Tagebuch eines Hilflosen

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19.11.2018

Heute hat ein ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses ein neues Enthüllungsbuch über Donald Trump angekündigt. Das Werk soll Team of Vipers heißen und im Januar erscheinen. Seinem Verfasser, Cliff Sims, hat es bereits jetzt ein nettes Sümmchen eingebracht. Ich dagegen fange langsam an, den Überblick über die Enthüllungsbücher von Ex-Mitarbeitern zu verlieren. Inzwischen ist schon ein Dutzend davon auf dem Markt. Aber im Grunde ist es mit diesen Büchern wie mit einer Windhose, die Donald Trump mal kurz aus der falschen Richtung erwischt: Die Windhose kommt, fährt mit Schwung unter Donnies festgeföhnten Scheitel und flappt den Haarbatzen einmal quer über den Schädel auf die andere Seite. Der Betrachter weiß, dass es unter der sorgsam gewahrten Fassade ziemlich dünne aussieht, und doch schaut er hin, genießt den Einblick und die plötzliche Offenbarung – und kurz darauf ist alles wieder wie zuvor. Der Scheitel flappt zurück, das Buch wird zugeklappt, der Betrachter nickt kurz mit dem Kopf, und Donnie geht seiner Wege. Das nächste Höschen kann kommen.

20.11.2018

Bezüglich des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi und des Verdachts, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den Auftrag dazu gegeben hat, erklärte Donald Trump heute: »Es könnte sehr gut sein, dass der Kronprinz Kenntnis von diesem tragischen Vorfall hatte – vielleicht hatte er das und vielleicht hatte er das nicht!«

Das nennt man dann wohl ein Salomonisches Salmanisches Urteil.

21.11.2018

Die Zahl derjenigen, die sich selbst dem christlichen Glauben zurechnen, sinkt in den USA seit Jahren, von 85 % anno 1990 auf 75 % anno 2018. Und doch, seit dem Amtsantritt Donald Trumps ist in fast allen Bereichen des Lebens qualitativ ein Erstarken der Religion zu verspüren. Noch der hinterletzte Hinterwäldler fühlt sich inzwischen bemüßigt, öffentlich ein bisschen Gegenaufklärung zu betreiben. Und an vorderster Front: die Impfgegner. Mehrfach schon hat sich Donald Trump mit ihren führenden Vertretern getroffen, über 20 Mal in seinen Tweets Partei für sie ergriffen und wiederholt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus hergestellt. Die Folge: Inzwischen mehren sich in den USA die Ausbrüche von Windpocken und anderen Krankheiten. Überall im Land blühen die Gesichter. Aktuell hat es eine Waldorfschule in North Carolina erwischt. Sie hat die höchste Rate an religiösen Impfverweigerern im ganzen Bundesstaat, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn die Sache wieder vorbei und alles bis zur Unkenntlichkeit verheilt ist. Die Impfgegner bleiben in ihren Bläschen wie Donald im Amt – und das Denken verkrustet weiter.

22.11.2018

Und der Herr sprach: »Sorget euch nicht, ›Trump‹ ist Teil des Wortes ›Damenstrumpfhose‹, was soll schon Schlimmes passieren?«

»Amen«, sagten die Besorgten und zogen wie Laufmaschen von dannen.

23.11.2018

Donald Trump ist kein historisch denkender Mensch. Er ist einer, der komplett in der Gegenwart lebt und dessen einziger Rückbezug die bedeutenden Leistungen sind, die man ihm seiner Meinung nach im großen Buch der Geschichte künftig und für alle Zeiten zuschreiben wird. Ansonsten interessiert ihn die Vergangenheit nicht weiter. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja auch eine Chance, etwas zu lernen. Warum Donald Trump nicht mal zum Vorbild nehmen und die Geschichte ein bisschen mehr ignorieren? Es heißt zwar immer, sie sei dazu da, um aus ihr zu lernen, gemachte Fehler nicht zu wiederholen, und die Gegenwart besser verstehen zu können. Aber tatsächlich wird die Geschichte meist nur dazu benutzt, um Vorwürfe zu (re-)konstruieren. Nicht gemeinsames Handeln und Einsicht, sondern gegenseitige Angriffe und Rückschläge, das ist die Dialektik eines Geschichtsbewusstsein, das klaftertief in der Gegenwart steckt und mit seiner Spitze immer schon den nächsten Morgen anbohrt. Bei Donnie dagegen fungiert der Präsentismus als Präservativ. Er schützt den Präsidenten vor sich selbst und bettet ihn ein in die prästabilisierte Harmonie einer präteritumslosen Zeit. Warum also – und sei’s auch nur zur Abwechslung – nicht mal diesen Blick auf die Welt präferieren?

24.11.2018

Im Juli hatte Arthur Jones, ehemaliger Anführer der American Nazi Party und seit Jahrzehnten einer der aggressivsten Holocaustleugner, bekannt gegeben, für die Republikaner in Illinois bei den Kongresswahlen anzutreten. Daraufhin empfahl die Führungsriege der Republikaner, den Kandidaten der Demokraten zu wählen. Ein republikanischer Senator twitterte sogar, Jones sei ein »bigotter Blödmann« und solle »keine einzige Stimme bekommen«. Nun, da die Wahl entschieden und seit einigen Tagen alles offiziell ausgezählt ist, steht fest, dass Jones zwar nicht gewählt worden ist, aber immerhin 56.944 Stimmen bekommen hat. Damit haben 26,5 % der Wähler ihr Hakenkreuz bei ihm gemacht.

25.11.2018

»Migranten an der Südgrenze dürfen nur dann in die Vereinigten Staaten einreisen, wenn ihre Ansprüche vor Gericht einzeln genehmigt werden.«*

»Versuchen Sie es, in die Exekutive in Washington, einen Anbau des Weißen Hauses, zu gelangen. Polizeibeamte bewachen den Eingang und fragen eingehend nach der Art ihres Anliegens, und nur wenn sie annehmen, daß ein Erfolg möglich wäre, wird Ihnen der Eintritt gütigst gestattet. Sie kommen dann in ein Wartezimmer, in dem Sie ein halbes Dutzend auch Audienzsuchende und viele Beamte finden. Aus dieser schon einmal nach Gefallen gesichteten Anzahl wird zwei oder drei besonders Begünstigten der Zutritt gewährt; die andern warten und warten, bis ihnen schließlich beschieden wird: ›Es tut dem Präsidenten leid, aber es ist ihm unmöglich, Sie heute noch zu sehen.‹«*

26.11.2018

Alle Welt weiß: Donald Trumps Präsidentschaft schlägt sich nicht nur in seinen eigenen Worten nieder, sondern hat auch Folgen für die Wortwahl seiner Anhänger und Gegner. Was dagegen nicht alle Welt weiß: Wortwahlen kann man auch zelebrieren. Das hat heute die Redaktion von dictionary.com getan und denjenigen Begriff gekürt, der das Jahr 2018 aus ihrer Sicht am besten charakterisiert. Der Sieger lautet »misinformation«. Ein Wort, das freilich nicht mit »disinformation« verwechselt werden darf. Denn während »disinformation« das absichtsvolle Erzählen der Unwahrheit bedeutet, ist es bei der »misinformation« egal, ob der Erzähler in böswilliger Intention Mist von sich gibt oder einfach nur aus einem Mangel an Zeit oder Lust die Fakten nicht prüft, sie falsch zusammenfasst oder aus simpler Trantütigkeit die Menschheit mit einem weiteren Pfund Fehlinformationen versorgt. Allerdings muss sich die »misinformation« den 1. Platz teilen, denn vor einigen Tagen hatten bereits die Oxford Dictionaries ihr Wort des Jahres 2018 gewählt. In diesem Falle hieß der Gewinner »toxic«. Zusammengenommen ergibt das »toxic misinformation«, was mir fast noch besser gefällt als die beiden Sieger und mal wieder zeigt, dass das Ganze doch mehr ist als die Summe seiner Teile. Allerdings gelten die beiden Unwörter nur für die USA bzw. den englischsprachigen Bereich. Ob Amerikas großer Gegner China auch solche Wortwahlen veranstaltet, weiß ich zwar nicht, aber immerhin steht fest, dass sie dort gerade das »Jahr des Hundes« begehen. In Deutschland wiederum kommen in der Regel nur die Jurys auf den Hund, die solche Unwörter wählen, wobei es auch eine Jugendwortwahl gibt, die versucht, die Veränderungen in der Sprache von Jugendlichen abzubilden, was dazu geführt hat, dass »Ehrenmann« bzw. »Ehrenfrau« zum Jugendwort des Jahres erklärt wurden. Zusammengefasst könnte man also für das Jahr 2018 sagen: Dank diverser Ehrenmänner (oder Ehrenfrauen) ist unser blauäugiger Planet auf den vergifteten Hund gekommen, und zwar auf einen, bei dem man nicht weiß, ob sein Schwanzwedeln Mitleid erregen oder von einem bevorstehenden Angriff künden soll.

27.11.2018

Wenn es so weitergeht, wird die Nachwelt die First Lady Melania wegen genau vier Dingen in Erinnerung behalten:

1. Ihre Weihnachtsdekoration im Weißen Haus im Jahr 2017.

2. Ihre Weihnachtsdekoration im Weißen Haus im Jahr 2018.

3. Ihre Weihnachtsdekoration im Weißen Haus im Jahr 2019.

4. Ihre Weihnachtsdekoration im Weißen Haus im Jahr 2020.

PS: Damit die Erinnerung ein bisschen Farbe bekommt und nicht so schnell verblasst: 2017 war die Deko in glänzendem Alt-Right-Weiß gehalten, während sie 2018 in tiefsattem Commie-Rot strahlt. Was 2019 und 2020 rauskommt, weiß ich nicht, sehe angesichts dessen, was ich gestern geschrieben habe, aber Schwarz.

28.11.2018

Aktueller Klimareport der USA. Bearbeitungsdauer: 4 Jahre. Beteiligt: 300 Klimaforscher aus 13 Bundesbehörden. Ergebnis: Der Klimawandel wird die USA jedes Jahr Milliarden kosten, wenn nicht endlich mehr dagegen getan wird. Reaktion von Trump: »Glaub ich nicht.« Begründung seiner Pressesprecherin: »Der Report basiert nicht auf Fakten. Es fehlt an Daten. Wir würden gern etwas mit mehr Daten sehen.«

Na schön, wie wäre es damit? Datensätze aus dem erklärten Lieblingsbuch des Präsidenten. Da glaubt er auf jeden Fall dran: »Entweiht liegt die Erde unter ihren Bewohnern, denn sie haben Gottes Gesetz übertreten, seine Ordnungen missachtet und den ewigen Bund ungültig gemacht. Darum hat der Fluch die Erde versehrt, und die Bewohner büßen für ihre Schuld. Sie schwinden dahin, von Glut verzehrt. Von den Menschen bleibt nur ein winziger Rest.« (Jesaja, 24,5)

 

29.11.2018

Donald Trump ist wütend. Mal wieder. Diesmal trifft es Rod Rosenstein, den stellvertretenden Justizminister der Vereinigten Staaten. Der hatte im Mai 2017 Robert Mueller zum Sonderermittler in der Russland-Affäre ernannt, nachdem sich Justizminister Sessions für befangen in der Sache erklärt hatte. Rosenstein war es auch, der im April diesen Jahres die Räume von Trumps Anwalt Michael Cohen durchsuchen ließ, um Beweise wegen Schweigegeldzahlungen sicherzustellen, mit denen Cohen Trumps ehemalige Affäre, die Pornodarstellerin Stormy Daniels, ruhiggestellt haben soll. Da Sessions inzwischen zurückgetreten (worden) ist und sein Stabschef Whitaker die Aufsicht über die Russlandermittlungen innehat, ist Rosenstein angreifbar geworden. Trump hat das gestern auch sofort genutzt und eine Fotomontage von Rosenstein auf seinem Twitter-Account veröffentlicht, die den Vizejustizminister hinter Gittern zeigt. Da auch ich mich ein wenig künstlerisch betätigen will, aber weder einen Twitter-Account noch Photoshop habe, habe ich ein kleines Gedicht geschrieben – mit Donalds wütendem lyrischen Ich in der Hauptrolle.

Die Schlüsselgewalt im Staate

Hochverrat von nied’ren Leuten,

in den Knast mit diesen Meuten,

Clinton, Mueller, Rosenstein,

sollen ins Gefängnis rein,

auch Obama, Clinton, John Podesta,

gehör’n für mich in den Arrest da,

zusammen soll’n sie ewig schmoren,

ich hab den Schlüssel, hab ihn schon verloren.

30.11.2018

Das US-Außenministerium hat gestern die Genehmigung für ein Waffengeschäft im Wert von 15 Milliarden Dollar mit den Saudis erteilt. Es geht um Raketen, Abschussrampen und Flugabwehrsysteme. Seitdem gibt es einen Sturm der Entrüstung. Donnie dagegen kann die Aufregung gar nicht verstehen. Die Saudis, überlegt er sich, haben diesen Catchschocki doch mit bloßen Händen umgebracht und ihn anschließend zersägt. Sägen hat er den Saudis aber gar keine verkauft, und Hände haben sie selber. Wozu also das ganze Geschrei? Er weiß es nicht. Er schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, dass der Scheitel erzittert, und denkt sich: »Ojemennee! Was ist Präsident-Sein doch für ein undankbarer Job …«

01.12.2018

Der frühere Präsident Georg Herbert Walker Bush ist gestern Abend im Alter von 94 Jahren gestorben. Er wird in den Medien vor allem für seine Verdienste um Amerika und sein Eintreten für die Deutsche Einheit gelobt. Zugleich aber wird er zum großen Trump-Kritiker aufgebauscht, der er nie war. Es ist wirklich ein Trauerspiel. Selbst in den Gedenkreden kommen sie an dem Gedankenlosen nicht vorbei.

02.12.2018

Alle reden vom Wetter. Ich nicht. Ich rede vom Wettrennen, und zwar demjenigen, das Donald Trumps Kabinettsmitglieder austragen. Es geht um die höchsten Einnahmen im Jahr 2017. Und hier sind die Gewinner:

1. Bildungsministerin Betsy DeVos: 59,4 Millionen Dollar,

2. Handelsminister Wilbur Ross: 47,0 Millionen Dollar,

3. Finanzminister Steven Mnuchin: 41,6 Millionen Dollar.

Das meiste Geld haben die drei mit dem Verkauf von Firmenanteilen gemacht, um Interessenskonflikte mit ihren Ministerämtern zu vermeiden. Das nennt man dann wohl die amerikanische Form des Kohleausstiegs.

03.12.2018

Donald Trump scheint von der Höhe des von ihm persönlich nach oben gejubelten Verteidigungshaushaltes überrascht. »Die Vereinigten Staaten geben dieses Jahr 716 Milliarden aus. Verrückt!«, schrieb er heute auf Twitter. Und nun? Was soll das heißen? Ist der Mann endlich zur Besinnung gekommen und will die Militärausgaben in Zukunft reduzieren? Oder hat ihm jemand erklärt, wie viel 716 Milliarden eigentlich sind? (»Hör mal, Donnie, das ist das Fünfeinhalbtausendfache deiner Schulden bei der Deutschen Bank!«) Oder hat er vergessen, dass er am 13. August den Verteidigungshaushalt eigenhändig unterschrieben hat? (»13. August? Ich dachte, da hab ich das Dekret über den Mauerbau unterzeichnet …«) Keiner weiß es, und die Spekulationen schießen ins Kraut wie die GIs ihre Kugeln dereinst in die Krauts.

04.12.2018

Heute vor einem Jahr hat Donald Trump ein Dekret erlassen, das die Flächen der Naturschutzgebiete Bears Ears und Grand Staircase Escalante in Utah um 50 % bzw. 85 % reduzieren soll. Seitdem konnten die Bürger in einem öffentlichen Verfahren Vorschläge oder Kritik anbringen und Einsprüche geltend machen. Die Frist dafür läuft nun aus. Die Pläne der Regierung stehen dagegen lange schon fest: Aus den Naturschutzgebieten sollen Naturschmutzgebiete werden. Schließlich will die Trump-Administration die »frei« gewordenen Flächen der Industrie zur Verfügung stellen, damit Bergbauunternehmen die unter dem Land liegenden Kohle- und Erzvorkommen ausbeuten können. Auch sollen Straßen gebaut, Jagdreviere geschaffen und der Tourismus angekurbelt werden.

Ob die Bürger diese Pläne unterstützen, wird sich zeigen, ebenso, wie mit Einsprüchen und Kritik umgegangen wird. Was mit den über eine Million Stellungnahmen zu den anderen 25 Nationalparks und -denkmälern geschehen ist, die von der Trump-Regierung in ihrer Fläche verkleinert oder ganz abgeschafft werden sollen, ist dagegen bereits bekannt. 99 % der abgegebenen Kommentare und Vorschläge richteten sich gegen die Pläne der Regierung. Sie wurden, wie Recherchen belegen, von den zuständigen Mitarbeitern im Innenministerium bei den weiteren Planungen komplett unberücksichtigt gelassen und größtenteils nicht mal gelesen.

05.12.2018

Wer mit grimmigem Gesicht am Weißen Haus vorbeilatscht (und nicht der Weihnachtsmann ist), hat in Zukunft ein Problem, denn pünktlich zum Fest haben die dortigen Überwachungskameras Software zur automatischen Gesichtserkennung spendiert bekommen. Bisher trotteten nur ein paar Agenten vom Secret Service mit Fotos durch die Gegend, die sie aufgrund von Beiträgen in sozialen Medien, Presseberichten oder durch Hinweise von »besorgten Bürgern« erhalten hatten. Aber damit ist es jetzt vorbei. Ab sofort wird per digitalem Datenbankabgleich nach denjenigen gesucht, die eine Gefahr für den Präsidenten darstellen könnten. Der Secret Service soll künftig vor allem dazu eingesetzt werden, die gefundenen Treffer abzugleichen, damit nicht doch der Weihnachtsmann eingebuchtet wird. Das ist auch bitter nötig, denn beim letzten Mal ist das mit der automatischen Gesichtserkennung ziemlich in die Hose gegangen. Die American Civil Liberties Union, eine NGO, die sich für die Bürgerrechte stark macht, hatte sich im Juli diesen Jahres Amazons sogenannte Rekognition-Software besorgt, zu Testzwecken sämtliche 535 Kongressabgeordnete damit erfasst und ihre Gesichter mit 25.000 Verbrecherfotos abgleichen lassen. Und obwohl keiner der Kongressabgeordneten auf den Verbrecherfotos zu sehen war, war sich das Gesichtserkennungsprogramm nach dem Datenabgleich sicher, 28 Übeltäter identifiziert zu haben. Ob »das System« da vielleicht mehr wusste, als es wissen durfte …

06.12.2018

Daten sind im Digitalzeitalter die Grundlage aller politischen Propaganda, sie sind der Rohstoff, aus dem man glaubt, Wahlsiege destillieren zu können. Dieser Ansicht sind auch die Demokraten, nur haben sie ein Problem: Ihre Wählerdaten sind quer übers ganze Land verstreut. Ein Teil dümpelt auf den Computern der demokratischen Parteibüros der einzelnen Bundesstaaten herum, ein anderer Teil wird von diversen Wahlwerbungskomitees für ihre Zwecke benutzt, und in der Parteizentrale in Washington liegen auch noch welche. Auf diese Weise aber, sagt die Parteispitze, könne man keine Wahlen gewinnen. Es brauche ein einheitliches System, eine große, gemeinsame Datenbank, betrieben von einem privaten Unternehmen. Zur Begründung heißt es, man könne für eine solche Firma frei von den Einschränkungen der Wahlfinanzierung unbegrenzt Gelder einwerben. Außerdem würde die Zusammenführung der Daten ganz neue Erkenntnisse und Einsichten liefern. Dadurch aber könnten die Wähler noch viel gezielter angesprochen werden. Und dann, ja dann müsste es doch mit dem Teufel (oder dem teuflischen Trump) zugehen, wenn die nächste Präsidentschaftswahl nicht gewonnen werden würde.

So weit die Theorie. Praktisch läuft es wie immer ganz anders, denn weder die lokalen Parteibüros noch die einzelnen Fundraising-Komitees verspüren irgendeine Lust, ihre Daten an die Parteizentrale zu geben, schon gar nicht, wenn eine private Firma sie kriegt. Dass sie sich zieren, ist nachvollziehbar. Ich würde die Daten auch nicht rausrücken, schon gar nicht, wenn der oberste Technikfuzzi bei den Demokraten, der die Sache mit der Datenbank vorgeschlagen hat, ein Nerd aus dem Silicon Valley ist, der Politik als Ingenieurwissenschaft der menschlichen Seele betrachtet, keinerlei Erfahrung mit Wahlkämpfen hat und mit Vornamen Raffi heißt.

07.12.2018

Weihnachtszeit. Wünsche werden wahr. Wahnwitz auch. Zur Erinnerung: Am 19.07.2018 hatte das Tagebuch gemeldet, dass Donald Trump die fachlich vollkommen unerfahrene Kathleen Kraninger für den Chefposten der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde nominiert habe. Gestern nun ist Kraninger mithilfe der geschlossen hinter ihr stehenden Republikaner mit 50 zu 49 Stimmen vom Senat gewählt worden. Sie wolle, so Kraninger in einem ersten Statement, die Politik des Übergangschefs Mick Mulvaney fortsetzen. Dieser hatte die Verbraucherschutzbehörde als überflüssig bezeichnet, ihr Budget drastisch zusammengestrichen, wichtige Beiräte aufgelöst, die Regulierung der Finanzbranche massiv zurückgefahren und die Höhe und Häufigkeit von Strafzahlungen bei Verbraucherbetrug deutlich verringert. Wenn Kraninger so weitermacht, wird die 2011 in Folge des Finanzcrashs ins Leben gerufene Behörde endgültig von den Beinen auf den Kopf gestellt. Das zeigt sich allein schon an den Zahlen. Unter der Regierung Barack Obamas brachte die Behörde mithilfe des Justizministeriums 71 Strafverfahren gegen betrügerische Finanzinstitute ins Rolle. Unter Donald Trump waren es im gleichen Zeitraum nur 17. Die Verbraucherschutzbehörde ist, so scheint es, eine verbrauchte Schutzbehörde.