Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises

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DIE REISE DER „GERMANIA“

In Anwesenheit König Wilhelms von Preußen, des Ministerpräsidenten Bismarck, des Kriegs- und Marineministers Roon und des Generalstabschefs Moltke startete am 15. Juli 1869 in Bremerhaven die „Zweite Deutsche Nord-polar-Fahrt“. Die Expedition bestand aus zwei Schiffen, dem neugebauten Dampfschoner „Germania“ (Kapitän Koldewey) und der „Hansa“ als Begleitschiff (Kapitän Hegemann). Die „Germania“ war ein Schraubenschoner von 28 m Länge, 7,1 m Breite und 3,5 m Tiefgang. Sie war mit einer Eisenhaut verkleidet und hatte eine Größe von 143 Tons (400 Kubikmeter Zuladung). Ihr Dampfmotor leistete 30 PS, womit eine Geschwindigkeit von 4½ Knoten erreicht werden konnte.

Die Besatzung bestand aus 17 Personen. Kapitän des Schiffes war Karl Koldewey, zugleich auch Führer der gesamten Expedition. Wissenschaftliche Begleiter auf der Germania waren der Astronom Dr. Carl Börgen (1843–1909), der schottische Astronom und Physiker Dr. Ralph Copeland (1837–1905), Dr. Adolf Pansch (1841–1887) für Zoologie und Botanik, zugleich Schiffsarzt, und Oberleutnant Julius Payer, zuständig für Alpinistik und die Schlittenreisen zu Lande. Die Mannschaft der „Germania“ bestand aus dem Ersten Steuermann Sengstacke, dem Zweiten Steuermann Tramnitz, dem Maschinisten Krauschner, dem Bootsmann Warkmeister, dem Zimmermann Büttner, dem Koch Ollenstädt, den Matrosen Ellinger, Herzberg, Klentzer, Mieders und Iversen sowie dem Heizer Wagner. Der 22-jährige Matrose Peter Ellinger aus Frankfurt sollte bei dieser Reise der bevorzugte Begleiter Payers auf allen Landreisen werden. Die kleinere „Hansa“ mit 110 Tons (301 Kubikmeter Zuladung) stand unter dem Befehl des Kapitäns Paul Hegemann. Wissenschaftliche Begleiter waren der Arzt Dr. Buchholz, zugleich Zoologe, und Payers Freund, der Geologe Dr. Gustav Laube aus Wien. Die Besatzung bestand aus dem Ersten Steuermann Richard Hildebrandt, dem Zweiten Steuermann Wilhelm Bade, dem Zimmermann Bowe, dem Koch Wüpkes und den Matrosen Heyne, Kewell, Gätjen, Schmidt, Tilly, Büttner und Gierke.

Die Reise ging schnell voran. Schon am 5. Juli 1869 wurde der Polarkreis überschritten, zufällig exakt über dem Meridian von Greenwich. Am 9. Juli tauchte die Insel Jan Mayen aus dem Nebel auf, ohne dass eine Landung dort angestrebt wurde. Die Eisgrenze vor Grönland wurde am 15. Juli erreicht. Fünf Tage später verloren sich die beiden Schiffe aufgrund eines missverstandenen Flaggensignals für immer aus den Augen. Die „Hansa“ und ihre Besatzung erwartete ein dramatisches, am Ende aber glückliches Schicksal.

Die „Germania“ erreichte am 13. August 1869 bei 75 Grad 30 Minuten nördlicher Breite das geschlossene Packeis. Kapitän Koldewey kehrte um zum Kap Philipp Broke (südlichster Punkt der Insel Shannon an der Nordostküste von Grönland), um hier eine Verbesserung der Eissituation abzuwarten. Payer ging dort am 15. August an Land und bezog die Zelte, während Koldewey zur Pendulum-Insel zurücksegelte. Das Erkundungsteam bestand aus Payer, den Wissenschaftlern Börgen und Copeland sowie den Matrosen Sengstacke, Iversen, Klentzer und Ellinger.

Die 1823 von Douglas Clavering entdeckte Insel wurde zehn Tage lang intensiv vermessen und erforscht. Zum Abschluss dieser Arbeiten, am 25. und 26. August, unternahmen Payer, Sengstacke, Iversen und Ellinger zu viert eine kleine Schlittenreise zu dem 14 Meilen entfernten Doleritplateau im Südosten der Shannon-Insel. Nach längerem Marsch im Nebel wurde eine Anhöhe erreicht, die einen imposanten Blick über die grönländische Küstenlinie bot. Die kleine Gruppe schoss einen Eisbären, traf eine Herde von Moschusochsen (Payer 1876, S. 475) und wurde zwecks Resteverwertung von einem Polarfuchs begleitet. Nach zweitägiger Abwesenheit und einiger Suche im Nebel wurde am 26. August wieder der Ausgangspunkt erreicht, wohin auch gerade das Schiff zurückkehrte.


Die Besatzung der Germania 1869, links sitzend Dr. Laube und Oberleutnant Payer (Alfred Wegener Institut Bremerhaven)

Anfang September fuhr das Schiff nach Süden vor die Sabine-Insel. Der Insel südlich vorgelagert war ein etwa 2500 Fuß hoher Sattelberg. Zu dessen Erforschung verließen Payer und Ellinger am 11. September um 8 Uhr morgens das Schiff, ausgerüstet mit Theodolit und Barometer. Während des Anstieges schloss sich Dr. Copeland den beiden an. Mühsam und steil war der Anstieg auf den Doleritkamm des Sattelberges. Auf dem Gipfel herrschte Nordwind bei minus 10 Grad. Die Aussicht nach Westen reichte bis weit in die Fjorde hinein. Von diesem Platz aus hielt Payer eine ausgedehnte Schlittenreise im nächsten Frühjahr für wünschenswert. Anschließend fuhr die „Germania“ am 13. September in ihren Hafen im Süden der Sabine-Insel zurück. Hier wurde das Schiff den Winter über, also 10 Monate lang, am Eis festgemacht.


Das Expeditionsschiff „Germania“, Zeichnung 1869 (IHK Frankfurt am Main)

LANDEXPEDITIONEN IM HERBST

Vor Einbruch der großen Kälte und langen Dunkelheit beschloss Payer, zwei Herbstschlittenreisen zu unternehmen. Da bei der Bestückung der „Germania“ keine Ausrüstung für Schlittenreisen vorgesehen war, musste beim Bau dieser improvisiert werden. Die erste Herbstexpedition fand vom 14. bis zum 21. September statt. Die Mannschaft bestand aus sechs Mann: Kapitän Koldewey, Julius Payer, Tramnitz, Krauschner, Klenzer und Ellinger. Die Schlittenlast betrug sechs Zentner. Der Weg führte von der Sabine-Insel nach Nordosten, das Kap Berlin entlang auf die Kuhn-Insel zu, die gegenüber von Kap Hamburg erreicht wurde. Hier folgte die Gruppe dem nach Norden abbiegenden Fligely-Fjord. In einiger Entfernung war die Westendspitze zu sehen, deren Gipfel eine gute Rundsicht versprach. Tramnitz, Krauschner und Klentzer blieben beim Schlitten, während sich Koldewey, Payer und Ellinger an die Besteigung machten. Der Gipfel wurde nach 6½ Stunden erreicht. Auf dem ca. 4000 Fuß hohen Berg dauerten die Vermessungsarbeiten drei Stunden bei einer Temperatur von minus 10,5 Grad. Gegen Mitternacht und bei wolkenlosem Himmel kamen die drei zum Zelt zurück, wo mittels Treibholz in einem Topf eine kräftige Rentierfleischsuppe gekocht wurde (Payer 1876, S. 488).

Der Rückweg zum Schiff gestaltete sich schwierig und äußerst anstrengend. Ein Schlitten brach ein, wobei zwei Barometer und der Theodolit verlorengingen. Das durchnässte Zelt war nachts hart gefroren. Während des Rückweges wurde am Südhang der Kuhn-Insel ein Kohleflöz entdeckt, etwa ¾ bis 18 Zoll mächtig. Am 21. September kam die Expedition in heftigem Schneetreiben am Kap Berlin an und übernachtete drei Stunden später am Eingang der „Flachen Bai.“ Nach einer Schlittenreise von 107 Meilen Länge (Payer 1876, S. 491) wurde am Morgen des 22. September wieder die „Germania“ erreicht. An diesem Tag war das Schiff schon von einer festen Decke jungen Eises eingeschlossen.

Trotz des nahen Winters unternahm Payer am 27. Oktober noch eine zweite Reise mit Copeland, Wagner, Herzberg und Iversen. Er hatte die Teilnehmer komplett ausgetauscht, um die Strapazen aufzuteilen. Mit einer Ausrüstung für neun Tage untersuchte er die inneren Verzweigungen der Gael Hamkes Bay. Die Gruppe passierte die Clavering-Insel im Norden und drang in den von Payer so benannten Tyroler Fjord vor. Bei prachtvollem Wetter und minus 12 Grad wurde das Gletscherende dieses Fjordes erreicht und danach der Rückmarsch angetreten.

Am Abend des 4. November kamen sie zum Schiff zurück, bevor am 6. November die Sonne endgültig für drei Monate unterging. Gleichzeitig setzten grauenvolle Schneestürme ein, die kein Arbeiten im Freien zuließen. Ein Zeltdach bedeckte das Schiff. Unter Deck herrschte eine quälende Monotonie, unterbrochen von Mahlzeiten, meteorologischen Messungen und Polarlicht. Unter diesem feierte die Mannschaft Weihnachten und Neujahr. Eine erste Dämmerung machte sich am 1. Februar bemerkbar und drei Tage später zeigte sich der erste Sonnenstrahl. Der 21. Februar erzielte mit minus 32 Grad die größte während der Reise gemessene Kälte. Nicht einmal Eisbären ließen sich sehen.


Der Germania-Hafen, Überwinterungsstelle 1869/1870 (F. Berger)

FRÜHJAHRSEXPEDITION UND HEIMKEHR

Noch in der Winterkälte des 10. März 1870 startete die erste Frühjahrsexpedition mit zwei Schlitten und zehn Mann. Beabsichtigt war eine Reise nach Norden mit maximal 60 Tagen Dauer. Wegen heftiger Stürme wurde sie abgebrochen und am 24. März erneut in Angriff genommen. Den großen Schlitten zogen Payer, Koldewey, Ellinger, Herzberg, Mieders, Klentzer, Wagner und der Zimmermann. Der Begleitschlitten mit Sengstacke, Krauschner, Iversen und dem Bootsmann musste schon nach wenigen Tagen zurückkehren. Es folgten einige Tage und Nächte mit grauenhaften Schneestürmen. Als sich das Wetter besserte, konnte eine tägliche Marschleistung von 8 bis 12 Meilen erreicht werden. Die Route ging zwischen Shannon-Insel und Hochstetters Vorland nach Norden, passierte die Halbinsel Haystack, Cap Ritter, das Teufelscap, die Felsen der Orientierungsinseln und die Dove-Bai. Am 12. April erstieg Payer ein Plateau nördlich von Cap Bismarck. Am Karfreitag, den 15. April, erfolgte der letzte Gang nach Norden. Dabei überschritten Julius Payer, Carl Koldewey, Theodor Klenzer und Peter Ellinger den 77. Breitengrad. An diesem Punkt wurde in etwa 1500 m Höhe auf 77°1’ N und 18°50’ W eine Steinpyramide errichtet und mit der norddeutschen und der österreichischen Flagge verziert. An diesem Tag konnte ein Streckenrekord von 24 Meilen verzeichnet werden.

 

Die Heimkehr gestaltete sich äußerst mühsam. Immerhin verbesserte sich die Proviantlage durch erlegte Moschusochsen und Eisbären. Das schlechte Wetter hielt bis zum 23. April an und die Temperatur fiel bis auf minus 24 Grad. Peter Ellingers Hand drohte zu erfrieren. Daher trennte sich Payer mit Ellinger von der Hauptgruppe, um möglichst rasch das Schiff zu erreichen und Ellinger dem Arzt zu überantworten. Zum Schiff waren es zu diesem Zeitpunkt noch 32 Meilen.

Am 26. April kam wieder ein Schneesturm auf, der überraschend schnell freundlichem Wetter wich: „Die Sonne blickte wieder strahlend über das Land. Wir rasteten wenige Minuten; Ellinger legte sich am aufgebrochenen Saum des Küsteneises nieder, ich setzte mich zu ihm. Mit großem Behagen konnte man die sonnige Wildnis betrachten. Das durch die Fluth bewegte Strandeis begann zu flüstern und zu klingen, die Stimme eines Vogels in den Wänden oberhalb war zu hören, und der erste Gruß der erwachten Schöpfung!“ (Payer 1876, S. 616). Payer und Ellinger stiegen von den Bergen herab und erreichten nach 21½-stündigem Marsch mitternachts das Schiff, freudig begrüßt von Krauschner, Copeland, Börgen und Pansch. Sengstacke ging mit einigen Begleitern sofort Koldewey entgegen, der am nächsten Tag eintraf. Alle Teilnehmer genehmigten sich einen Festschmaus mit Bärenfleisch, Speck, Kraut, Brot, Butter, Käse, Wein, Schokolade und Kaffee.

Nach 10-tägiger Erholung beschloss die Expeditionsführung, nun auch noch die Untersuchung der Ardencaple-Bai vorzunehmen. Nur Klentzer und Ellinger mussten aufgrund ihrer schweren Verwundungen, die sie sich beim vorherigen Marsch zugezogen hatten, an Bord bleiben. Die Schwierigkeiten des späteren Frühjahres waren nun jenen des Winters ganz entgegengesetzt. Die Wärme machte zu schaffen, das Eis wurde weich und ständig drohten die Männer einzubrechen. Im weichen Schnee war kaum noch ein Fortkommen möglich. Es blieb nur übrig, die Kuhn-Insel näher zu untersuchen. Von Hitze und Nässe geplagt, kamen die Männer am 29. Mai zum Schiff zurück.


Das Teufelsschloss im Franz-Joseph-Fjord, Holzschnitt einer Wiener Zeitung 1870 nach einer Zeichnung von Julius Payer (Holzstich 1870)

Das Eis gab die „Germania“ am 22. Juli wieder frei. Eine kurze Fahrt nach Norden kam bis zu 75 Grad 29’ nördlicher Breite. Weiteres Vordringen nach Norden war undenkbar, da einige Röhren des Heizkessels leckten. Am 1. August ging die Fahrt zurück in südliche Richtung. Am Cap Broer Ruys angekommen, bestieg Payer mit seinem Begleiter Peter Ellinger den höchsten Gipfel dieses Vorsprunges mit 3400 Fuß, um dort topografische Aufnahmen zu machen.

Von diesem Standpunkt aus nahmen sie den Ausgang einer großen Meerenge wahr, den sie „Kaiser Franz Josef Fjord“ tauften. Dessen Erkundung waren die folgenden Tage gewidmet. Der Fjord erwies sich als ungeheuer groß und erlaubte einen Vorstoß tief in das Innere Grönlands. Die Entdeckungsfahrt, bequemer als alle Schlittenreisen zuvor, wurde nur durch die drohende Untauglichkeit des Dampfkessels beeinträchtigt. Am 12. August um 10 Uhr morgens bestiegen Payer, Copeland und Ellinger einen 7000 Fuß hohen Berg am westlichsten Punkt ihrer Reise, die dann so genannte Payer-Spitze. (Payer 1876, S. 640; 645). Nach Westen war eine Fortsetzung des Franz-Josef-Fjordes zu erkennen, außerdem eine große Eispyramide, die nach Payers Schätzung 11.400 Fuß (3500 m) hoch war und „Petermannspitze“ getauft wurde. Auf der Payerspitze zeichnete Payer mehrere Stunden lang und arbeitete am Theodolit. Der Rückweg erfolgte gegen Mitternacht. Um 7 Uhr morgens kamen die drei Teilnehmer beim Schiff an, auf dem man sich schon für die Rückfahrt nach Europa gerüstet hatte.


Das Teufelsschloss im Franz-Joseph-Fjord (F. Berger)

Die Heimreise startete am 17. August. Eine Woche später konnte die „Germania“ das dichte Eis hinter sich lassen. Am Abend des 11. September 1870, nach 453 Tagen Abwesenheit von Deutschland, erreichte die „Germania“ die Wesermündung. In der Deutschen Bucht war es dunkel und still. Deutschland befand sich im Krieg mit Frankreich. Kaum jemand nahm von der Rückkehr der Polarfahrer Notiz. Viel schlimmer jedoch war das Schicksal des Begleitschiffs „Hansa“. Es hatte die Küste Grönlands nie erreicht, wurde am 22. Oktober 1869 vom Packeis zerdrückt und sank. Die vierzehnköpfige Mannschaft verbrachte sieben Monate lang treibend auf Eisschollen und legte dabei 1200 Seemeilen zurück. Im Mai 1870 bestiegen die Männer die Beiboote und erreichten am 13. Juni 1870 die Missionsstation Friedrichsthal am Südende Grönlands. Über Kopenhagen kommend, trafen die 14 Schiffbrüchigen erst am 5. September in Bremen ein. Dr. Gustav Laube verfasste später einen Erlebnisbericht über diese dramatischen Ereignisse.


Letzter Ankerplatz der „Germania“ im Franz-Joseph-Fjord, Holzschnitt einer Wiener Zeitung 1870 nach einer Zeichnung von Julius Payer (Holzsstich 1870)

AUSWERTUNG DER ERGEBNISSE

Das große Expeditionswerk erschien in zwei Teilen. Der erste Band enthielt den erzählerischen Teil mit den Exkursionen und Bergbesteigungen. Den größten Anteil daran hatte Koldewey, daneben waren auch Pansch, Hegemann, Börgen, Laube und Payer beteiligt. Payers Berichte gehören zu den eindrucksvollsten Passagen dieses Werks. Viele der Illustrationen beruhen auf seinen Skizzen. Payers Karten der Pendulum-Inseln (1:100.000), des Tiroler Fjords (1:200.000) und Ostgrönlands zwischen 73°30’ und 76°0’ nördlicher Breite (1:400.000) sind ebenfalls enthalten. Payer wie auch die Teilnehmer Börgen, Copeland, Hegemann, Koldewey und Pansch legten ihren Schilderungen meist ihre Tagebücher zugrunde. Als Gesamtherausgeber fungierte Karl Koldewey. Band 1 des Hauptwerks erschien Anfang 1874 im Druck. Der zweite Band enthält die „Wissenschaftlichen Ergebnisse“. Das Gesamtwerk lag im Dezember 1874 bei Brockhaus in Leipzig in Buchform vor. Der erzählende Teil erschien im folgenden Jahr ebenfalls bei Brockhaus verkürzt und überarbeitet als „Volksausgabe“.


Payer auf der Petermann-Spitze. Holzschnitt von Edward Whymper nach einer Zeichnung von Julius Payer (PGM 1871, Frontispiz)

Julius Payer hatte bereits vorab eine Artikelserie in vier Folgen unter dem Titel „Deutsche Nordpolexpedition“ in der in Wien erscheinenden Zeitschrift „Wanderer“ veröffentlicht, mit der ersten Folge am 19. Oktober 1870. Für Petermanns „Geographische Mittheilungen“ verfasste er einen größeren Aufsatz, der 1871 in drei Monatslieferungen erschien. Eine von ihm selbst illustrierte Zusammenfassung seines Reiseberichts im Umfang von 195 Seiten publizierte Payer später im Rahmen seines 1876 erschienenen großen Expeditionsbuches über die Entdeckung von Kaiser Franz Josef Land.

Dem Jahrgang 1871 der „Geographischen Mittheilungen“ war als Frontispiz ein Holzschnitt beigegeben, mit dem sich der Herausgeber August Petermann selbst schmeichelte. Der Stich hatte den Titel „Der Kaiser Franz Josef Fjord und die Petermann Spitze im Inneren von Grönland“. Der Künstler des Stiches war Edward Whymper, nach einer Zeichnung von Julius Payer. Whymper (1840–1911) galt seit der Erstbesteigung des Matterhorns 1865 als der berühmteste Alpinist seiner Zeit. Im Sommer 1867 hatte er an der Westküste Grönlands mit großen Ambitionen eine Gletscherfahrt mit Schlitten in das Innere Grönlands begonnen (PGM 1867, S. 435–436). Zwar konnte er nicht weit vordringen, doch schickte er eine große Ausbeute an Pflanzen, Tieren und menschlichen Gerätschaften nach Hause. Neben seinen Reisen widmete sich der gelernte Illustrator in der übrigen Zeit der Anfertigung von Abbildungen für seine Reisewerke. Nach einer Zeichnung Payers fertigte er den Holzschnitt „Die Zufall-Spitze, von der unteren Marteller Alpe aus“ für Beiheft 31/1872 der „Geographischen Mittheilungen“ an. Ob es je eine persönliche Begegnung der beiden verdienten Alpinisten gegeben hat, kann nicht gesagt werden. Ausgeschlossen ist es nicht. Die beiden Illustrationen in Payers Werken von der Hand Whympers sind auf jeden Fall ein verbindendes Glied zwischen beiden.


Von Payer vergebene geografische Namen am Tyroler Fjord (B. Holm Jakobsen, Topografisk Atlas Grönland, Kopenhagen 2000)

Die Nordpolfahrten der „Germania“ und „Hansa“ waren bald in aller Munde. Alle großen Zeitungen berichteten darüber. Einige Blätter enthielten Illustrationen von Julius Payer, die das Charakteristische der Polarlandschaft gut erfassten und die dramatischen Situationen der Reise eindrucksvoll herausstellten. König Wilhelm von Preußen ließ sich Payers Schilderungen über die Polarfahrt vorlesen. Mit seinem Gespür für Presse und Öffentlichkeit war Payer der beste Propagandist der Polarforschung. Der Bremer Journalist Moritz Lindeman nannte ihn den „Infanteristen der Polarforschung“ (Abel/Jessen 1954, S. 34). Die deutsche Polarbegeisterung vom Herbst 1870 bereitete das Feld für weitere Polarexpeditionen vor, die aber nicht in Bremen, sondern überraschenderweise in Wien ihren Ursprung haben sollten.


Das in Nordostgrönland erkundete Gebiet, Beilage in Payer 1876 (Payer 1876, Beilage)


Würfelspiel zur Zweiten Deutschen Nordpolarexpedition, 1870 (Alfred Wegener Institut, Bremerhaven)

STREIT UM DIE NAMEN

Nach Beendigung der Expedition kam es zu einem Streit bei der Namengebung der neu entdeckten Gebiete Nordostgrönlands. Eine Kurzmeldung der „Wiener Lokal-Presse“ vom 21. Oktober lautete: „Se. Majestät der Kaiser hat, wie gemeldet wird, dem Ansuchen des Urhebers der deutschen Nordpol-Expedition, Herrn Petermann in Gotha, das werthvollste Entdeckungsobject, ein großer, vielleicht ganz Grönland durchschneidender Fjord, unterm 73. Grad nördlicher Breite gelegen, den Namen Kaiser-Franz-Joseph-Fjord führe, gern willfahrtet.“ (Krause 1992, S. 208). Diese Meldung gelangte am 23. Oktober in die Bremer Tagespresse. Der Urheber dieser Namengebung war Julius Payer. Er hatte Petermann gebeten, ein Gesuch an den Kaiser zwecks Zustimmung der Namengebung zu richten (Krause 1992, S. 222).

Der Bremer Polarverein war über diese willkürliche Namengebung empört. Es wurde überlegt, in welcher Form ein Dementi abzugeben sei, ohne den Kaiser von Österreich zu verletzen. Denn diese Bezeichnung verstieß gegen Petermanns selbst verfasste Instruktion. Dies teilte ihm der Bremer Polarverein in einem Einschreibebrief mit.


Orden der Eisernen Krone, verliehen 1870 (Dorotheum, Wien)

Payer flehte die Vereinsmitglieder an, den Namen zu akzeptieren. Sollte die Namengebung zurückgenommen werden, dann wäre er in Österreich ein erledigter Mann. Seine Karriere wäre ein für alle Mal zu Ende. Eine Desavouierung des Herrschers wäre der gerade stattfindenden politischen Annäherung Österreichs an Deutschland alles andere als förderlich. Außerdem sei das Wohlwollen des Kaisers erforderlich für die geplanten künftigen polaren Unternehmungen. Falls der Bremer Polarverein die Rücknahme des Namens offiziell betreiben wollte, drohte Payer zwischen den Zeilen mit der Verweigerung seiner Mitarbeit am Expeditionswerk. Um des lieben Friedens willen bat er darum, „eine Beleidigung des Kaisers von Österreich in dieser Dimension zu unterlassen.“ (Krause 1992, S. 209f.)

 

Am Ende lenkte der Bremer Polarverein ein und konsolidierte auf einer Versammlung die Namengebung „Kaiser-Franz-Joseph-Fjord“. Der höchste auf der Expedition gesehene Berg bekam den Namen „Petermannspitze“ zuerkannt (Krause 1992, S. 210). Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit dem Namensstreit ein Schreiben des Expeditionsteilnehmers Börgen an den Polarverein, in dem er sich über den Charakter Julius Payers sehr unvorteilhaft äußert:

„Ich kann nur aus ganzem Herzen der Ansicht von Koldewey und Herrn v. Freeden beistimmen, dass nach diesem Zeugnis einer bornierten Arroganz ein Zusammenarbeiten mit Payer hier in Europa ebenso unmöglich ist wie es während der Reise der Fall war. Da uns dieses Ereignis schon während der Expedition als möglich vorschwebte, so haben wir alle, wie Ihnen bekannt ist, soviel wie die eigenen Arbeiten es uns erlaubten das Material zu sammeln gesucht, um nöthigenfalls auch ohne Payer ein zusammenhängendes Ganzes liefern zu können. […] Besser wäre es natürlich wenn Payer mit uns arbeitete, aber bei der Art wie er auftritt, wird dies zur Unmöglichkeit. Ich beklage tief, dass ein Mitglied der Expedition die wohlmeinenden Absichten des Vereins so missverstehen kann und sich von unbegrenztem Ehrgeiz zu solchen Äusserungen hinreissen lassen kann.“ (Krause 1992, S. 222)

Wie dem auch sei, in Anerkennung seiner Verdienste um die Zweite Deutsche Nordpolarexpedition verlieh der Kaiser von Österreich am 29. November 1870 dem Oberleutnant Julius Payer den Orden der Eisernen Krone Dritter Klasse.

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