rechten Dingen zu.«

»Hahaha!« ertönt es wieder, diesmal etwas entfernter.

Fritz sank in seinen Rohrstuhl zurück, er bebte an allen Gliedern.

Plötzlich wurde in einem scharfen Ton die Melodie von »Heil dir im Siegerkranz« gepfiffen, doch immer sich wiederholend nur die ersten Teile des Liedes.

»Det is«, murmelte Fritz, »det is 'n Landsmann.«

»Hahaha!« Von neuem das entsetzliche Lachen.

»Jott erbarm sich«, stöhnte Fritz, »hier jeht eener am hellen Tag um«, und er vergrub sein Gesicht in den Polstern.

Nach geraumer Zeit, während er in nicht geringer Aufregung lauschend verharrte, ohne daß sich die verdächtigen Laute wiederholten, hörte er das Geräusch eiliger Hufschläge, und gleich darauf trat raschen Schrittes Henrik ein.

»Nun, tapferster aller marchand tailleurs», wo steckst du?« fragte er heiter, verstummte aber, als er das verstörte Wesen des Schneiders gewahrte.

»Was fehlt dir, Mensch? Bist du wieder krank?«

»Hamburger, bring mir weg von hier, ick halte et nich mehr aus.«

»Warum denn nicht? Was ist denn geschehen?«

»Hamburger, et spukt hier, hier jibt et Jeister.«

»Das wäre.«

»Ick bleibe nich vor 'n Dorf hier, in det verzauberte Nest. Hamburger, rette mir.«

Die Verzweiflung des Berliners sprach so deutlich aus seinem ganzen Wesen, daß Henrik wirklich besorgt fragte: »Aber so sprich doch nur, Mensch, was ist denn vorgefallen?«

Und nun erzählte der zitternde Schneider in fliegender Eile, was ihm begegnet war.

Verdutzt hörte Henrik zu.

»Aber, lieber Freund, das wird ein Papagei gewesen sein.«

»Papagei? So? Ick habe wohl jehört, det et sprechende Papageien jeben soll, un habe ooch daran jedacht in meiner Angst, aber, Hamburger, die werden doch hier auf die türkische Insel nich deutsch sprechen. Det is 'n verzauberter Jeist, sage ich dir, der mir Schafskopf geschimpft hat. Un ick bin et ja ooch, wat habe ick in die fremden Weltteile zu suchen? Hamburger, in det verzauberte Schloß bleibe ick nich.«

Henrik beruhigte ihn so gut es gehen wollte. Die Anwesenheit eines Papageien, der deutsche Worte wiederholte, hier auf der Europäern unzugänglichen Sundainsel, wollte ihm auch nicht recht wahrscheinlich dünken. Hatte der immer noch nervös erregte Schneider geträumt?

Um ihn von seinen Gedanken abzubringen, erzählte er ihm von dem Waldmenschen, der große Freude gezeigt habe, als er Henrik vor sich gesehen, sonst aber still in einer Ecke oder auf den Rahen seine Zeit verbrachte.

»Is denn keen Schiff da, det mir von die jrausliche Insel wegbringt?«

»Nein, noch nicht.«

»Laß uns auskneifen, Hamburger, sonst werden wir auch massakriert.«

»Wie denn massakriert?«

»Det sin Jeister hier von Leuten, die die ollen Zauberer in dem Tempel abgemurkst haben.«

»Laß dich doch nicht auslachen, Schneiderseele. Das wird sich ganz natürlich erklären.«

»Ja, det wird 'ne scheene Erklärung werden«, erwiderte kläglich der Schneider, »ick habe so Geschichten jelesen von Zauberinseln.«

»Komm, wir wollen hinausgehen und uns dort in den Schatten der Feigenbäume setzen, da werden dir die abergläubischen Gedanken vergehen.«

»Mir is et recht. Aber bleib nur bei mir. Uff mir haben sie et abgesehen.«

Henrik führte den ganz gebrochenen Berliner Jüngling hinaus und zu einer im Schatten angebrachten Ruhebank.

»Ich begreife gar nicht, daß du, ein Spreeathener, ein Kind der Metropole der Intelligenz, dich so ins Bockshorn jagen läßt.«

»Du hast noch nich mit Jeistern zu tun jehabt.«

»Döskopp!« sprach eine krächzende Stimme über ihren Häuptern.

Der Schneider wäre beinahe von der Bank gefallen, selbst Henrik zuckte unwillkürlich bei dem Laut zusammen, der so überraschend aus der Höhe herabklang. Er richtete die Augen nach oben und erblickte einen der grauen Papageien, wie sie so oft auch in Deutschland im Käfig gehalten werden und sich vorzugsweise durch Intelligenz und Nachahmungsgabe von Tönen auszeichnen.

» Good morning«, sagte der Vogel und neigte den Kopf, freundlich mit dem einen Auge auf die beiden jungen Leute herunterlugend.

» Good morning«, erwiderte Henrik höchst vergnügt, so die Ursache des Entsetzens des Schneiders ergründet zu sehen. » Good morning, Sir. How are you?«

»Döskopp!« antwortete der Vogel und ließ dann das eigentümliche Lachen hören, das Fritz so viel Schrecken eingejagt hatte.

Der Berliner starrte wie versteinert auf den Vogel, der wenige Fuß über ihnen ganz zutraulich saß. »Da is aber doch det Ende von weg«, stammelte er. »Det Vogelvieh hat mir zum besten jehabt.«

»Es scheint so, obgleich man sich mit einem Berliner keinen Scherz erlauben sollte.«

»Kann det nich 'n verzauberter Jeist sein?«

»Wenn du nun jetzt deinen Unsinn nicht laßt, Napoleon mit der Nadel, dann sollst du etwas erleben, Bursche.«

Fritz fuhr erschreckt zusammen bei dem barschen Ton Henriks und schwieg.

»Komm, Papchen, komm«, lockte Henrik, indem er dem Vogel die Hand hinhielt.

»Koppchen kratzen«, brachte dieser hervor.

»Natürlich, komm nur, komm, wollen Koppchen kratzen.«

Der, wie es schien, sehr zahme Vogel kam nach einigem Zögern auf Henriks Hand herab und schaute ihn zutraulich an. Dann neigte er den Kopf, und Henrik, der die Gewohnheiten dieser gezähmten Tiere kannte, kraulte ihn sanft, was dem Tier zu behagen schien.

»Bist du nun ein Engländer oder ein Deutscher, Papchen?«

» Good morning«, sagte der Vogel.

»Also ein Engländer, auch gut.«

»Döskopp!«

»Ah, das geht auf dich, Fritz. Nun, was fehlt dir denn? Bist du nicht froh, daß dein Geisterspuk sich so hübsch aufgeklärt hat?«

Der Schneider sah finster zu Boden.

»Ah, der Herr aus der ›Reezengasse‹ sind ungnädig? Na, komm, junger Derfflinger ›mit die Jeistererscheinungen‹, wir wollen gehen und etwas ›mangscheen‹. – Auch jetzt heitert sich dein geistvolles Angesicht nicht auf?«

»Döskopp!« krächzte der Papagei.