Planet der Saurier

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4.

Die Proohler waren absolut humanoid. Sie maßen zwischen zweihundertachtzig und zweihundertfünfundneunzig Zentimeter, die weiblichen Vertreter waren einen Kopf kleiner.

Das Gesicht ähnelte dem eines Schimpansen, nur die Ohrmuscheln fehlten. An ihrer Stelle saßen eine Art Hörmembranen. Der Kopf war lang gestreckt und sah aus wie ein nach hinten spitz zulaufendes Ei. Dieser hintere Teil beherbergte den Parasektor.

Beide Geschlechter waren völlig haarlos. Bis auf die perlmuttfarben schimmernde Schädeldecke war die transparent wirkende Haut fast albinotisch weiß. Arme und Beine besaßen Hände und Füße mit je fünf Gliedmaßen. Ihnen fehlten allerdings die hornigen Nägel. Die Proohler waren Sauerstoffatmer.

Scotheer und Tratheer hatten Vrantheers Einladung angenommen, an Bord seines Diskusschiffs mit ihm zu speisen. Als Napeel den Kleinstschweber verließ und in den erleuchteten Hangar trat, verschlug es dem Raumfahrer die Sprache. So schön hatte er sich die Frau nicht vorgestellt.

Heftige Begierde erfasste ihn, die er nur mühsam unterdrücken konnte. Schnell schirmte er sich ab.

»Seien Sie herzlich willkommen.«

Sekool Vrantheer eilte auf die Proohlerin zu. Er drückte ihre Hand einige Sekunden länger, als es bei einer Begrüßung üblich war. Als er merkte, dass er im Begriff war, eine Dummheit zu begehen, zog er seine Hand hastig zurück.

»Und Sie natürlich auch, Planetarischer Rat«, sagte er mit falscher Freundlichkeit und schüttelte Scotheer ebenfalls die Hand. »Ich hoffe, dass wir Freunde werden ‒ trotz der Standesunterschiede.«

»Es gibt keine Stände mehr, Sekool Vrantheer, und auch der Rat existiert nicht mehr. Lassen Sie den Titel also getrost weg, und nennen Sie mich beim Namen.«

»Ganz, wie Sie wünschen, Troopal Scotheer. Darf ich Sie jetzt zu Tisch bitten?«

Während der Vagabund vorausging und seine Gäste in eine Art Messe führte, wälzte er eine Menge missgünstiger Gedanken im Kopf herum.

Dieser Scotheer war geradezu widerlich gut gewachsen. Zudem war er nicht nur ein Adonis, sondern musste auch intelligent sein, denn aufgrund seiner Schönheit war er bestimmt nicht zum Planetarischen Rat gewählt worden. Es würde nicht einfach sein, ihn aus dem Weg zu räumen.

Lontheer erwartete sie in der Messe. Als er die Frau sah, bekam er große Augen und starrte Napeel bewundernd an.

»Das ist Obeel Lontheer. Obeel, begrüße unsere Gäste.«

Ohne den Blick zu wenden, murmelte Obeel: »Guten Tag!«

»Gefalle ich Ihnen?«, fragte Tratheer lächelnd.

»Oh, ja, sehr!« Lontheer strahlte sie an. »Gefalle ich Ihnen auch?«

Vrantheer schäumte innerlich. Er hätte diesen Dummkopf auf der Stelle umbringen können. Um der Situation die Peinlichkeit zu nehmen, sagte er mit verkniffenem Gesicht: »Obeel ist geistig ein wenig zurückgeblieben, verstehen Sie? Ich hoffe, Sie tragen ihm sein Benehmen nicht nach.«

»Sekool, so darfst du in Gegenwart einer Dame nicht von mir reden«, klagte Lontheer. »Sage lieber, was für ein geschickter Bastler ich bin.«

»Später, Obeel, später. Nehmen Sie doch Platz, meine Herrschaften.«

Vrantheer setzte sich ebenfalls und klatschte in die Hände.

»So, jetzt wird serviert.«

Ein Dienstrobot trat ein. Er balancierte ein Tablett mit dampfenden Speisen. Nachdem er jeden bedient hatte, verschwand er wieder.

»Guten Appetit, meine Dame«, wünschte Lontheer. »Hoffentlich schmeckt es Ihnen. Ich habe das Menü selbst zusammengestellt.«

»Es sieht sehr appetitlich aus.«

Sekool Vrantheer warf Obeel einen giftigen Blick zu.

Man ließ es sich schmecken. Als Obeel wieder etwas sagen wollte, gab ihm Sekool unter dem Tisch einen derben Tritt vor das Schienbein. Lontheer entfuhr ein Schmerzensschrei. Erstaunt blickten Scotheer und Tratheer auf. Vrantheer lächelte gezwungen.

»Er hat sich nur auf die Zunge gebissen.«

Der Mann wollte etwas erwidern, doch Vrantheer fuhr ihn heftig an:

»Du sollst essen! Und halte endlich den Mund. Langsam bin ich deiner Dummheiten überdrüssig. Entschuldigen Sie, aber manchmal muss er einfach in die Schranken gewiesen werden.«

Troopal und Napeel blickten sich befremdet an, sagten aber nichts. Schweigend verlief der Rest der Mahlzeit. Nachdem der Robot abgeräumt hatte, schlug der Vagabund eine Schiffsbesichtigung vor.

»Ein andermal vielleicht, Sekool Vrantheer. Wir haben heute schon eine ausgedehnte Exkursion hinter uns und sind rechtschaffen müde.«

»Wie Sie meinen.« Vrantheer zwang sich zu einem Lächeln. »Ich will nicht aufdringlich erscheinen, aber darf man fragen, ob Sie schon Pläne für morgen haben?«

»Wir haben uns noch nichts Konkretes vorgenommen.«

»Dann würde ich vorschlagen, dass wir morgen mit dem Beiboot einen Erkundungsflug unternehmen.« Wieder setzte Sekool sein falsches Lächeln auf. »Bei aller Bescheidenheit glaube ich sagen zu können, dass mein Schweber doch größere Möglichkeiten bietet. Auf einem fremden Planeten gibt es sicherlich eine Menge zu katalogisieren und zu analysieren, trotz der Speicherinformationen. Oder haben Sie schon Proben genommen?«

»Nein, aber wir haben ein Besteck an Bord.«

»Vergessen Sie es.« Der Vagabund kicherte. »Es ist ein Spielzeug im Vergleich zu dem Gerät, das mir zur Verfügung steht.«

»Also gut, Sekool Vrantheer. Wann wollen wir starten? Sagen wir gegen acht Uhr planetarer Zeit?«

»Abgemacht. Ich hole Sie mit dem Schweber ab.«

Scotheer nickte stumm. Er hakte seine Gefährtin unter und ging zum Ausgang.

»Warten Sie, ich bringe Sie zum Hangar.«

Dienstbeflissen eilte der Vagabund herbei und führte seine Gäste aus der Messe.

Im Hangar verabschiedete er die beiden per Handschlag. Als er Napeels Hand drückte, stellte er sich auf die Zehenspitzen und blickte ihr tief in die Augen.

»Schlafen Sie gut, Napeel Tratheer!«

»Gute Nacht, Sekool Vrantheer!«, gab sie kühl zurück und entzog ihm ihre Hand.

Troopal war das kurze Intermezzo nicht entgangen. Schadenfroh grinste er den anderen an.

Wütend machte Sekool auf dem Absatz kehrt und verließ die Schleusenkammer. Innerlich schalt er sich einen Narren. Da hatte er es die ganze Zeit über verstanden, seine Gefühle zu verbergen, und ausgerechnet beim Abschied gab er sich eine solche Blöße. Alles wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn nicht Napeels Gefährte etwas gemerkt hätte. So war Scotheer gewarnt und wusste, was er von ihm zu halten hatte.

An allem war nur der Dummkopf Obeel schuld. Ihm würde er gehörig die Leviten lesen. Kaum hatte er die Zentrale betreten, als über Lontheer ein Donnerwetter herniederging, dass dem Ärmsten Hören und Sehen verging.

Nachdem er seinem Zorn Luft gemacht hatte, war ihm wohler. Obwohl er noch nicht müde war, zog er sich in seine Kabine zurück. Angekleidet legte er sich auf das Bett und brütete vor sich hin. Immer wieder kreisten seine Gedanken um Napeel.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus, und er tat etwas, was unter Telepathen als Todsünde galt: Er versuchte, die Gedanken eines anderen Telepathen ‒ Napeels Gedanken ‒ zu espern.

*

»Dieser hässliche Kerl ist ein ausgesprochener Widerling. Wie er dich angesehen hat!«

»Ich glaube, ich habe ihn deutlich genug spüren lassen, was ich von ihm und seinem Annäherungsversuch halte.«

»Hätte ich diesen Paria doch nie gesehen.«

»Er weiß halt, dass ich die einzige noch lebende Proohlerin bin«, kokettierte Napeel.

Scotheer knurrte etwas Unverständliches und verschwand in der Nasszelle.

»Bist du eifersüchtig, Troopal?«

»Eifersüchtig? Ich? Auf diesen unterernährten Zwerg?« Er lachte krächzend. »Ich weiß, dass du einen guten Geschmack hast, sonst hättest du mich ja nicht gewählt.«

»Sei dir meiner nicht so sicher.« Sie drohte schelmisch mit dem Finger. »Da ist ja schließlich auch noch Obeel.«

»Ganz recht, der dumme Obeel. Groß und kräftig, aber ziemlich blöde.«

»Vielleicht gefällt mir seine naive Art.«

»Naive Art ist eine ausgesprochen freundliche Umschreibung für seinen kleingeistigen Horizont«, sagte Scotheer sarkastisch. »Sag mal, was bezweckst du eigentlich mit diesen Anspielungen?«

»Nichts. Ich wollte dir nur klarmachen, dass ich die einzige Frau unter drei Männern bin«, sagte sie leichthin.

Scotheer streckte den Kopf aus der Nasszelle.

»Ja, und was für Männer. Der eine ist ein muskelstarker Idiot, der zweite ein vertrockneter Gnom …«

»Bestimmt ist er intelligent«, unterbrach Tratheer.

»Jetzt reicht es mir doch«, rief er verärgert. »Dann mache doch diesen Vagabunden zu deinem Gefährten.«

Napeel lachte glockenhell. Sie entkleidete sich und folgte ihm in die Nasszelle.

»Du bist ja doch eifersüchtig, und ausgerechnet auf diese beiden. Kennst du mich denn so schlecht?«

Sie versuchte, ihn zu umarmen, doch er wich aus und ging schmollend in die Kabine zurück. Er fühlte sich in seinem männlichen Stolz verletzt.

Gerade, als er sich ins Bett legen wollte, war ihm, als ob jemand seinen Geist abgetastet, zumindest gestreift hätte. Genaueres konnte er nicht feststellen, denn er hatte sich schon seit dem Besuch im Händlerdiskus abgeschirmt.

»Troopal!«

Napeel rief ihn, doch er antwortete nicht. Er war noch immer gekränkt.

»Troopal!«

»Was ist denn?«, fragte er schließlich mürrisch.

»Jemand hat versucht, meine Gedanken zu espern.«

Scotheer fuhr hoch.

»Hattest du dich abgeschirmt?«

 

»Ja, schon seit geraumer Zeit. Glaubst du, es war Vrantheer?«

»Wer denn sonst? Nur dieser Paria wagt es, sich über das Tabu hinwegzusetzen.« Er sprang erregt auf. »Ich werde ihn lehren, die Gedanken von Artgenossen lesen zu wollen.«

»Was hast du vor?«

»Ich werde ihm einen Denkzettel verpassen, den er so schnell nicht vergisst.«

Mit wenigen Schritten war er in der Steuerkanzel des Diskusschiffs. Er setzte sich in den Sessel und entspannte sich kurz, dann konzentrierte er sich auf Sekool Vrantheer und peilte ihn telepathisch an.

›Empfangen Sie mich, Sekool Vrantheer?‹

›Klar und deutlich, Troopal Scotheer. Was wollen Sie mitten in der Nacht von mir?‹

›Ich habe Ihnen etwas zu übermitteln. Einen Moment!‹

Rasch streifte Troopal den PSI-Reflektor über und richtete die Antenne auf den großen Diskus. Mit einem Knopfdruck schaltete er die Energieversorgung ein. Scotheer sendete mit größtmöglicher Intensität.

Eine Woge zigfach verstärkter Gefühle drang auf Vrantheer ein. Unvorbereitet traf ihn ein Schauer aus Hass und Zorn, eine Welle aus Panik und Horror. Er erkannte zu spät, dass er in eine PSI-Falle Troopal Scotheers getappt war.

Sein Versuch, die telepathischen Sendungen abzublocken und zu egalisieren, misslang. Sein Parasektor war schon zu beansprucht, um noch eine gezielte Gegenreaktion einleiten zu können.

Beinahe automatisch errichtete sein gemartertes Hirn eine Gedankenabschirmung. Auch sie blieb unwirksam; ihm fehlte die nötige Konzentration. Ohne nennenswerte Beeinträchtigung erreichten die negativen Impulse seinen Geist. Gequält presste er die Hände gegen die Schläfen.

›Das war eine Warnung, Sekool Vrantheer!‹

Es dauerte mehrere Minuten, bis der Vagabund wieder imstande war, bewusst zu denken. Der PSI-Terror, den Scotheer entfesselt hatte, wirkte doch intensiver nach, als Sekool es wahrhaben wollte.

Nach einer Weile spürte er einen tastenden Impuls. Sekool wollte eine Gegenreaktion starten, doch er war noch so durcheinander, dass es ihm nicht gelang.

Troopal Scotheer triumphierte. Vrantheers Gedanken waren jetzt so chaotisch, dass er zumindest in nächster Zukunft nicht mehr daran denken würde, Napeel geistig zu belauschen. Frohgestimmt ging der Proohler zurück in die Kabine.

*

Sekool Vrantheer rang lange mit sich, ob er den Termin für die gemeinsame Exkursion angesichts der erlittenen Demütigung wahrnehmen sollte. Ihm stand der Sinn nach Vergeltung, Hass beherrschte ihn.

Je länger er darüber nachdachte, wie er Troopal Scotheer am wirkungsvollsten schaden könnte, umso stärker erwachte in ihm der Wunsch, Napeel zu besitzen. Es dauerte einige Zeit, bis sein analytischer Verstand die Gefühle unter Kontrolle bringen konnte.

Er wollte die Frau, und er wollte Rache. Beides ließ sich vereinen, doch der Zeitpunkt war noch verfrüht.

Pünktlich um acht war er am nächsten Morgen mit dem Beiboot zur Stelle. Scotheer und Tratheer erwarteten ihn bereits. Vrantheer fuhr einen Steg zur Schleuse des kleinen Diskusraumers aus und ging den beiden entgegen.

»Sie sehen müde aus, Sekool Vrantheer«, sagte Troopal anstelle einer Begrüßung.

»Ich habe schlecht geschlafen«, antwortete der Vagabund mürrisch. »Dieses Sauriergebrüll ging mir auf die Nerven.«

»Das verstehe ich nicht.« Scotheer gab sich erstaunt. »Nach allem, was ich über die Urtiere weiß, sind sie nur tagaktiv. Napeel, hast du gehört, dass die Echsen auch nachts Laute von sich geben?«

Verwundert schüttelte die Frau den Kopf.

»Wollen Sie noch länger Konversation machen, oder können wir starten?«, fragte Sekool unwillig.

»Ich habe mich lediglich nach Ihrem Befinden erkundigt«, stellte Troopal richtig. »Aber wenn Sie so darauf brennen, die Gegend zu erkunden, können wir gehen.«

Verdrossen machte der Vagabund kehrt und ging voraus. Es ärgerte ihn, dass der ehemalige Planetarische Rat auf so primitive Art und Weise versuchte, seinen gestrigen Erfolg auszukosten.

»Ist Obeel Lontheer mit von der Partie?«, fragte Tratheer provokativ.

»Nein, er hat im Raumschiff zu tun.«

Nur mit einiger Anstrengung gelang es dem Raumfahrer, seinen Ärger zu verbergen. Deutlich empfand er, dass die beiden es darauf angelegt hatten, ihn zu reizen.

»Eigentlich schade, dass er nicht dabei ist«, plapperte Napeel munter weiter. »Ich mag Obeel Lontheers schlichte Art.«

»Er hat keine schlichte Art, sondern ein schlichtes Gemüt«, sagte Vrantheer mühsam beherrscht. »Er ist genau besehen sogar dumm.«

»Das ist aber nicht sehr fein, was Sie da über Ihren Freund verbreiten.«

»Er ist nicht mein Freund, zum Donnerwetter!«

»Wir sollten jetzt starten, Sekool Vrantheer.«

Troopal Scotheer empfand deutlich, dass der andere kurz davor war, eine Dummheit zu begehen. Napeel trieb es bis zum Äußersten, doch er wollte es nicht darauf ankommen lassen. Der Vagabund verfügte über ein beachtliches technisches Potential, und wer wusste, was er damit anrichtete, wenn er in die Enge getrieben wurde.

Sekool Vrantheer setzte sich vor die Kontrollen. Scotheer und Tratheer sahen sich interessiert um.

Die Zentrale des Beiboots ‒ ebenfalls ein Diskus ‒ war großzügig gestaltet und hervorragend ausgestattet. Es gab ausreichend Platz für ein Dutzend Personen. Technisches Gerät und unzählige Anzeigetafeln bedeckten die Wände. Troopal zählte nicht weniger als sechs Bildschirme, die von verschiedenen Kameras beschickt wurden. Neidlos erkannte er an, dass sogar dieses Beiboot mehr Möglichkeiten bot als der Regierungsraumer, der ihm und Napeel zur Verfügung stand.

»Wollen Sie den Flug stehend erleben?«

»Ungern«, antwortete Scotheer. Er und Napeel nahmen in den anatomisch geformten Sesseln Platz. »Sagen Sie, besitzt Ihr Schiff keine Automatik? Ich sehe Sie ununterbrochen schalten.«

»Selbstverständlich verfügt der Diskus über eine Robotsteuerung. Dagegen ist Ihre Anlage …«

»Ein Spielzeug, ich weiß. Ich frage mich nur, warum Sie manuell steuern, wenn Ihnen doch eine so hervorragende Automatik zur Verfügung steht.«

»Wir Vagabunden verstehen unser Handwerk eben ‒ und wir beherrschen unsere Raumschiffe.«

»Steuerung per Hand gilt unter Ihresgleichen also als Dogma und Lebensinhalt zugleich«, spottete Troopal Scotheer.

»Nicht unbedingt.« Vrantheer hatte seine Selbstsicherheit wieder zurückgewonnen. »Immerhin sind wir nicht so dekadent wie die anderen Proohler. Sie überlassen alles der Schiffsautomatik. Und mit welchem Erfolg? Sie sitzen hilflos in ihren Diskussen und sind der Robotik auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Warum, glauben Sie, wurden die Raumer der Proohler von den Craahns vernichtet? Warum gelang keinem Diskus die Flucht?«

»Sie vergessen unser Schiff«, sagte Scotheer eisig. »Es wurde auch von einer Automatik gesteuert ‒ und es kam durch.«

»Sie hatten eben Glück. Außerdem sind die Craahns die schlechtesten Kanoniere, die ich kennengelernt habe.«

»Es ist gut, das zu wissen. Und es macht besonderen Eindruck, das aus Ihrem berufenen Mund zu hören, Sekool Vrantheer!«

»Nicht wahr?« Der Vagabund grinste frech. Zunehmend gewann er Oberwasser. »Doch lassen Sie uns das Thema wechseln, Troopal Scotheer.«

Er streckte pathetisch die Arme aus und deutete mit einer umfassenden Geste auf die Bildschirme.

»Sehen Sie die Saurier dort unten ‒ das ist Realität.«

»Es sind Triceratops.«

»Ach, Sie kennen die Biester mit Namen?«

»Sie sind ein Banause, Sekool Vrantheer. Ich habe mich mit den Tieren ein wenig beschäftigt und weiß zwischen Art und Gattung zu unterscheiden, aber einfach von Namen zu sprechen …«

»Die Feinheiten interessieren mich nicht«, unterbrach der Raumfahrer. »Mir reicht es, wenn ich weiß, ob das Fleisch dieser Riesen genießbar ist.«

»Was für ein Rohling Sie sind«, empörte sich Napeel.

»Sie haben noch nicht alles gehört. Ich habe auch vor, mit diesen Sauriern einige genetische Experimente durchzuführen.«

»Das werden Sie nicht tun.« Troopal wurde laut. »Ich verbiete Ihnen das, Sekool Vrantheer.«

»Sie verbieten mir das, Troopal Scotheer?« Der Vagabund warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Wie wollen Sie das anstellen?«

»Schon auf Proohl wurden Ihnen derartige Versuche untersagt.«

»Ganz recht. Man ächtete und bestrafte mich sogar, aber wir sind nicht mehr auf Proohl, sondern auf Chrootheer. Niemand wird mich daran hindern, meine Arbeit fortzuführen.«

»Ich hindere Sie daran!«

»Sie sind größenwahnsinnig«, war Vrantheers Antwort.

Er konzentrierte sich wieder auf seine Kontrollen; das Thema war für ihn vorerst erledigt. Nicht so für Troopal Scotheer. Der ehemalige Planetarische Rat sprang erregt auf und packte den anderen bei den Schultern.

»So nehmen Sie doch Vernunft an, Sekool Vrantheer!«

Das Beiboot machte einen Sprung nach vorn und legte sich schräg.

»Sehen Sie, was Sie anrichten! Lassen Sie mich sofort los!«

Ernüchtert ließ Scotheer von ihm ab. Mit einigen Korrekturschaltungen brachte Vrantheer den Diskus wieder unter Kontrolle.

»Das sollten Sie nie wieder tun«, sagte Sekool gefährlich ruhig.

Der andere musterte ihn von oben herab.

»Sie drohen mir? Wollen Sie etwa mit mir kämpfen?«

Vrantheer drückte einen Knopf. Ein Teil der Wandverkleidung wich zurück und gab den Blick auf zwei humanoide Kampfroboter frei.

»Ich verfüge über andere Möglichkeiten, wie Sie sehen.«

Schweigend ging Troopal zu seinem Sitz zurück. Um sich abzulenken, starrte er auf die Monitorschirme.

Die Bilder waren die gleichen wie gestern. Zahllose Saurier zogen in mehr oder minder großen Herden äsend über die Ebene. Ab und zu tauchte eine Raubechse auf, die Angst und Schrecken unter den Vegetariern verbreitete.

Der Vagabund hatte einen etwas anderen Kurs gewählt als Scotheer bei seinem Rundflug. Eine Kette sanft geschwungener Hügel wurde sichtbar. Sie waren zum Teil mit Büschen bewachsen, die kopfgroße gelbe Früchte trugen.

»Wir landen hier!«

Vrantheer drückte den Diskus nach unten und setzte ihn auf einer Hügelkuppe auf.

»So, meine Herrschaften, machen Sie sich fertig zum Ausstieg.«

»Lassen Sie Napeel im Schiff, Sekool Vrantheer. Für eine Frau ist es draußen zu gefährlich.«

»Damit Sie den Diskus unter Kontrolle bringen und nachher ohne mich abfliegen können, was?« Der Vagabund schwang mit dem Sessel herum. »Haben Sie übrigens Strahler dabei?«

»Natürlich!«

»Dann legen Sie die Waffen bitte ab. Ich möchte keine Überraschung erleben.«

»Trauen Sie uns etwa nicht?«

»Ich bin nur vorsichtig«, sagte Sekool ausweichend.

»Aber Sie können uns doch nicht wehrlos hinausgehen lassen.«

Vrantheer drückte erneut den bewussten Knopf. Diesmal traten die beiden Kampfmaschinen aus ihrer Nische hervor.

»Wir haben die da.« Er zeigte auf die Automaten. »Also?«

Der Raumfahrer beobachtete Troopal und Napeel lauernd. Den beiden blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung nachzukommen. Wortlos zogen sie ihre Strahler und legten sie auf den Boden.

»Gehen wir.«

Zusammen mit den Robots verließ Vrantheer die Zentrale. Er wartete, bis die anderen ebenfalls in der Schleuse standen, dann betätigte er an seinem Kommandogürtel mehrere Kontakte. Zwei weitere Kampfmaschinen und vier Dienstrobots stampften heran. Sie schoben zwei mit allerlei technischem Gerät beladene Antigravplattformen vor sich her.

»Was sagen Sie jetzt?«, fragte der Vagabund voller Besitzerstolz. »Ist das eine Ausrüstung?«

Der ehemalige Planetarische Rat und seine Gefährtin schwiegen beeindruckt. Vrantheer schien auch keine Antwort erwartet zu haben, denn er öffnete bereits das Außenschott und schaltete ein abwärts gepoltes Kraftfeld.

Warme, würzige Luft drang in die Kammer.

»Ihr geht zuerst und sichert«, befahl Sekool den Kampfmaschinen. »Anschließend folgen die Dienstrobots, dann kommt Troopal Scotheer zusammen mit Ihnen, schöne Napeel Tratheer, an die Reihe.« Er deutete der Frau eine Verbeugung an. Jovial fuhr er fort:

»Und ich bilde die Nachhut, wie Sie sich sicher schon ausgerechnet haben.«

Die beiden Proohler warfen ihm giftige Blicke zu, gehorchten aber widerspruchslos. Als alle nach unten geschwebt waren und auf dem Boden standen, strahlte Vrantheer einen Funkimpuls ab. Das Antigravfeld verschwand, das Schleusenschott schloss sich.

 

»Ich glaube, wir sollten uns zuerst die Früchte dort an den Sträuchern vornehmen.«

Eskortiert von den schussbereiten Kampfmaschinen, gingen sie auf die Büsche zu. Sie hatten lappige spinatähnliche Blätter von Handtellergröße. Die gelben Früchte erinnerten an überdimensionale Himbeeren.

»Pflücke eine Frucht und schneide sie auf«, befahl der Raumfahrer einem Dienstrobot.

Gehorsam knipste die Maschine eine Riesenbeere ab und zerteilte sie. Die hölzerne Fruchtschale gab einen saftigen Kern frei, der aussah wie eine Kiwi.

»Jetzt schiebe sie in den Analysator!«

Der Automat legte eine Fruchthälfte in das backofenähnliche Gerät und schaltete es ein. Eine halbe Minute später leuchtete ein grünes Lämpchen auf, zugleich erschien in einer Art Sichtfenster die chemische Zusammensetzung.

»Sie ist essbar«, erklärte Sekool erfreut. »Nun wollen wir sehen, ob sich die Blätter zum Verzehr eignen.«

Wieder trat der Robot in Aktion. Er pflückte einige Blätter und legte sie in das Gerät. Diesmal zeigte der Analysator rotes Licht. Vrantheer warf einen Blick auf die Anzeige.

»Der Nitritgehalt ist zu hoch ‒ schade. Na, immerhin haben wir bereits die Riesenbeeren.« Er hob die Fruchthälfte auf und zerteilte sie. »Wollen Sie auch ein Stück?«

Troopal und Napeel griffen zu. Das zartgrüne, saftige Fruchtfleisch schmeckte angenehm säuerlich. Mit sichtlichem Genuss verspeisten die drei noch eine weitere Riesenbeere.

Plötzlich tauchten unten in der Senke mehrere der vogelartigen Zölurosaurier auf. Ihnen auf den Fersen war eine zweibeinige Raubechse.

Noch bevor der Vagabund einen entsprechenden Befehl geben konnte, begannen die Automaten zu feuern. Von mehreren Strahlenschüssen tödlich getroffen, brach der Räuber zusammen. Auch einer der straußenähnlichen Saurier stürzte wie vom Blitz gefällt zu Boden. Der Rest der Zölurosaurier rannte wie eine Schar aufgeregter Hühner davon.

»Ausgezeichnet habt ihr das gemacht«, lobte Sekool die Automaten. »Geht hinunter und zerlegt die Biester.«

An den Proohlern vorbei marschierten die Dienstrobots mitsamt ihrer Ausrüstung nach unten.

»Kommen Sie mit«, rief Vrantheer, »wir wollen sehen, ob das Fleisch genießbar ist.«

»Ich mag nicht zusehen, wie die Tiere aufgeschnitten werden«, sagte Napeel.

»Dann bleibe ich auch hier oben«, erklärte Troopal.

»Also gut, ich lasse Ihnen zwei Kampfrobots zu Ihrem Schutz hier. Ihr zwei kommt mit!«, befahl der Vagabund den beiden anderen Automaten.

Flankiert von den zwei Maschinen, stieg er hinab. Die Dienstrobots hatten bereits damit begonnen, die Saurier aufzubrechen. Als Sekool bei ihnen anlangte, schob einer von ihnen bereits die erste Probe in den Analysator. Das grüne Licht leuchtete auf. Das Fleisch der Raubechse war genießbar.

»Schneidet den Bestien die Köpfe ab und legt sie in den LE-Konservierer!«

Ein Automat trennte die Köpfe fachgerecht ab und schleppte sie zu der Schwebeplatte, auf der ein großvolumiger Behälter stand. Vergeblich versuchte er, beide Schädel darin unterzubringen.

»Es geht nicht, Herr, zwei Köpfe passen nicht hinein.«

»Dann nimm den von der Raubechse. Die Schnittstelle legst du nach unten.«

Der breitgedrückte Echsenschädel passte ohne Schwierigkeiten in den Behälter. Vrantheer verschloss den Deckel eigenhändig und nahm an der auf der Rückseite angebrachten Schaltkonsole eine Reihe verschiedener Einstellungen vor. Sorgfältig pegelte er einige Skalen ein und vergewisserte sich, dass alles reibungslos funktionierte.

»Was haben Sie mit dem Kopf vor?«, rief Troopal von oben herab.

»Experimente«, gab der Vagabund zurück. »Oder haben Sie gedacht, ich wollte ihn ausstopfen?« Er lachte meckernd.

Sekool wollte noch etwas sagen, als schauriges Gebrüll ertönte. Zweige und Äste brachen, dann tauchte ein über fünf Meter hoher Allosaurus auf. Der Vagabund war vor Schreck wie erstarrt.

Nicht so die Kampfmaschinen. Ohne sichtbare Reaktion feuerten sie ihre Strahler ab. Mitten im Lauf brach der Koloss zusammen. Als der tonnenschwere Leib aufprallte, bebte die Erde so heftig, dass Vrantheer Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Scheu blickte er zu der toten Echse.

»Wir gehen nach oben«, sagte er mit rauer Stimme zu den beiden Kampfautomaten. Und zwei Dienstrobots befahl er: »Ihr kommt mit. Die Antigravplatten nehmt ihr ebenfalls mit.«

»Sollen wir noch Proben nehmen, Herr?«

»Ja, bringt sie hinauf auf den Hügel. Ich werde sie dort untersuchen, hier unten ist es mir zu unsicher.«

Sie hatten die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als wieder dieses urweltliche Gebrüll erklang. Der Blutgeruch hatte einen weiteren Allosaurus angelockt. Automatisch richteten die Kampfrobots ihre Waffenarme aus.

»Stopp!«, befahl Vrantheer schnell. »Nicht schießen!«

Er wollte sehen, ob die Dienstrobots in der Lage waren, mit einer solchen Bestie fertig zu werden. Die Erkenntnis aus einem solchen Kampf konnte bei einer späteren Exkursion nützlich sein.

Schon war der Dinosaurier heran und stürzte sich gierig auf seinen toten Artgenossen. Den Robot, der aus der Flanke ein Stück Fleisch herausschneiden wollte, schien er völlig zu übersehen.

Der Automat fühlte sich jedoch bedroht. Getreu seinem Programm, sich selbst zu erhalten, fuhr er sämtliche Greif- und Werkzeugarme aus und griff an.

Aufbrüllend richtete sich der Gigant auf, als ein Dutzend Bohrer, Greifer und Universalwerkzeuge in seinen Leib getrieben wurden.

Ein qualvoller Schrei entfuhr der Kehle des verletzten Riesen, der mächtige Schwanz peitschte wild durch die Luft, dann stieß der Kopf mit dem zahnbewehrten Maul zu.

Mit furchtbarer Wucht klappten die beiden Kiefer zu und zermalmten den Kopf des Automaten. Abrupt stoppten seine Bewegungen.

Zugleich war es aber auch das Ende der Raubechse. Den Robot noch immer im Maul, stürzte sie zu Boden.

»Befreie deinen Kollegen und bringe ihn mit nach oben!«, befahl Vrantheer dem anderen Dienstrobot. »Die Proben nehmen wir ein andermal.«

»Musste das sein?«, fragte Scotheer, als der Vagabund die Hügelkuppe erreichte.

»Ich habe eine nützliche Erkenntnis gewonnen, Troopal Scotheer. Immerhin hat sich der Robot doch achtbar geschlagen, oder?«

Napeel, die sich bei dem Kampf schaudernd abgewandt hatte, funkelte den Raumfahrer zornig an.

»Sie sind ein Scheusal, Sekool Vrantheer. Hätte es nicht genügt, die Echse schnell und schmerzlos zu töten? Nein, Sie lassen sie mit einem Dienstrobot kämpfen und weiden sich daran, wie das Tier durch die Maschine gequält wird.«

»Erlauben Sie mal«, empörte sich der Vagabund. »Der Automat hat sich nur getreu seinem Programm gewehrt.«

»Ja, mit Sägearmen und Greifzangen.«

»Ich hoffe für Sie, dass Sie nicht einmal darauf angewiesen sind, dass ein Dienstrobot mit einem Saurier kämpfen muss, um Ihr Leben zu retten«, sagte Vrantheer verächtlich. »Es könnte sonst leicht sein, dass Sie in Ohnmacht fallen und dann trotzdem gefressen werden.«

»Wie schlecht und gemein Sie doch sind, Sekool Vrantheer.«

»Sie werden auch so werden müssen, wenn Sie überleben wollen.«

»Beruhige dich wieder, Napeel.« Troopal legte schützend seinen Arm um ihre Schultern. »Wir werden beide härter werden müssen.«

»Ich will nicht so werden wie er«, sagte sie trotzig.

»Das musst du auch nicht. Ich sagte härter, nicht schlechter.«

Vrantheer hätte den anderen dafür niederschlagen mögen, doch er beherrschte sich.

»Wir fliegen zurück«, sagte er barsch. »Ich gehe zuerst an Bord, dann kommen Sie und zum Schluss die Robots.«

»Wollen Sie die Expedition jetzt schon abbrechen?«, fragte Troopal verwundert.

»Ich habe es mir eben anders überlegt. Immerhin wissen wir ja nun, dass wir nicht verhungern müssen.«

»Warum fragen Sie uns nicht, was wir dazu sagen?«

»Was wollen Sie schon mitreden?«, spottete der Vagabund und strahlte einen Funkimpuls ab. Das Kraftfeld am Raumschiff baute sich auf, die Schleuse öffnete sich. Der Vagabund trat in das aufwärts gepolte Feld und ließ sich nach oben tragen. Troopal und Napeel blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Die Automaten schleusten sich ebenfalls ein.

Als die drei Proohler wieder in der Zentrale standen, gab Vrantheer die Strahler zurück.

»Sie sollten aber davon absehen, sie gegen mich einzusetzen«, sagte Sekool grinsend. »Dieses Beiboot und auch der große Diskus besitzen gewisse Eigentümlichkeiten, die es Ihnen unmöglich machen, die Schiffe zu fliegen. Und abstürzen wollen Sie doch sicher nicht, oder?«

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