Moment mal!

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JANUAR

13

Philipp Jakob Spener

»Ihr Lieben. Glaube, das hat nicht nur was mit dem Kopf zu tun, sondern vor allem mit dem Herzen – und mit dem Handeln im Alltag.« Sagt Philipp Jakob Spener. Ein Frankfurter. Wie ich! Na, zumindest hat Spener viele Jahre in Frankfurt gelebt.

Und irgendwie fand der aufmüpfige Pfarrer die Kirche seiner Zeit nicht so prickelnd. Die Christen waren ihm nicht leidenschaftlich genug, so mutlos, so wenig überzeugend. Vor allem aber hatten sie überhaupt keine Ahnung, was sie da eigentlich glaubten. Also setzte sich Spener hin und schrieb ein Buch, das zu einem Bestseller wurde: »Pia desideria«, zu Deutsch: »Fromme Wünsche«.

Und darin hielt er mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Es wäre doch schön, wenn die evangelische Kirche lebensnaher wäre, die Gläubigen selbstbewusster aufträten und … ja, wenn die Gemeinden einfach – im positiven Sinne – etwas frömmer würden. Das war Ende des 17. Jahrhunderts. Und Spener selbst wurde mit seinen »Frommen Wünschen« zum »Vater des Pietismus«, einer weltweiten geistlichen Bewegung, deren Sehnsucht nach mehr lebendiger Glaubenspraxis weiterlebt.

Heute hat der berühmte Theologe Geburtstag. Und wenn er da einen Wunsch freihätte, würde er bestimmt aus dem Himmel leise flüstern: »Hey, die Kirche verändern, das geht nicht von oben, das geht nur von unten. Ihr alle seid gefragt. Entdeckt, was Glauben heißt, und dann feiert tolle Gottesdienste.«

Herzlichen Glückwunsch, Philipp Jakob Spener.

JANUAR

14

Albert Schweitzer

Der Mann hatte gleich mehrere vielversprechende Karrieren vor sich, als Professor, als Pfarrer, als Orgelvirtuose und als Kulturphilosoph. Doch er entschied sich, zum Erstaunen seiner Freunde, nachträglich Medizin zu studieren, um in Gabun als Missionsarzt zu arbeiten: Albert Schweitzer, dessen Leben vor Kurzem als Film in den Kinos präsentiert wurde und der heute Geburtstag hat.

Bekannt wurde Schweitzer, das Multitalent, aber vor allem durch eines: seine »Ehrfurcht vor dem Leben«. Irgendwann, beim Kanufahren in Afrika, hatte der Urwalddoktor nämlich eine Eingebung: Moment mal. »Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.«

Alle Geschöpfe dieser Erde verbindet der Wille, am Leben zu bleiben und das Dasein angenehm zu gestalten. Und wer das erkennt, der wird keinem anderen Schaden zufügen. Der wird »Ehrfurcht vor dem Leben« entwickeln. 1952 erhielt Albert Schweitzer für diesen Traum den Friedensnobelpreis.

Natürlich sah er als Christ die Welt ohnehin aus einem besonderen Blickwinkel. Für ihn war klar, dass es einen Gott gibt, der alles erschaffen hat. Und wenn in jedem Geschöpf etwas von diesem Schöpfer sichtbar wird, dann kann man ja gar nicht anders, als es ehrfürchtig zu behandeln.

Schweitzer selbst hat in seinem Urwaldhospital in Lambarene liebevoll gezeigt, wie man diese Ehrfurcht umsetzen kann. Indem man zum Beispiel auch Leprakranken mit Hochachtung begegnet. Der Name »Lambarene« war dabei übrigens Programm. Er bedeutet in der Sprache der Einheimischen: »Versuchen wir’s!«

JANUAR

15

Martin Luther King

»I have a dream.« Ich habe einen Traum. Mit diesen vier schlichten Worten ist Martin Luther King berühmt geworden, der schwarze Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler, dem es gelang, die Rassenschranken in Amerika immer weiter abzubauen. Und das gewaltfrei. 1964 wurde er dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

»I have a dream.« Ich habe einen Traum. »Dass eines Tages die Söhne früherer Sklaven und die Söhne von Sklavenhaltern an einem Tisch sitzen werden.« Das hat Martin Luther King 1963 gesagt. In Washington, vor dem Lincoln Memorial. Vor 250 000 Demonstranten. »Ich träume, träumt mit mir.«

»I have a dream.« Und irgendetwas ist da passiert. Die Zuhörer haben nämlich nicht einfach den Traum von Martin Luther King übernommen. Nein, er hat einen Traum geweckt, der irgendwo in ihnen darauf wartete, angesprochen zu werden. Er hat den Leuten Mut gemacht, wieder an ihre eigenen Träume zu glauben.

»I have a dream.« Das Verrückte ist: Die Welt braucht keine Vorträumer. Sie braucht Menschen wie Martin Luther King, die uns helfen, unsere eigenen Träume wiederzuentdecken. Und dann etwas zu bewegen. Etwas zu verändern. Wieder an etwas zu glauben. An uns. Und an Gott. Zumindest war das dem Baptistenpastor King unglaublich wichtig.

Echte Träumer träumen nicht nur, sie verändern die Welt: »Ich have a dream.« Heute hätte Martin Luther King Geburtstag gefeiert. Hätte man ihn nicht 1968 erschossen. Nur seinen Traum, den konnte man nicht erschießen. Der lebt weiter.

JANUAR

16

Art’s Birthday

Morgen ist ein historischer Tag. Ja, es war nämlich an einem 17. Januar vor etwa 1 000 050 Jahren. Damals legte ein Frühmensch einen trockenen Schwamm in ein Gefäß mit Wasser, und als dieser Schwamm anfing, sich vollzusaugen, aufzugehen und die Form zu verändern, erkannte der staunende Mensch: »Hey, das ist ja … Kunst. Es gibt Kunst. Man kann Dinge gestalten. Mann, es ist unglaublich.« Seitdem gilt der 17. Januar als Geburtstag der Kunst.

O. k., diese Geschichte war und ist eine pfiffige Idee des französischen Künstlers Robert Filliou, der damit 1963 den Geburtstag der Kunst zum ersten Mal öffentlich als Performance zelebrierte. Und weil viele seiner Kolleginnen und Kollegen diesen frechen Vorschlag übernommen haben, wird der 17. Januar inzwischen weltweit gefeiert, um daran zu erinnern, was die Kunst für das Leben jedes Menschen bedeutet.

Das Verrückte dabei ist: Das Ganze passierte sicher nicht vor 1 000 050 Jahren, es war wahrscheinlich kein 17. Januar, und ich schätze, dass es auch kein Schwamm war, der die Menschen darauf brachte, dass man gestalterisch tätig werden und sich das Leben mit Kunst verschönern kann. Trotzdem hat es die menschheitsbewegende Erfahrung mit der Kunst irgendwann zum ersten Mal gegeben. Und es ist wichtig und richtig, sie zu feiern.

Komisch, da muss ich noch mal an Weihnachten zurückdenken. Weil da auch jedes Jahr Kritiker darauf hinweisen, dass der Dezembertermin ursprünglich ein heidnisches Sonnenwendfest war und dass Jesus bestimmt nicht im Winter auf die Welt gekommen ist. Na und? Wir wissen nicht genau, wann er Geburtstag hatte. Und trotzdem gibt es viele Gründe, seinen Geburtstag zu feiern. Wichtig ist, dass Jesus geboren ist und die Welt verändert hat.

JANUAR

17

Welttag der Migranten und Flüchtlinge

»Welttag der Migranten und Flüchtlinge«? Was mag das wohl sein? Also: Das ist ein kirchlicher Gedenktag, der von der katholischen Kirche schon 1914 ins Leben gerufen wurde. Und es geht darum, an diesem Tag an all die Menschen zu denken, die aus irgendwelchen Gründen ihre Heimat verlassen und ganz neu anfangen müssen.

Wer sich schon mal in der Fremde ein neues Zuhause aufgebaut hat, der weiß, welche gewaltigen Probleme das mit sich bringt. Und die anderen können es sicher nachempfinden: andere Beziehungen, andere Sprache, andere Kultur, andere Werte, andere Ängste. Da muss man sich wirklich erst mal hineinfinden.

Zudem nimmt in Zeiten grenzenloser Mobilität die Zahl der Migranten auch noch zu. Übrigens nicht nur von Menschen, die in andere Länder übersiedeln. Ich behaupte, dass es auch immer mehr inländische Migranten gibt. Wenn jemand aus einem ostfriesischen Dorf wegen des Jobs nach München zieht, dann ist das kulturell bestimmt ebenso herausfordernd wie ein Wechsel nach Alabama. Wenn nicht noch viel herausfordernder.

Die Bibel ist voller Migrationsgeschichten. Kein Wunder. Schließlich erzählt sie anfangs viel von Nomadenvölkern. Und vielleicht unterscheiden sich die Migranten von heute gar nicht so sehr von Nomaden. Das sind Leute, die regelmäßig weiterziehen. Und denen sagt die Bibel von Anfang an: Das Schöne ist, dass Gott mit euch geht. Wie fremd die neue Umgebung auch sein mag, Gott ist der Gleiche. Damals hat das viele getröstet.

JANUAR

18

Hitparade

Ja, ja, ich weiß, dass das ziemlich peinlich ist. Wer hat schon die Hitparade geguckt? Ich! Ich habe regelmäßig eingeschaltet, wenn Dieter Thomas Heck die neusten Hitkandidaten präsentierte. Das war für mich als Teenie Hochkultur: Peter Maffay, Wencke Myrrhe und Katja Ebstein und später dann auch Nena, Trio und Geier Sturzflug. Besonders kultig fand ich natürlich, dass Dieter Thomas Heck im Abspann jedes Mal in einer Minute gefühlte 5 000 Mitarbeiter der Sendung aufzählen konnte.

368 Folgen der ZDF-Hitparade wurden zwischen 1969 und 2000 ausgestrahlt. Und ich habe ziemlich viele davon gesehen. Meistens heimlich. War auch nicht so ein Bringer-Thema auf dem Schulhof. Weil das in unserer Klasse nicht unbedingt als cool galt. Hitparade. Wobei ich sagen muss, es gab damals zwei Tabuthemen: Hitparade … und Kirche: »Nee, oder? Du guckst doch nicht Hitparade? Und du gehst doch nicht etwa in die Kirche?«

 

Ich hab dann immer so komisch rumgedruckst. Eigentlich affig. Wegen der Hitparade habe ich mir eines Tages eine Gitarre gekauft. Und später viele Jahre als freischaffender Musiker gelebt. Und das mit der Kirche war das Beste, was mir passieren konnte. Weil da mein Horizont erweitert wurde. Weil ich angefangen habe zu spüren, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt als Coolsein.

Wenn ich heute an die Hitparade denke, dann erinnert sie mich immer daran, dass es manchmal cooler ist, uncool zu sein. Ich jedenfalls habe sie geliebt. Basta. Und darum feiere ich heute auch ihren Geburtstag.

JANUAR

19

Geschichten

Manchmal versuche ich, mir das vorzustellen. Wie das damals war, vor 2 000 Jahren. Eine Menschenmenge. An einem Seeufer. Unruhe. Drängeln. Und dann steht da dieser Mann, Jesus, und erzählt eine Geschichte. Und noch eine. Die Leute hören zu. Gebannt.

Merkwürdig. In diesen Geschichten geht es um lauter Dinge, die in Israel zum Alltag der Menschen gehörten: um Weinberge, Schafe, Senfkörner, Sämänner, Ackerbauern, Hochzeiten oder Geldstücke. Völlig unspektakulär. Und trotzdem begriffen die meisten Zuhörer: Moment mal! Der redet ja gar nicht nur von Hirten und Schafen, der meint eigentlich Gott und die Menschen. Da geht es um uns. Hey, dieser Hirte, der sich liebevoll um die Schafe kümmert, ist das nicht Gott? Und dieses Schaf, das sich verirrt hat, das … das könntest doch du sein. Oder vielleicht sogar ich selbst?

Warum hat Jesus so gerne Geschichten erzählt? Könnte das daran liegen, dass man Gott mit menschlicher Logik gar nicht begreifen kann? Dass jeder Versuch, ihn abschließend zu beschreiben, scheitern muss?

Verrückt, oder? Denn wir möchten Gott doch so gerne verstehen. Aber immer wenn eine christliche Gruppierung ernsthaft dachte, sie wüsste, wie Gott ist, ging das schief. Da kam es zu Engstirnigkeit, Traditionalismus, Gewalt, Ausgrenzung, Aggression und Streit.

Jesus macht das ganz anders: Er definiert nicht, er erklärt nicht, er erzählt Geschichten. Er sagt fast nie: »Gott ist soundso«, sondern: »Gott ist wie …« Er vergleicht. Er vergleicht den Schöpfer des Himmels und der Erde mit ganz irdischen Dingen, die wir kennen und verstehen. Und die Bilder, die er benutzt, öffnen uns die Augen.

JANUAR

20

Fabianstag

Früher dachte ich immer, Fabian sei ein neumodischer Name. Meine Großmutter – so erzählt die Familienlegende – soll noch angefangen haben zu weinen, als sie hörte, mit welch absurdem Lautgebilde meine Eltern mich strafen wollten: FA-BI-AN.

Doch dann hab ich festgestellt: In vielen Ländern ist der Namenstag wichtiger als der Geburtstag, weil die Leute früher meist ohnehin den Namen des Heiligen bekamen, der an ihrem Geburtstag gefeiert wurde. Da habe ich dann doch mal nachgeschaut. Und siehe da, es gibt tatsächlich einen Fabianstag – und der ist heute.

Also: Es war einmal ein Fabian. Der besuchte im Jahr 236 Rom. Und weil die christliche Gemeinde damals gerade einen neuen Bischof wählte – sozusagen einen frühen Papst –, ging Fabian zur Wahlversammlung, um sich das mal anzusehen. Allerdings rechnete er bestimmt nicht mit dem, was dann geschah: Plötzlich erschien das Bild einer leuchtenden Taube über seinem Kopf, und er wurde direkt zum Bischof gewählt.

Anscheinend machte er seinen Job ganz gut. Denn er organisierte die Kirche neu und war seinen Gegnern so sehr ein Dorn im Auge, dass er 250 als Märtyrer für seinen Glauben starb – und später heiliggesprochen wurde.

»Heiliger Fabian« hin oder her, evangelische Christen tun sich (zum Glück) mit jeder Form von Personenkult schwer. Dennoch ist es nicht schlecht zu wissen, dass wir alle »auf den Schultern unserer Vorfahren stehen«, wie mal ein kluger Mensch gesagt hat. Schauen Sie doch mal nach, was der oder die »Heilige« Ihres Namenstags für einer war. Das erweitert auf jeden Fall den Horizont.

JANUAR

21

ISM

Kennen Sie die »Internationale Süßigkeiten-Messe«? Die gibt es wirklich. Und die hat so zuckersüße Themen wie »The future of sweets« – »Die Zukunft der Süßigkeiten«. Unter diesem Motto bekommt man dann einen Vorgeschmack auf das Schlaraffenland aller Süßmäuler: Verführerisch bunt laden die neusten Kreationen aus den Bereichen »Schokolade, Backwaren, Knabberartikel, Zuckerwaren und Eiscreme« ein, sie zu vernaschen.

Mein Traum, denn ich liebe Süßigkeiten – so sehr, dass ich die Größe meiner Leidenschaft direkt von der Waage ablesen kann. Kein Wunder. Biologen sagen ja, dass unser Körper vor allem nach drei Dingen giert: Fett, Zucker und Sex. Zwei dieser Begierden stillt schon eine einfache Tafel Schokolade oder ein Eis.

Dumm ist nur, dass man vor lauter Schleckerei oft die Begierden der Seele vergisst. Die braucht nämlich nicht Fett, Zucker und Sex, sondern Glaube, Liebe und Hoffnung. Darum heißt es in einem Bibelvers ziemlich lässig: »Dein Wort, Gott, ist in meinem Mund süßer als Honig.«

Auf der ISM begann vor einigen Jahren das fachliche Rahmenprogramm unter dem Motto: »Welche Bedeutung werden Bio-Süßwaren in Zukunft spielen?« Das interessiert uns doch alle. Süßigkeiten aus gesundem Zucker und glücklichem Fett.

Noch mehr aber interessiert mich, wie man das mit Glaube, Liebe und Hoffnung hinbekommt. So, dass in unserer Seelennahrung keine Schadstoffe und keine gefährlichen Zusätze drin sind. Süß, oder?

JANUAR

22

Konjunktur 1

Ich habe einen bösen Verdacht: Das mit dem Warten auf die Konjunktur ist nur vorgeschoben. Ich kenne doch die Sprüche: »Wenn die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt, wenn der Umsatz hochgeht, dann sind die Menschen glücklicher und zufriedener.« Stimmt doch gar nicht! Oder?

Meine Nachbarin hat jedenfalls in den Aufschwungzeiten genauso über ihr Rheuma geklagt wie heute – und mein Neffe hatte zwar Arbeit, aber richtig lebensfroh war er trotzdem nicht. Das soll nun wirklich nicht sarkastisch klingen (ich wünsche jedem Menschen Gesundheit und Arbeit), aber ich glaube, wir machen uns was vor, wenn wir uns von der Wirtschaftslage persönliches Glück erhoffen. Nebenbei: Was sollen da die Giftmüllbeseitiger, Abschleppdienste oder Bestattungsunternehmer sagen? Sollen die auch auf eine Hochkonjunktur warten?

Da starren also selbst Kleinstanleger hingebungsvoll auf die Aktien der Telekom, den Kurs des Euro und die Beschäftigungszahlen. Ich gebe zu, als ich mein Haus gekauft habe, war ich überglücklich, dass die Bundesbank gerade die Leitzinsen gesenkt hatte. Dankeschön! Aber wenn einer ernsthaft glaubt, er könne auf dem Geldmarkt Freude kaufen, dann irrt er sich. Oh ja, Geld ist ein gutes Fundament für Freude, aber wenn Ihnen jemand ein Flugzeug schenkt, dann müssen Sie erst fliegen lernen, das Flugzeug alleine ist wertlos.

Wissen Sie, dass Jesus ein einziges Mal in seinem Leben richtig wütend war? Stocksauer! Ja: Mit einer Peitsche hat er die Geldwechsler aus dem Tempel getrieben. Warum? Nein, nicht weil die mit Geld gehandelt haben, gegen Geld hatte er gar nichts. Diese Leute haben den Menschen eingeredet, sie müssten erst eine bestimmte Währung besitzen, bevor sie sich Gott nähern können. Da ist Jesus ausgerastet: »Ihr redet hier im Tempel so viel über Geld, dass ihr Gott vergesst. Das ist das Problem.«

Ich kenne übrigens eine Frau, die bei der Bundesbank arbeitet. Die sieht das genauso!

JANUAR

23

Ausgehen

Der ehemalige hessische Kirchenpräsident Martin Niemöller hat eine clevere Frage aufgeworfen: »Was würde Jesus tun?« Ein theologisch frecher und zugleich alltagstauglicher Lebensansatz. »Was würde Jesus wohl in dieser oder jener Situation machen? Wie würde er reagieren?« Keiner weiß, wie, aber nach einer wilden Odyssee ist dieser Satz vor einigen Jahren aus Amerika zurück nach Deutschland gekommen, trendy amerikanisiert: »W. W.J.D.?« – »What would Jesus do?« Zurzeit fast eine Kultbewegung in christlichen Kreisen.

Mal eine Testfrage: Wohin würde Jesus wohl am liebsten ausgehen? Was glauben Sie? Theater, Restaurant, Musikklub, Party oder eher nächtlicher Gottesdienst? Sekt oder Selters? Nach allem, was wir über ihn wissen, ist eines zumindest klar: Wahrscheinlich würde Jesus sich lieber unterhalten, als sich unterhalten zu lassen. Jesus, das Kommunikationswunder. Also treffen wir ihn eher in einer der vielen verrauchten Kneipen – in ein angeregtes Gespräch vertieft – als im Kino. Da, wo Menschen Lust haben, über das Leben zu reden.

Und welches Ziel hätte Jesus? Amüsieren konnte er sich ja. Seine Feinde nannten ihn spöttisch einen »Fresser und Weinsäufer«, weil er häufiger, als es sich für einen »Geistlichen« geziemt, in der Kneipe angetroffen wurde. Nur diese seltsame Kultur, »Ausgehen« im Sinne einer Glühbirne zu begreifen, also sich möglichst die Lichter auszuknipsen oder zumindest auf matt zu schalten, hätte Jesus befremdet. Er wollte, dass die Menschen bei allem, was sie tun, einen Schritt vom Dunkeln ins Helle machen – nicht umgekehrt. Sich zudröhnen war nicht sein Ding. Egal, ob man die Alkoholfahne schwenkt oder sich von vier Stunden Oper umbrausen lässt.

Jesus hätte dafür gestanden, dass beim Ausgehen etwas angeht, irgendein Licht, das verborgene Seiten in Ihnen zum Leuchten bringt und Sie ein bisschen weiser, froher und entspannter nach Hause kommen lässt. Licht an!

JANUAR

24

Unwörter

Es ist wieder so weit: Demnächst wird das »Unwort des Jahres« bekannt gegeben. Sie wissen schon, seit vielen Jahren wählt eine Jury jedes Jahr den größten sprachlichen Missgriff, ein Wort oder eine Formulierung, die grob unangemessen oder menschenverachtend ist. Da gab es schon so schöne Gewinner wie »Entlassungsproduktivität«, »Human-Kapital«, »Kollateralschaden« und »Sozialverträgliches Frühableben«. Lustig, oder?

Regelmäßig gehen da übrigens viele Hundert Vorschläge ein. »Abwrackprämie« für die Entlassung von über 50-Jährigen oder »Eindeutschung« für die Integration von Zuwanderern. »Gammelfleisch« wird auch ganz oft genannt und ist zwar ziemlich eklig, hat aber keine Chancen, weil der Begriff ja stimmt.

»Mein Unwort des Jahres ist ›Mäuschen‹.« Sagt meine Frau. »Aber wieso denn, Mäuschen?«, habe ich sie gefragt. Da hat sie mich erst mehrfach wutentbrannt an ihren Namen erinnert und dann aus einem der psychologischen Bücher zitiert, die sie gerade liest: »›Unsere Sprache prägt unser Denken.‹ Und wenn du mich in deiner Sprache klein machst, dann machst du mich auch in deinem Denken irgendwann klein – und grau und piepsig. Du … du Frosch!«

Ist doch seltsam: Der allererste Auftrag, den die Menschen in der Bibel von Gott bekamen, lautete: »Gib den Dingen Namen!« Und da ging es nicht um lustige Wortspiele, sondern darum, den Dingen durch eine klare Sprache Charakter zu verleihen. Unsere Sprache prägt unser Denken.

Also gut. Unwörter aufgepasst! Aber – mal unter uns: Das stellt sich doch ein bisschen sehr an, mein Mäuschen.