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SELBST

HÄNDIG

TRAUMBERUF ILLUSTRATOR

EIN BUCH FÜR EINSTEIGER

stiebner


IMPRESSUM

Vollständige eBook-Ausgabe der im Stiebner Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-8307-1359-3).

Konzeption, Layout (der Printausgabe): Florian Bayer

Illustrationen und Text, wenn nicht anders vermerkt: Florian Bayer

www.florianbayer.com

Bild auf Seite 20/21 „See Inside Pirates“ mit freundlicher Genehmigung von Usborne Publishing, 83-85 Saffron Hill, London EC1N 8RT, UK. www.usborne.com Copyright © 2007 Usborne Publishing Ltd

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008, 2013 Stiebner Verlag GmbH, München, Florian Bayer

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.

Gesamtherstellung: Stiebner, München

www.stiebner.com

ISBN: 978-3-8307-1426-2

„I have said on a number of occasions over the last five years that illustration is the new typography and it’s only illustrators who don’t know it!“

Ian Noble

„Sie arbeiten selbst und ständig.“

Prof. Gertrud Nolte

INHALT

Resümee

JÖRG MÜHLE Bilderbuch

Studium ​Ateliergemeischaft ​Buchmesse ​Portfolio ​Mappe ​Kinderbuchmesse ​Akquise ​Arbeitsablauf ​Vergütung ​Sebstständigkeit

DAVID FOLDVARI Editorial, Werbung

Biographie ​Standortwahl ​Studium ​Repräsentanz ​Arbeitsablauf Editorial ​Zeichenstil ​Kunden

RINAH LANG Mode, Editorial

Zeichenstil ​Modestandorte ​Arbeitsablauf Modeindustrie ​Selbstständigkeit ​Ateliergemeinschaft ​Portfolio ​Akquise ​Vergütung ​Repräsentanz

MAWIL Comic

Der persönliche Ausdruck ​Verlage ​Vergütung ​Public Relations ​Akquise ​Ateliergemeinschaft

MARCUS FREY & TIM WEIFFENBACH Illustratoren Organisation

Gründung ​Aufgabenbereich ​Auftraggeber ​Nutzungsrecht ​Vergütung ​Wirtschaflichkeit ​Betriebsausgaben ​Steuern ​Künstlersozialkasse ​Versicherungen ​VG Bild-Kunst ​Verträge ​Allgemeine Geschäftsbedingungen ​Repräsentanten ​Selbstständigkeit ​Mehrwertsteuer ​Professioneller Umgang mit Kunden ​Netzwerke ​Auftragsablauf ​Rechnung ​Kalkulation ​Datenstruktur auf dem Rechner ​Zeitmanagement ​Illustration in der Wahrnehmung der Gesellschaft

LARS HENKEL Kunst, Kultur

Studium ​Künstlergemeinschaft ​Kompendien ​Zwischen Kunst und Illustration ​Stipendien ​Portfolio ​Arbeitsalltag

Resümee

Glossar und Register

Quellenangaben

Auf dem Weg in die Selbstständigkeit


„Das ist zu illustrativ“, sagt der Professor dem Kunststudenten. „Das ist zu illustrativ“, sagt der Professor dem Grafikdesignstudenten.

Illustration scheint zwischen zwei Polen zu stehen und nirgendwo richtig hinzupassen. Und gibt man „Illustrator“ in der Wikipedia ein, so liest man dort vor allem: „Illustration ist nicht mehr lukrativ.“

Manchmal hat mich das in meinem Kommunikationsdesign-Studium an der UdK Berlin und der FH Würzburg verunsichert; sogar soweit, dass ich genug hatte von der Illustration und lieber Filme machen wollte. Aber bislang bin ich immer wieder zum Zeichnen zurückgekehrt.

Dabei konzentrierte ich mich vor allem auf den Rahmen, den das Studium mir bot, und in meiner Freizeit auf den eher künstlerischen Umgang mit Illustration in Fanzines und Ausstellungen. Geld habe ich damit nie verdient und es hat mich auch nicht groß gestört, denn darum ging es nicht. Jetzt aber endet die Zeit im Schutzraum Studium.

Diesen Frühling zog ich in einen etwas heruntergekommenen, dafür aber mit charmanter Patina überzogenen Wohnblock aus den 1920ern mit einem riesigen Innenhof. Es ist ein Mikrokosmos der ganz besonderen Art: Bei höchster WG-Dichte versammeln sich hier Musiker, DJs, Alt-Hippies und vor allem Leute, die das gleiche studieren wie ich – Zeichner und Designer haben hier ihre Arbeitsplätze aufgeschlagen. Im Hof finden Konzerte statt und unter den Bäumen warten Wohnzimmermöbel auf den nächsten Grillabend. Wir wissen, dass der Sommer vor uns liegt. Aber viel mehr wissen wir nicht. Wie es mit uns weitergehen wird, ist den meisten nicht klar. So geht es immer um das gleiche Thema. Egal, ob bei den Kathrins auf ihrem Balkon:

„Wir wären schon viel weiter, wenn wir wüssten, wie wir uns nennen wollen.“ „Dass ihr beide Kathrin heißt, ist doch super, da lässt sich doch sicher was mit machen.“ „Synchronschwimmer finden wir ja ganz gut, aber das hat nichts mit Design zu tun.“ „Ich find’s super. Das schließt auch niemanden aus, wenn noch jemand zu euch stößt.“ „Aber was mit’m Nachnamen wär auch toll ...“

... oder mit Andreas unten im Hof: „Ich muss noch nen Text über mich schreiben, der bei dieser Ausstellung am Wochenende aushängt. Würdest du den eher in der Ich-Form schreiben, oder in der dritten Person?“


Wir können alle zeichnen und gestalten, aber wir ahnen, dass da noch etwas dazu kommen muss, um aus unserem Innenhof und aus dem Studium herauszutreten. Wir befinden uns mal wieder am Anfang. Wo geht es hin? Und wie?

Die Bereiche, in denen wir als Illustrator tätig werden können sind so unterschiedlich. Was macht man in den verschiedenen Jobs? Wie bekommt man die ersten Aufträge? Festanstellung oder Freelancer, von beidem hat man nur unscharfe Vorstellungen. Wie geht das mit der Künstlersozialkasse? Kann man sich fördern lassen? Wie viel Unternehmer muss in einem Illustrator stecken?

Ich glaube, wir wissen einfach zu wenig. Wir fällen Entscheidungen auf Vermutungen und die vielleicht beste Perspektive kennen wir noch nicht. Auf dem Weg in die Selbstständigkeit braucht man Mut und den bekommt man auch durch Geschichten, durch Beispiele. Alle möglichen Wege sind doch schon so viele vor uns gegangen. Sollen die uns doch einfach erklären, wie das alles läuft.

Man muss sie nur fragen.

www.laborproben.de

JÖRG MÜHLE BILDERBUCH

Nahe dem Frankfurter Südbahnhof durchlaufe ich zwei Hinterhöfe und stehe vor einem geduckten Zweckbau. „Main Klischee“, lese ich groß auf seiner Fassade. Hier im vierten Stock befindet sich das „Labor“, eine Ateliergemeinschaft bestehend aus neun Illustratoren und Grafikern. Jörg Mühle öffnet mir die Tür und ich trete ein in das ästhetische Chaos einer Kreativwerkstatt, die den Charme einer WG beibehalten hat. Jörg Mühle ist seit sechs Jahren mit dabei. Sein Schreibtisch quillt über vor Pinguinen und Piraten, denn er arbeitet vor allem im Kinder- und Jugendbuchbereich.


Kann ich dir etwas anbieten? Einen Kaffee, oder Wasser?

Am liebsten beides.

Kein Problem, gerne. Währenddessen kannst du mich schon mal mit Fragen löchern …


AN DER ARCHE UM ACHT Jörg Mühle, 2007 Sauerländer

Dann beginnen wir mal ganz vorne: Stand für dich schon immer fest, dass du Illustrator werden wirst, oder gab es da auch Überlegungen in eine andere Richtung?

Als Comic-Fan, der kein Comic-Zeichner werden wollte, habe ich mich relativ pubertär für ein Design-Studium an der HfG Offenbach beworben. Dort habe ich, obwohl ich schon immer sehr viel gezeichnet habe, vor allem Grafikdesign studiert. Manchmal ist alles so personenabhängig, ich kam leider lange nicht so gut mit meinem Illustrations-Professor zurecht. Aber ich habe recht erfolgreich studiert, bis ich mir vor dem Diplom plötzlich die Frage stellte, ob Grafikdesign wirklich das ist, was ich machen will. Es machte mir nicht richtig Spaß und ich hatte auch keine richtige Vision dafür. Ich wollte lieber zeichnen, das ist das was mich glücklich macht. Aber so genau konnte ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen, stattdessen fragte ich mich ständig: Welche Richtung? Welcher Professor? Das war sicher auch ein Selbstbewusstseinsproblem.

Das wuchs zu einer großen Sinnkrise an und ich wollte kurz vor dem Diplom mein ganzes Studium hinschmeißen.

Keine leichte Entscheidung. Ich kann das ein bisschen nachfühlen. Bis ich bei meinem Illustrationsdiplom gelandet bin, musste ich mich auch erst einmal durch solch eine Sinnkrise durcharbeiten.

Zum Glück hab ich’s nicht hingeschmissen und bin stattdessen für ein Jahr nach Paris. An der „Ecole Nationale Superieure des Arts Decoratifs“ belegte ich ausschließlich Illustrationskurse. Ich kannte niemanden und hatte sehr viel Zeit für mich. So konnte ich mich – eigentlich zum ersten Mal in meinem Studium – richtig auf’s Zeichnen einlassen und spürte, welche Leidenschaft und Glücksgefühle das bei mir auslöst. So ist Frankreich zu einer meiner tiefsten Erfahrungen in meinem Leben geworden. Ich habe die Sprache gelernt, bin durch die Straßen gelaufen, habe Menschen getroffen … und mich dabei entschieden, mein Diplom in Illustration zu machen und mein Ding durchzuziehen.

Nach dem Diplom hatte ich mir ein Jahr Zeit gegeben, es als Illustrator zu probieren und damit durchzukommen. Die Bedingungen dafür waren gut, ich konnte mietfrei wohnen und hatte mir einiges angespart.

„Wenn ich mein Ziel nicht erreichen sollte, werde ich eben Grafikdesigner“, dachte ich mir. Aber das wäre für mich eine reine Sicherheitslösung gewesen, emotional gleichbedeutend zu Taxi fahren.

Wir sitzen hier im „Labor“, einer Ateliergemeinschaft, die hauptsächlich aus Kinderbuchillustratoren besteht. Ihr nennt euch „Laboranten“ und präsentiert euch auf einer gemeinsamen Internetseite. Hast du das Labor mitgegründet, oder bist du erst nach deinem Diplom dazugestoßen?

Das Labor gab es schon; und während ich an meinem Diplom zeichnete, hörte ich, dass dort ein Platz frei wird.


Während des Diploms hatte ich sehr viel Zeit allein am Zeichentisch verbracht und das auch sehr genossen. Gleichzeitig habe ich gespürt, dass das nicht gut für mich ist. Ich merkte, wie ich immer introvertierter wurde und habe mir quasi eine Selbsttherapie verordnet. Ich wollte beim Arbeiten wieder unter Menschen kommen und bewarb mich beim Labor, ohne dort jemanden zu kennen.

Es war sehr hilfreich, gleich hier anzufangen. Ich kannte eigentlich keine Illustratoren und hier im Labor gab es gleich mehrere, die Erfahrung hatten. Ich wollte unbedingt wissen, wie’s losgeht. Ich hatte ja keinen Schimmer. Zunächst hatte ich etwas Angst vor der direkten Konkurrenzsituation. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, wenn die anderen beschäftigt sind und ich nur herumsitze. Oder ob untereinander Neid ausbricht. Aber die Angst vor der Konkurrenz legte sich schnell und den Erfolg der anderen empfinde ich als Ansporn. Wir haben jetzt eine Konstellation, die sehr gut ist. Vertrauen untereinander zu fassen, ist in einer Ateliergemeinschaft, wie wir sie hier haben, sehr wichtig. Dadurch kamen viele Jobs am Anfang zustande. Die anderen haben mir super geholfen. Alle verschaffen sich gegenseitig Jobs und machen Werbung füreinander. Wenn ein Kunde einen aus dem Labor kennt, kennt er alle. Die gemeinsame Webseite macht das Labor zu einer richtigen Institution. Und das hat einen irren Synergieeffekt. Man wird als Gruppe wahrgenommen, das finden die Leute cool. Wir haben mal überlegt uns an einem Logo und Briefpapier zu versuchen, aber bis auf die Webseite haben wir alles verworfen. Das Ding hier hat eine relativ ungeplante Eigendynamik. Es gibt dafür keine juristische Form, es ist eher so was wie eine Wohngemeinschaft.

Jedes Jahr zur Buchmesse machen wir alle zusammen eine Ausstellung hier in unseren Räumen, die so genannten „Laborproben“. Wir präsentieren unsere neuen Bilder und Arbeiten, die über das Jahr hinweg entstanden sind und alle Laboranten laden ihre Kunden dazu ein.

DIE FRANKFURTER BUCHMESSE, 1949 gegründet, findet jedes Jahr im Oktober auf dem Messegelände in Frankfurt am Main statt. Sie dauert fünf Tage und ist mit über 7.000 Ausstellern und mehr als 280.000 Besuchern die größte und bedeutendste Buchmesse der Welt. Sie dient als Fachmesse in erster Linie Verlegern, Agenten, Buchhändlern, Illustratoren, Verbänden und Künstlern zur Vorstellung ihres Angebots und dem Abschluss von Geschäften.

Ist es für dich als Buchillustrator von Vorteil in Frankfurt zu sein, der Stadt der BUCHMESSE?

Die Standortfrage ist sehr interessant, ich hab mir darüber schon viele Gedanken gemacht. Eigentlich sehe ich meine Kunden nicht, aber ich bin der Meinung, dass es eine Rolle spielt, dass ich hier in Frankfurt bin. Durch die Buchmesse trifft unsere Ausstellung genau den Personenkreis, den wir ansprechen wollen und kommt dort sehr gut an. Wenn man als Zeichner etabliert ist, kann man in die Pampa ziehen, aber am Anfang bezieht man seine Kunden und die Kontakte zu Kunden aus der Region. Daher entsteht in der Pampa ein sicher nicht so interessantes Portfolio wie hier, da es sich aus provinzielleren Aufträgen zusammensetzt. Aber ich weiß es nicht genau.

Ist am Anfang vor allem wichtig, wie sich das Portfolio entwickelt?

Aus deiner Mappe ergeben sich die nächsten Jobs. Da muss man Entscheidungen treffen, die nicht immer leicht sind. Als ich hier rumsaß, endlich was arbeiten wollte und dringend Geld brauchte, war mein erstes Jobangebot die Anfrage des POM-BÄR-Zeichners, der einen Assistenten zum Kolorieren suchte. Ich wollte eigentlich zusagen, aber da war es gut, meine Kollegen im Labor um mich herum zu haben, die mich warnten: Du musst dein eigenes Zeug machen. Das, was du wirklich willst. Denn ein Auftrag wie für „Pom-Bär“ birgt zwei Gefahren: Erstens passiert es schnell, dass man aus Bequemlichkeit und Sicherheitsdenken nicht mehr aus der Sache herauskommt – der Bedarf an vielen „Pom-Bären“ war da. Und Zweitens hast du eine Mappe, voll mit diesen Bären. Da ist es klar, dass du nur noch Jobs in dem Sektor bekommen wirst. Ich hab den Auftrag abgelehnt.

DER POM-BÄR ist ein in Bärenform hergestellter Kartoffelchip und wird von Wolf Bergstrasse produziert.

Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren.

Dein Stil – und damit verbunden auch dein Portfolio – ergibt sich anfangs aus deinem Studium. Ich hätte auch gerne mal andere Sachen gemacht … Aber Kinderbücher, Drachen, Häschen, das ist das, was mir gefällt. Das muss man selber an sich feststellen. Die Kunst besteht darin, sich zu positionieren: Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren. Um den passenden zu finden, muss man sich genau fragen: Wo passe ich hin? Was mache ich gerne? Und dafür muss man den Markt genau beobachten und sich überlegen, wo man sich gerne sehen würde.

Und das ist besser, als bei allen Verlagen sein Glück zu versuchen?

Als ich das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse war, hatte ich meine Mappe prallvoll gefüllt mit allem was ich gezeichnet hatte und habe damit alle Verlage abgeklappert. Ich habe brutale Abfuhren erhalten. Und das ist etwas, was man bei der Sache nicht unterschätzen darf: Abfuhren beinhalten ein wahnsinniges Frustpotential. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen.

Beim nächsten Mal habe ich es genau andersherum gemacht, die Verlage genau ausgesucht und die Mappe für jeden Verlag individuell zusammengestellt. Das kam viel besser an.

Das Zusammenstellen einer Mappe ist alles andere als leicht.

Es ist gut, seine Mappe mal Leuten zu zeigen, deren Meinung man schätzt. Der Blick von außen kann viel helfen. Und es interessiert tatsächlich niemanden, ob du Aktzeichnungen in deiner Mappe hast. Man sollte auch kein komplettes Buch in seiner Mappe haben. Vielleicht so fünf Seiten davon. Ich hatte mein Diplombuch dabei, das schied sofort aus, da es 35 Seiten hatte und deswegen nicht verlegt werden könne. Das sind so ganz komische Kriterien. Denn darum ging es mir ja gar nicht, es sollte eine Arbeitsprobe sein. Aber als das wird es gar nicht wahrgenommen, sondern es wurde nur auf seine Verlegbarkeit hin abgeklopft. Da passt dann das Cover nicht ins Programm und der Text gefällt ihnen nicht. Obwohl das alles ja nie für diesen Verlag gedacht war. Verleger sind – wie Illustratoren – ein schwieriges Völkchen. Aber man kann Schwierigkeiten umgehen, indem man eben nur auszugsweise Bilder zeigt, den Text dazu weglässt und das ganze als ein nicht fertiges Projekt deklariert. Dann sehen sie es wieder als Arbeitsprobe. Man merkt daran schon, dass man sich den Verlag genau aussuchen muss. Die können oft nicht von einem Inhalt abstrahieren, der nicht ihrer ist. Das stellt für sie gleich ein Risiko dar.

SEE INSIDE: PIRATE SHIPS Jörg Mühle, 2007 Usborne


Wie sieht deine Mappe aus?

Ich benutze einen Hefter mit Klarsichthüllen. Da passen vierzig Seiten rein, von denen ich aber nur die Hälfte zeige. Daher ist der Hefter gut, ich kann auf der Messe ständig umordnen. Meine Bilder bringe ich ins Format und drucke sie alle in DIN-A4 aus.

Eine Mappe in DIN-A4 ist recht klein?

Ja, aber auf Messen ist sie mein Favorit. Dort sieht man andere mit riesengroßen Mappen herum laufen, aber ich erlebe die Messesituation als stressig und daher ist so eine kleine Mappe sexy und cooler. Das hat so etwas Beiläufiges und man kann mit ihr besser um einen Stand herumschleichen und die richtige Situation abpassen. Das hängt eng mit dem Auftreten auf Messen zusammen. Man sieht da so viele verzweifelte Gestalten, mit viel zu viel Material, die nicht aufhören können ihre Sachen zu zeigen – ich glaube, es ist besser, eher cool, erfolgreich und ein wenig desinteressiert zu wirken. Es hilft doch auch dem Selbstwertgefühl, wie ein Profi zu wirken und sich nicht zu prostituieren.

Man sollte am Anfang einer Messe den Verleger aufsuchen, dem man seine Mappe zeigen will. Am besten ist es, einen Termin zu vereinbaren. Für Verleger ist das ja auch schwierig, die sehen den ganzen Tag lang sehr viel Mist und müssen die ganze Zeit über höflich bleiben. Moni Port und Philip Wächter, zwei meiner Kollegen hier im Labor, haben mir in meinem ersten Jahr sehr damit geholfen, dass sie den Gelberg-Verlag auf mich vorbereitet hatten. Da waren sicher fünfzig Mappen so gut wie meine, aber von mir wusste Barbara Gelberg, dass ich komme, dass ich Moni und Philip kenne und hat vielleicht dadurch meine Mappe eine Minute länger angeschaut als die anderen. So habe ich einen meiner ersten Jobs bekommen.

Der Markt funktioniert nicht rational, sondern persönlich. Daher muss man immer rührig sein und ständig Präsenz zeigen: auf Messen, bei Illustratorentreffen und so weiter.

Die KINDERBUCHMESSE IN BOLOGNA ist zum Beispiel auch sehr wichtig. Dort hast du Verlage aus allen Ländern und so konnte ich, als es dort mit den deutschen Verlagen nicht geklappt hat, den Franzosen meine Mappe zeigen. Dort stach ich plötzlich heraus, als Deutscher, der französisch spricht. Stilistisch bin ich Frankreich auch sehr nahe und so wurde ich für die interessant. Die deutschen Verlage wollen oft nicht die ersten sein, die etwas von einem Unbekannten veröffentlichen – in Frankreich ist es genau umgekehrt. Seitdem arbeite ich sehr viel mit französischen Verlagen zusammen.

DIE INTERNATIONALE KINDERBUCHMESSE BOLOGNA, die weltweit einzige internationale Kinder- und Jugendbuchmesse findet alljährlich im April in Bologna (Italien) statt. Dort treffen sich Autoren, Illustratoren, Literaturagenten, Film- und Fernsehproduzenten, Verleger und Buchhändler, um Übersetzungsrechte zu kaufen, Lizenzverträge abzuschließen und neue Talente zu entdecken. 1.300 Aussteller aus 66 Ländern treffen dort auf fast 5.000 Fachbesucher.

Illustratoren haben die Möglichkeit kostenlos auf die Messe zu kommen, wenn sie bis Ende Oktober fünf Illustrationen aus den letzten zwei Jahren einreichen. Diese müssen nicht veröffentlicht worden sein. Wenn man Glück hat, wird man von der Jury für die Illustratoren Ausstellung auf der Messe ausgesucht.

Ein zentraler Punkt auf der Messe ist das „Literary Café“, in dem Vorträge gehalten werden, man Künstler treffen kann und auf Talentsucher stößt.

Was hast du in der Anfangsphase neben Messen zu besuchen noch gemacht?

Ich hatte gehört, dass es ganz interessant sein könnte, für Schulbuchverlage zu arbeiten. Ich konnte mir das gut vorstellen und wollte das gerne machen. In meiner Mappe hatte ich aber nichts, was in Schulbüchern so auftauchen könnte.

Also habe ich spezielle Arbeitsproben gezeichnet, die sich mit dem Umfeld Schule beschäftigt haben, wie zum Beispiel Klassenräume, Kinder an der Tafel, A wie Ameise, B wie Ball, und so weiter. Die Bilder schickte ich an einige Schulbuchverlage und die Resonanz war sehr positiv.


UN FANTOME DANS DE BEAUX DRAPS Jörg Mühle, 2004 Auzug aus dem Magazin „Moi je lis“ Milan presse

Wenn du heute mit einem Verlag zusammenarbeitest, hat sich in deinem Arbeitsablauf zu früher etwas geändert?

Nein, der Ablauf bleibt immer der gleiche, aber der Stress lässt nach. Ich war am Anfang von der ganzen Grundstimmung her ungeheuer gestresst. Das BRIEFING ist meistens sehr zurückhaltend. Man hat nur den zu illustrierenden Text und viel Freiheit. Wobei das mit der Freiheit nicht ganz stimmt. Ich weiß ja meistens, was die von mir erwarten. Manchmal ist es aber wiederum übergenau: auf einem Buchcover für zwölfjährige Mädchen muss die Titelheldin unbedingt wie vierzehn aussehen, damit sie das cool finden. Nach dem Briefing kommen die Skizzen und eine Präsentation in schwarz-weiß, danach die Absegnung und daraufhin die Reinzeichnung. Grobe Skizzen werden aber leider oft missverstanden. Wenn zum Beispiel manchmal ein paar Striche mehr als nötig zu sehen sind, heißt es schnell: „Die guckt ja so grimmig!“ Dabei ist das ja eigentlich völlig irrelevant; die können nicht unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Deswegen fertige ich inzwischen sehr konkrete Skizzen an. Das sind fast schon Reinzeichnungen.

BRIEFING ist die Information über alle erforderlichen Sachverhalte, die ein Illustrator oder eine Werbeagentur benötigt, um ein Angebot abgeben oder einen Auftrag ausführen zu können. Das Briefing beschreibt die Aufgabenstellung und enthält Informationen über Ziele, Zielgruppen, Konkurrenz, Wettbewerbsvorteile und Entwicklungen.

In Frankreich gibt es neben dem Lektor immer auch einen Artdirector. Der versteht auch die technischen Abläufe und dadurch ist mehr Kompetenz bei den Korrekturen vorhanden. In Deutschland fehlt der Artdirector, dort läuft alles über den Lektor, das ist manchmal schwierig.

Sind Korrekturen finanziell und zeitlich schwierig zu organisieren?

Buchverlage haben generell nicht so brutale Deadlines wie Zeitschriftenverlage. Aber für Magazine arbeite ich auch, und auch da will ich ja schon, dass der Kunde zufrieden ist. Dann setz ich mich auch mal ne Nacht hin. Finanziell laufen Korrekturen bei mir über eine Mischkalkulation.

Zum einen wechseln sich schnelle Aufträge mit langwierigen Aufträgen ab, die durch viele Korrekturen durch müssen, und zum anderen habe ich verschiedene Kunden: Bilderbuchverlage zahlen schlecht, Magazine besser.

Der Hochschulanzeiger für die Frankfurter Allgemeine ist sehr dankbar, der sichert mir ein festes Einkommen. Einmal im Jahr mache ich Werbung, die haben den besten Tagessatz, so um die 500 Euro. Im Editorialbereich bekommt man für kleine Illustrationen etwa 200 Euro, wenn es aufwendiger wird bis zu 400 Euro. Ich mach sehr viel kleine Jobs und achte darauf, dass ich keinen Leerlauf hab, so bekomme ich 3.000 bis 3.500 Euro im Monat, viel mehr geht auch nicht.

Machst du bei PITCHES mit?

Nein, das mach ich nicht mehr. Das ist so undankbar, das habe ich nur am Anfang gemacht und mir gedacht, das ist immerhin für die Mappe gut.

Es gibt viele unernste Pitches, man sollte wenigstens ein Ausfallhonorar verlangen. Manchmal weiß man nicht einmal, dass es sich bei der Anfrage um einen Pitch handelt, das ist dann bitter.

PITCH bezeichnet die Wettbewerbspräsentation, mit der eine Werbeagentur oder ein Illustrator im Kampf um einen Etat, Klienten oder Auftrag seine Konzepte beim potenziellen Kunden vorstellt.

Wie hast du den Schritt in die Selbstständigkeit erlebt?

Ich hab die Anfangszeit als sehr großen Stress empfunden. Ab wann hat man zum Beispiel keine Angst mehr, in den Urlaub zu fahren? Das traut man sich erst, wenn man sichere Kunden hat. Mit der Selbstständigkeit umzugehen, hat viel mit Disziplin zu tun. Und immer Disziplin zu bewahren fällt schwer. Vor allem das Anfangen einer Aufgabe ist so schwierig, da niemand einen dazu zwingt. Da geht so viel Zeit für Rumhängen und Zocken drauf. Eine andere Schwierigkeit ist der Ehrgeiz. Das Projekt muss mir unbedingt gefallen und ich muss durch jedes neue Projekt immer besser werden. Damit mache ich es mir auch schwer.

Es ist schon dunkel, als ich wieder auf die Straße trete. Ich fühle mich meinem Beruf schon einen ganzen Schritt näher. Diese Mischung aus Innenleben und Reflexion auf bestimmte Vorgänge im Berufsalltag haben mir ein klares Bild gezeichnet von dem, was mich vielleicht bald erwartet. Nicht alles scheint leicht zu werden, aber in Verbindung mit den fröhlichen Bildchen, die Jörg Mühles Arbeitstisch bedecken und seiner entspannten Art, habe ich das Gefühl, dass das alles zu bewältigen sein wird.


JIM LE COW-BOY ET COCHISE L’INDIEN Jörg Mühle, 2003 Editions Nathan

77,20 zł

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Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
155 str. 60 ilustracje
ISBN:
9783830714262
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
Tekst
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