Führen ohne Psychotricks

Tekst
Z serii: Dein Business
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Chefsache Konfliktklärung

Mitarbeiter tragen immer wieder Konflikte, die sie miteinander haben, an ihre Chefs heran. Hier ist es für Sie in der Rolle des Vorgesetzten wichtig zu verstehen, um welche Art von Konflikt es vermutlich geht und welcher Weg für eine konstruktive Konfliktklärung sinnvoll wäre. Manchmal wählen Mitarbeiter einfach auch nur den bequemeren Weg, indem sie sich an die nächsthöhere Instanz wenden, um die Verantwortung für die Klärung des Konfliktes abgeben zu können. Aus diesem Grund stehen viele Führungskräfte solchen Aufforderungen eher zurückhaltend gegenüber und bringen diese Skepsis mehr oder minder explizit zum Ausdruck: »Das sollen die Mitarbeiter untereinander klären. Da will ich mich gar nicht einmischen. Schließlich sind es ja erwachsene Menschen und sollten das auf zivilisierte, konstruktive Weise selbst hinbekommen. Alles andere wäre unangemessen.«

Das mag in vielen Situationen der richtige Ansatz sein. Auf der anderen Seite kann es womöglich um einen Konflikt gehen, aus dem die Mitarbeiter aus eigener Kraft nicht herausfinden. Dann ist die Intervention der Führungskraft notwendig. Es wäre fatal, in einer solchen Konfliktsituation auf die Kompetenz der Mitarbeiter zu vertrauen, aus eigener Kraft eine schnelle Konfliktlösung herbeiführen zu können. Ja, es wäre sogar fahrlässig, die eigene Führungsverantwortung jetzt nicht wahrzunehmen. Denn die Mitarbeiter haben durch ihr Verhalten doch schon hinreichend demonstriert, dass sie selbst zu einer Lösung nicht imstande sind. Jetzt braucht es das beherzte Eingreifen der Führungskraft, weil sonst noch größerer Schaden zu erwarten ist.

Oftmals scheuen Führungskräfte aber davor zurück, sich in einem Konflikt persönlich zu engagieren, weil sie sich hierfür nicht kompetent genug fühlen. Sie glauben, nicht über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung zu verfügen, die für ein effektives Konfliktmanagement erforderlich sind. Das ist verständlich, weil sie zurecht befürchten, aus der Unsicherheit heraus die Situation eher noch zu verschlimmern. In der Praxis wird der Konflikt dann oft ignoriert oder bagatellisiert. Oder es kommt zu halbherzigen Aktionen, mit denen nicht wirklich etwas geklärt wird. Und das ist fatal. Denn so entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit (»Es ist fast schon gleichgültig, was wir tun. Wir haben schon alles versucht, aber wir bekommen das Problem einfach nicht in den Griff«).

Bedenken Sie: Es ist gar nicht unbedingt erforderlich, dass Sie bei der Konfliktlösung selbst eingreifen. Die Angelegenheit kann auch an einen kompetenten Kollegen oder Mitarbeiter delegiert werden – solange nur die Zuständigkeit bzw. Verantwortung beim Chef bleibt. Auch die Einbindung eines erfahrenen externen Konfliktmoderators kann helfen, wenn Sie als Führungskraft zum Beispiel mit anderen Aufgaben ausgelastet oder überlastet sind.

Wenn Sie aber selbst eingreifen, sollten Sie jede Möglichkeit nutzen, dann auch ein Feedback zu Ihrem Verhalten zu erhalten. Ein Konflikt bietet Ihnen die Chance, als Führungskraft zu wachsen. Deshalb sollten Sie sich nicht nur für die Klärung des Konfliktes zuständig fühlen, sondern auch unbedingt mit offenen Ohren und echtem Interesse den Verlauf bzw. die Ergebnisse verfolgen. So erhalten Sie wertvolle Hinweise zu Ihrem Führungsstil – und zwar in Bezug auf dessen konkrete Auswirkungen. Denn der Umstand, dass es zu einem gravierenden Konflikt gekommen ist, ist auch immer das Ergebnis des vorausgegangenen Umgangs miteinander. Sofern es nicht um unvermeidbare und zu erwartende Sachkonflikte geht (»Wer bekommt das höhere Budget? Wer erhält die Gehaltserhöhung oder die Prämie? Wie werden Zeit- oder Personalressourcen verteilt?«), bieten Konfliktsituationen oft Hinweise darauf, ob und in welchen Bereichen Sie Ihr Führungsverhalten eventuell verändern sollten.

Keinen Stress, bitte!

Vor einiger Zeit hatte ich eine Anfrage des Geschäftsführers eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens: »Können Sie für meine Regional- und Abteilungsleiter ein Kommunikationstraining machen? Die müssen lernen, wie man miteinander redet.« Auf meine Nachfrage, wie denn die aktuelle Situation sei und was ihn dazu veranlasst habe, gerade jetzt aktiv zu werden, sagte er: »Meine Führungskräfte kommunizieren nicht vernünftig miteinander, sodass Projekte nicht vorankommen oder sogar mit hohen Kosten scheitern. Gerade jetzt steht ein neues größeres Projekt an, das mit dieser Truppe so nicht zu machen ist.« Danach gefragt, ob er denn an einem solchen Kommunikationstraining auch selbst teilnehmen würde, erhielt ich die interessante und typische Antwort: »Nein, da will ich mich gar nicht einmischen. Wenn der Chef dabei ist, werden ja bestimmte Dinge doch nicht so zur Sprache gebracht. Außerdem geht es ja darum, dass die Manager miteinander besser kommunizieren sollen. Da will ich nicht im Weg stehen.« Ich konnte ihn dann aber doch davon überzeugen, zumindest an einer Feedbackrunde teilzunehmen, und fragte ihn, ob er denn gegebenenfalls bereit sei, sich von seinen Führungskräften ein Feedback geben zu lassen. Seine schnelle, ja beinahe reflexartige – und darum »verdächtige« – Antwort: »Selbstverständlich. Wir sind hier ja alle offen für Rückmeldungen.«

Es kam dann tatsächlich zu einem sehr offenen Austausch. Allerdings: Schnell wurde klar, dass das eigentliche Problem nicht die mangelnde Kommunikationsfähigkeit der Manager war. Vielmehr waren nach ihren bisherigen Erfahrungen neue Projekte in der Vergangenheit immer wieder von oben »verordnet« worden, ohne dass sie in die Entscheidungen eingebunden gewesen waren. Kritische Rückmeldungen zu Schwierigkeiten in der Umsetzung waren immer wieder im Sande verlaufen, sodass nur noch die nötigsten Informationen weitergegeben wurden; aber auch das häufig nur nach expliziter Nachfrage.

Ich habe dann statt eines Kommunikationstrainings einen Klärungsprozess-Workshop mit Geschäftsführerbeteiligung vorgeschlagen und dem Geschäftsführer bereits vorher mitgeteilt, dass er sich voraussichtlich auch auf ein kritisches Führungsfeedback einstellen müsse. Nach anfänglichen Bedenken war er dazu bereit. Ich habe ihm aber auch zugesichert, ihn zu unterstützen, falls die große Kritiktirade über ihn hereinbrechen sollte. Nach mehreren vertrauensvollen Vorbereitungstelefonaten war unser Kontakt schließlich so stabil, dass er sich auf dieses Wagnis einlassen konnte. Und das wurde es schließlich auch für ihn: ein Wagnis.

Als im Workshop deutlich wurde, dass heute wirklich offene Meinungen gefragt seien, legten die Teilnehmer schnell ihre anfängliche Skepsis ab und nahmen kein Blatt vor den Mund. Ein Regionalleiter sagte ganz unverblümt und mit ungebremst-aggressivem Unterton: »Sie laden uns zwar offiziell zu einer offenen Kritik ein. Wenn allerdings jemand tatsächlich den Mut aufbringt, Ihnen zu widersprechen und Ihre Entscheidungen in Frage zu stellen, dann wollen Sie das gar nicht so genau wissen und stellen den Kollegen vor den anderen als inkompetent dar. Auf diese Bloßstellungen hat natürlich niemand Lust. Da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn irgendwann keiner mehr den Mund aufmacht.«

Mein Job war es, diesen Angriff in ein konstruktives und wertschätzendes Feedback umzuformulieren, das zwar die Kritikpunkte klar benennt, aber den Stachel der anklagenden Du-Botschaft herausnimmt, sodass der Geschäftsführer das Feedback trotz der deutlichen Kritik annehmen konnte. Wer sich angegriffen fühlt, reagiert in den meisten Fällen mit Widerstand, versucht sich zu rechtfertigen oder seinerseits anzugreifen und hat keine Kapazitäten mehr frei, um zuzuhören und zu verstehen. Dann hätten zwar der Regionalleiter und die andern Teilnehmer vielleicht das Gefühl gehabt, ihrem Geschäftsführer mal so richtig die Meinung gesagt zu haben; aber geholfen hätte das letztlich nicht. So aber erhielt der Geschäftsführer eine wichtige, konstruktive Rückmeldung zu seinem Führungsstil, die er vermutlich nicht bekommen hätte, wenn es ein »Kommunikationstraining« nach seinen ursprünglichen Vorstellungen ohne ihn gegeben hätte. Am Ende der Veranstaltung war er trotz der unangenehmen Situation froh, dass er sich darauf eingelassen hatte. Er wusste vor allem die Offenheit der Teilnehmer zu schätzen. Und er bat seine Mitarbeiter ganz explizit darum, ihn zukünftig deutlich darauf hinzuweisen, falls sie sich durch seine Äußerungen oder sein Verhalten bloßgestellt fühlen sollten.

Aus meiner Erfahrung ist es fast nie so, dass Menschen im beruflichen Kontext erst lernen müssen, wie sie miteinander reden sollen. Stattdessen sind es entweder die unklaren persönlichen Standpunkte oder die äußeren Strukturen, die eine angemessene Kommunikation verhindern. Wenn aber innere und äußere Klarheit gegeben ist, sind die Beteiligten durchaus in der Lage, damit kraftvoll nach außen aufzutreten und sich konstruktiv auszutauschen. Allerdings ist es manchmal ein längerer, anstrengender Prozess, bis die unterschiedlichen Positionen tatsächlich eindeutig sortiert sind.

3.Wenn der Schein trügt: Psychotricks und ihre Nebenwirkungen

Darum geht es jetzt!

Warum logisch nicht unbedingt psycho-logisch bedeutet, wir uns oftmals wider besseres Wissen verhalten und was das alles mit Lust zu tun hat. Was der hohe Preis der Manipulation ist. – In einem kleinen Exkurs in die Welt der Magier werden spannende Parallelen zur Businesswelt und zu Psychotricks gezogen.

Nicht logisch, aber psycho-logisch: Ein kleiner Einblick in unsere Strickmuster

Eine wesentliche Triebfeder menschlichen Handelns liegt im Wunsch nach positiven Emotionen und einem förderlichen Selbstkonzept. Wir wollen uns gern gut fühlen und am liebsten mit uns selbst im Reinen sein. Negative Empfindungen wie Schmerz, Zweifel, Ablehnung, Misserfolg, ungelöste Probleme und unerfüllte Wünsche mögen wir nicht so gern. Deshalb tun wir sehr viel dafür, um positive emotionale Zustände zu erreichen oder beizubehalten. Das kann zuweilen bizarre Formen annehmen. In Goethes »Faust« dreht sich der ganze Deal mit dem Teufel nur um dieses eine Thema. Faust, der als Wissenschaftler und eloquenter Geist nach persönlicher Weiterentwicklung und tiefer gehenden Erkenntnissen sucht, stößt immer wieder an die Grenzen seines irdischen Daseins und der eigenen Unzulänglichkeit. Er hält diesen Zustand der Unzufriedenheit nicht länger aus und sucht deshalb nach neuen Lösungsansätzen. Schon bei seinem ersten Auftritt macht er seiner Enttäuschung Luft, indem er sagt (Faust I, 376 – 383):

 

»Es möchte kein Hund so länger leben!

Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,

Ob mir durch Geistes Kraft und Mund

Nicht manch Geheimnis würde kund;

Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß,

Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;

Daß ich erkenne, was die Welt

Im Innersten zusammenhält«

Der Wunsch, diesen unbefriedigenden Zustand abzustellen, lässt ihn schließlich den Pakt mit dem Teufel schließen, indem er Mephistopheles seine Seele verkauft; so groß ist sein Leidensdruck.

Haben Sie Interesse an ein paar beispielhaften Absurditäten zum Handeln wider besseres Wissen? Dann werfen wir doch einmal einen Blick auf die Kernenergie, die seit den 1950er-Jahren im großen Stil für die Stromproduktion genutzt wird. Allerdings strahlt der radioaktive Abfall eines Kernkraftwerks auch noch nach Jahrzehnten sehr stark. Je nachdem, was man als ungefährlich einstuft, ist diese Strahlung erst nach einigen Tausend bis Hunderttausend Jahren abgeklungen. Das ist für mein Empfinden eine ziemlich lange Zeit. Also kommt der sicheren Endlagerung des Atommülls bis zu diesem Zeitpunkt doch eine wesentliche Bedeutung zu. Unter normalen Umständen hätte man ja nun erwartet, dass die Frage der Entsorgung geklärt worden wäre, bevor man damit begann, über den Bau von Atomkraftwerken nachzudenken. Nach meinen Recherchen gibt es aber bislang weltweit noch kein einziges Endlager für hoch radioaktiven Abfall. Das ist mit dem gesunden Menschenverstand nur schwer zu vereinbaren. Da wird auf eine Technologie gesetzt, von der man zum Zeitpunkt des Einsatzes noch in keiner Weise überschauen kann, wie man der strahlenden Zukunft Herr werden kann. Wenn wir noch einmal Herrn Goethe für eine Parallele bemühen wollen, dann geht es uns hier wie seinem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr loswird. Im Falle der Atomenergie stellt sich ebenfalls die Frage, wer denn nun der Zaubermeister sein soll, der dem ganzen Spuk ein Ende macht und den radioaktiven Besen wieder in seine Ecke schickt. Es ist eigentlich nicht so richtig nachvollziehbar, warum wir mit manchen Dingen schon einmal beherzt loslegen, obwohl wir noch keine wirkliche Vorstellung davon haben, wie die Reise weitergehen soll. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, als würde eine kindlich-naive Zuversicht uns darin bestärken, dass sich am Ende dann doch noch alles auf wundersame Weise zum Guten wenden wird. Als würde es tatsächlich so etwas wie das rheinische Grundgesetz geben, nach dem es »noch immer gut gegangen« ist und das Ihnen gern als kölsches Mantra (»Et hätt noch emmer joot jejange!«) auch außerhalb von Köln in ähnlicher Form immer wieder begegnet. Aber das ist ja fast so, als wenn Sie bei einem Sprung aus dem Flugzeug erst im freien Fall überprüfen würden, ob Ihr Fallschirm auch mitgesprungen ist. Und sollten Sie tatsächlich feststellen, dass Sie sich gerade ohne Fallschirm mit rasantem Tempo der Erde nähern, können Sie sich immer noch bis kurz vor dem Aufprall damit trösten, dass bis hierhin ja alles gut gegangen ist.

Ich stelle mir beim Nachdenken über solche Zusammenhänge immer die Frage: Warum nur bestimmt unser Wissen (oder eben unser Nichtwissen) um die langfristigen Spätfolgen unseres Handelns dann nicht unsere Entscheidungen? Und:


Warum verhalten wir uns nicht anders, wenn wir es eigentlich besser wissen müssten? Das ist doch alles nicht logisch, oder? Nein, logisch ist es nicht, aber offensichtlich psycho-logisch.

Die Sache mit der Lust

Sie kennen das: Die Dinge, die uns Freude bereiten, tun wir gern. Dafür braucht es nicht einmal einen besonderen Antrieb von außen. Die eigene Motivation reicht da vollkommen aus. Denken Sie doch einmal an etwas, das Sie mit Leidenschaft betreiben. Vielleicht eine Liebesbeziehung, ein Hobby, eine ehrenamtliche Tätigkeit oder – im günstigen Fall – vielleicht sogar Ihre Arbeit. Im Idealfall gibt es zwischen Arbeit und Vergnügen gar keinen Unterschied, weil beides zusammentrifft. Wenn Ihnen eine Aufgabe oder ein Projekt wirklich wichtig ist, wenn es Ihnen sehr am Herzen liegt und Sie sich damit in hohem Maße identifizieren, dann werden Sie dort Ihre volle Energie hineinlegen. Die Zeit wird auf einmal zur Nebensache und es zählt nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Weg dorthin ist bereits eine Vergnügungsreise. Nun ist das Leben aber ja bekanntlich kein Wunschkonzert, und das Berufsleben mit seinen vielfältigen Zwängen und Konventionen erst recht nicht. Da gibt es diverse Gelegenheiten und Situationen, in denen das eigene Vergnügen nicht gerade im Vordergrund steht. Das kann dann schon mal arg auf die eigene Motivation drücken.

Mit dieser Thematik hat sich, wie schon erwähnt, auch Sigmund Freud vor über hundert Jahren auseinandergesetzt und vom Lustprinzip sowie vom Realitätsprinzip gesprochen. Mit dem Lustprinzip verbindet er menschliche Bedürfnisse bzw. Triebe, die nach sofortiger Befriedigung streben. Freud hat hier den Begriff des »Es« geprägt und damit das Unbewusste der menschlichen Psyche bezeichnet (Freud 1909). Allerdings stößt der Wunsch nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung oftmals an die Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen. Selbst wenn Ihnen beim Einkaufen im Supermarkt ein geeigneter Sexualpartner über den Weg laufen sollte und Sie der sofortigen Bedürfnisbefriedigung in Form eines One-Night-Stands hinter der Käsetheke durchaus nicht abgeneigt wären, werden Sie unter normalen Umständen doch eher eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen.

Dem Lustprinzip steht daher das sogenannte Realitätsprinzip gegenüber, weil gerade in unserem gesellschaftlichen Miteinander nicht jeder Triebimpuls sofort befriedigt werden kann. Die Erkenntnis, dass spontan auftauchende Bedürfnisse nicht unmittelbar und jederzeit befriedigt werden können, ist das Ergebnis eines langwierigen Lernprozesses, der in der Kindheit seinen Anfang nimmt und selbst bei vielen Erwachsenen noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Hier geht es darum zu verstehen, dass es manchmal durchaus sinnvoll sein kann, den Wunsch nach einer Bedürfnisbefriedigung zunächst hinten anzustellen. Manchmal lassen sich angestrebte Ziele auch nicht auf dem direkten Weg erreichen, sondern bedürfen vielleicht sogar eines Umwegs über verschiedene Etappenziele. Oder, wie es in Bertolt Brechts »Leben des Galilei« heißt: »Angesichts von Hindernissen mag die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten die krumme sein.« (Brecht, Band 5, S. 282)

Kennen Sie in Ihrem Freundeskreis vielleicht einen Raucher? Oder sind bzw. waren Sie vielleicht selbst einmal einer? Dann wissen Sie ja auch sicherlich, dass Raucher sehr genau um die Nachteile ihres Handelns wissen. Kaum ein Raucher, der nicht ganz genau darüber im Bilde ist, was er sich und seinem Köper da antut. Es hat sich inzwischen weiträumig herumgesprochen, dass Raucher früher sterben und ein höheres Risiko haben, Herz- und Kreislauferkrankungen oder Krebs zu bekommen. Das weiß doch jeder. Und dennoch rauchen viele Raucher beharrlich weiter – trotz dieses Wissens. Aber wie kann das sein? Eigentlich müsste doch jeder vernünftig denkende Mensch, der diese Realitäten nicht vollkommen ignoriert, angesichts dieser gravierenden Nachteile und offensichtlichen Gefahren sofort mit dem Rauchen aufhören.

Stattdessen wird aber vielfach unbeirrt weitergeraucht. Gelegentlich mit dem Argument, dass ja auch ein Kettenraucher wie Altkanzler Helmut Schmidt letztlich 96 Jahre alt geworden sei. Oder der Schauspieler Johannes Heesters sogar 108 Jahre. Wenngleich derartige Einzelfälle selbstverständlich überhaupt keine statistisch belegte Aussagekraft haben, könnte man diesem Argument auch entgegenhalten, dass die beiden, wenn sie denn nicht geraucht hätten, vielleicht ja sogar nie gestorben wären.

Beim Rauchen ist es wie mit vielen Dingen, die uns einen kurzfristigen und vermeintlichen Vorteil oder Lustgewinn verschaffen, uns aber langfristig eher schaden: Der Vorteil ist sofort zu spüren, der Nachteil liegt in weiter Ferne. Und oftmals ist ja auch keinesfalls erwiesen, dass der Worst Case im jeweiligen Einzelfall auch tatsächlich eintreten muss. Vielleicht kann man ja den Lustgewinn mitnehmen, ohne den hohen Preis am Ende dafür zahlen zu müssen.


Sie sehen sicherlich auch in Ihrem eigenen Umfeld immer wieder, dass unser Handeln keineswegs immer nur von einer bestechenden Logik und Weitsicht geprägt ist. Oftmals handeln wir sogar wider besseres Wissen, nur weil es unserem kurzfristigen Wunschdenken und der aktuellen Bedürfnisbefriedigung entspricht.

Alles Hokuspokus: Was Führungskräfte von Houdini, Copperfield & Co. lernen können
Ein Exkurs in die Welt der Zauberer

Seit meiner Kindheit bin ich von der Zauberei fasziniert. Und auch noch heute baue ich mit großer Freude den einen oder anderen magischen Trick in meine Vorträge und Seminare ein. Meine Kunststücke wähle ich immer mit einem Bezug zur Businesswelt aus, indem ich die Themen mit Zaubertricks verbinde. Angefangen hat bei mir alles, wie wohl bei fast jedem Kind, mit einem Zauberkasten, den ich zum Geburtstag geschenkt bekam. Und weil der kleine Frank sich so für die Magie begeisterte, gab es dann zu Weihnachten und Ostern die nächsten Zauberkästen. Vielleicht lag es auch daran, dass meinen Familienmitgliedern nach meinen zahlreichen Vorführungen die Begeisterung für mein überschaubares Vier-Trick-Repertoire dann doch irgendwie ausging. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass diese Kinder-Zauberkästen immer nur einen oder zwei wirklich akzeptable Tricks beinhalteten – der Rest war entweder leicht zu durchschauen oder lieblos gefertigt. Oder zu langweilig oder viel zu kompliziert für ungeübte Kinderhände. So fing ich an, mich erstmals für die Tricks der wirklichen Magier zu interessieren und habe schon damals einen Großteil meines Taschengelds in professionelle Zaubertricks investiert.

Deshalb nehme ich Sie jetzt auch auf einen kurzen Exkurs in die Welt der Zauberer mit. Denn Zaubertricks bieten sich gut als Parallele zur Businesswelt an, da sie viel mit dem Thema Führung zu tun haben. Einerseits, weil es in der Welt der Magier um Illusionen und Manipulation geht, ohne dass jemand daraus einen Hehl machen würde. Andererseits, weil es auch bei magischen Tricks ein klares Ziel und einen vorher festgelegten Weg gibt, auf dem der Zuschauer mitgenommen werden soll. Der Vorführende ist eindeutig im Vorteil, weil er schon vorher weiß, was passieren wird. Er hat sich sein Vorgehen genau überlegt und den Trick im Idealfall vorher viele Male geübt. Er verfügt über Erfahrung, die dem Zuschauer fehlt. Und er besitzt Kenntnisse sowie entsprechende Hilfsmittel. Dennoch lautet ein wichtiges Prinzip für Zauberkünstler: Tricks werden nicht wiederholt. Warum? Weil beim zweiten Mal jeder weiß, worauf es hinausläuft und sich auf die Schlüsselstellen konzentriert. Der Überraschungsvorteil des Vorführenden ist dahin und der Zuschauer hat jetzt nur noch den Ehrgeiz, hinter das Geheimnis zu kommen. Damit steigen die Chancen ganz erheblich, den Trick zu durchschauen und damit die Illusion zu entzaubern. Das will natürlich kein Zauberer. Manchmal hat der Zuschauer, der bei einem Trick mitmacht, auch das Gefühl, sich frei zwischen verschiedenen Alternativen entscheiden zu können. Tatsächlich aber wird er auf das vorher festgelegte Ergebnis manipulativ hingelenkt.

 

Zaubertricks leben also von der Illusion und davon, dass möglichst niemand hinter das Geheimnis kommt. Selbst wenn vollkommen klar ist, dass es dabei einen Trick geben muss, bleibt das große Fragezeichen: »Unglaublich! Wie hat er das gemacht?« Wenn das Trickgeheimnis aber entdeckt wird, bricht die Bewunderung für den Künstler sofort zusammen und weicht der Geringschätzung und Enttäuschung: »Ach, so einfach ist das? Na, wenn man das so macht, ist das ja nichts Besonderes mehr.« Vielleicht erinnern Sie sich noch an Uri Geller, der Mitte der 1970er-Jahre vor einem breiten Fernsehpublikum auftrat und Löffel sowie Gabeln verbog. Geller behauptete, dies tatsächlich durch seine übernatürlichen Kräfte und telekinetischen Fähigkeiten bewirkt zu haben. Vollkommener Humbug, wie sich später herausstellte, denn die Utensilien waren vorher manipuliert worden. Geller wurde als simpler Zauberkünstler entlarvt und aufgrund der Täuschung des Publikums sogar von vielen als Scharlatan betrachtet. Heutzutage geben viele Magier ganz unumwunden zu, dass alles, was sie tun, nur eine Illusion ist, und fordern das Publikum explizit dazu auf, hinter den Trick zu kommen.

Was können nun aber Führungskräfte von professionellen Tricksern wie Houdini, Copperfield & Co. lernen? Im Wesentlichen zweierlei: Einerseits können sie im positiven Sinne eine Parallele zu ihren Kernkompetenzen und Hauptaufgaben ziehen, denn wie bei guten Zauberkunststücken bedarf eine gute Führung der umfangreichen Vorbereitung und sollte mit Erfahrung und klaren Zielen verbunden sein. Hilfreiche Führung macht klare Vorgaben und nimmt Mitarbeiter an die Hand, wenn es erforderlich ist. Und weil hier der Teufel oftmals im Detail steckt, tun auch Führungskräfte gut daran, ihre Hausaufgaben zu machen, sich umfassend vorzubereiten und möglichst wenig dem Zufall zu überlassen.


Außerdem wird an diesem kleinen Exkurs in die Welt der Magier deutlich, warum Führungskräfte auf den Einsatz von Psychotricks verzichten sollten.

Im realen Berufsleben geht es ja meistens nicht darum, eine Performance mit Unterhaltungswert vorzuführen – außer Sie sind Zauberkünstler. Im Berufsleben hinterlässt ein Manipulationsversuch beim Gegenüber jedoch sehr schnell das Gefühl, hereingelegt worden zu sein. Der vermeintliche Vorteil wird dem Anwender missgönnt. Das hat mit dem Vergnügen einer Zaubertrickvorführung nichts mehr zu tun. Für den kurzen Moment wird zwar eine Illusion erzeugt, die im Idealfall vielleicht sogar ihr Ziel erreicht und damit zunächst die gewünschte Wirkung erzielt. Langfristig lässt sich der erschlichene Erfolg aber beim selben Mitarbeiter ebenso wenig wie beim selben Publikum reproduzieren. Vollkommen gleichgültig, wie ausgefeilt der Trick auch sein mag: Er ist und bleibt eine Illusion. Und Illusionen sind in der Realität nun einmal nicht dazu geeignet, eine dauerhafte, stabile Beziehung zu etablieren. Auf die Täuschung folgt die Ent-Täuschung. Diese ist vorprogrammiert, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Opfer dem Täter auf die Schliche kommt. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, ob es sich um die Beziehung zu unserem Mitarbeiter, Chef, Lebenspartner oder Kunden handelt.