Planet der Saurier

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3.

Schon aus großer Entfernung spürte Sekool Vrantheer, dass auf Proohl etwas nicht stimmen konnte. Behutsam führte er den knallgelben Riesendikus näher an das System heran.

Zuerst undeutlich, dann immer intensiver, empfing er die Mentalimpulse von Craahns. Es mussten Tausende, sogar Zehntausende sein.

»Esperst du auch die Insektoiden?«, fragte er seinen Partner.

Obeel Lontheer nickte bedächtig.

»Ja, sie versuchen wieder einmal, Proohl zu überfallen.«

»Blutige Köpfe werden sie sich holen.« Vrantheer kicherte. »Diese Insektenabkömmlinge werden nie lernen, dass wir ihnen überlegen sind.« Er rieb sich vergnügt die Hände. »Diesmal können wir vom Raum aus zusehen. Das wird ein Spaß!«

Plötzlich gefror sein Grinsen. Er schrie auf.

»Obeel ‒ die Panikstrahlung! Ich empfange keine Panikstrahlung!« Verzweifelt presste er die Hände gegen den Kopf. »Ich empfange keinen einzigen Proohler, nur Craahns!«

»Seltsam, mir geht es genauso. Was hat das zu bedeuten?«

»Es gibt keine Proohler mehr, du Dummkopf. Verstehst du das?«

»Natürlich, Sekool. Was machen wir denn nun mit unserer Ladung?«

»Oh, was für ein Narr du bist, Obeel. Wahrscheinlich wimmelt es um Proohl von Wabenschiffen. Und wenn das so ist, geht es um unser Leben, und du redest von Geschäften. Lass mich nachdenken.«

Heulend gab die Raumüberwachungssensorik Alarm.

»Sieh doch, da nähert sich schon ein Craahnsraumer. Soll ich ihn abschießen?«

»Natürlich, du Einfaltspinsel. Oder willst du warten, bis er es mit uns tut?«

Sekool Vrantheer sendete einen derart heftigen Zornimpuls, dass Lontheer körperlichen Schmerz empfand. Jammernd betätigte er den Feuerleitknopf. Eine Batterie Werfer richtete sich automatisch ein und nahm das Wabenschiff unter Beschuss.

Noch bevor die ersten Salven trafen, eröffnete das Craahnsschiff seinerseits das Feuer. Die Schirme beider Raumer leuchteten auf.

Sekool Vrantheer lachte hämisch. Ein einzelner Wabenraumer, auch wenn er noch so ein Gigant war, konnte dem spezialgefertigten Riesendiskus nicht gefährlich werden.

»Erhöhe die Feuerfolge!«

Obeel Lontheer gehorchte wortlos. Ununterbrochen jagten die Werfer dem Feind ihre Salven entgegen. Der Schutzschirm des Wagenraumers blähte sich auf und wurde transparent. Auf einmal schoss eine gewaltige Stichflamme aus dem Schiff. Die nachfolgende Explosion zerriss es in unzählige Teile, die kometengleich davonschwirrten.

»Was machen wir nun?«

»Dumme Frage. Wir fliehen!«

Sekool Vrantheer deutete auf den Orterschirm. Ein ganzer Pulk Wabenraumer näherte sich dem Diskus.

»Sollen wir sie nicht auch abschießen?«

»Nein, es sind zu viele.«

»Aber sie haben Proohl überfallen und unsere Artgenossen getötet«, begehrte Obeel Lontheer auf.

»Und wenn schon.« Hass glomm in Vrantheers Augen auf. »Haben uns diese Planetarier nicht immer wie Aussätzige behandelt? Es geschieht ihnen recht, dass sie sterben mussten.« Er lachte höhnisch. »Und ausgerechnet wir, die verachteten Raumvagabunden, überleben, weil wir über einen Raumer verfügen.«

Obeel Lontheer sagte nichts dazu. Er war ein geschickter Bastler und Handwerker mit großem technischem Verständnis, allerdings geistig etwas zurückgeblieben. Sein schlichtes Gemüt vermochte die makabre Situation, die Sekool so erheiterte, nicht zu erfassen.

Mittlerweile waren die ersten Einheiten der Craahns fast bis auf kritische Distanz herangekommen. Wieder gab die Raumüberwachung Alarm.

»Nun wird es langsam brenzlig«, brummte Vrantheer. »Nimm die vorderen Wabenraumer aufs Korn. Ich lasse das Schiff unter ihnen hinwegtauchen.«

Mit raschen Handgriffen nahm er einige Schaltungen vor. Im Gegensatz zu dem Gros der Proohler war er ein ausgezeichneter Pilot, der sich in kritischen Augenblicken nur ungern auf die Automatik verließ.

Der Diskus schüttelte sich leicht, als Sekool praktisch aus dem Stand heraus mit Volllast beschleunigte. Wie von der Sehne geschnellt, raste das Schiff auf die Formation der Craahns zu. Eine wabernde Lohe hüllte es ein, als die Schirme von einer Energiesalve getroffen wurden.

Ungerührt betätigte Obeel Lontheer die Werfer. Sie waren auf Abwehrfeuer eingestellt und schufen eine feurige Wand aus reiner Energie zwischen dem Diskus und den Wabenschiffen. Unverändert hielt Vrantheer den Raumer auf Kollisionskurs.

Erst als mehrere Craahnsraumer das Sperrfeuer mit flackernden Schutzschirmen durchbrachen, drückte er den Diskus steil nach unten. Die Andruckabsorber heulten überlastet auf, als er den Sturzflug abfing und in eine sanft ansteigende Kurve überleitete.

Noch mehrmals verfingen sich einige Strahlenschüsse in den Schirmen des Diskus, doch sie trafen zu schwach auf, um dem Schiff gefährlich werden zu können.

Die Wabenraumer blieben zurück. Sie waren nicht schnell genug, um den wendigen Diskus noch einholen zu können.

»Was tun wir denn jetzt, Sekool?«

Vrantheer sendete einen zornigen Impuls, der Lontheer verstummen ließ. So sehr Sekool den anderen brauchte und aufgrund seiner Fähigkeiten auch schätzte ‒ seine geringe Intelligenz, die er schlicht als Dummheit bezeichnete, ging ihm manchmal gehörig auf die Nerven.

Wortlos schaltete er den Kartenspeicher ein und fragte ihn ab. Die Automatik kam zum selben Ergebnis wie ihr Gegenstück an Bord des Diskusschiffs, das Troopal Scotheer und Napeel Tratheer befördert hatte. Und wie die beiden, kam auch Sekool Vrantheer zu dem Schluss, dass der Planet Chrootheer am geeignetsten wäre.

Kurz entschlossen ließ er den knallgelben Diskus in den Überraum hinüberwechseln. In knapp neun Stunden, so hatte die Automatik ermittelt, würde man am Ziel sein.

*

Vor dem Überfall der Craahns gab es auf Proohl eine Handvoll Raumschiffe, deren Eigner Raumfahrt im eigentlichen Sinne praktizierten. Sie landeten auf unbekannten Planeten, trieben Handel mit fremden Welten und erforschten das All.

Obwohl die exotischen Waren und Mineralien, die sie von ihren Flügen mitbrachten, auf Proohl sehr begehrt waren, behandelte man die Raumfahrer selbst als Parias ‒ als Ausgestoßene. Man versicherte sich gerne ihrer Dienste, hütete sich aber, mit diesen abartigen Proohlern näheren Kontakt zu bekommen.

Jeder zeigte die fremdartigen Gegenstände, die er eingehandelt hatte, aber es war verpönt, darüber zu sprechen, von wem man sie erworben hatte. Man wusste, dass es die Raumvagabunden, wie sie sich selbst nannten, gab, doch man ignorierte sie geflissentlich. Für einen Proohler, der auf sich hielt, war es undenkbar, Welten anzufliegen, die nicht von den Strahlen der eigenen Sonne getroffen wurden.

Sekool Vrantheer wich von dem Schönheitsideal der Proohler ab. Mit seinen zweihunderteinundfünfzig Zentimetern Körpergröße galt er als klein, und seine hagere Gestalt ließ ihn hässlich erscheinen. Seine Artgenossen hatten nie einen Hehl daraus gemacht, dass er nicht der Norm entsprach.

Im Laufe der Zeit war er missgünstig geworden und neidete den anderen ihren vollendeten Körper. Um ihnen zu zeigen, was dennoch in ihm steckte, hatte er einen geradezu krankhaften Ehrgeiz als Wissenschaftler entwickelt.

Die erzielten Erfolge reichten ihm jedoch nicht, und er wagte sich weiter vor in unerforschte Randgebiete. Eines Tages kam man dahinter, dass er verbotene Gen-Experimente durchführte. Das war das Ende des Wissenschaftlers Sekool Vrantheer.

Aus dem Forscher Vrantheer wurde der Raumfahrer Vrantheer. Zusammen mit Obeel Lontheer, den er als verspotteten Tölpel am Raumhafen aufgelesen hatte, bildete er die Besatzung des knallgelben Riesendiskus.

Das Schiff war eine Sonderanfertigung, wie sie auch von den anderen Vagabunden benutzt wurde. In Bezug auf Größe und Bewaffnung war es allen Proohlraumern überlegen. Das galt auch für den Antrieb und die übrige Ausstattung. Die Schiffe der Vagabunden verfügten sogar über eine vollautomatische kleine Klinik und über eine komplette Produktionsanlage.

Das Schiff stärkte sein Selbstgefühl, doch der Hass auf die ›normalen‹ Proohler blieb. Er wollte sie treffen, sie lächerlich machen, so, wie sie es mit ihm getan hatten. Es gelang ihm auch.

Zunehmend spezialisierte er sich darauf, irgendwelches Zeug, das auf der angeflogenen Welt im Überfluss vorhanden war, einzuladen und nach Proohl zurückzubringen. Dort schröpfte er seine Artgenossen gehörig, denn er verkaufte nur zu horrenden Preisen. Trotzdem kauften die Proohler, weil die Dinge fremd und selten waren; zudem war es nur den Wohlhabenden möglich, den geforderten Preis zu zahlen.

Seinen größten Triumph verdankte er aber nicht seinem eigenen Tun, sondern den Craahns. Sie hatten die Zivilisation auf Proohl ausgelöscht. Lediglich er, der verachtete Paria, der Vagabund, hatte überlebt. Es war nur schade, dass es keiner der verhassten ›Normalen‹ mitbekommen hatte.

*

Troopal Scotheer fuhr in die Höhe. Irgendetwas hämmerte mit solcher Vehemenz gegen die Landestützen, dass sogar die Hülle des Diskus erbebte. Noch im ersten Schrecken sandte er telepathische Impulse aus, doch er empfing nur die primitiven Instinktschwingungen der Saurier. Auch als er sich auf die unmittelbare Umgebung konzentrierte, esperte er keine fremden Mentalsignale.

Schon wollte er sich wieder schlafen legen, als das Schiff unter wuchtigen Schlägen erneut erzitterte. Nun wurde er unruhig. Rasch streifte er sich einen Umhang über und schlich auf Zehenspitzen zum Türschott.

»Wo willst du hin, Troopal?« Tratheer blinzelte schlaftrunken. »Müssen wir schon aufstehen?«

 

»Ich wollte gerade nachsehen, ob es draußen schon hell ist«, log er.

Seine Gedanken hatte er abgeschirmt. Er wollte nicht, dass Napeel sich unnötig sorgte.

Wieder donnerte etwas so heftig gegen die Stützen, dass der Diskus vibrierte. Die Frau erschrak.

»Was war das, Troopal?«

»Ich sehe nach«, sagte er entschlossen und verließ den Raum.

Kaum war er in der Zentrale angekommen, als er sämtliche Bildschirme einschaltete. Was er sah, erheiterte ihn so sehr, dass er in schallendes Gelächter ausbrach. Neben den Landebeinen standen drei massige Triceratops, die sich mit stupider Hartnäckigkeit mühten, die Stützen mit ihren mächtigen hornbewehrten Schädeln aus dem Weg zu räumen.

Tratheer war ihrem Gefährten nachgeeilt. Verwundert registrierte sie, dass er einfach im Sessel saß und lachte, obwohl die Schiffszelle abermals zum Schwingen gebracht wurde.

»Was bedeutet das?«, fragte sie befremdet.

Scotheer deutete wortlos auf einen Bildschirm.

»Warum vertreibst du die Tiere nicht? Sie werden noch das Schiff beschädigen.«

»Dazu werden sie trotz ihrer Größe wohl kaum in der Lage sein«, widersprach er noch immer lachend. »Aber ich kann es ja mal mit der Panikstrahlung versuchen.«

Es dauerte einen Moment, bis er seine Heiterkeit soweit unter Kontrolle hatte, dass er sich voll konzentrieren konnte. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass die mächtigen Horndinosaurier nicht geflohen waren. Sie versuchten nach wie vor, den Raumer mit wuchtigen Kopfstößen zur Seite zu schieben.

»Es geht nicht«, gestand er kleinlaut, »sie sind zu primitiv.«

Er gab sich einen Ruck und stand auf. »Ich verjage sie mit dem Strahler.«

Troopal Scotheer nahm seine Waffe auf und betätigte den Schleusenkontakt. Als sich das Außenschott öffnete, drangen die dumpfen Brülllaute der urweltlichen Tierriesen an sein Ohr. Er fasste den Strahler fester und trat vorsichtig an die äußere Schleusenkante.

Der Triceratops, der am nächsten stand, hob witternd den mächtigen Kopf. Als er den Proohler erspähte, trottete er näher und reckte drohend das gewaltige Gehörn empor. Sein knöcherner Nackenkamm reichte fast bis an die Einstiegsöffnung.

Schnell trat Scotheer einen Schritt zurück. Der Gigant war ihm nicht geheuer.

Aus der Sicherheit des Raumers heraus gab Troopal zwei, drei Schüsse ab. Vor den stampfenden Füßen des Sauriers fuhren die Energiebündel in den Boden und brachten ihn zum Kochen.

Aufbrüllend warf sich der Koloss herum und floh. Auch die beiden anderen Tiere ließen von dem Diskus ab und galoppierten davon.

Scotheer sah ihnen mit gemischten Gefühlen nach. In Zukunft musste man mit diesen wehrhaften Fleischbergen rechnen und leben. Zwar war auch er ein Riese von fast drei Metern, durchtrainiert und kräftig, aber gegen diese gewaltigen Saurier hatte er nichts zu bestellen. Allein der Schädel eines Triceratops maß zweieinhalb Meter, die Kopf-Rumpf-Länge mochte zehn Meter betragen; das Gewicht schätzte er auf etwa zehn Tonnen. Nein, diesen Giganten konnte man allenfalls mit dem Strahler beikommen.

Napeel trat neben ihn.

»Was stimmt dich so nachdenklich?«

»Die Größe und Kraft dieser Tiere.« Er schloss das Schott und führte seine Gefährtin in die Zentrale zurück. »Wir werden doch den Kleinstschweber benutzen. Jetzt, wo ich ein paar dieser Kolosse erlebt und aus nächster Nähe gesehen habe, halte ich es für zu riskant, ihnen zu Fuß zu begegnen. Wir müssen sie zunächst einmal eine Weile beobachten und ihr Verhalten studieren. Erst dann können wir es wagen, den Schweber im Hangar zu lassen.«

»Weißt du, ich war über deinen Entschluss, die Gegend zu Fuß zu erkunden, ohnehin nicht besonders glücklich«, gestand Tratheer. »Zwar haben wir die Informationen des Speichers, aber uns fehlt die Erfahrung im Umgang mit diesen Lebensformen.«

Troopal Scotheer strich seiner Gefährtin zärtlich über den Kopf. »Dann lass uns packen.«

Innerhalb kurzer Zeit hatten sie den Flugkörper beladen. Auf die Mitnahme eines Robots verzichteten sie, da die Kapazität des Schwebers zu gering war. Nach einem kurzen Imbiss brachen sie auf.

Die Proohler verzichteten darauf, ein Schirmfeld um das Schiff zu legen. Der Diskus war stabil genug, um mögliche Saurierattacken zu überstehen. Zudem mussten die Energiereserven des Raumers, gemessen an der proohlschen Lebenserwartung, noch rund vierhundert Jahre reichen.

Trotz seiner geringen Größe war auch der Schweber mit einer automatischen Steuerung ausgestattet. Scotheer programmierte einen Rundkurs mit einem Radius von einhundert Kilometern. Er wählte die niedrigste Geschwindigkeitsstufe und einen Bodenabstand von fünfzehn Metern.

Leise summend startete der Flugkörper. Als er die vorgegebene Höhe erreicht hatte, drehte er die Nase in südwestliche Richtung und steuerte auf den See zu. Die grüne Wand des Urwalds blieb linker Hand zurück.

Zum Bedauern der beiden Proohler besaß der Kleinstgleiter keine Aufzeichnungsgeräte. Immerhin bestand die obere Kuppel aus transparentem Material, sodass man einen direkten Ausblick hatte. Bewusst verzichteten sie darauf, den Monitor einzuschalten. Sie wollten den Planeten Chrootheer erleben, wie er war ‒ ohne das korrigierende Auge einer Optik.

Plötzlich schrie Tratheer auf. Aus den Fluten des Sees, den sie gerade überflogen, reckte sich ein schlangengleiches Wesen, das nicht aufhören wollte, zu wachsen. Alarmiert blickte Scotheer nach unten.

Was da sechs Meter aus dem Wasser ragte, war der dunkle Kopf-Halsteil eines Plesiosauriers, der genüsslich einen Fisch verspeiste. Den Gleiter musste er für harmlos halten, denn er äugte nur kurz nach oben und fraß ruhig weiter.

»Hat dich das Tier so erschreckt?«

»Ja. Was ist das für eine Art?«

»Ein Plesiosaurier, genauer gesagt ein Muraenosaurus. Er ist ein Fischfresser, der uns nicht gefährlich werden kann.«

»Chrootheer ist eine schreckliche Welt«, klagte Napeel. »Ich glaube, hier werde ich mich nie wohlfühlen.«

»Wir werden uns schon eingewöhnen«, tröstete Scotheer. »Immerhin gibt es ja auch kleine Saurier, die absolut harmlos sind.«

»Vor denen fürchte ich mich auch nicht.«

»Sieh doch!«

Unweit des Sees weidete eine kleine Herde von Iguanodons die Blätter eines Araukarienwäldchens ab. Es war erstaunlich, wie geschickt die pferdeköpfigen Riesen ihre Vorderbeine als Arme einsetzten und nach den Zweigen griffen. Sogar Nadelgrün in fünf Metern Höhe erreichten sie und bissen es mit den schnabelartigen Kiefern ab.

Ein urweltliches Gebrüll ertönte. Sofort stellten die Tiere die Nahrungsaufnahme ein und wandten sich zur Flucht. Aus der Deckung einer Baumgruppe raste ein Allosaurus heran.

Der lederhäutige Dinosaurier bot einen erschreckenden Anblick. Der massige, nach vorn gestreckte Leib wurde von zwei mächtigen Laufbeinen getragen, der lange schwere Schwanz balancierte pendelnd das Gleichgewicht aus. Der kurze Hals trug einen riesigen Schädel, der nur aus messerscharfen Zähnen zu bestehen schien.

Die Pflanzenfresser, immerhin selbst fünf Meter hoch und neun Meter lang, versuchten dem nur wenig größeren Räuber in Richtung auf den See zu entkommen. Auch sie liefen nur auf den Hinterbeinen, erreichten aber nicht annähernd die Geschwindigkeit ihres Verfolgers. Besonders ein Iguanodon fiel zurück.

Das Raubreptil neigte den Körper noch ein wenig nach vorn. Schon holten seine Vordergliedmaßen, die wie Arme mit drei langen Krallenfingern aussahen, zur Umklammerung der Beute aus.

Mitten im Lauf bohrten sich die grässlichen Krallen in den Leib des Verfolgten und hielten ihn fest. Das Tier versuchte noch, die zu steilen Stacheln umgebildeten Daumen seiner ›Hände‹ abwehrend nach hinten zu richten, doch da schlug der Räuber schon sein schreckliches Gebiss in den Hals. Blutend und mit zerbissener Kehle brach der Iguanodon zusammen.

Während der Allosaurus sein Opfer zerfleischte, verschwanden die Artgenossen des Getöteten platschend im Wasser. Sie waren ausgezeichnete Schwimmer, die mit kräftigen Schwanzschlägen der Mitte des Gewässers zustrebten.

Der Gleiter hatte sich mittlerweile so weit entfernt, dass die beiden Proohler die Szene nicht mehr genau verfolgen konnten. Troopal und Napeel konzentrierten sich wieder auf das vor ihnen liegende Gelände.

Die grasbewachsene Ebene wurde aufgelockert durch kleine Wäldchen und lichte Haine. Sie bestanden vornehmlich aus Araukarien, Zypressen und Bennettitales, palmfarnartigen Nadelbäumen. Zwischen ihnen wuchsen vereinzelt riesige Farne und Mammutbäume.

Am Horizont tauchten die Umrisse eines Gebirges auf. Troopal schaltete die Teleoptik ein. Das den Bergen vorgelagerte Gelände bestand aus Steppe und steiniger Wüste. Der felsige Untergrund trug nur kümmerlichen Pflanzenwuchs. Das ganze Gebiet wirkte nicht besonders einladend.

Der Proohler deaktivierte das Gerät wieder und blickte aus der Kuppel. Schräg unter dem Schweber rannte eine Gruppe Zölurosaurier davon. Sie bewegten sich wie Strauße, und irgendwie sahen die knapp zwei Meter großen Tiere auch aus wie eine Kreuzung zwischen Strauß und Känguru.

Im Gegensatz zu den grau-braunen Kolossen waren sie auffällig gezeichnet. Die Grundfarbe war ein leuchtendes Blaugrün, vom Schädelkamm bis zum Schwanzansatz zog sich ein gelbes Band.

Dass die bunte Färbung durchaus ihren Sinn hatte, erkannte Scotheer, als die Saurier in ein offenes Wäldchen eindrangen. Sie waren auf einmal verschwunden. Die Wechselwirkung von Licht und Schatten löste die Konturen auf und machte die Tiere unsichtbar.

Der Flugkörper hatte inzwischen die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Fast unmerklich änderte sich die Szenerie. Die Nadelbäume wurden seltener, dafür traten Schachtelhalme, Schuppen- und Siegelbäume in den Vordergrund.

Automatisch ließ die Steueranlage den Schweber auf sechzig Meter Höhe klettern. Das war nötig, weil etliche dieser Baumriesen fünfzig Meter emporragten. Nach und nach verschwanden auch diese Giganten und machten bleichen Stelzenbäumen und überdimensionalen Riesenpilzen Platz, die im Sumpf wurzelten.

Eine Herde Brontosaurier platschte durch das schlammige Wasser und weidete Sumpfpflanzen ab. Über ihnen kreisten mit trägen Schlägen ihrer ledrigen Schwingen einige Pterosaurier. Die gut zwanzig Meter langen Fleischberge unten im Morast beachteten die Flugechsen nicht, anders Troopal.

Die lachsfarbenen Ungeheuer besaßen eine Flügelspannweite von acht Metern; sie konnten dem Schweber durchaus gefährlich werden. Rasch beschleunigte er und ließ die Maschine auf einen halben Kilometer Höhe emporsteigen.

Napeel saß verkrampft in ihrem Sitz und blickte ihren Gefährten mit schreckgeweiteten Augen an. Troopal sendete einen beruhigenden Impuls.

»Sobald wir den Sumpf hinter uns gelassen haben, halten wir nach einer übersichtlichen Stelle Ausschau und landen«, sagte er. »Dort werden wir einige Proben aufnehmen und analysieren.«

»Lass uns direkt zum Schiff zurückfliegen«, bat Napeel. »Diese Tiere ängstigen mich.«

»Aber dann wäre unsere Exkursion gänzlich umsonst gewesen«, wandte Scotheer ein. »Wir wollten doch Pflanzen und Früchte daraufhin untersuchen, ob sie unserem Organismus zuträglich sind.«

»Ein andermal, Troopal. Ich käme um vor Angst, wenn ich auf dem Boden stehen und jeden Augenblick damit rechnen müsste, dass mich eine Flugechse aus der Luft angreift oder hinter einer Buschgruppe ein Raubsaurier hervorbricht.«

»Nun gut.«

Scotheers Zustimmung war nicht ganz uneigennützig. Auch er empfand einen gelinden Schauder bei dem Gedanken, zu Fuß von einem der gigantischen Räuber überrascht zu werden.

»Vorerst reichen unsere Vorräte ja noch.«

Seiner Programmierung entsprechend war der Gleiter wieder auf fünfzehn Meter heruntergegangen und flog mit Minimalgeschwindigkeit. Troopal beließ es dabei. Wenn der eigentliche Zweck schon nicht erfüllt wurde, konnte man wenigstens die Tiere und die Landschaft studieren.

Plötzlich zuckte er zusammen.

»Napeel, ich habe gerade Gedankenfetzen aufgefangen. Sie stammen von Proohlern!«

Die Frau sah ihn ungläubig an.

»Kamen sie vom Planeten?«

»Nein, aus dem Raum. Es muss ein Raumschiff sein, das sich Chrootheer nähert.«

Er lehnte sich zurück und lauschte mit seinen telepathischen Sinnen hinaus ins All. Tratheer tat es ihm nach.

›Sekool, ist dieser Planet bewohnt?‹, vernahmen sie.

 

›Wenn du Saurier als Bewohner bezeichnen willst ‒ ja.‹

›Dann können wir diesen Sauriern ja unsere Ladung verkaufen.‹

›Du bist und bleibst ein ausgemachter Dummkopf, Obeel. Saurier sind primitive Tiere, nichts weiter. Und jetzt höre mit deinem Geschwätz auf, ich muss mich auf die Landung konzentrieren.‹

»Es muss sich um die Vagabunden Sekool Vrantheer und Obeel Lontheer handeln«, sagte Scotheer, als er die Augen wieder öffnete. »Nur diese Händlerschiffe haben stets Ladung an Bord!« Er lehnte sich nachdenklich zurück. »Mir wäre es lieber, wenn es andere Proohler wären als ausgerechnet diese Parias.«

»Immerhin gehören sie zu unserer Rasse«, entgegnete die Frau. »Und vergiss nicht, dass die alten Normen keine Gültigkeit mehr haben. Wir sind die Letzten unseres Volkes. Zu viert wird es bestimmt einfacher sein, in dieser Wildnis zu überleben.«

»Mit den Möglichkeiten des Vagabundenraumers ganz sicher.«

»Dann lege deinen Dünkel ab und heiße sie zusammen mit mir willkommen, ehemaliger Planetarischer Rat Troopal Scotheer!«

»Ich habe ein ungutes Gefühl, Napeel. Nach allem, was ich von Sekool Vrantheer gehört habe, ist er nicht gerade jemand, den man zum Freund haben möchte.«

»Aber zum Feind willst du ihn dir auch nicht machen, oder?«

Troopal Scotheer gab sich geschlagen. Gemeinsam mit seiner Gefährtin schickte er einen telepathischen Willkommensgruß ins All.

*

›Herzlich willkommen auf Chrootheer, Sekool Vrantheer und Obeel Lontheer. Wir ‒ Troopal Scotheer und Napeel Tratheer ‒ freuen uns, dass es noch Proohler gibt, die den Craahns entkommen sind.‹

Sekool Vrantheer, der konzentriert die Schaltungen bediente, war wie vom Donner gerührt, als er die Sendung empfing. Da hatten es zwei Proohler doch geschafft, dem Angriff der Insektoiden zu entkommen, aber dass es ausgerechnet ein Planetarischer Rat und seine Gefährtin sein mussten …

Eine Frau! Vrantheers Augen glitzerten tückisch. Rasch schirmte er sich ab. Niemand, auch Obeel nicht, brauchte zu wissen, welch kühne und zugleich finstere Gedanken durch seinen Kopf gingen.

»Sekool, hast du es auch geespert? Dort unten leben Proohler. Sogar eine Frau ist dabei!«

Alarmiert blickte Vrantheer auf.

»Was heißt das: ›Sogar eine Frau ist dabei‹?«

»Vielleicht mag sie mich. Vielleicht mag sie mich sogar mehr als diesen Troopal Scotheer. Und dann werde ich ihr Gefährte und …«

»Schluss mit dem Unsinn, Obeel«, sagte Sekool Vrantheer barsch. »Du wirst Napeel Tratheer in Ruhe lassen, schließlich hast du dich noch nie für Frauen interessiert. Geh jetzt in die Küche und stelle ein üppiges Mahl zusammen, damit wir unsere neuen Freunde nach der Landung entsprechend bewirten können.«

Lontheer trollte sich gehorsam. Vrantheer sah ihm aus zusammengekniffenen Augen nach. Ausgerechnet dieser Dummkopf, den er aufgrund seiner Einfalt immer für ein geschlechtliches Neutrum gehalten hatte, erwies sich nun auf einmal als Konkurrent um die Gunst der letzten Proohlerin. Gewiss, Obeel sah besser aus als er, aber was machte das schon? Wer wollte einen solchen Tölpel wie Lontheer zum Gefährten?

Nein, ein ernsthafter Nebenbuhler war er nicht, dazu war seine geistige Kapazität zu gering; dennoch beschloss er, ihn im Auge zu behalten.

Sekool Vrantheer schaltete den Autopiloten ein. Er war augenblicklich zu erregt, um selbst zu steuern. Nach einer Weile hatte er sich wieder soweit unter Kontrolle, dass er telepathischen Kontakt mit den beiden Proohlern auf Chrootheer aufnehmen konnte, ohne sich durch einen unbedachten Gedanken zu verraten. Mit einem Höchstmaß an Konzentration sendete er einige Gruß- und Dankesimpulse.