Keiner gibt uns die Zeit zurück

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Keiner gibt uns die Zeit zurück
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Franz Bingenheimer


Keiner gibt uns die Zeit zurück

Dramatische Lebensgeschichte

Roman

Der Roman wurde aufgrund weiterer Recherchen überarbeitet und neu

vom Autor aufgelegt.

.

Copyright © 2022

Franz J. Bingenheimer

Alle Rechte liegen beim Autor

Verlag F. J. Bingenheimer

ISBN 978-3-9823676-6-8


Umschlagfoto:

Frankreich 1939/40

Kampf um den Cher

Zum Buch.

Der deutsche Soldat Heinrich Becker kehrt nach grausamen Kriegserlebnissen in seine Heimat nach Oppenheim am Rhein (in Germany) zurück. Dort trifft er auf die Halbjüdin Maria Trautwein. Sie verlieben sie sich in den Wirren des zweiten Weltkrieges.

Bombenangriffe, Hunger, Not, Angst, und Schrecken begleiten sie auf dem schweren steinigen Weg in einer Zeit der Hoffnungslosigkeit.

Handel, Tausch, Angst bestimmen den sorgevollen Alltag der Menschen in Deutschland. Den grausamen Krieg überleben, heißt die Parole in der Heimat.

Während Heinrich Becker an der Heimatfront erbittert kämpft, wird seine Geliebte von einem Ortsgruppenleiter sexuell genötigt.

Sie will das Rheinland verlassen, um aus den Fängen des Hitlerfanatiker zu entfliehen.

Doch das Schicksal meint es anders mit ihr.

Feindliche Jagdbomber überfliegen die Weinberge und erschweren die mühsame Feldarbeit der Frauen an der Heimatfront.

Der grausame Tod lauert überall und sucht seine unschuldigen Kriegsopfer.

Die Altstadt von Oppenheim brennt, denn ein feindliches Bombengeschwader sucht seine menschlichen Opfer.

Kindersoldaten, kriegsverletzte Heimkehrer und alte gebrechliche Menschen kämpfen hoch oben über der Stadt in einer Flakstellung gemeinsam gegen amerikanische Jagdbomber bevor die Stadt von den amerikanischen Besatzern kampflos eingenommen wird.

Der Roman spiegelt in fiktiver Form das Geschehen unter der deutschen Bevölkerung Ende des Krieges 1944/45.

Die Handlung des Romans beruht auf einer wahren Begebenheit. Namen wurden aus Rücksichtnahme beteiligter Personen geändert. Der Autor

Historische Hinweise und geographische Lage der Orte des Geschehens zum Buch!


Oppenheim/am Rhein

Die kleine idyllisch gelegene Stadt Oppenheim, mit Ihren ca. 7000 Einwohnern, liegt mitten im Herzen Europas, in Germany.

Oppenheim gleicht Jerusalem, erwähnten die Chronisten, in der Zeit nach 1225/26. Angespielt wird auf die Terrassenlage beider Städte, sowie auf die Lage der Burg und der Kirche (13.-15.Jh.) zueinander.

Ein weiteres wichtiges Kulturdenkmal in Oppenheim am Rhein wurde um die zweite Jahrtausendwende entdeckt und der Menschheit zugänglich gemacht.

Auf den Spuren in die Vergangenheit besuchen jährlich tausende Touristen aus allen Kontinenten der Erde die von Menschenhand geschaffene mittelalterliche „Stadt unter der Stadt“.

So gibt es Führungen im Untergrund der Altstadt, mit ihren schönen Gassen, Fachwerkhäusern und unterirdischen Gängen.

Die ehemalige Reichsstadt liegt 21 km südlich der Domstadt Mainz

(184.627 Einw.) entfernt. Zur nahe gelegenen Stadt Frankfurt am Main, mit ihren 660.000 Einwohnern und dem größten Flughafen Europas, sind es nur 60 km.

Die Stadt Oppenheim liegt am verkehrsreichsten Fluss in Europa (Germany). Er trägt den Namen Rhein. Er ist mit 115 m Breite und ca. 23 m Tiefe (Loreley) der längste Strom in Germany. Mit dem Zugang des wichtigsten Hafens in Rotterdam hat er zu allen Weltmeeren Verbindung.

Heidelberg (138.964 Einw.), die Stadt der Sehnsucht, mit seinem weltbekannten Heidelberger Schloss, Residenzschloss der Pfalzgrafen und Kurfürsten bei Rhein, befindet sich ca. 60 km südlich von Oppenheim.

Die Stadt wird geteilt durch einen Fluss mit dem Namen Neckar, der bei Mannheim in den Rhein fließt.

Das herrliche Schloss hoch über der Altstadt mit ihren engen romantischen Gassen, wurde im zweiten Weltkrieg bewusst von den Amerikanern nicht zerstört, da es der Menschheit als Kulturerbe erhalten bleiben sollte.


Hammerfest, die nördlichste Stadt der Welt, befindet sich auf der Insel Kvaloy in Norwegen, Europa. Die Stadt zählt 9.216 Einwohner. Die Insel liegt nahe dem Nordpolarmeer am Karsee, umgeben von ewigem Eis.

Nicht weit, südlich von Hammerfest, auf dem Festland, befindet sich die Stadt Narvik mit einem kleinen Flugplatz und dem wichtigsten Hafen mit Zugang zum europäischen Nordmeer. Die Stadt war im 2. Weltkrieg heiß umkämpft und wurde über den Seeweg eingenommen. Die grausame Seeschlacht forderte sehr viele Tote, an die eine Gedenkstätte in Narvik erinnert.


Die Stadt Kristiansand, mit 70.640 Einwohnern, liegt im südlichsten Teil Norwegens. Der Hafen der Stadt ist das Tor zum Skagerrak, einer

Meeresstraße, 725 m tief, in der zu bestimmten Jahreszeiten schwere Stürme herrschen. Die Wasserstraße verbindet mit dem Kattegat die Nordsee mit der Ostsee.

Bamberg (70216 Einw.) mit seinem weltbekannten Bamberger Dom (12. Jh.) liegt in Süd-Ost Germany (Europa).

Die Stadt ist mittelalterlich geprägt und eine der bedeutendsten Kunstmetropolen in Germany. Mitten durch die historische Altstadt, die ein wenig an Venedig erinnert, fließt ein kleiner Strom mit dem Namen Regnitz.


Der zweite Brückenkopf nach Remagen.




„ Der Kampf um die Captan-Love-Bridge „

Die Befreiung durch die Amerikaner.

Am 21. März 1945 gegen 15.30 Uhr drangen amerikanische Infanteristen mit Panzerschutz durch das Stadttor (Gautor) in Oppenheim/a. Rhein (West-Germany). Die Bevölkerung gab durch das Hissen weißer Fahnen zu erkennen, dass kein Widerstand mehr zu erwarten sei.


Die Besetzung Oppenheims war für die 3. amerikanische Armee, unter der Führung von General Patton, von besonderer Wichtigkeit. Am folgenden Abend des 21. März konnte die amerikanische Armee mit dem Rheinübergang beginnen.

Im Schutz von Nebelgranaten setzten amerikanische Schwimmpanzer über. Gleichzeitig brachten Landungs und Sturmbote Infanterieeinheiten auf das östliche Flussufer. Der zweite Brückenkopf nach Remagen war gebildet. Pioniere hatten die Captan-Love-Bridge gebaut. So nannten sie die Pontonbrücke.

In den Städten Mainz, Bad-Kreuznach und Darmstadt war das Inferno der Bomben hereingebrochen. Abertausende Menschen flüchteten aus den Städten auf das freie Land. In den nächsten Tagen wurden noch zwei Brücken über den Fluss bei Oppenheim geschlagen.

Der verheerende Endkampf gegen Hitler konnte beginnen. Hunderttausende amerikanische Soldaten konnten jetzt über den Rhein (River) und rollten die Rhein-Main-Linie auf. Der Vormarsch am Boden wurde durch die amerikanische Luftwaffe gesichert, die jedoch in schwere Luftkämpfe mit deutschen Abfangjägern verwickelt wurden.

Die Übermacht der amerikanischen Streitkräfte im Luftkrieg und am

Boden zwangen die deutschen Jagdflieger nach großen Verlusten zur Aufgabe. Ein nachfolgender Versuch Hitlers am 25. März 1945 durch Einsatz von Kampfschwimmern den Brückenkopf zu zerstören, scheiterte erneut.

So gab es auch in der Nähe von Oppenheim die Anderson-Barracks, die mit 6.000 Soldaten zum Stützpunkt der Amerikaner in Europa gegen den Warschauer Pakt wurde. Auch dürfen die Kasernen in Baumholder, Bad-Kreuznach und Heidelberg, wie viele andere, nicht vergessen werden.

Die Airbase Ramstein ist heute, im Jahre 2007, ein wichtiger Stützpunkt für die Friedensmission der Amerikaner in aller Welt geworden.

Vorwort zum Buch

Ich schrieb dieses Buch über die Schicksale der Menschen, damit die Grausamkeiten des zweiten Weltkrieges allzeit gegenwärtig sind.

Das Ende Hitlers war die Befreiung für das deutsche Volk von einem geistig verwirrten Regime, das in den Wirren von Nazismus, Rassismus und Selbstverherrlichung durch die eigene Art (arischen Rasse), die Welt verändern wollte. Hitler und seine Henker hinterließen ein Volk von Ungeheuern, Mördern, Hoffenden, Hoffnungslosen, Krüppeln, Flüchtlingen und zermürbten Kriegsgefangenen, deren Seelen schon längst erloschen waren.

Das Naziregime hinterließ Schwarzhändler, hungrige Strichjungen und Mädchen, die den Besatzern zur Beute und Verlockung wurden. Das schreckliche Ende hatte mit den Besatzungsmächten für das deutsche Volk einen neuen Anfang gefunden.

Demokratie, Freiheit, Gleichheit der Menschheit vor dem Gesetz, wurden das Ziel unseres Daseins in dieser Welt. Unsere demokratische Staatsform, in der wir heute leben ist die beste und reformfreudigste die es je gegeben hat.

Der Autor

FB


*

Auf einer Anhöhe in der Nähe von Hammerfest, der nördlichsten

 

Stadt Norwegens, liegen zwei deutsche Soldaten in einer kleinen Waldlichtung. Der morastige Boden ist leicht mit Schnee bedeckt. Die nasskalte Feuchte des Bodens durchdringt die Kleidung der beiden Landser.

Eine halbe Stunde liegen sie schon da und beobachten mit einem Nachtglas das vor ihnen liegende Gelände.

>>Alles ruhig! <<, sagt Heinrich Becker, ehe er das Fernglas an seinen Kameraden weitergibt.

Seinen Kameraden Wolfgang hatte er erst vor einer halben Stunde kennen gelernt. Beide waren sie in einer Infanterie Flammwerferabteilung ausgebildet worden. Ihre Aufgabe war es, militärische Objekte zu vernichten. Nicht selten waren es auch Menschen, die dem Feuerstoß ihrer Flammwerfer zum Opfer fielen. Diese Art zu kämpfen war mit einer unvorstellbaren Grausamkeit verbunden.

Man durfte nicht darüber nachdenken oder sogar grübeln. Unbegreifliches musste man begreiflich machen und irrsinnige Befehle als normal ansehen, um diesen Krieg zu überstehen.

Der militärische Sonderauftrag mit dem Decknamen „Schneehuhn“ hatte die beiden Soldaten zusammengeführt. Keine Gefangene, sondern totale Vernichtung von Mann und Gerät, so hieß der Auftrag, den sie ausführen sollten.

Der feindliche Bunker, der ca. tausend Meter südlich von ihnen mitten im Wald lag war eine geheime Kommandozentrale, von der sie nur wussten, dass sie eine große Rolle spielte, in diesem beschissenen Krieg. Von diesem militärischen Stützpunkt aus gingen über Funk wichtige geheime Befehle verschlüsselt in die Kampfverbände der ganzen Welt. Es war ein strategisch wichtiger Punkt, an dem die ganzen Informationen des Feindes zusammenliefen, um weitere wichtige Entscheidungen im nördlichsten Abschnitt der Erde treffen zu können. Der unterirdische Befehlsstand war mit den zurzeit modernsten technischen Geräten ausgestattet. Besetzt war er mit sechsunddreißig Mann.

Ein Drittel davon waren Russen, der Rest Franzosen. Sie fühlten sich sicher in ihrem Gefechtsstand weit ab vom Kampfgeschehen und ahnten nicht, dass sie den morgigen Tag nicht mehr erleben sollten.

Wolfgang Schreiner und ich waren jetzt alleine mit unserem gefährlichen Kampfauftrag. Auf uns kam es an, die Zentrale der Untergrundkämpfer, Partisanen und Stabsoffiziere im nördlichsten Teil der Erde zu zerstören.

Unsere Kerosinkanister der Flammwerfer waren vollgefüllt mit dem brennenden Tod.

Heute war der 13. September 1942. Der Zeiger der kleinen Taschenuhr, die ich hervorgeholt hatte, zeigte auf 20:15 Uhr. Um 23:00 Uhr sollten wir wieder zurück sein in unserer Kampfeinheit, die achttausend Meter hinter uns lag. Uns war bewusst, es gab für uns beide nur noch eine Meldung, „Kampfauftrag ausgeführt, Feind vernichtet!“ Wenn wir überhaupt wieder von diesem riskanten Auftrag zurückkamen. Jetzt hatten wir noch etwas Zeit, um den Spähtrupp zu beginnen. Eines wussten wir, der feindliche Bunker wurde von drei Feldposten bewacht. Dies hatte ein Erkundungstrupp ohne Kampfauftrag, in der letzten Nacht in Erfahrung gebracht.

Wartend lagen wir in unserer von der Nässe aufgeweichten Stellung. In einer viertel Stunde sollten noch zwei Einzelkämpfer zu uns stoßen, die uns den Weg zu dem Bunker freimachten. Ihre Aufgabe war es, die Beseitigung der drei Feldposten vor dem Bunker, zu übernehmen. Wir hatten noch etwas Zeit, uns auf unsere schwere Aufgabe vorzubereiten.

Während wir beide schweigsam in unserer Feldpostenstellung lagen, suchte ich nach dem Sinn des Krieges. In düsteren Gedanken fiel ich in meine schicksalhafte Kindheit zurück. Wie ein Film ging ein Teil meines Lebens noch einmal an mir vorbei.

Geboren wurde ich am 30. oder 31.12.1915 in Mainz. Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Es gab Komplikationen bei der Entbindung, hatte die Hebamme gesagt. Woran sie starb, hatte ich nie in Erfahrung gebracht. In meiner Geburtsurkunde stand der 30. Dezember. Das sollte ein Irrtum sein, meinte meine Tante und ließ die Eintragung trotzdem nicht ändern.

Emma, so hieß meine Tante, die mich auch großzog. Denn meinen Vater kannte ich nicht, so bekam ich den Namen meiner Mutter. Eigentlich müsste ich Altmann heißen. Doch dies war nur der Anfang meines schicksalhaften Lebens.

Im Alter von neun Jahren kam ich bei einem Motorradrennen in meiner Heimatstadt Oppenheim am Rhein unter die Räder eines Motorrollers. Ich erlitt einen schweren doppelten Schädelbasisbruch und lag vierzehn Tage im Koma. Danach war ich eineinhalb Jahre krank und wurde in der Schule zwei Klassen zurückgestuft. Einen Finger kann man heute noch in die vordere Stirnseite meiner rechten Schädeldecke legen, so schwerwiegend war der Unfall.

Dieser dramatische Verkehrsunfall veränderte mein weiteres Leben. Wenn ich zu viel Alkohol trank, war ich nicht mehr der Heinrich Becker, so wie ihn jeder kannte, sondern ein anderer Mensch.

Auch die Schule hatte mich aufgrund meiner schlechten Leistungen, die durch meine zweijährige Abwesenheit von der Schule zustande kam, nicht mehr interessiert. Dennoch erlernte ich einen Malerberuf, in einem kleinen Familienunternehmen in Oppenheim am Rhein. Arbeitslosigkeit und Gelegenheitsjobs bestimmten mein weiteres Leben, bis ich 1938 zum Arbeitsdienst eingezogen wurde.

In einem herrlich gelegenen kleinen Ort in der Nähe des Hambacher Schlosses, bei Neustadt an der Weinstraße, wurde ich in einem Familienbetrieb im Weinbau zur Arbeit eingesetzt. Dort lernte ich Katharina kennen, meine erste Frau. Sie bekam ein Kind von mir, das den Namen Becker trägt. Doch die Ehe hielt nicht lange an, denn der Alkohol brachte uns nach kurzer Zeit auseinander. Wir verstanden uns nicht mehr. So verließ mich meine Frau mit unserem Jungen nach kurzer

Zeit.

Der Krieg begann und ich wurde 1939 direkt vom Arbeitsdienst zur

Wehrmacht eingezogen. Nach einer harten militärischen Infanterie Gefechtsausbildung in einer Einzelkämpfereinheit, kam ich in eine Flammwerferabteilung. Danach wurde ich an vorderster Front im Frankreichfeldzug eingesetzt.

In wenigen Wochen besetzten wir das Land, bis hin zum Atlantik. Es gab sehr viele Tote. Ich bekam das schreckliche Elend des Krieges hautnah zu spüren. Das eigene Ich kam in den Vordergrund. Es gab nur noch eins. Überleben, egal wie!

>>Hallo, Heinrich<<, flüsterte mir Wolfgang Schreiner zu. Denn er war jetzt mein neuer Kriegskamerad, der mit mir, um zu überleben, an einem Strang ziehen musste.

Als ich auf meine Taschenuhr sah, war es 21:00 Uhr. Die zwei Einzelkämpfer zur Unterstützung unseres Kampfauftrages waren plötzlich wie aus dem nichts aufgetaucht. Wir hatten es kaum bemerkt, als sie kamen. Wären sie unsere Gegner gewesen, waren wir mit Sicherheit tot. Beide Soldaten waren leicht bekleidet. Sie trugen schwarze Tarnanzüge und Ihr Gesicht war schwarz mit Ruß eingefärbt, um es der Dunkelheit anzupassen. Mit ihren leichten Springerstiefeln konnten sie sich lautlos fortbewegen. Mir lief es eiskalt über den Rücken, wenn ich daran dachte, was in den nächsten Minuten geschehen sollte. Die zwei jungen Soldaten redeten nicht viel.

Ich wusste, sie kamen aus einer Spezialeinheit. Ja, sie kamen von einer Sondertruppe. Das lautlose schnelle Töten war ihr Beruf. Zu Hause bei ihren Kindern waren es normale liebevolle Familienväter, von den man nur Gutes in der Nachbarschaft zu erzählen wusste. In einer schwarzen Strickpudelmütze, die sie sich jetzt zusätzlich über den Kopf zogen, konnte man sie nicht mehr erkennen. Ihre Namen nannten sie uns nicht. Sie waren anonym gekommen, um schnell zu töten, denn dies war ihr Kampfauftrag. Nachdem wir unser Kennwort, es hieß „Seeadler“, ausgetauscht hatten, besprachen wir noch die Lage und das Vorgehen unserer Kampfstrategie.

Heute Morgen waren wir schon einmal kurz an dieser Stelle und wurden von einem Spionageagenten mit einer geografischen Landkarte in das vor uns liegende Gelände eingewiesen.

Der Feind wusste nicht, dass er schon tagelang von einem Spähtrupp ohne Kampfauftrag ausgemacht und beobachtet wurde. Wir! hatten einen klaren Kampfauftrag, den wir jetzt ausführen mussten. Alles sollte lautlos geschehen. Endlich konnte es losgehen. Denn das weitere Vorgehen war bis ins kleinste Detail abgesprochen. Die zwei Einzelkämpfer verschwanden zuerst in die Dunkelheit der Nacht. Wir sollten nach fünf Minuten folgen und ca. dreißig Meter vor dem feindlichen Bunker in einer kleinen Bodensenke, die wir uns aus der Karte festgelegt hatten, in Stellung gehen. Wenn ihr Auftrag erledigt war, würden sie uns Bescheid geben. Danach hatten wir feindfreies Gelände bis zu dem unterirdischen Kampfstand.

Wir hatten Glück. Heute war eine klare Nacht. Der Mond war zu drei Viertel voll und nur ein paar dunkle Wolken zogen über uns hinweg. Dies eignete sich bestens für unser Vorhaben. Auch konnte man durch die Helligkeit des Mondes das vor uns liegende Gelände gut einsehen. Schoben sich die Wolken vor den Mond, konnten wir uns ungesehen dem feindlichen Bunker nähern.

Nachdem wir noch fünf Minuten abgewartet hatten, um den Abstand zu unseren zwei Einzelkämpfern, wie abgesprochen, einzuhalten, gingen wir hoch konzentriert auf unseren Kampfauftrag ebenfalls los. Ich sah, wie Wolfgang heimlich ein Kreuzzeichen auf seiner Stirn machte. War das alles wirklich von Gott gewollt, war die Frage, die ich mir jetzt selbst stellte. Nach diesem erbärmlichen menschlichen Elend, dass ich in den letzten Jahren gesehen hatte. Denn ich zweifelte zunehmend an jeder Art von Religion.

Plötzlich fiel in die Stille der Nacht ein Schuss! Was war da? Wir warfen uns sofort auf den Boden, verhielten uns einen Augenblick ruhig. Dann beobachteten wir angespannt, das vor uns liegende Gelände.

Wenige Sekunden später wurde der Himmel und das vor uns liegende Waldstück hell erleuchtet. Eine Leuchtkugel ging ca. dreihundert Meter vor uns langsam zu Boden. Das Gelände vor uns war jetzt für kurze Zeit hell erleuchtet.

>>Was geht da vor! Haben sie uns vielleicht bemerkt. Oder ist etwas mit den zwei Einzelkämpfern schiefgelaufen? << fragte Wolfgang ängstlich, während wir uns flach am Boden langsam durch den nassen Schlamm auf einen schützenden Erdhügel zu bewegten.

Angespannt lauschten wir in die Nacht und beobachteten weiter das vor uns liegende Gelände. Abwartend was geschah, verhielten wir uns noch fünf Minuten ruhig.

Nur ein paar Schneehühner, die von dem Schuss aufgescheucht wurden, liefen vor uns über eine gut einsehbare Waldlichtung. Wir wussten, umkehren konnten wir nur dann, wenn das militärische Vorhaben völlig aussichtslos war.

Jetzt mussten wir weiter. Egal, was vor uns geschehen war. Also standen wir vorsichtig auf und liefen in gebückter Haltung, uns genaustes umschauend im feindlichen Gelände, dem Bunker entgegen.

Unsere zwei Männer Vorkommando waren zu diesem Zeitpunkt schon kurz vor den Feldposten am Bunker. Beobachtend sahen sie in die Feldposten-Stellungen des Feindes. Vor ihnen lagen Russen, die zur Wache eingeteilt waren. Gut getarnt hatten sie sich auf einer kleinen Anhöhe zwanzig Meter vor dem Bunker im Erdboden eingegraben. Ca. dreißig Meter lagen sie seitlich voneinander entfernt. Nur durch ein Feldkabeltelefon konnten sie sich miteinander verständigen. Auch mit ihrer Kommandozentrale im Bunker waren beide direkt verbunden. Zu ihrer Sicherheit hatten die russischen Soldaten zusätzlich vor dem Eingang noch einen Wachposten aufgestellt. Er lief vor dem Eingang wachsam hin und her. Auch er hielt über ein Feldkabeltelefon ständig Verbindung ins Innere der Kommandozentrale.

Jetzt ging plötzlich alles blitzschnell. Die zwei Einzelkämpfer erledigten ihren Auftrag fast schulmäßig. Sie hatten leichtes Spiel, denn die Feldposten waren in keiner Weise auf einen überraschenden Angriff vorbereitet. Sich in Sicherheit fühlend lagen sie laut redend in ihren Stellungen. Ja, sie waren unvorsichtig und glaubten nicht an einen feindlichen Nachtangriff. Dass der Tod nur noch ein paar Schritte von ihnen lauerte, ahnten sie nicht.

Die zwei deutschen Soldaten krochen, nachdem sie die Feldposten seitlich lautlos umgangen hatten, von hinten auf die Stellungen zu. Beide Landser waren durch die Tarnung ihrer Kleidung, dem Boden und der Nacht angepasst. Flach auf dem morastigen Boden robbend, die Würgeschlingen in der rechten Hand und das Messer zwischen den Zähnen, warteten sie, bis der Streifenposten hinter dem Bunkereingang verschwand. Die beiden russischen Soldaten in ihren Feldpostenstellungen hatten keine Chance. Sie ahnten nichts von der tödlichen Gefahr, in der sie sich jetzt befanden.

 

Blitzschnell gingen die beiden Einzelkämpfer zeitgleich vom Boden hoch und sprangen von hinten in die Stellungen. Dies geschah alles in wenigen Sekunden.

Mit ihren gedrillten messerscharfen Drahtschlingen erdrosselten sie die beiden Wachsoldaten lautlos.

Ja, sie hatten in ihrer Ausbildung den Kampf Mann gegen Mann tausendmal geübt. Der Tod für die feindlichen Wachsoldaten kam schnell und grausam.

Einer der beiden Einzelkämpfer blieb in der Feldpostenstellung zurück, während der andere schon am Bunkereingang bereitstand und auf den herannahenden Wachposten wartete.

Ahnungslos kam der Streifenposten hinter einem kleinen Felsvorsprung hervor. Bis er es wahrnahm, was da geschah, war es geschehen um ihn. Ein geschulter Genickschlag in den Nacken und das Eindringen des Zeigefingers in Verbindung mit dem Mittelfinger am Kehlkopf, eine leichte Drehung nach rechts, so hatten es die Einzelkämpfer im Nahkampf gelernt, brachte den russischen Wachsoldaten bevor er es richtig wahrnahm zum tödlichen Schweigen.

Eiskalt, ohne jeden Skrupel, hatten die deutschen Soldaten im Auftrag ihres Vaterlandes die grausame Tat ausgeführt.

Einer der beiden Landser blieb am Bunker, der andere kam zu unserem Treffpunkt.

Die Operation „Schneehuhn" lief ganz nach Plan.

Jetzt waren wir gefordert, denn es musste alles schnell und lautlos geschehen. Wir wussten, dass sich die Feldposten in bestimmten Abständen über das Feldkabeltelefon im Bunker melden mussten. Also durften wir auf keinen Fall Zeit verlieren.

Bemerkte man den Tod der Wachposten, war unser geheimer Auftrag gescheitert. Schnell, in gebückter Haltung, die schweren Kerosinkanister der Flammwerfer auf den Rücken, schlichen wir uns an die Belüftungsluken des unterirdischen Kampfstandes heran. Einer der beiden Einzelkämpfer, der noch am Bunker auf unser Eintreffen gewartet hatte, zeigte mit dem Daumen nach oben. Es war das Zeichen, dass sie ihren grausamen Kampfauftrag erfolgreich abgeschlossen hatten. Dann verschwand er lautlos in der Dunkelheit der Nacht.

Vorsichtig sahen wir durch die Öffnungen, die zur Belüftung des Gefechtsstandes dienten, in das Innere des Bunkers. Die Panzertüre vom Eingang hatten sie von innen verschlossen.

Vor jeglichem Feind sicher, war die Kommandozentrale mit großer Präzision gut getarnt in einen von Wald begrünten Felshang hineingebaut. Trotz alle dem, saßen sie jetzt wie die Maus in einer Falle, in ihrem Bunker, aus dem es kein Entfliehen mehr gab. Unbewusst hatten sie ihr eigenes Massengrab von innen verriegelt.

Reges militärisches Treiben herrschte in diesem, für sie tödlichen Augenblick, im Inneren des unterirdischen Gefechtsstandes.

Wichtige Marschbefehle für den Einsatz der Soldaten an der Front wurden an einem großen Sandkasten nachgestellt und von den kommandierenden Stabsoffizieren, unter Aufsicht eines Generalleutnants diskutiert. Ja, es war ein militärisches tödliches Spiel, in dem die Menschen gleich der Figuren an einem Sandkasten waren. Ein makabreres schauriges Spiel mit dem Tod.

Auf sie kam es an, ob zehntausende Soldaten im Kampf gegen den Feind für ihr Vaterland sterben mussten.

Doch jetzt saßen Sie selbst in der Falle des Teufels.

In wenigen Sekunden spürten sie am eigenen Leib die Macht des Bösen, das immer wieder Opfer forderte, in dem grausamen Krieg der alles Leben zu verschlingen drohte.

Als ich an unseren bevorstehenden Kampfauftrag dachte und dass es jetzt so weit war, ihn ausführen zu müssen, überkam mich ein Gefühl des Übelseins. Es überlief mich eiskalt. Nein, es gab kein Zurück mehr. Wolfgang schubste mich leicht an. Wir verteilten schnell durch Handzeichen unsere Aufgaben.

Jetzt begann das Inferno der Unmenschlichkeit, um der Macht der Tyrannen Genüge zu tun.

Es gab nur die zwei Luken am Bunker und eine Stahlpanzertüre, die verschlossen war. Für unser Vorhaben war das ideal. Als Wolfgang an der zweiten Luke angekommen war und seinen Flammwerfer einsatzbereit in Anschlag hatte, gab er mir durch einen kurzen Pfiff ein Zeichen. Beide zogen wir wie abgesprochen zur gleichen Zeit unsere Hebel an den Lanzen der Flammwerfer durch. Das Szenario des grausamen Todes begann!

Zwanzig bis dreißig Meter lange gewaltige Feuerstöße suchten sich den Weg durch die Luken, in das Innere des Bunkers.

Der brennende Tod kam lautlos durch eine zischende Feuerlanze. Kein Schuss fiel. Menschen und Geräte verschmolzen in Millisekunden ineinander.

Es stank bestialisch, Ekel erregend nach verbranntem menschlichem Fleisch. Qualvolle schmerzhafte Schreie, die mich mein ganzes Leben lang verfolgen sollten, bekam ich zu hören.

Ein Anblick von erbärmlicher Grausamkeit schlug mir entgegen. Die Brutalität des Tötens bekam ich zu spüren, wie ich sie noch nie im Laufe des Krieges erlebt hatte.

Ein paar Sekunden und es war alles vorbei. Wir hatten jegliches Leben im Bunker erbarmungslos ausgelöscht. Unsere Flammwerferkanister waren jetzt restlos ausgebrannt.

Wolfgang kam auf mich zu und weinte. Er stand unter Schock! Denn es war sein erster hautnaher Kontakt, mit den Menschen, die er seit Beginn des Krieges, im Auftrag seines Vaterlandes, töten musste.

Willenlos apathisch sah er mich an. Seine Augen waren mit qualvollen Tränen gefüllt. Ich nahm ihn am Arm und zog ihn hinter mir her, in den nahe liegenden Wald.

Der Kampfauftrag mit totaler Vernichtung des Feindes war erfolgreich ausgeführt und durch den Eid für das Vaterland gerechtfertigt. Aber in uns war ein Stück Seele gestorben, das nie mehr zur Lebensfreude erwachen konnte.

Genau nach Plan des Bataillonskommandeurs waren wir pünktlich zu unserer Einheit zurückgekehrt.

Wolfgang Schreiner wurde wenig später von unserem Lager mit einem Kübelwagen abgeholt. Denn er musste wieder in seine Kampfeinheit zurück. Wir umarmten uns ein letztes Mal und sahen uns für einige Sekunden in die Augen. Sie waren leer und ausgebrannt.

>>Der Krieg macht uns zu bestialischen Mördern, die ihren Verstand nicht mehr gebrauchen, um der Vernunft nicht Rechenschaft ablegen zu müssen<<, sagte Wolfgang leise, tieftraurig, als er mich losließ.

Dann ging er mit gesenktem Kopf zu dem Wagen, der für ihn zur Abfahrt bereitstand.

Ja, wie hatte er Recht! Die Hemmschwelle zum Töten sank von Tag zu Tag mehr. Hass und Fanatismus wurden uns militärisch anerzogen. Blindlings gingen wir einen Weg, der mit dem Tod, der Angst, und dem Schrecken gepflastert war und die ganze irdische Welt in Atem hielt. Eines war mir nach diesem erfolgreichen Kampfauftrag klar geworden.

Nicht Gott ist verantwortlich für die Verbrechen der Menschheit, sondern wir Menschen selbst. Nur wir alleine tragen die Verantwortung für all das Unheil, im Krieg wie auch im Frieden, für all das, was nicht die Natur uns aufzwingt. Und nur unser Gewissen kann unser Richter sein für das Leid, das wir uns gegeneinander zufügen.

Nachdem Wolfgang weggefahren war, meldete ich mich bei meinem Zugführer zurück.

„Kampfauftrag ausgeführt! Kampfstand mit Besatzung vernichtet!“, so lautete die Meldung.

Der Zugführer sah die grausame Tat für selbstverständlich an. Denn er hätte nichts anderes von mir erwartet. Am nächsten Tag würden wir weitermarschieren, erwiderte Oberleutnant Müller nur befehlend. Danach ließ er mich wegtreten.

Ein knallharter Bursche sei Müller, hörte man unter den Soldaten. Denn seine Soldaten mussten die besten sein, im Kampf gegen den bösen widerspenstigen Feind.

So war auch öfter sein letzter Satz bei der Befehlsausgabe, „Ein Toter kann kein Zeuge sein “.

Er war sehr unbeliebt in der Truppe. Die kriegserfahrenen Landser konnten ihn nicht ausstehen. Für ihn gab es nur eines, den Endsieg! Er war die Gefahr in Person, wenn man ihn gewähren ließ, dachten viele seiner Soldaten, die schon einmal unangenehm mit ihm zu tun hatten.

Unser Infanterie-Gefechtszug des Regiments war in einem Dreißigmannzelt untergebracht. Als ich ins Zelt kam, schliefen meine Kameraden schon. Meine Taschenuhr zeigte auf null Uhr dreißig. Hinten rechts, am Ende des großen Zeltes, hatte ich mein Strohlager für die kommende Nacht gebaut. Das klamme muffige Stroh hatten wir uns heute Morgen in einer verlassenen Scheune vor dem nächsten Ort geholt. Peter Reis, der neben mir lag, schlief fest. Leise zog ich das Notwendigste aus und schlüpfte unter meine dünne Komissdecke.

Lange Zeit lag ich noch wach. Denn meine Gedanken waren noch in dem brennenden Bunker. Das grausame Geschehen und die Bilder des Grauens verfolgten mich die ganze Nacht.