Sprachenlernen und Kognition

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Z serii: Kompendium DaF/DaZ #1
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2.1.2 Wie funktioniert die Metaphorisierung?

Ursprünglich haben Lakoff & Johnson (1980) in ihrer konzeptuellen Metapherntheorie zwischen dem linguistischen Ausdruck der Metapher und der zugrunde liegenden konzeptuellen Metapher unterschieden: Während eine konzeptuelle Metapher das kognitive Mapping zwischen zwei konzeptuellen Domänen darstellt, bezieht sich die linguistische Metapher auf die konkrete Realisierung der konzeptuellen Metapher. So werden konzeptuelle Metaphern in der Regel nicht verbalisiert und sind daher nicht sichtbar, stellen jedoch das konzeptuelle Grundgerüst für die Erschließung der linguistischen Metaphern dar. Den folgenden zwei linguistischen Metaphern liegt beispielsweise die konzeptuelle Metapher EINE DISKUSSION IST EIN KRIEG zugrunde, auch wenn sie nicht explizit genannt wird.


(1)Die Parlamentarier griffen die Kanzlerin wegen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei an, aber sie konnte sich gut verteidigen.

Wie Sie bestimmt schon gemerkt haben, sind nicht alle konzeptuellen Metaphern gleich. Manchmal werden körperliche Erfahrungen wie die Vertikalität verwendet und manchmal Konzepte wie der Krieg oder das Eintauchen ins Wasser (vergleiche Littlemore & Low 2006a). Lassen sich die Metaphern also nach bestimmten Kriterien klassifizieren? Die konzeptuelle Metapherntheorie von Lakoff & Johnson (1980) unterscheidet grundsätzlich drei Hauptarten von Metaphern: Strukturmetaphern, Orientierungsmetaphern und ontologische Metaphern. Strukturmetaphern bezeichnen das Mapping zwischen zwei spezifischen Konzepten, wie zum Beispiel DIE LIEBE IST EINE REISE. Daraus lassen sich linguistische Metaphern ableiten wie unsere Beziehung führt zu nichts oder wir wollen einen gemeinsamen Weg gehen. Im Gegensatz dazu verwenden die Orientierungsmetaphern sogenannte Bildschemata, die sich aus körperlichen Erfahrungen mit der Umwelt ableiten lassen, wie zum Beispiel Bewegung, Kraft, Vertikalität etc. Ausdrücke wie wir kommen gut voran oder die Zinsen steigen unaufhörlich verwenden solche Bildschemata als konzeptuelle Basis. Schließlich werden abstrakte Konzepte in sogenannten ontologischen Metaphern als Objekte oder Behälter konzeptualisiert. So setzen im Deutschen Ausdrücke wie zum Beispiel eine Idee haben/geben/klauen die konzeptuelle Metapher EINE IDEE IST EIN OBJEKT voraus. Auch Menschen können in ihrer Rolle als Emotionsempfänger als eine Art Behälter profiliert werden, wie zum Beispiel in den Sätzen er verliebt sich in ihre Kollegin oder der neue Trainer hat sein volles Vertrauen in die Mannschaft gesetzt. Obwohl die Klassifizierung nach diesen drei Hauptarten sehr plausibel erscheint, darf keine starre Trennung angenommen werden, denn oft werden mehrere Metaphern im selben Satz miteinander kombiniert (vergleiche Littlemore & Low 2006a; Drewer 2003: 7). Nehmen wir den folgenden Satz als Beispiel: Er stellte immer wieder ihre Wünsche in den Vordergrund. In diesem Fall liegt einerseits die Orientierungsmetapher VORNE IST WICHTIG vor und andererseits die ontologische Metapher WÜNSCHE SIND OBJEKTE.

Ein weiterer Kritikpunkt gegen die konzeptuelle Metapherntheorie betrifft die metaphorische Übertragungsrichtung (vergleiche Unidirectionality Hypothesis, Jäkel 2003). Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass die Metaphern stets durch ein Mapping von einer Quellendomäne auf eine Zieldomäne entstehen. Einige alternative Ansätze wie die conceptual blending theory (vergleiche Fauconnier & Turner 2002) haben jedoch gezeigt, dass das Mapping durchaus bidirektional ist und zum Teil einen neuen konzeptuellen Inhalt schaffen kann, der weder in der Quellen- noch in der Zieldomäne enthalten ist. Der Prozess des Blending ist vor allem im Bereich der Wortkomposition sehr produktiv, wie zum Beispiel beim Wort Brunch, welches durch das Blending der Konzepte Lunch und Breakfast entstanden ist (vergleiche Radden 2008). In diesem Fall entsteht durch das Blending ein weiterer mentaler Raum, der Eigenschaften besitzt, die weder im Konzept Breakfast noch im Konzept Lunch enthalten sind, wie zum Beispiel die Uhrzeit oder der Ausnahmecharakter der Mahlzeit. Außerdem wurde das von Lakoff & Johnson (1980) verwendete Korpus als relativ begrenzt beschrieben, da die Belege nicht den reellen Gebrauch von Metaphern im Diskurs widerspiegeln. Weiterhin sind die Methode zur Analyse der Metaphern sowie die Analysen selbst als recht intuitiv charakterisiert worden, da die Belege gezielt zur Begründung der ad hoc geschaffenen Kategorien ausgewählt werden (vergleiche Kövecses 2015, Gibbs & Ferreira 2011). Schließlich erklärt die konzeptuelle Metapherntheorie nicht, wie eigentlich Metaphern unter verschiedenen Bedingungen verarbeitet werden, vor allem die innovativen Metaphern (Bowdle & Gentner 2005).

Andere kognitionslinguistische Ansätze wie die kognitive Grammatik (Langacker 2008b) oder die kognitive Semantik (Talmy 2000) haben ebenfalls die Metaphorisierung verwendet, um die konzeptuelle Motiviertheit der Grammatik zu erklären. So wurden zum Beispiel die kausalen Konnektoren und die Modalverben anhand von Kraft und Dynamik (Talmy 2000; Sweetser 1990) und die transitiven Szenen durch das Konzept der Energieübertragung beschrieben (Langacker 2004). Anhand dieser sogenannten Bildschemata lässt sich die eher abstrakte und oft undurchsichtige Bedeutung der Grammatik als eine konzeptuelle Struktur beschreiben, anhand derer sich der konzeptuelle Inhalt der lexikalischen Einheiten organisieren lässt. Was diese Bildschemata genau sind und wie sie in den Metaphern verwendet werden, soll im nächsten Abschnitt besprochen werden.

2.1.3 Die Verwendung von Bildschemata in der Sprache

Der Begriff der Bildschemata geht auf Johnson (1987) zurück, der sie als rekurrente, immer wieder vorkommende sensorische Muster optischer, auditiver, haptischer, motorischer oder olfaktorischer Natur beschreibt, die wir in unseren körperlichen Interaktionen mit der Umwelt erkennen und in schematischer Form speichern (vergleiche auch Evans & Green 2006). Aus der körperlichen Bewegung, der Manipulation von Objekten, der Wahrnehmung von Druck und externen Kräften etc. leiten wir Bildschemata ab, die uns dann als eine Art Vorlage zur Strukturierung konzeptueller Inhalte zur Verfügung stehen (vergleiche Grady 2005). Einige Beispiele für Bildschemata sind: URSPRUNG-WEG-ZIEL, TEIL-GANZES, BEHÄLTER, OBJEKT, DRUCK, KRAFT etc. (vergleiche Johnson 1987; Oakley 2007; siehe Tabelle 2.1). Da diese Bildschemata ihren Ursprung in den sensorischen Erfahrungen haben, behalten sie auch die entsprechenden modalitätsspezifischen Informationen und können durch Prozesse des bildlichen Denkens, wie beispielsweise die mentale Simulation, als sensorische Repräsentationen abgerufen werden (vergleiche Johnson 2005: 20). So beobachteten Wilson & Gibbs (2007), dass das Verständnis von Metaphern wie to push an argument erleichtert werden konnte, wenn sich die Probanden zuvor die physische Handlung des Drückens mental vorstellten oder selbst ausführten. Ein solcher Priming-Effekt wurde jedoch nicht beobachtet, wenn die Probanden eine nicht relevante Handlung ausführten, wie zum Beispiel einen Kaugummi kauen. Auch Gentner (2001; vergleiche auch Gentner, Imai & Boroditsky 2002) untersuchte die Verwendung von Zeitmetaphern und stellte fest, dass der Ausdruck von Zeitkonzepten in unterschiedlichen metaphorischen Systemen mit Einbußen in der Reaktionszeit einhergehen kann. Beim Ausdruck von Zeitkonzepten, die auf dasselbe metaphorische System zurückgreifen, verschwinden derartige negative Auswirkungen. All diese Experimente zeigen, inwiefern die Konzepte der Quellendomäne den Ausdruck abstrakter Konzepte beeinflussen.


RAUMOBEN-UNTEN; VORNE-HINTEN; LINKS-RECHTS; NAH-ENTFERNT; ZENTRUM-PERIPHERIE; KONTAKT; GERADE; VERTIKALITÄT
BEHÄLTNISBEHÄLTER; DRAUSSEN-DRINNEN; OBERFLÄCHE; VOLL-LEER; INHALT
BEWEGUNGIMPULS/EIGENDYNAMIK; URSPRUNG-WEG-ZIEL
GLEICHGEWICHTACHSEN-GLEICHGEWICHT; WAAGE-GLEICHGEWICHT; GLEICHGEWICHTSPUNKT; EQUILIBRIUM
KRAFTDRUCK; BLOCKIERUNG; GEGENKRAFT; ABLEITUNG; ENTFERNUNG VON; ANZIEHUNG; WIDERSTAND
UNITÄT; MULTIPLIZITÄTFUSIONIERUNG; SAMMLUNG; TRENNUNG; WIEDERHOLUNG; TEIL-GANZES; ZÄHLBAR-UNZÄHLBAR, VERBINDUNG
IDENTITÄTANPASSUNG; ÜBERLAGERUNG
EXISTENZENTFERNUNG; BEGRENZTER RAUM; ZYKLUS; OBJEKT; PROZESS

Tabelle 2.1:

Basic Domains und Schemata nach Evans & Green (2006: 190)

Wie lassen sich aber die Bildschemata genauer charakterisieren? Nach Oakley (2007, vergleiche auch Evans & Green 2006) haben die Bildschemata folgende Merkmale: Erstens weisen Bildschemata oft eine komplexe innere Struktur auf, so dass sie auch in gewisser Weise Transformationen zulassen. Das Bildschema URSPRUNG-WEG-ZIEL kann aus pragmatischen Gründen durch eine Fokussierung auf den Ursprung oder das Ziel so transformiert werden, dass nur einzelne Teile davon evoziert werden (path-focus versus endpoint-focus nach Johnson 1987). So geben wir bei Sätzen wie ich gehe jetzt in den Unterricht nicht immer an, wo wir gerade herkommen, weil der Ursprung entweder bereits bekannt oder einfach irrelevant ist. Zweitens werden Bildschemata zwar aus konkreten sensorischen Erfahrungen abgeleitet, können jedoch in unterschiedlichen Modalitäten verarbeitet werden (vergleiche Evans & Green 2006: 186). Das Bildschema BLOCKIERUNG kann sowohl visuell (zum Beispiel durch Beobachtung einer verhinderten Bewegung von Objekten durch Ausübung einer Gegenkraft) als auch haptisch beziehungsweise motorisch (zum Beispiel durch Spüren einer Gegenkraft durch ein Objekt oder eine Person, die die eigene Fortbewegung verhindert) motiviert sein. Drittens lassen sich die verschiedenen Bildschemata nach Evans & Green (2006: 187ff) in Clustern gruppieren, die auf bestimmte Grunddomänen unserer Erfahrungen zurückzuführen sind. Demnach haben alle Bildschemata der Gruppe einige Eigenschaften gemeinsam: So drücken alle Bildschemata in der Gruppe KRAFT Kausalität (es besteht immer eine Ursache der Kraft) und Direktionalität (die Kraft hat stets eine Richtung) aus, und sie lassen sich anhand einer Intensitätsskala darstellen (die Kraft kann stärker oder weniger stark sein) (vergleiche Evans & Green 2006).

 

In unserem Kopf haben wir allerdings auch andere Arten von Wissensrepräsentation wie beispielsweise die allgemeinen Schemata und die mentalen Bilder. Wie lassen sich aber die Bildschemata von diesen mentalen Repräsentationen genau unterscheiden? Die Bildschemata teilen zwar einige Schnittmengen mit den mentalen Bildern und den allgemeinen Schemata, sie unterscheiden sich aber von ihnen vor allem durch ihre Allgemeingültigkeit und ihren Abstraktheitsgrad. So sind Bildschemata nach Oakley (2007: 216) im Unterschied zu den Schemata, die wir als abstraktes, strukturiertes Wissen über Konzepte und Handlungsmuster besitzen (Schemata, vergleiche auch Rumelhart 1975), viel dynamischer und flexibler. Während das abstrakt gespeicherte Wissen über den Ablauf einer Kontrolle am Flughafen nur auf diese konkrete Situation angewandt werden kann (Boardkarte vorzeigen, Handgepäck auf das Band legen, Laptops und Flüssigkeiten herausnehmen etc.), können Bildschemata wie URSPRUNG-WEG-ZIEL auf allerlei Bewegungen von einem Punkt A über einen Weg bis Punkt B angewandt werden, sei es am Flughafen oder auf einer Hochzeit. Die verschiedenen Slots der Bildschemata können also mit mehr Items gefüllt werden als die der Schemata von Konzepten und Handlungen. Weiterhin sind mentale Bilder weniger allgemein anwendbar, weil sie konkrete Situationen abbilden und daher spezifischer sind (vergleiche Oakley 2007: 216; siehe Abbildung 2.1). Beispielsweise kann das mentale Bild der letzten Hochzeit nicht in Bezug auf weitere Hochzeiten verallgemeinert werden, weil Braut und Bräutigam vermutlich Unikate sind, selbst wenn sie Zwillingsgeschwister haben, die zur gleichen Zeit heiraten. Die Anwendbarkeit mentaler Bilder ist auf diese konkrete Situation beschränkt. Mentale Bilder erlauben uns daher aber auch, uns eine Situation konkret vor Augen zu führen, während die Bildschemata dafür zu abstrakt sind. Gemeinsam ist mentalen Bildern und Bildschemata jedoch ihre analoge Natur: Beide bilden die sensorischen Erfahrungen auf eine analoge Weise ab und aktivieren die entsprechenden modalitätsspezifischen Aspekte mit (vergleiche Evans & Green 2006; Seel 2003).

Abbildung 2.1:

Mentale Bilder

In der Literatur werden einige andere Merkmale von Bildschemata diskutiert, die immer noch als umstritten gelten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass einige Bildschemata nicht ausschließlich perzeptueller Natur sind, sondern sich aus den Vorwissensbeständen speisen und daher konzeptuelle Aspekte haben (Grady 2005). Ein weiterer umstrittener Aspekt bezieht sich auf die Universalität der Bildschemata, die nach einigen Autoren (Kimmel 2005: 41ff) nicht immer als gegeben vorausgesetzt werden darf. Für eine ausführliche Darstellung dieser und weiterer Kritikpunkte siehe Kimmel (2005), Grady (2005) oder Zlatev (2005).

2.1.4 Piktoriale und multimodale Metaphern

In der konzeptuellen Metapherntheorie wird davon ausgegangen, dass sich die konzeptuellen Metaphern hauptsächlich an der linguistischen Oberfläche manifestieren, wobei die Rolle statischer und dynamischer Bilder sowie der von Musik und Gestik völlig außer Acht gelassen wird. Aus diesem Grund plädiert Forceville (2008) für die Erweiterung des Metaphernbegriffes durch die sogenannten piktorialen und multimodalen Metaphern. Beide Arten von Metaphern haben gemeinsam, dass ihre Quellendomäne und/oder ihre Zieldomäne nicht verbaler Natur sind. Sie unterscheiden sich jedoch durch ihre jeweils monomodale und multimodale Natur: Während multimodale Metaphern verschiedene Kodierungssysteme und Sinnesmodalitäten miteinander kombinieren, wie zum Beispiel Sprache, Musik und Bild, speisen sich piktoriale Metaphern ausschließlich aus bildhafter Information.

Innerhalb der Kategorie der piktorialen Metaphern gibt es unterschiedliche Typen. In der Abbildung 2.2 sehen wir zum Beispiel, wie die piktoriale Information aus dem Kontext (hier das begleitende Bild) zur Erschließung der Metapher SPRACHENLERNEN IST EIN KAMPF beiträgt. Dadurch wird die Idee evoziert, dass die Sprachschule den Schülern die Unterstützung leistet, die sie zur Bewältigung kommunikativer Situationen in der Fremdsprache benötigen. Diese Art von piktorialer Metapher nennt Forceville folgerichtig kontextuelle Metapher (Forceville 2008: 464). Eine andere Art von piktorialer Metapher stellen die sogenannten hybriden Metaphern dar, die durch die piktoriale Zusammensetzung von Quellen- und Zieldomänen in derselben Gestalt eine neue, hybride Gestalt schaffen, die es in der Realität nicht gibt (Forceville 2008: 465f.). Zum Beispiel wird ein Atomkraftkanister (siehe Abbildung 2.3) mit Beinen versehen, um den Satz der Atomkraft Beine machen zu verbildlichen. Solche hybriden Metaphern unterscheiden sich wiederum von den integrierten Metaphern dadurch, dass letztere keine unwahrscheinliche Gestalt darstellen, sondern diese nur andeuten. So wird beispielsweise in der Werbung für eine Kaffeemaschine (siehe Abbildung 2.4) durch ihre besondere Form die Metapher KAFFEEMASCHINE IST EIN DIENER bzw. EIN KELLNER suggeriert, das heißt die Kaffeemaschine serviert die fertigen Kaffees wie ein echter Kellner (vergleiche Forceville 2008: 468). Schließlich werden in sogenannten piktorialen Vergleichen die Quellen- und die Zieldomäne als zwei eigenständige Entitäten präsentiert (beispielsweise als zwei nebeneinanderstehende Objekte), wodurch eine Ähnlichkeit zwischen beiden evoziert wird.

Abbildung 2.2:

Wall Street Englisch (Quelle: wallstreetenglish 2016)

Abbildung 2.3:

Der Atomkraft Beine machen (Jusos Drensteinfurt 2016)

Abbildung 2.4:

Kaffeemaschine (Heise 2016)

Im Gegensatz zu den piktorialen Metaphern kombinieren multimodale Metaphern (Forceville 2008: 467ff) verschiedene Kodierungssysteme oder Wahrnehmungsmodalitäten, so dass zum Beispiel durch die Interaktion von Musik und Bildern die intendierte Metapher evoziert werden kann. Ein Beispiel dafür finden wir in der Werbung für das Katzenfutter »Xirah« (über den Wahrheitsgehalt der Werbung müssten Sie Ihre eigene Katze entscheiden lassen), in der ein Streit um das Essen zwischen einer Katze und einem Hund inszeniert wird. Dabei wird durch zwei besondere Elemente die Metapher EIN STREIT UM DAS ESSEN IST EIN DUELL IM WILDEN WESTEN evoziert: Einerseits wird ein Ausschnitt aus dem bekannten Lied The good, the bad and the ugly von Ennio Morricone im Hintergrund gespielt und andererseits wird der Eintritt des Hundes in das Zimmer durch eine Schwingtür gezeigt, wie sie aus Westernfilmen bekannt ist. Der konzeptuelle Inhalt der Quellendomäne wird also durch Elemente unterschiedlicher Modalitäten aktiviert.

2.1.5 Die Verarbeitung von Metaphern

Nachdem wir den Prozess der Metaphorisierung und die verschiedenen Arten von Metaphern kennengelernt haben, beschäftigen wir uns nun mit der Frage, wie Metaphern eigentlich verarbeitet werden und welche Faktoren dabei überhaupt mitwirken. Da aber die meisten Ansätze zur Verarbeitung von Metaphern kaum Bezug auf den Kontext des Fremdsprachenerwerbs nehmen, sollen die Ansätze in einem ersten Schritt nur in ihren Grundzügen präsentiert werden (für eine ausführliche Darstellung siehe auch Littlemore & Low 2006b: 46ff). Danach wird die Wichtigkeit des Erwerbs einer metaphorischen Kompetenz im Unterrichtskontext besprochen.

Bisher sind zahlreiche Theorien formuliert worden, die jeweils den Schwerpunkt auf einen einzelnen Aspekt gelegt (zum Beispiel den Kontext, den Bekanntheitsgrad der Metapher, die Salienz etc.) und größtenteils die dafür nötige empirische Evidenz geliefert haben. Wie Sie aber sicher schon einmal festgestellt haben, wirken beim Verständnis von Metaphern mehrere Faktoren zusammen, so dass wir eher von einem mehrdimensionalen Konstrukt ausgehen sollten. Ein erster wichtiger Streitpunkt betrifft die Frage, inwiefern der gesamte konzeptuelle Inhalt der Quellendomäne aktiviert wird, um die Metaphern zu verstehen. Einerseits verteidigte Searle (1979) die Position, dass die Metaphern zunächst von dem Sprecher als Verletzungen der Qualitätsmaxime erkannt und nachher anhand von Implikaturen interpretiert werden. Dabei wird der gesamte konzeptuelle Inhalt aktiviert und es wird auf dieser Basis nach möglichen Interpretationen gesucht, die die pragmatischen Kriterien der kommunikativen Situation erfüllen. Demnach erfolgt der Zugang zu den relevanten Aspekten der Quellendomäne bei der Interpretation der Metaphern auf indirekte Weise. Demgegenüber stehen Ansätze wir der des direct access view von Gibbs (1994), die einen direkten Weg zum relevanten konzeptuellen Inhalt der Quellendomäne postulieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Konzepte der Quellendomäne sowohl über eine konkrete als auch über eine übertragene Bedeutung verfügen, so dass die Sprecherin oder der Sprecher beziehungsweise die Hörerin oder der Hörer direkt die eine oder andere Bedeutung aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). Demnach sollte die Verarbeitung einer Metapher nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Verarbeitung der konkreten Bedeutung. Beim Beispielsatz er frisst wie ein Schwein stehen Merkmale wie die Art des Essens von Schweinen für die übertragene Bedeutung der Quellendomäne (hier das Schwein) zur Verfügung. Weiterhin argumentieren Glucksberg, Newsome & Goldvarg (2001) im Rahmen ihres class-inclusion model, dass oft neue Subkategorien geschaffen werden, die in Abgrenzung zu den anderen Kategorien eine Bedeutung haben. Dabei werden irrelevante Aspekte der Quellendomäne nicht aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). In dem vorangehenden Beispielsatz werden beispielsweise verschiedene Arten von Essgewohnheiten vorausgesetzt, so dass nur diejenigen Merkmale vom Schwein aktiviert werden, die zur Interpretation der Metapher beitragen können. Bowdle & Gentner (2005) merken jedoch kritisch an, dass die metaphorische Bedeutung der Konzepte der Quellendomänen erst im Zusammenhang mit einer Zieldomäne geschaffen werden kann und dass die Quellendomänen daher nicht unbedingt eine metaphorische Bedeutung neben der konkreten Bedeutung besitzen. Eine Interaktion zwischen Quellen- und Zieldomäne ist vor allem für innovative Metaphern unabdingbar.

Nach Giora (1999) können derartige Ansätze nur einen kleinen Teil der Verarbeitung von Metaphern erklären, unabhängig davon, welche Art von Zugang sie postulieren (Giora 1999: 240). Im Rahmen ihrer graded salience hypothesis geht die Autorin vielmehr davon aus, dass der Grad von Salienz eine zentrale Rolle spielt. Demnach wird die Salienz konkreter und metaphorischer Bedeutungen von Wörtern und Sätzen von Faktoren wie dem Konventionalitätsgrad, der Frequenz, dem Bekanntheitsgrad etc. mitbestimmt. So werden bei der Verarbeitung von Metaphern zunächst die salienten Bedeutungen eines Konzeptes aktiviert, auch wenn sie für den Kontext nicht relevant sind. Wenn aber die Metapher anhand der salienten Bedeutung der Quellendomäne nicht erschlossen werden kann, dann werden Kontextinformationen herangezogen. Giora (1999) merkt jedoch an, dass der Kontext eine begrenzte Rolle spielt: Obwohl der Kontext die zutreffende Bedeutung eines Konzeptes aktivieren kann, kann er die Aktivierung von salienten, nicht zutreffenden Bedeutungen nicht inhibieren. Dabei bezieht sich Giora auf Eye-Tracking-Studien (vergleiche Rayner, Pacht & Duffy 1994), die gezeigt haben, dass zweideutige Wörter länger fixiert werden als eindeutige Wörter, auch wenn ein kontextuelles Priming zur Aktivierung der weniger salienten Bedeutung dargeboten wurde. Diese Ergebnisse legen nahe, dass bei zweideutigen Wörtern der Kontext zwar die weniger saliente Bedeutung aktiviert, die saliente Bedeutung jedoch stets mitaktiviert ist. Dabei ist die längere Fixationszeit auf den zusätzlichen Zeitaufwand zur Disambiguierung und Reinterpretation des Wortes zurückzuführen.

 

Im Unterschied zu Giora (1999) fokussiert die career of metaphor theory von Bowdle & Gentner (2005) die Entwicklung des Gebrauchs von Metaphern im Diskurs. Den Autoren zufolge spielt der Unterschied zwischen konventionellen und unkonventionellen Metaphern eine zentrale Rolle unabhängig davon, ob sie direkt oder indirekt verarbeitet werden. Dabei gehen Bowdle & Gentner (2005) davon aus, dass konventionelle Metaphern bereits vorhandene metaphorische Kategorien nutzen und daher leichter verarbeitet werden können, während unkonventionelle Metaphern zwingend durch Vergleichsprozesse zwischen Quellen- und Zieldomäne erschlossen werden. Die folgende Abbildung 2.5 zeigt, wie die verschiedenen Arten von Metaphern in der Regel unterschiedliche Verarbeitungsprozesse erfordern, die wiederum mit einem unterschiedlichen kognitiven Aufwand verbunden sind:

Abbildung 2.5:

Die sogenannte career of metaphor nach Bowdle & Gentner (2005: 2009)

Die Wahl des einen oder anderen Verarbeitungsprozesses hängt nach Bowdle & Gentner (2005) von anderen Faktoren wie der Salienz der konkreten Bedeutung (vergleiche auch graded salience hypothesis nach Giora 1999) und dem Kontext (vergleiche direct access view nach Gibbs 1994) ab. Der integrative Charakter dieser Theorie lässt sich an zwei Aspekten festmachen: Erstens lassen sich die eher traditionellen Vergleichsmodelle zur Verarbeitung von Metaphern (Quellen- und Zieldomäne werden miteinander verglichen und ihre Ähnlichkeiten herausgearbeitet) mit den Kategorisierungsmodellen (vergleiche class-inclusion model nach Glucksberg et al. 2001) vereinbaren; zweitens werden die unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien in Abhängigkeit vom Konventionalitätsgrad der Metaphern (konventionelle, innovative und tote Metaphern) beschrieben.

Weiterhin ist der Ansatz von Kövecses (2010; 2015) insofern als Ergänzung zur career metaphor theory anzusehen, als verschiedene Ebenen des Kontextes beschrieben werden, die besonders bei der Verarbeitung von innovativen Metaphern eine Rolle spielen. Bisher hatten sich die meisten Ansätze bei der Beschreibung des Kontextes auf den unmittelbaren linguistischen Kontext beschränkt. Kövecses (2010) differenziert jedoch zwischen den körperlichen Erfahrungen (Raum, Bewegung etc.) aus dem unmittelbaren physischen Kontext (physical environment), dem Diskurswissen, dem soziokulturellen Wissen (cultural context und immediate social setting) und dem linguistischen Kontext selbst. Vor allem bei innovativen Metaphern versuchen wir, Kohärenz auf allen Ebenen des Kontextes herzustellen. Da aber der Kontext gerade von Gespräch zu Gespräch variiert, variieren auch die Metaphern und sie erscheinen uns deswegen als neue Metaphern.

Im Kontext des Fremdsprachenerwerbs weist die Verarbeitung von Metaphern jedoch einige besondere Merkmale auf. Ähnlich wie bei Gioras (1999) graded salience hypothesis, postuliert Cieślicka (2006), dass bei der Verarbeitung metaphorischer Ausdrücke in der L2 die konkrete Bedeutung der einzelnen Komponenten in der Regel eine höhere Salienz genießt und der Kontext eine relative Wichtigkeit hat (vergleiche auch Kecskes 2000). In dieser Hinsicht schlägt Liontas (2002) zwei Phasen der Verarbeitung von Metaphern in der L2 vor: Zuerst stellt der Lerner oft ohne Nutzung des Kontextes eine Reihe von Hypothesen zur Interpretation der Metapher auf. In einer zweiten Phase werden die verschiedenen Hypothesen entweder beibehalten oder verworfen je nachdem, wie kompatibel sie mit dem dargebotenen Kontext sind. Weiterhin stellten Littlemore & Low (2006b) fest, dass L2-Lerner zwar verschiedene Strategien zur Interpretation unbekannter Metaphern in der L2 einsetzen, der Erfolg der eingesetzten Strategien hängt jedoch mit dem Sprachniveau der Lerner stark zusammen. Besonders häufige Strategien, die von L2-Lernern zur Interpretation von Metaphern in der L2 verwendet wurden, sind die Analogiebildung, das bildliche Denken, die Erschließung aus dem Kontext, die Nutzung von primären Metaphern aus der L2 und der Transfer aus der L1 (vergleiche Azuma & Littlemore 2010; Azuma 2009). Die Tatsache, dass viele L2-Lerner unabhängig von ihrem Sprachniveau den Transfer aus der L1 als Strategie zur Interpretation von Metaphern in der L2 einsetzen, hat dazu geführt, dass sich immer mehr Studien mit der Erforschung des Einflusses der Unterschiede zwischen den Metaphern in der L2 und ihren L1-Äquivalenten beschäftigt haben. Einerseits haben einige Studien festgestellt, dass L2-Lerner die Metaphern in der L2 besser verarbeiten konnten, wenn sie aus linguistischer, konzeptueller und soziokultureller Sicht den L1-Äquivalenten ähnlich waren (vergleiche Charteris-Black 2002; Chen & Lai 2013). Andererseits zeigt eine neuere Studie von De Cock und Suñer (im Druck), dass die soziokulturellen und konzeptuellen Unterschiede nicht immer Schwierigkeiten bei der Interpretation von Metaphern bereiten und dass sie mit anderen Faktoren wie dem Kontext unterschiedlich interagieren. Dabei wurde davon ausgegangen, dass für die Verarbeitung konzeptueller Aspekte von Metaphern allgemeines Wissen über körperliche Erfahrungen verwendet wird und für die soziokulturellen Aspekte eher Wissen über das Wertesystem, die Geschichte, die sozialen und politischen Strukturen etc. Die Autoren stellten fest, dass die Darbietung eines Kontextes vor allem bei soziokulturellen Unterschieden zu einer signifikant besseren Interpretation der Metaphern führte, bei konzeptuellen Unterschieden hingegen zu einer signifikant schlechteren Interpretation. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass bei der Verarbeitung von Metaphern in der L2 nicht nur der Zugang zur konkreten Bedeutung der Quellendomäne eine Rolle spielt, sondern auch der Einsatz von Strategien, das Sprachniveau, die Darbietung eines Kontextes sowie die konzeptuelle und soziokulturelle Distanz zwischen den Metaphern in der L2 und ihren L1-Äquivalenten.