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JANUAR

25

Kuscheln

Na, sind Sie auch so ein Kuschler? Jemand, der andauernd kuscheln will und nichts mehr genießt als Nähe, Hautkontakt und ausführliche Streicheleinheiten? Ich bin einer. Ein echter Powerkuschler. Und wenn es im Radio Kuschelmusik gibt, schmiege ich mich eng an meine Frau und höre ganz gemütlich zu. Mmh.

Ich begreife gar nicht, dass es so viele Kuschelmuffel gibt. Irgendwie ist Kuscheln für mich der Inbegriff von Vertrautheit. Schließlich lehnt man sich ja nicht bei jedem an. Wenn ich kuschele, dann verlasse ich meinen Schutzraum und gebe meine ganze Verletzlichkeit in die Hände meiner Liebsten. Ich kuschele einfach gerne mit meiner Frau. Ich kuschele auch gerne mit meinen Kindern, natürlich auf andere Weise. Kuscheln und Schmusen gehören in eine Familie hinein.

Als Jesus einmal erzählte, wie man mit Gott umgehen soll, sagte er: »Nennt ihn Papa!« Ja, Papa. Das war schon damals eine ganz liebevolle, persönliche und kuschelige Bezeichnung. Ist doch eine nette Vorstellung: Glauben ist so etwas wie Kuscheln mit Gott. Da geht es auch darum, seinen Schutzraum zu verlassen und sich jemandem anzuvertrauen. Sich mit seinen Schwächen in die Hände Gottes zu begeben und sich von ihm die Seele streicheln zu lassen.

Insofern kann man nur allen, die immer noch ein irgendwie fernes, übermächtiges oder gar bedrohliches Gottesbild mit sich herumschleppen, sagen: Jesus hat Mut gemacht, mit Gott zu kuscheln. Das finden Sie ungewöhnlich? Ich nicht. Ich bin ja ein Powerkuschler. Den Helden spielen, das kann ich woanders.

JANUAR

26

Alice

Eigentlich wollte der junge Mann nur einen Ausflug mit dem Ruderboot machen. Zusammen mit drei Schwestern. »Doch ach! Die drei vereinten sich, den müden Freund zu quälen. Sie trieben ihn, sie drängten ihn, ein Märchen zu erzählen.« So jedenfalls beschreibt der Mann diesen denkwürdigen Tag später selbst. Denn das Märchen, das er sich spontan ausdachte, wurde ein Welterfolg.

Der Mann heißt Lewis Carroll – und seine Geschichte »Alice im Wunderland«. Kennen Sie bestimmt. Die Titelheldin folgt während eines langweiligen Picknicks einem weißen Kaninchen in dessen Bau und landet dort in einer traumartigen Welt voller Paradoxien und Absurditäten. Zum Beispiel trifft sie auf eine Grinsekatze, von der irgendwann nur noch das Grinsen übrig bleibt, auf einen verrückten Hutmacher, eine nie endende Teegesellschaft und ein menschliches Kartenspiel.

Und diese verrückten Abenteuer von Alice begeisterten bald so viele, dass sie innerhalb kurzer Zeit auch der Star von Opern, Theaterstücken, Liedern und weiteren Büchern wurde. Ja, es ist sogar eine psychische Erkrankung nach ihr benannt. Beim »Alice-im-Wunderland-Syndrom« nehmen die Erkrankten ihre Umwelt verändert wahr. Größer, kleiner, bunter oder einfach ganz anders.

Lewis Carroll, der übrigens morgen Geburtstag hat, liebte es, die Welt mal mit anderen Augen zu betrachten. Warum auch nicht? Ich meine: Tun wir das nicht ohnehin andauernd? Die Welt unterschiedlich wahrnehmen? Der Klassenkämpfer sieht überall Ungerechtigkeit, der Hundeliebhaber überall Hunde, der Kapitalist überall Chancen zum Geldverdienen – und der Glaubende, der sieht die Gegenwart eines liebevollen Gottes. Entscheidend für mich ist: Was davon macht stark?

JANUAR

27

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. Januar 1945 kommen die Soldaten der Roten Armee auf das Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz – und finden dort nicht nur 8 000 völlig ausgemergelte Gefangene, sondern auch die eindeutigen Spuren einer perfiden Vernichtungsmaschinerie vor. In Auschwitz wurden über Jahre hinweg Menschen systematisch getötet, mit einer Grausamkeit, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entzieht. Heute ist der Tag der Befreiung von Auschwitz, der offizielle »Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus«.

Später, bei der Aufarbeitung dieses fürchterlichen Verbrechens, haben viele Menschen eine wichtige und kluge Frage gestellt: »Kann man nach Auschwitz eigentlich noch an Gott glauben?« Nach all diesem Grauen, dieser perversen Ideologie und diesem Leid?

Ich habe auf diese Frage nicht DIE Antwort, aber ich habe meine Antwort: Nach Auschwitz ist es nötiger denn je, dass wir an Gott glauben. Ja, es ist nötig, dass wir an diesen Gott glauben, von dem es heißt, dass er alle Menschen liebt – und für den alle gleich würdig sind, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung.

Der Nationalsozialismus war ein durch und durch atheistisches System, aber ich weiß natürlich, dass auch im Namen Gottes viel zu viel Unrecht geschehen ist. Für mich ist die Frage deshalb nicht, ob man nach Auschwitz noch an Gott glauben kann, sondern ob wir endlich in der Lage sind, das Liebesgebot Gottes ernst zu nehmen. Denn eines kann man mit Sicherheit sagen: Ein Glaube ist nur dann groß, wenn er den anderen respektiert und achtet.

JANUAR

28

Datenschutztag

An einem 28. Januar 2006 wurde die »Europaratskonvention 108« unterzeichnet. Und weil sich die EU-Staaten mit dieser Konvention verpflichten, die Persönlichkeitsrechte des Menschen bei der Datenverarbeitung zu wahren, ist heute der »Europäische Datenschutztag«. Ja, heute dürfen sich alle mal Gedanken machen, was die massenhafte Speicherung persönlicher Daten eigentlich für Konsequenzen hat – und wie man möglichen Missbrauch unterbindet.

Was passiert zum Beispiel, wenn man beim Googlen oder in einem der vielen Internetforen nicht nur die Farbe meiner aktuellen Unterhose, sondern auch sonstige intime Informationen, unschöne Bilder oder meinen Kontostand findet? Will ich, dass andere alles über mich erfahren können, oder brauche ich eine gewisse Privatsphäre, in der ich sicher bin? Sprich: Wen lasse ich an mich heran? Und wen nicht?

Nebenbei: Der liebe Gott ist, was Datenschutz angeht, ein ganz besonderer Fall. Einerseits heißt es in den Psalmen der Bibel: »Du, Gott, weißt alles über mich. Ja, du kanntest mich schon, ehe ich überhaupt geboren wurde.« Da ist also nichts mit Privatsphäre. Und manchem war und ist das sogar unangenehm: »Was, Gott sieht alles und weiß alles? Oje.« Das ging so weit, dass Leute sogar anfingen, sich vor Gott zu fürchten. »Wenn der sieht, wie ich wirklich bin, dann gnade mir Gott.«

Genau! Denn das ist die andere Seite: Gottes Gnade. Dass Gott alles über mich weiß, ist nach christlichem Verständnis nämlich kein Nachteil. Ein Gott, dessen Gnade größer ist als alle menschlichen Makel, darf ruhig alles wissen. Und – unter uns: Er verrät es nicht weiter.

JANUAR

29

Der Besuch der alten Dame

Zürich, 29. Januar 1956. Der Vorhang hebt sich – und es beginnt die Uraufführung eines Stückes, das Theatergeschichte schreiben wird: »Der Besuch der alten Dame« von Friedrich Dürrenmatt.

Tolle Story. Eines Tages kehrt eine alte Dame zurück in ihre Heimatstadt. Sie ist inzwischen reich geworden und will sich an denen rächen, die sie in ihrer Jugend schlecht behandelt haben. Also macht sie den Bewohnern ein äußerst unmoralisches Angebot: »Ihr bekommt eine Milliarde, wenn ihr meinen früheren Liebhaber ermordet.« Was?

Natürlich sind alle zuerst unglaublich empört. So eine bodenlose Unverschämtheit. »Was bildet die sich ein?« Na, obwohl … Nach und nach erliegen die Leute der Verlockung des Geldes, und plötzlich ist das mit dem Mord gar nicht mehr so undenkbar.

»Der Besuch der alten Dame« entlarvt frech und satirisch die Scheinmoral, die Käuflichkeit und den Egoismus von Menschen. Zudem stellt das Stück natürlich unverhohlen eine ziemlich verfängliche Frage: »Wie weit würden wir eigentlich gehen, wenn nur der Preis stimmt?« Sprich: Sind wir käuflich? Sind wir bereit, andere oder etwas von uns selbst zu opfern, nur weil das Geld lockt?

Ich behaupte mal: Käuflich ist jeder, der das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Wer dagegen grundsätzlich zufrieden ist, der wird seine Moral nicht für Geld verkaufen. Letztlich fragt deshalb »Der Besuch der alten Dame« auch, was uns in unserem Leben trägt und woran wir eigentlich glauben. Spannende Frage.

JANUAR

30

Windows Vista

Der 30. Januar 2007 war ein echter Festtag für alle Microsofties. Denn von diesem Tag an gab es Windows Vista endlich auch für Endanwender. Die angeblich »völlig neue« Benutzeroberfläche für PCs, auf der nun wirklich alles optimiert sein würde. Microsoft verkündete damals stolz: »Mit Windows Vista steht das sicherste, stabilste und komfortabelste Windows aller Zeiten zur Verfügung.« Wow!

Äh, Moment mal. »Aller Zeiten«? Von heute bis in Ewigkeit? Das habe ich doch schon mal gehört. Drei Jahre früher. Und erst letztes Jahr wieder. Als mein Computer auch der schnellste, beste, festplattengigantischste und multimedialste von allen war. Heute werde ich für meine veraltete, lahme Kiste von echten Computerfreaks nur noch müde belächelt. Und ich wette, spätestens in einem Jahr gibt es ein neues Softwarepaket, das dann endgültig »das sicherste, stabilste und komfortabelste Windows aller Zeiten« wird. Zumindest für die nächsten drei Wochen.

 

Irre, oder! Kaum hat man ein neues Computerprogramm installiert, ist es schon veraltet. Und das Beste ist immer die nächste Version. Man darf also nie zufrieden sein. Es wird ja immer besser. Und besser. Und noch besser.

Kein Wunder, dass sich der christliche Glaube in so einer Zeit manchmal etwas schwertut. Denn er sagt: Das Allerbeste, was einem Menschen widerfahren kann, ist schon passiert. Damals, als Jesus auf die Welt kam und den Menschen Gottes Liebe brachte. Gut, das sicherste, stabilste und komfortabelste Leben gibt es mit dieser Liebe vielleicht nicht, aber das erfüllendste und glücklichste allemal. Und das gilt dann tatsächlich für alle Zeiten.

JANUAR

31

Bibelsonntag

Am letzten Sonntag im Januar ist immer Bibelsonntag. Das ist der Sonntag, an dem sich evangelische, katholische und orthodoxe Christen darauf besinnen, dass sie bei allen Unterschieden die gleiche Grundlage haben, nämlich die Bibel.

Natürlich kann man endlos darüber streiten, ob Gläubige einen Papst brauchen, wie man das Abendmahl versteht und ob Frauen ein geistliches Amt innehaben dürfen, aber die Bibel gilt in allen Kirchen als entscheidende Quelle der Erkenntnis. Und dieses verbindende Element soll an diesem Tag besonders hervorgehoben werden.

Dazu hat man kürzlich, wie ich finde, eine besonders passende biblische Geschichte als Leitmotiv ausgewählt – die vom Kampf des Urvaters Jakob gegen Gott. Haben Sie vielleicht schon mal gehört. Jakob kommt an einen einsamen Fluss, an dem ihn eine dunkle Gestalt zum Kampf auffordert. Und je länger Jakob mit dem Fremden ringt, desto deutlicher wird ihm: Hier habe ich es mit Gott zu tun. Doch diese Erkenntnis spornt ihn nur noch umso mehr an. Bis er am Ende sagt: »Ich werde nicht eher aufhören zu kämpfen, Gott, bis du mich segnest.« (Ausführlich erzähle ich diese Geschichte am 20. Februar.)

Eigentlich ist damit doch alles gesagt, oder? Echter Glaube hat damit zu tun, dass man mit Gott ringt. Ihm nahekommt. Ihn nicht in Ruhe lässt. Solange nicht aufgibt, bis man seinen Segen spürt. Ganz gleich, in welcher Konfession.

FEBRUAR

1

Lifestyle

Haben Sie eigentlich »Lifestyle«? Ich meine: Der gute deutsche »Lebensstil« ist offensichtlich etwas ganz anderes. Jeder Mensch hat irgendeinen Lebensstil, egal ob arm oder reich, reaktionär oder topmodern. »Lifestyle« scheint dagegen weit darüber hinauszugehen, zumindest, wenn man den dazugehörigen Magazinen trauen darf.

Ich bekenne leicht beschämt: Ich habe keine Ahnung, ob ich Lifestyle habe oder nicht, und wahrscheinlich disqualifiziert mich genau diese Unkenntnis. Also: Ich hätte ihn natürlich gerne, weil das so nach Klasse und Niveau klingt – Mann, der hat Stil! Ich war sogar bei der Farb- und Stilberatung und weiß nun, dass ich ein elegant-sportlicher Herbst-Typ bin. Daraufhin habe ich meinen halben Kleiderschrank weggeschmissen und mir teure Klamotten in erdig-warmen Tönen gekauft. Jetzt sehe ich zwar besser aus, aber ob ich auch mehr Lifestyle habe, ist mir immer noch unklar.

Ich frage mich, ob das Wort »Lifestyle« nicht ein Widerspruch in sich ist: Entweder jemand lebt authentisch und stimmig, oder er pflegt einen bestimmten Stil, der allzu oft nichts mehr mit seinem eigentlichen Sein zu tun hat. Kann und darf man einem Menschen einen Stil verpassen, der gar nicht seinem Wesen entspricht? Ich jedenfalls freue mich, wenn Menschen das, was in ihnen steckt, kunstvoll ausleben, aber es graut mich, wenn ich aufgeputzte Fassaden sehe.

Zu Jesus kam mal ein junger Mann, der nicht nur alles hatte, sondern auch alles richtig machte. Voll im Trend des Jahres 30 nach Christus. Dem sagt Jesus: »Du musst kapieren, dass all das, was du an Lifestyle aufgebaut hast, genau das ist, was zwischen dir und Gott steht.« Mmmh.

Es ist leicht, die Frage nach dem Sinn des Lebens mit Lifestyle zuzukleistern. Und trotzdem der falsche Weg. Ihren persönlichen Lebensstil dagegen gestalten Sie am besten richtig genüsslich aus.

FEBRUAR

2

Murmeltiertag

Heute ist »Murmeltiertag«. Jo! Zum weit über 100. Mal wird das Murmeltier Phil in Punxsutawney aus dem Winterschlaf geweckt. Und wie immer gilt: Wenn es dabei seinen Schatten sieht, wird der Winter noch einige Wochen dauern. Sieht es seinen Schatten nicht, dann steht der Frühling vor der Tür.

Berühmt wurde dieser abgefahrene Kulttag durch den Film »Und täglich grüßt das Murmeltier«, in dem Bill Murray als genervter, überarbeiteter Meteorologe in eine Zeitschleife gerät und den gleichen Tag immer und immer wieder erlebt. Murmeltiertag, Tausende Male hintereinander.

Und dieser Kerl, der schon durch die Routine seines normalen Alltags angeödet war, erfährt, was es bedeutet, wenn man eine zweite, dritte, vierte, tausendste Chance bekommt. Zuerst will er es nicht wahrhaben, dann versucht er sich aus lauter Verzweiflung umzubringen – und plötzlich passiert das kleine Wunder: Er fängt an, im immer Gleichen das Wertvolle und Schöne zu entdecken. Jeder Tag stellt ihm zwar exakt dieselben Voraussetzungen zur Verfügung, aber es liegt an ihm, was er aus diesem Tag macht. Und er beginnt, seine Chancen zu nutzen, lernt Klavier spielen und wird Künstler. Vor allem aber versöhnt er sich – mit sich und der Welt.

Und siehe da: Plötzlich wird er sogar für die Frau interessant, die er vorher Hunderte Male vergeblich in 24 Stunden rumkriegen wollte. Und wie das in schönen Geschichten so ist: Als er geliebt wird, fällt auch der Fluch von ihm ab. Happy End.

Irgendwie ist der Film ein großes Gleichnis. Wenn jemand aus Alltagsfrust Lebenslust machen kann, dann geht es ihm gut. Das hat übrigens schon Jesus gesagt: »Sorge dich nicht um morgen. Kümmere dich erst mal um die kleinen Dinge von heute.«

So, und jetzt werden wir mal abwarten, was das Murmeltier heute sieht.

FEBRUAR

3

The day the music died

»The day the music died.« Der Tag, an dem die Musik starb. Der ist heute, der 3. Februar. Zumindest für echte Rock-’n’-Roll-Fans. Denn 1959 stürzte am 3. Februar ein Flugzeug ab, in dem gleich drei begnadete Musiker saßen: Buddy Holly, Ritchie Valens und Jiles Perry Richardson, den alle nur »The Big Bopper« nannten. Nicht nur eine menschliche, sondern auch eine künstlerische Katastrophe.

Die Musiker waren gerade auf einer Tournee, und weil die Heizung im Tourbus kaputt war, hatte Buddy Holly kurzfristig die kleine Maschine mit drei Plätzen gechartert, um zum nächsten Auftritt zu fliegen. Ritchie Valens bekam überglücklich den zweiten Platz. Er hatte mit einem Kollegen eine Münze geworfen – und gewonnen. Und »The Big Bopper« flehte, mitfliegen zu dürfen, weil er ohnehin schon so schrecklich erkältet sei.

Spöttisch sagte Buddy Holly zu den übrigen Musikern, die im kalten Bus fahren mussten: »Na, ich hoffe, der Bus friert jetzt endgültig ein.« Woraufhin einer lachend erwiderte: »Hey, ich hoffe, euer Flugzeug stürzt ab.« Uah!

Soll man deswegen nicht mehr fliegen? Nein, es hätte ja auch der Bus verunglücken können. Die Geschichte von den drei Rock-’n’-Roll-Legenden macht vor allem eines deutlich: wie wenig wir Herr über Leben und Tod sind.

Die Bibel sagt schlicht: »Wer sich darüber klar ist, dass er sterben muss, wird klüger.« Und das heißt nicht, jedes Risiko zu vermeiden, sondern intensiv und leidenschaftlich zu leben. Und da sind sich Glaube und Rock ’n’ Roll auf einmal sehr ähnlich.

FEBRUAR

4

Dietrich Bonhoeffer 1

Heute wird weltweit in Gottesdiensten, Feiern und Gedenkveranstaltungen ein Mann geehrt, der am 4. Februar 1906 geboren wurde und als Leitfigur des 20. Jahrhunderts gilt: Dietrich Bonhoeffer.

Nun könnte man denken: »Na klar, der war eben einer der engagiertesten Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Ein kluger Theologe, den die Nazis eingesperrt und dann eiskalt hingerichtet haben.« Doch die ungebrochene Faszination, die von Bonhoeffer ausgeht, hat noch einen ganz anderen Grund: Er war ein Idealist, einer, der das, was er glaubte, wirklich lebte.

Zum Beispiel hätte er mehrfach die Möglichkeit gehabt, zu fliehen und im Ausland ein richtig angenehmes Leben zu führen. Aber: Er hat es nicht gemacht. Er kam immer wieder nach Deutschland zurück, weil er hier für sein Ideal einer freien Gesellschaft kämpfen wollte. Das war ihm sogar wichtiger als das Überleben. Er wusste genau: Wofür es sich nicht zu sterben lohnt, lohnt es sich auch nicht zu leben.

Was gibt einem Menschen so eine Kraft? Bei Dietrich Bonhoeffer ist das leicht zu beantworten. Er fühlte sich bei Gott geborgen. Und sein Glaube war stärker als all die schmerzvollen Erfahrungen. Das aber ist etwas, was sich Menschen schon immer wünschen.

Wissen Sie, was Bonhoeffer dabei selbst verblüfft hat? Sogar die Gefängniswärter sprachen ihn auf seine unglaubliche Gelassenheit an. Offensichtlich strahlte er die auch dann aus, wenn er sich gar nicht so fühlte. In einem Gedicht hat er diese wundersame Erfahrung so zusammengefasst:

»Wer bin ich? Sie sagen mir, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!«

FEBRUAR

5

ÖPNV

Ich habe früher gerne über Amerikaner gelästert, also die, die sogar zum Klo mit dem Auto fahren. Heute muss ich mich selbst dazu zwingen, den Öffentlichen Personennahverkehr – also: Straßenbahn, Bus oder U-Bahn – zu benutzen. Ich brauche in der Regel damit länger, finde es schweißfreundlich und ungemütlich, in den unterirdischen, vorhöllenartigen Gangsystemen ist mir nie so ganz geheuer, und wenn es dann auch noch regnet auf dem Weg zur Haltestelle … ähm.

Zum Glück für die Betreiber dieser Systeme sorgen die Parkplatznot, die verstopften Straßen und die Ampelschaltungen bei mir tatsächlich für ein ungewolltes Umdenken. Warum auch nicht? In anderen Ländern ist das selbstverständlich.

Neuerdings mache ich aus der Not eine Tugend und beobachte unauffällig die Menschen auf den Sitzbänken: den müden Arbeiter, das knutschende Pärchen, die lauten Punker, das klapprige Ömchen, die giggelnden Freundinnen und den tätowierten Typen mit dem Hund, neben den sich keiner setzen will, obwohl es so voll ist. Faszinierend.

Es ist wie eine Ausstellung von Lebensmodellen, -typen und -konzepten. Vor allem leben die alle völlig anders als ich. Und ich merke: Ich würde gern mehr über diese Menschen erfahren. Nur kommt man sich ja im Personennahverkehr leider nie besonders nah. Meine Frau ist da übrigens mutiger: Aus irgendeinem Grund führt sie selbst auf Kurzstrecken mit Leuten sofort intensive Gespräche.

Im Neuen Testament wird die Geschichte von einem Jünger Jesu erzählt, der auf einer kurzen Kutschfahrt mit dem Außenminister eines fernen Landes ins Gespräch kommt. Und plötzlich passiert Folgendes: Der einfache Arbeiter Philippus kann dem Politiker eine lebenswichtige Frage beantworten, woraufhin sich dieser bekehrt. Siehe da! Vielleicht brauchen wir beim Nahverkehren mehr Mut zum Reden. Gute Fahrt!