Ausbeutung - made in Germany

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»Ach, könntest du vielleicht noch schnell über die Tische im Speisesaal wischen, bevor der Ansturm der Gäste kommt?«

»Kann ich machen«, sage ich und mime Begeisterung.

»Ach, das wäre aber wirklich nett …«

Sie verschwindet wieder.

Dann eben 5 Minuten weniger Pause, denke ich.

Aus den vermeintlichen 5 Minuten werden dann schnell 10 Minuten.

Im Pausenraum sehe ich einen Dienstplan hängen. Ich sehe, dass bei zwei Mitarbeitern für die laufende Woche K-Zeichen eingetragen sind – K = wie für krank. Auch eine Frau Meier scheint gerade Urlaub zu haben. Aber eigentlich ist alles, was ich im Pausenraum sehe, nicht sonderlich wichtig für mich.

Später dann: Die Teller stapeln sich inzwischen zu hohen Türmen auf. Man bringt etliche Pfannen und Töpfe zu mir in die Spülküche herein, und draußen sind immer noch 3 volle Wagen abzuräumen. Nicht einmal zum Abtrocknen des Bestecks bin ich bisher gekommen. Nun muss ich es aber tun, weil sämtliche Besteckkästen ziemlich leer aussehen, zudem noch einige Nachzügler zum Essen kommen. Zwischendurch überschlage ich grob, wie lange ich vermutlich für alle Arbeiten brauchen werde und komme zu dem Schluss, dass ich allein bis 1600 Uhr es wohl nicht ganz packe.

Wiederum später: »Na, junger Mann, kann es sein, dass Sie ein wenig Hilfe benötigen?«, fragt lächelnd die »älteste« Mitarbeiterin der Küche. Zumindest sieht sie so aus, als ob sie bereits an der Schwelle zum Rentenalter stehen würde. »Sie brauchen Hilfe«, entschied sie. »Ich werde jetzt bei Ihnen hier mitmachen, und Sie schnappen sich am besten schon mal Eimer und Lappen und fangen draußen an, die Tische abzuwischen. Danach müssen gleich die Müllsäcke sowie alle Speisereste nach draußen. Die Mülltonnen haben Sie bestimmt schon gesehen, oder?«

»Ja«, sage ich.

Sie lädt weiter das Geschirr auf das Band und ich gehe nach draußen. Auch gut, denke ich.

Auf dem Hinterhof inspiziere ich kurz vor Feierabend die Müllcontainer etwas genauer. Es hat aufgehört, zu schneien, dennoch liegt eine ganze Menge Schnee oben auf. Ich schiebe den Schnee von den Deckeln und werfe getrennt Pappkartons, Hausmüllsäcke und Blechbüchsen ein. Und dann geht es weiter zum berüchtigten »Pumabunker«, wo ich das Leckerste des Tages entsorge – die Sabberreste von den Tellern! Ob das immer noch die Schweine vom Bauern fressen? frage ich mich. Ach so! Das Schweinefleisch kommt ja nun gedopt aus dem EU-Massenlabor, erinnere ich mich wieder. Ich gebe Gas, damit ich den Feierabend nicht verpasse.

Der 2. Tag: In der Nacht hatte ich einen bösen Traum gehabt. Töpfe mit Armen und Beinen bedrängten mich. Teller tanzten um mich herum, und auch Tassen mit grinsenden Mündern, die in einem fort so ein ätzendes Lied aus der Spülküche sangen. Das klang wie: Spül, spül, spül …, als Spüler ist es cool. Hier ein Klecks und da ein Klecks, Sabber kratzen ist ganz nett, spül, spül, spül …, als Spüler ist es cool …

Und auch jetzt, wo ich wieder in der Spülküche stehe, will mir der Ohrwurm nicht wirklich aus dem Kopf gehen. Egal …, sage ich mir, damit muss ich leben. Ich denke daran, dass es ja nur vorübergehend ist, und nicht für die nächsten 20 Jahre. Ich denke einfach nur positiv.

Der junge Koch hat sich bei mir mit Florian vorgestellt, kurz Flori. Ich brauche nun nicht mehr so förmlich Sie zu ihm zu sagen, er fühle sich noch nicht ganz so alt wie die werten Kolleginnen, wie er vorhin zu mir meinte. Er brachte mir ein Mineralwasser mit, das ich jetzt trinke. Anscheinend wollte er nur ein bisschen auf kumpelhaft erscheinen.

Gegen Mittag werde ich dann mit Geschirr wieder voll eingedeckt. Ich halte mich ran und komme dennoch mit dem Abräumen, dem Abkratzen der Teller und dem Auflegen auf das Maschinendurchlaufband kaum hinterher. Mir fallen fast schon die Teller aus der Hand, den letzten konnte ich gerade noch so retten. Ein ganzer Wagen voll mit Sondergeschirr wird zu mir hereingeschoben – Geschirr vom hauseigenen Konferenzservice oder irgendeiner anderen Sonderveranstaltung.

»Sie müssen heute schneller arbeiten!«, drängelt eine der Damen aus der Küche.

»Ja, ich mache ja schon!«, rufe ich zurück.

»Es kommt gleich noch ein Wagen voll …«

Scheiße! denke ich. Wie soll ich da bloß mit dem Abräumen hinterherkommen? Ich versuche, systematisch ranzugehen. Ich spüle einfach nur weiter.

Zwei Stunden später dann: Die Sache ist nun definitiv klar – ich stehe mittendrin im Spülküchenmodder! Das ganze Grobe vom Mittagsgeschäft kommt zu mir herein: Pfannen und Töpfe, zwei angebrannte Töpfe, Schneidebretter und haufenweise verkrustete Auflaufschalen. Ich kratze beflissen die Speisereste ab und sehe ziemlich befleckt bei der Arbeit aus. Mir fällt ein, dass eine Gummischürze gleich um die Ecke am Haken hängt. Fix ziehe ich mir diese über.

Zum Feierabend bin ich richtig geschafft, ich habe wohl mindestens 150 Prozent über dem Durchschnitt gegeben. Geredet hat großartig keiner mit mir. Auch hat sich niemand bedankt, dass ich sogar 10 Minuten länger gespült habe. Sicherlich hatte auch keiner Zeit dazu gehabt.

3. Tag: Voll im Bilde schaue ich über Töpfe, Pfannen und Schüsseln hinweg. Alles Mögliche wird heute gebracht. Teller stapeln sich meterhoch und eigentlich ist der Ablauf im Spülbereich so ziemlich immer derselbe. Quasi bin ich nun so gut wie eingearbeitet – kurz und schmerzlos im Schnellverfahren. War auch nicht sonderlich schwer gewesen, zumindest was das Geistige anbetrifft. Aber noch etwas merke ich laut Dienstplan und vom Hören und Sagen: Ich bin weiß Gott nicht der erste Zeitarbeiter in dieser Küche. Das betrifft insbesondere das Spül- und Reinigungspersonal!

In der zweiten Arbeitswoche: Ich spüle und spüle und bilde mir ein, weil ich nicht sitze, nicht gelangweilt umher stehe und weniger Pause mache, als mir zusteht, dass ich mich normalerweise ganz gut eingebracht habe. Zwar muss mir nach wie vor im dicksten Mittagsgeschäft mit unter die Arme gegriffen werden, doch allein bei 300 Essern ist es einfach nicht zu packen. Nebenher liebäugle ich mit den Töpfen und Pfannen und denke an meine alten Kochzeiten zurück; ich hoffe ein wenig, oder eben ich gebe die Hoffnung noch nicht ganz auf.

»Also, junger Mann«, kommt die stellvertretende Küchenchefin zur Sache, »das muss hier jetzt alles ein bisschen schneller gehen!«

Kühlen Blickes lädt sie ihre schmutzigen Mitbringsel ab, und ich schaue sie erstaunt an. Dabei dachte ich schon, aber ich habe wohl falsch gedacht.

»Wissen Sie, eigentlich müssen Sie hinten noch die Kühlhäuser wischen und letzten Freitag haben Sie auch die Friteuse nicht sauber gemacht. Das Trockenlager wurde nicht gereinigt, das Getränkelager, und in den oberen Fettabzügen über der Kochstraße und der Ausgabe befinden sich spezielle Gittereinsätze, die müssen ebenso mit durchgelassen werden …«

»Nun ja«, sage ich, »Sie haben mir bisher auch nicht gesagt, dass dies zu meinen Aufgaben gehört.«

»Na schön, dann wissen Sie es eben jetzt!«

»Hm!«, mache ich. »Soll ich nun erst einmal die Kühlhäuser wischen?«

»Ja, ich bitte darum …, und vergessen Sie nicht, die Regale mit Desinfektionsmittel abzuwischen. Die Rollwagen können Sie solange in den Flur hinausschieben.«

»Okay, wie Sie wünschen …«

Ich bin bedient. Nein. Ich hätte es mir irgendwie denken können.

Im Kühlhaus gebe ich mir ganze Mühe. Doch entdecke ich auch Dreck, der gewiss nicht von den letzten paar Tagen herstammt. Es sind die Ecken in den Regalen und besonders die dunklen Ecken hinter den Regalen, wo sich der Dreck festgesetzt hat. Weil ich mich in der Sache gut auskenne und über die Wirklichkeit in Verbindung mit Oberflächlichkeit Bescheid weiß, ist mir auf jeden Fall klar: Ich bin ihr neues Aschenputtel, das jetzt hier ran muss.

Ich kratze den Keim aus den Ritzen und schrubbe ganz beflissen über die Fliesen, wische dann nach, und selbstverständlich spare ich mir jede kleinliche Bemerkung. Es steht einem Leiharbeiter nicht zu, die Betriebswirtschaft des Entleihers zu kritisieren.

2 Tage später: »Wenn Sie hier mit dem Besteck fertig sind, können Sie noch die zwei Kühltruhen im hinteren Lagerraum reinigen. Abgetaut sind sie schon, und bitte auch dort das Desinfizieren nicht vergessen. Na ja, Sie wissen ja ungefähr …«

Ich nicke nur und trockne die restlichen Bestecke ab. Ich kann es kaum erwarten, mich auf meine neue Aufgabe zu stürzen.

Überrascht bin ich nicht, als ich in die zwei Kühltruhen blicke. Der blanke Keim grinst mich an, und ich sage mir: Na ja, sonst müsste ich sie wohl auch nicht sauber machen. Nur frage ich mich genauso, was das dann für eine fleißige Spülkraft sein muss, die ich hier gerade vertrete. Und wieso hat die aufgeblasene Köchin es ausgerechnet auf mich abgesehen? Aber nach gut einer Woche brauche ich als Spülmann mir keine großen Illusionen mehr zu machen: Arbeitsmäßig bin ich nun die unterste Schiene und selbst die drei fest angestellten Küchenhilfen im Haus sind besser dran als ich. Vermutlich weil sie immer so fleißig waren, und ich offenbar im Leben nicht richtig aufgepasst habe, was aus mir wird, und wo ich dann lande, absolut freiwillig zum Leiharbeiter geworden bin, und deshalb dürfen mich jetzt sogar die Küchenhilfen kommandieren. Nichtsdestotrotz behalte ich all den geistigen Dreck für mich. Ich schlucke quasi den Spül- und Putzmannfrust hinunter. Es ist leider so: Ich darf beim Auftraggeber laut Leihvertrag keinesfalls etwas bemängeln.

Eine Unterschrift bitte! Ich lege meinen Stundenzettel vor. Alles darauf ist fein säuberlich ausgefüllt. Noch nicht einmal die 10 Minuten weniger Pause tagtäglich habe ich abgezogen. Es sollte ein letztes Entgegenkommen meinerseits sein.

 

»32, 5 Stunden wären es dann diese Woche«, sage ich.

Die stellvertretende Chefin schaut nach und rümpft die Nase. Es zeugt von nicht wirklicher Zufriedenheit.

»Also, wissen Sie«, sagt sie, »ich weiß nicht, ob es mir nur so vorkommt, aber irgendwie seid ihr Zeitarbeiter alle ein bisschen langsam oder vielleicht nicht richtig bei der Sache. Ist das so eine Art Berufskrankheit bei euch?«

Ach, du hast sie doch nicht alle! denke ich. Sage jedoch: »Ich weiß es nicht, ich bin noch nicht so lange dabei.«

»Aha! Na, wenn das bei Ihnen am Anfang schon so ist, dann weiß ich ja nicht …« › … was das werden soll‹, wollte sie wohl sagen. »Bei Ihrem letzten Kollegen ließ auch schon die Gründlichkeit zu wünschen übrig und er hat mehr Pause gemacht, als ihm eigentlich zustand. Ich denke, wir sollten uns langsam mal nach einem neuen Vertragspartner umsehen.« Sie unterschreibt und trennt den Beleg für den Kunden heraus.

Zu den Pausen sage ich nichts, ich nehme nur stillschweigend den Durchschlag vom Stundenzettel zurück. Aber es ärgert mich jetzt, dass ich die Pausenzeit nicht regulär voll ausgeschöpft habe.

»Ist noch was?«, fragt sie.

»Nein.«

»Na dann, schönen Tag noch …«

»Tschüss!«, sage ich.

Und trotzdem: Es gibt Vorteile in der Küche, die andere Brachen im Winter gewiss nicht so zu bieten haben: Es ist warm und es gibt immer etwas zu essen und zu trinken.

Der Stress fängt an

Das Leid des Spülers sind die unvermeidlichen Spülhände, wobei sie bei mir gerade erst anfangen, so richtig aufzuquellen. Dazu kommen dann irgendwann Rückenschmerzen durch eine oft gebückte Haltung beim Spülen, insbesondere beim Reinigen der schweren Töpfe und Pfannen. Auch die Knie- und Gelenkschmerzen werden sich später einstellen, wurde mir von so manchen Altspülern gesagt. Aber ich bin noch halbwegs jung, denke ich zumindest, und nehme es somit gelassen. Außerdem bin ich ohnehin ein Koch und kein Spüler mit extra Spülabitur der höheren Hauswirtschaft.

Kaum zwei Stunden später komme ich dennoch mächtig ins Schwitzen – ich habe den Mund im jugendlichen Leichtsinn wohl etwas zu voll genommen. Heute ist die Hölle los und ich stehe mittendrin im Geschehen. Eigentlich weiß ich gar nicht so recht, wo ich zwischen all den Aufwaschbergen zuerst anfangen soll.

Der Küchenchef kommt um die Ecke gestolpert und fast fällt er über einen riesigen Topf, der unten auf der Erde steht. »Man, du bist ja immer noch nicht weiter!«, nölt er die übliche Leier, die er scheinbar am besten drauf hat. Seit Tagen ist er schlecht gelaunt und seit Tagen hat er blutunterlaufene Augen. »Weißt du, tu mir bloß einen Gefallen, und ziehe endlich mal den Finger!« Er dreht sich um. »Mein Gott nee, und der Topf hier unten muss auch weg!«

»Den haben Sie doch selbst dort abgestellt«, entschuldige ich.

»Quatsch nicht rum, mache lieber!«, ist die klare Anweisung, die ich bekomme.

Ich gehe völlig unter im Modder und mir sind bereits 3 Teller aus den Händen gefallen, weil der Mensch seine Handbewegungen eben nicht x-beliebig schneller schalten kann. Das Problem ist das Greifen und Packen, ab einer bestimmten Geschwindigkeit wird man da automatisch schusselig. Aber welchen superwirtschaftlich denkenden Boss interessiert das schon, wenn doch heutzutage rein das Maximum am Limit zählt – die klingelnde Kasse natürlich. Ich gebe dennoch nicht auf und beiße mich durch, und trotzdem benötige ich zum Ende des Mittaggeschäfts tatkräftige Unterstützung von einer jungen Frau.

Später hole ich kurz Luft und rauche am Hinterausgang zum Hof mit zwei anderen Küchenhelfern eine Zigarette. Nebenher beiße ich von einem Brötchen ab, das ich mir von einer zurückgekommenen Platte des Cateringservice entnehmen durfte. Dass ich manchmal auch heimlich esse, sage ich nicht. Es sind die kleinen Bröckchen, die hier und da vom Geschäft übrig bleiben, oder die zusammengekratzten Reste aus Salatschüsseln, die ohnehin im Müll gelandet wären. Zur täglichen Verkostungsrunde unter Köchen werde ich natürlich nicht eingeladen.

Auch mit der vollen Pausenlänge sieht es heute wieder ziemlich schlecht aus – es ist noch jede Menge zu tun und wie immer sitzt einem die Zeit im Nacken. Noch dazu kommt gerade der Küchenchef raus und er sieht nicht wirklich begeistert aus, uns Helfer hier so stehen zu sehen. Meine »Kollegen« verdrehen schon die Augen. O Scheiße! denke ich.

Er kommt näher, und als er dann ganz nahe vor mir steht, kann ich es nur zu deutlich sehen, wie der Küchenfrust innerlich in ihm kocht.

»Na, ihr Urlauber, ist doch ein ganz nettes Leben bei uns«, beginnt er, die Katze aus dem Sack zu lassen. »Ja, jeden Tag kostenlos essen und trinken, hier und da eine Zigarette nebenbei, so viel Pause wie bei uns gibt es sicher nirgendwo, oder?«

Ich verneine nicht. Aber ich bin mir jetzt sicher: Er hat eine Fahne! Ich hatte zwar schon des Öfteren den Verdacht, doch jetzt kann ich sie ganz deutlich riechen. Und diese ist gewiss nicht nur rein vom Verkosten der Küchenweine her. Ich sage einfach: »Na ja, ich beschwere mich ja auch nicht.«

»Gut. Dann mache mal schnell deine Zigarette aus und gehe wieder an die Arbeit. Da steht noch eine Menge Aufwasch rum und die Kippbratpfanne ist auch noch nicht sauber gemacht. Die machst du jetzt als Erstes!«

Arschloch! denke ich. Das ist hier meine gesetzliche Pause, die ohnehin schon gekürzt ist. Doch ich murre nicht und leiste seiner Anweisung lieber Folge – dem klaren Küchenbefehl! So muss ich wenigstens nicht weiter mit ihm kommunizieren.

4 stressige Schichten weiter: Ich soll das alles nicht so nehmen, wurde mir gesagt. ›Der Chef hat halt hin und wieder seinen Rappel im Kopf, da macht man am besten einfach das, was er sagt‹, riet mir ein anderer Spüler, der meistens die zweite Schicht übernahm. Ich erklärte ihm, dass ich aber nicht der Prellbock des Küchenchefs bin und mich von einem alkoholisierten Vorgesetzten eben nicht wie das Aschenputtel behandeln lassen müsse. Er winkte dennoch ab und sagte dann: ›Das ist nun mal das leidige Los des Spülers, wenn man ganz unten auf der Hierarchieleiter steht.‹ Er meinte damit, dass wir beide in diesem feinen Laden lediglich die letzten Küchendeppen sind. Nur wollte ich das bisher so nicht wahrhaben.

Eine Schicht später: Der Chef kommt plötzlich zur Spülküche herein und sichtlich hat er etwas auf Lager.

»Sagte ich nicht, du sollst die Abzugshauben in der Küche rausnehmen und mit durch die Maschine lassen, bevor du sie sauber machst?«

»Na ja, ich dachte mir halt, ihr kocht vielleicht noch, und bevor das Fett aus den Hauben in irgendwelche Töpfe tropft, wollte ich sie lieber erst nach dem Mittagsgeschäft herausnehmen und dann ganz zum Schluss mit durchlassen.«

»Du sollst hier aber nicht denken, sondern das machen, was dir aufgetragen wird!«, werde ich scharf attackiert.

»Ach, weißt du, du Superkoch …«, sage ich, weil es mir jetzt endgültig zu blöde wird. »Ich bin selbst Koch von Beruf! Schon mal was von HACCP gehört? Die besagt zum Beispiel, dass über der Verarbeitung von Lebensmitteln nicht zeitgleich andere Arbeiten durchgeführt werden dürfen.«

»Oh, besagt sie das? Wir sind hier aber längst fertig mit kochen, kapiert?«, faucht er.

»Aber die Töpfe stehen immer noch auf dem Herd und ich habe ein erhöhtes Unfallrisiko!«, argumentiere ich.

»Ja, ja, und nachher schaffst du es wieder nicht und die Arbeit bleibt liegen …«

»Dann mache ich eben länger und die Mehrarbeit wird laut Stundenzettel mit verrechnet«, schlage ich vor.

Er zeigt mir einen Vogel und entgegnet: »Anscheinend hast du hier etwas nicht ganz verstanden. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und kein Wohlfahrtsinstitut! Die Arbeit ist in der Zeit zu schaffen! Nur hast du offensichtlich nicht die richtige Einstellung dazu. Außerdem ist es mir egal, was du in deinem früheren Leben einmal warst. Hierher habe ich dich als Spüler bestellt, aber selbst dazu scheinst du nicht wirklich zu taugen. Tja, und deshalb ist heute auch dein letzter Tag hier gewesen.«

»Okay«, sage ich, »es ist angekommen.«

»Ich muss schon sagen, eure Firma hat in letzter Zeit ziemlich nachgelassen …« Er wollte damit sagen: Sie schicken nur noch das faule Pack! »Na ja, Mr. Ex-Koch, ihr seid ja nicht die Einzigen auf dem Markt. Du machst das hier noch zu Ende, und dann legst du mir deinen Stundenzettel vor.«

»Wie du meinst«, sage ich nur.

Er geht und ich denke mir meinen Teil. Ich denke: Was er sagt, sagt aus, dass er mit denen, die vor mir da waren, genauso nicht zufrieden war. Dass er eigentlich niemals zufrieden sein wird, egal wie gut und schnell ein Leiharbeiter für ihn arbeiten tut. Im Grunde ist er einer, der die Leihkraft doppelt missbraucht, zum einen ausbeutet – zum anderen als seelischen Mülleimer benutzt. Dazu kommt Alkohol! Und ich glaube, dass auch andere Zeitarbeitsfirmen gewiss keine Super-Leihkräfte schicken werden, die dann im Überschallrotationsverfahren die Kastanien aus dem Feuer holen. Er ist eine aufgeblasene Wurst! denke ich. Nur leider muss ich mir gleichermaßen eingestehen, dass ich demgegenüber dann die gesellschaftlich arme Wurst bin.

Unterwegs in Sachen Metall
1

Das Büro des Produktionsleiters wirkt weit weniger gepflegt, als man es von klassischen Verwaltungsbüros her gewohnt ist. Kein Wunder, sieht es doch im ganzen Metallbetrieb eher nach einer groben Männerwirtschaft aus. Lediglich zwei Frauen konnten wir auf dem Weg durch die langen Produktionshallen entdecken. Dafür aber stehen mindestens 40 kräftige Typen draußen an den Maschinen und bearbeiten die unterschiedlichsten Metallteile. Es ist sehr laut, überall surrt, tackert und hämmert es. Aber es ist neu und deshalb interessant, und wir beiden Leihkräfte im Büro des Chefs warten nun darauf, dass uns jemand erklärt, wozu wir hier in der Produktion zu gebrauchen sind.

Wir sprechen nicht miteinander, wir schauen nur von Zeit zu Zeit zur Tür, ob schon jemand kommt und grinsen uns ab und zu gegenseitig an. Denn so richtig wissen wir noch nicht, was heute auf uns drauf zukommt, die Zeitarbeit konnte es uns nicht wirklich verraten. Wir wissen nicht einmal, ob wir von derselben Firma sind. Wir vermuten es nur.

»Na, meine Herren!«, sagt der Produktionsleiter, als er dann zur Tür hereinkommt. »Hat ein bisschen gedauert, aber ich hoffe, das Warten ist Ihnen nicht allzu lang geworden.« Er streckt meinem »Kollegen« die Hand entgegen und sagt: »Also, dann noch einmal, Müller, ist mein Name. Aber das wissen Sie wohl bereits …«

»Hermann, heiße ich«, sagt mein »Kollege«. Doch wirklich erfreut sieht er nicht aus.

Auch ich stehe auf und reiche ihm die Hand. »Frank«, sage ich.

Wir setzten uns wieder und er wirft einen Stoß Papiere auf den Tisch. Dann zieht er eine Personalmappe hervor und blättert nach den entsprechenden Formularen. Es sind keine Bewerbungsbögen von uns, die dort zum Vorschein kommen, es sind formelle Zusammenfassungen der Daten über Zeitarbeiter für den Fall des Einsatzes in der Produktion.

Jetzt sehe ich, dass mein »Kollege« von derselben Firma ist, und ich sehe auch das Delegierungsformular für den Vorleihvertrag, das ich neulich erst bei meiner eigenen Personalerin unterschrieben habe.

»So, meine Herren!«, sagt der Produktionsleiter, um zur Sache zu kommen. »Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Einer von euch schon mal in der Metallverarbeitung gewesen?«

»Nein«, sage ich.

»Ich komme aus der Autobranche«, sagt mein »Kollege«.

»Was sind Sie von Beruf?«

»KFZ-Mechatroniker.«

»Ah, dann bringen Sie also etwas Erfahrung mit. Und Sie?«

»Ich bin Koch.«

»Ein Koch?!« Er rümpft die Nase. Sicher wird er sich fragen, was ausgerechnet ein Koch in der Metallbranche zu suchen hat. »Na ja …«, sagt er, »eine Kantine haben wir zwar nicht hier, aber alle Arbeiten, die von Zeitarbeitern erledigt werden, sind fachlich auch nicht ganz so anspruchsvoll. Es geht um Bohr- und Schleifarbeiten sowie das Arbeiten an einer Presse. Abkanten, Tiefziehen und so weiter … Sie werden von einem Vorarbeiter ordnungsgemäß eingearbeitet. Ich nehme an, Arbeitsbekleidung und die Schuhe mit Stahlkappe haben Sie bereits von Ihrer Firma bekommen, oder?«

Der »Kollege« nickt.

Ich nicke ebenfalls. Bekommen? frage ich mich. Wir mussten sie kaufen!

 

»Gut«, sagt der Produktionsleiter und hakt diesen Punkt ab. »Nun liegt es natürlich bei Ihnen: Wollen Sie hier in der Produktion mit eingesetzt werden?«

Er schaut dabei mehr den »Kollegen« an, aber dennoch sage ich schon mal: »Ja, ich will.«

»Das ist doch ein Wort, und Sie?«

»Hm …«, macht der »Kollege«. Er scheint noch zu überlegen. »Ich weiß nicht, schwer zu sagen, ob mir das hier wirklich liegt.«

»Wie jetzt, ob Ihnen das liegt?« Die Mimik des Produktionsleiters verfestigt sich.

»Ich meine, ich müsste die Arbeit zunächst einmal sehen. Zum Beispiel die Maschine, die ich bedienen soll. Welche Teile bearbeitet werden müssen, wie viel und was genau passiert. Dann kann ich erst sagen …«

»Ach, eiern Sie doch nicht rum!«, stoppt der Produktionsleiter ab. »Interessiert Sie die Arbeit oder interessiert Sie das nicht?« Der Blick des Produktionsleiters wird herausfordernder.

Viel schlechter als die Spülküche wird es wohl nicht sein, sage ich mir. Vielleicht eine ganz neue Erfahrung?

»Gut, ich mache es«, sagt jetzt auch der »Kollege«.

»Schön, dann nehmen Sie also die Herausforderung an. Sie werden gleich ab morgen in der Spätschicht eingesetzt, das heißt: Beginn ist 1345 Uhr und Ende um 2200 Uhr. Sie haben natürlich eine halbe Stunde Pause, und da richten Sie sich am besten nach den Kollegen. Sie brauchen bei uns keine Stundenzettel zu führen, die Abrechnung läuft dann direkt mit Ihrer Firma. Dafür bekommen Sie eine Zeit-Chipkarte, aber das erklären Ihnen die jeweiligen Schichtführer später genauer.«

Er meint sicher die Stechuhr, die anzeigt, wann wir kommen und gehen.

Jemand kommt zur Tür herein und fragt: »Wann sollen wir heute mit dem Verladen anfangen?«

»Na, wenn ihr fertig seid!«, sagt der Produktionsleiter erstaunt. »Aber ich komme gleich …«

»Okay.«

Der Mitarbeiter verschwindet wieder.

»Nun, das wäre noch sehr wichtig: Wurde bei Ihnen bereits die Arbeitsschutz- und Sicherheitsbelehrung für die Produktion durchgeführt?«

»Ja, in der Firma.«, sage ich.

Auch der »Kollege« nickt zur Bestätigung.

»Gut. Sonst noch irgendwelche Fragen?«

»Nein.«

»Nein.«

»Ach so! Eh ich das vergesse: In der Spätschicht müssen Sie natürlich Ihr Pausenbrot selbst mitbringen. Wenn Sie aber Frühschicht haben, kommt zwischen halb- und drei viertel neun immer ein Cateringservice bei uns vorbei. Da können Sie dann belegte Brötchen, Sandwichs und andere Kleinigkeiten käuflich erwerben. Kaffee und so weiter gibt es am Automaten, 40 Cent der Becher. So, und jetzt kann ich Ihnen beiden nur noch einen guten Start für morgen wünschen.«

Er schließt die Personalakte und steht auf.

Wir stehen ebenfalls auf.

Er weist zur Tür und lässt uns den Vortritt. Ein kräftiger Händedruck besiegelt die mündliche Vereinbarung.

Auf dem Weg nach draußen bin ich recht zuversichtlich und frage den »Kollegen«, bei welchem Autohersteller er früher gearbeitet hat.

»Bei Opel«, sagt er kurz und knapp.

»Die haben wohl wieder Stellen abgebaut?«, frage ich weiter.

»Ja«, sagt er und legt einen Schritt zu. Offenbar will er nicht wirklich darüber reden.

Es geht los: Die Uhr zeigt genau 1345 an und der Kollege und ich warten in einer riesigen Werkhalle – links von uns stapeln sich Bleche aus Edelstahl in Regalen. Wir sind neugierig darauf, was kommt. Gegenüber stehen Zuschnitt- und Stanzmaschinen, die jetzt zum Schichtbeginn gerade neu eingerichtet werden. Der Schichtführer kommt auf uns zu.

»Nun, wie mir mitgeteilt wurde, seid ihr beide heute für die Laufer-Presse eingeteilt«, gibt er zur Kenntnis.

Wir schauen uns an und ich sage: »Ja, wenn Sie das sagen …«

»Also, einer von euch beiden kann aber nur an der Presse arbeiten, das heißt: Einer geht rüber in den Zuschnitt und einer bleibt hier. Wer von euch geht heute als Erster an die Presse?«

Wir zucken mit den Schultern.

»Gut, dann gehst du zuerst«, legt er für den Kollegen fest. »Und du, du meldest dich am besten gleich mal beim Einrichter dort hinten. Das ist der Tätowierte mit den großen Muckis! Siehst du ihn?«

Ich sehe ihn – ein großer Kerl, der nicht zu übersehen ist.

Der Schichtführer geht mit dem »Kollegen« und ich gehe geradewegs zum Einrichter. Die Arbeit, denke ich, kann eigentlich gar nicht so schwer sein.

»Ich soll mich bei Ihnen melden …«

»Ah, du bist sicher einer von den Neuen, nicht?«

Ich nicke.

»Siggi!«, ruft er sofort lauthals um die Ecke.

»Jahaaa!«, ruft Siggi zurück.

»Kommst du mal her?«

Ein kleiner, aber dennoch kräftig wirkender Typ taucht hinter einer Raumabgrenzung auf. »Ah, die Aushilfe ist da!«, sagt er erfreut und kommt näher.

»Ja, nimm den Neuen hier erst einmal mit zum Drehmeln.«

»Geht klar«, sagt Siggi und grinst. »Drei volle Aufträge haben wir noch stehen.«

»Hm!«, macht der Einrichter und runzelt die Stirn. Auf jeden Fall scheint es viel Arbeit zu bedeuten.

Siggi, der Mann vom Fach, führt mich dann zum Ort des Geschehens. Wir stellen uns nicht weiter einander vor. Es geht auch so seinen Weg in Metall, als dass wir jedes Mal förmlich sein müssen. »Schon mal gedrehmelt?«, fragt er und zeigt mir das Werkzeug dazu.

»Nein.«

»Okay. Ist aber nicht allzu schwer.« Er nimmt ein gelochtes Tablett und das Werkzeug in die rechte Hand, er schaltet es ein und sagt dann: »Schau her! Das Werkzeug stets im 45° Winkel zur Tablettkante halten und dann mit Gefühl gleichmäßig entlangziehen, siehst du?«

»Ja.«

»Und so fährst du mir vorsichtig an allen vier Seiten um das Werkstück herum, und nicht zu doll aufdrücken, ja, sonst gibt es schnell Unregelmäßigkeiten. Dann probierst du das jetzt.«

»Gut.« Irgendwie wird es schon gehen, denke ich.

»Ach so! Zuerst das Wichtigste noch: Hier an der Seite geht das Werkzeug ein- und auszuschalten.« Er schaltet es ein und wieder aus. »Alles klar so weit?«

»Ja«, sage ich. Ich nehme das Werkzeug und ein Tablett, schalte das Werkzeug ein und setze es im gezeigten Winkel am Werkstück an, und ich drehmle natürlich gleich viel zu viel Material weg. Mist! denke ich.

»Etwas weniger Druck!«, sagt er.

Ich mache weiter, aber der Drehmelkopf scheint einfach zu viel von der Kante wegzufressen. Ich denke, ich bin zu verkrampft.

»Noch etwas sanfter«, rät er mit leicht schwingender Handbewegung.

Schließlich bin ich rundherum. Es ist mein erstes Metallwerkstück und ich sage dazu: »Na ja …«

»Na ja, es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen. Schau, das ganze noch mal von vorn.« Er nimmt ein neues Tablett. »Siehst du, an der Kante hier ganz leicht entlangziehen. Es soll quasi nur der scharfe Grat dabei entfernt werden, verstehst du das?«

»M-hm«, mache ich.

Er legt das Tablett beiseite und meint: »Eigentlich ist es ganz einfach …« Er reicht mir das Werkzeug mit einem neuen Tablett. »Jetzt du wieder.«

Ich gebe mir Mühe und es wird besser, zumindest so in der Richtung.

Er hingegen schaut skeptischen Blickes und sagt: »Ja, das war jetzt aber ein bisschen zu wenig gewesen. Fahre noch mal leicht darüber …« Er schaut jetzt genauer. »Okay«, sagt er. »Dann mach gleich das nächste Tablett.«

Ich konzentriere mich und so einigermaßen wird es – irgendwie denke ich an den Werkunterricht in der Schule zurück.

Drei Tabletts später: »Na ja, mit der Zeit wird das schon werden«, sagt er halbwegs zufrieden. »Wir haben hier drei Gitterboxen voll a zirka 1000 Stück. Wenn du die alle durch hast, hast du es sicherlich blindlings drauf.« Er grinst. »Die fertigen Tabletts packst du mir dann in die leere Box dort drüben.« Er schaut sich kurz um … »Ja, und dort am Haken hängt eine Lederschürze, die bindest du dir am besten um, und …« Er öffnet einen Schrank und holt eine Schutzbrille und noch etwas anderes heraus. »Also, die Schutzbrille hier musst du auf jeden Fall aufsetzen, wegen der Späne. Der Atemschutz, na ja, das musst du schon für dich selbst wissen …«

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