Hannibal Mayer - Der Zug der Elefanten

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

11. August 2005

Zwei Tage später verstauten wir unser Gepäck in große Seesäcke, checkten im Hotel aus und machten uns auf den Weg in den Krügerpark.

Bongani hatte mir stundenlang erklärt, wie man Elefanten mit dem Ankus, dem Hakenstab, lenkt, und mich zugleich beruhigt: »Die Elefanten folgen alle der Matriarchin. Und die werde ich lenken. Hannibal reitet auf Epila, der Tochter von Shingwezi, die wir damals gerettet haben. Und du sitzt auf Didimale, einer jüngeren Schwester von Shingwezi.«

Wir fuhren zügig auf der N4 nach Osten aus Pretoria hinaus und bogen dann kurz vor Waterval-Boven Richtung Nordosten ab. Ich saß einfach nur da, schaute aus dem Fenster und staunte. Über die endlose Savannenlandschaft und die Hügelreihen des Highveld. Die dunklen, kleinen Schweine, die am Straßenrand in Abfällen wühlten. Die Weite. Und die so unterschiedlichen Menschen, die mit Handkarren oder Jeeps von allen Seiten über die Straße stoben.

Irgendwann, kurz vor Mogaba, beugte ich mich zu Bongani rüber und fragte: »Mit wie vielen Leuten werde ich denn arbeiten? Und welche Aufgabe habe ich genau in dem Team?«

Der Schwarze sah mich verständnislos an. »Was meinst du mit ›Team‹?«

Ich spitzte die Lippen. »Na ja. Also all die Leute, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind. PR-Manager, Pressesprecher, Marketing-Fachleute, IT-Experten und so weiter. Ich bin schon gespannt, sie alle kennenzulernen.«

Bongani grinste und hob begeistert die Hände. »Hey, das Team sind wir. Ja, wir drei. Mehr brauchen wir nicht.«

Ich muss ihn derart fassungslos angestarrt haben, dass er losprusten musste. »Was ist?«

»Halt sofort an!«, brüllte ich nach vorne zu Hannibal.

Tshwane drehte sich um. »Wieso? Musst du so dringend? Oder kannst du bis zur nächsten Raststätte warten?«

»Halt sofort an.«

Offensichtlich klang meine Stimme jetzt so energisch, dass er sofort an den Rand fuhr.Wir stiegen aus.

»Was ist denn los, Fabian?«

Ich suchte nach Worten. »Ich muss die letzten beiden Tage irgendwie weggetreten gewesen sein. Bongani erzählt mir gerade, dass wir drei allein mit hundert Elefanten losziehen sollen. Und ich dachte die ganze Zeit, es ginge um ein riesiges Team, in dem ich mitarbeiten soll.«

»Das habe ich nie gesagt.«

Das stimmte.Trotzdem hatte ich mir in meinem Kopf ein ziemlich klares Bild von dieser Expedition gemacht. Es sollte noch lange dauern, bis ich wirklich begriff, dass man als Europäer niemals glauben darf, man verstünde Afrika. Jetzt jedenfalls war ich ziemlich wütend. »Aber es ist doch völliger Irrsinn, mit drei Leuten so ein Ding durchzuziehen. Ich bin davon ausgegangen, dass wir eine große Mannschaft haben. Begleitfahrzeuge. Security. Futtermittel. Zelte. Generatoren.Tierpfleger. Ärzte. Kamerateams. Na, alles, was man braucht, um einen Kontinent zu durchqueren.Wir sind doch nicht drei Tarzans, die mal eben mit Lendenschurz und guter Laune den Dschungel unsicher machen.«

Hannibal atmete einmal tief ein und aus. Dann hob er lässig die rechte Hand, als wolle er einen Eid leisten. »Hey, Fabian.Wir haben alles, was man braucht, um einen Kontinent zu durchqueren. Bongani kann Tiere und Menschen heilen. Er hat siebzehn Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich kann planen und schießen.« Er hob seine Jacke hoch und zeigte mir zwei Revolver in seinem Gürtel, die ich vorher an ihm nicht bemerkt hatte. »Und du kümmerst dich um die Kontakte zur Presse und …« Er deutete auf meine Martin-Gitarre, die ich auf Reisen immer mitnehme. »… um die Unterhaltung.«

Ich lief aufgeregt hin und her. »Ganz langsam. So geht das nicht. Öffentlichkeitsarbeit ist doch kein Spiel. Das muss hochprofessionell angegangen werden.«

Weil die beiden mich verständnislos ansahen, versuchte ich, es ihnen anders deutlich zu machen. »Zum Beispiel:Wer finanziert das Ganze? Wer ist der Sponsor?«

Bongani streckte mir die Hände entgegen. »Wovon redest du?«

»Wovon ich rede? Irgendjemand muss diese Tour doch finanziell unterstützen. Ihr wollt mit hundert Elefanten eine einjährige Reise unternehmen und habt keinen Sponsor?«

Hannibal schüttelte den Kopf.

»Ich fass es nicht. Das meint ihr doch nicht ernst. Ich sage euch eines: Mit dieser Tour könnten wir alle reich werden. Es gäbe bestimmt genügend große Firmen, die sich die Finger danach schlecken würden, so ein medientaugliches Abenteuer finanziell und werbetechnisch zu unterstützen. Denkt nur an all die Marken und Unternehmen, die mit Elefanten zu tun haben: Benjamin Blümchen. Dumbo. Babar. Die Sendung mit der Maus. Die Ottifanten. Elefantenschuhe und, und, und. Das meine ich mit Öffentlichkeitsarbeit. Wir könnten wahrscheinlich sogar Mercedes als Partner gewinnen, die Telekom, die Allianz oder die Deutsche Post mit Thomas Gottschalk, ja, auch Haribo, die könnten eine extra Sorte grauer Gummielefanten erfinden, den World Wide Fund for Nature … Wir bräuchten außerdem einige prominente Paten: Michael Douglas, Gerhard Schröder, Karl Dall, was weiß ich. Ein Schirmherr wäre auch gut, vielleicht ein Nachfahre von Grzimek oder Alfred Brehm. Begreift ihr nicht, welche Möglichkeiten in alldem stecken?«

Ich steigerte mich immer mehr hinein. »Natürlich. Nächste Woche beginnt doch der Weltjugendtag in Köln.Wir haben ja jetzt einen deutschen Papst. Stellt euch vor, wir nennen einen Elefanten Benedikt, den Siebzehnten, machen einen kleinen Umweg über Rom, ziehen auf der Via Apia ein und der Papst persönlich empfängt uns mit den hundert Elefanten auf dem Petersplatz. Dann gibt er uns den Segen ›Urbi et orbi‹. Dadurch bekämen wir schon auf der Strecke jede Unterstützung, die wir nur brauchen, und die Sponsoren stünden Schlange. Ist euch nicht klar, welchen politischen Einfluss wir haben könnten? Hey, wie wäre es damit: Wir verkaufen die Tour als weltweites Signal der Völkerverständigung. Hundert Elefanten vor der Klagemauer - und ein Jude und ein Palästinenser führen symbolträchtig zwei Rüssel zueinander …«

»Fabian …« Hannibal legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Wir wollen mit dieser Tour weder reich noch berühmt werden. Und es geht nicht darum, was uns das Ganze bringt. Oder ob man damit in die Nachrichten kommt.Wir machen auch keine Politik. Wir wollen einfach etwas tun, was richtig ist.Was für die Welt gut ist. Wir brauchen keine Elefanten mit Adidas-Streifen oder CocaCola-Emblem. Das wäre falsch. Und all die Autos und Kameras, von denen du gesprochen hast, würden die Tiere nur wahn sinnig machen. Abgesehen davon, dass wir Wege benutzen werden, die man nicht mal mit Vierradantrieb schafft …«

Ich hob wütend die Hand. »Augenblick. Du willst doch Öffentlichkeit. Das hast du mir selbst gesagt. Du willst, dass die Welt über diese Tour spricht. Weil das Sachsen-Anhalt und dem Elefantengehege zu einem guten Image verhilft .«

Bongani setzte sich auf die Motorhaube. »Du wirst da einen guten Weg finden. Später. Das weiß ich. Aber ich weiß auch, wie wilde Tiere auf Blitzlichter reagieren. Du kannst nicht in jeder Stadt ein Heer von Fotografen auf die Elefanten loslassen. Das hier ist kein Medienfeldzug. Außerdem sind wir nicht naiv. Wir wissen selbst, dass man in vielen Ländern Fernsehsender hätte gewinnen können, die ganze Serien über uns drehen.«

Ich sprach lauter, als ich wollte. »Genau. Davon bin ich ausgegangen. Von professionellen Medienpartnerschaften …«

Der Schwarze führte seine Hand zur Brust. »Fabian, das ist nicht unser Weg.«

»Na hört mal, dann bin ich doch völlig überflüssig.Was soll ich hier, wenn ihr am liebsten unter euch bleiben wollt?«

Hannibal stützte sich auf die offene Tür des Wagens. »Die Tour miterleben. Du sollst die Tour miterleben.Weil du nur dann darüber authentisch schreiben und berichten kannst. Später. Momentan brauchen wir noch keinen Medienrummel …«

Bongani kam auf mich zu. »Genau! Das wäre Tierquälerei.Abgesehen davon wäre es auch kein Abenteuer mehr. Stell dir das bitte mal vor: Dutzende von Kamerateams, die jeden Abend in Viersternerestaurants ein mehrgängiges Menü verdrücken und in Nobelhotels übernachten, berichten fröhlich über die ach so unberührten Naturgeschöpfe, unsere Elefanten. Rührend, oder? Nur dass das dann keine echte Natur mehr ist. Es wäre eine künstliche, verfremdete, ja, eine falsche Natur. Eine, die weder uns noch den Tieren gerecht würde. Eine große lächerliche Inszenierung. Ich nenne so etwas immer die Verlogenheit der westlichen Kultur.«

Hätte ich nicht einen Vertrag von GEO in der Tasche gehabt, ich wäre direkt umgekehrt. So aber stieg ich wieder ein, grummelnd - Richtung Osten.

Und schon auf dem Weg zu den Elefanten nahmen mich die Wildheit der Landschaft und die Tiere derart gefangen, dass ich für einige Zeit meine Zweifel vergaß. Ob das klug war? Ich weiß es nicht. Zumindest wäre die Tour anders verlaufen, wenn ich an dieser Stelle auf einer professionelleren Vorbereitung bestanden hätte. Doch wer kann sich schon auf Formalitäten konzentrieren, wenn neben der Straße plötzlich eine Straußenfamilie rennt. Zwei Meter groß sprang sie mit federnden Schritten an uns vorbei.

Kurz darauf erreichten wir den Krügerpark. Und sahen bald auch die berühmten Schilder an der Straße: »Pas op! Olifante is gevaarlik.«

Afrika.

Hannibal ließ den Motor aufheulen und wirbelte eine Staubwolke hinter aus auf, als wir das erste Tor passiert hatten. Irgendwo vor uns wartete eine Elefantenherde auf uns.

Und tatsächlich:Vier Stunden und unzählige holprige Feldwege später stand sie plötzlich vor uns. Shingwezi. Dreieinhalb Meter hoch und wahrscheinlich fünf Tonnen schwer. Sie kam aus einem Wäldchen getrottet und sah uns an. Ganz ruhig.Vorsichtig. Bongani näherte sich der Matriarchin lächelnd und legte ihr zur Begrüßung die Hand ins Maul. Dabei gab er Brummtöne von sich, wie ich sie noch nie gehört hatte.

 

Hannibal flüsterte mir zu: »Das ist Infraschall. Elefanten verständigen sich mit Lauten zwischen fünf und achtundzwanzig Hertz. Das meiste davon hören wir gar nicht, weil unsere Ohren Geräusche erst ab zwanzig Hertz registrieren. Die grauen Riesen kommunizieren damit aber nachweislich problemlos über fünfzehn Kilometer miteinander. Das brauchen sie auch, um die Herde zusammenzuhalten.«

»Welche Herde?«

Hannibal sagte etwas auf Afrikaans zu Bongani, der nun einen neuen Brummton von sich gab - woraufhin Shingwezi den Rüssel hob und laut trompetete.

Wahrscheinlich war dies der Moment, in dem auch ich mich für alle Zeiten in die Elefanten verliebte, diese grauen Riesen mit der zarten Seele. Weil dieser Anblick, dieser wunderbare Auftritt, so grandios war. Womöglich das Schönste, das ich je gesehen hatte: Überall durchstießen graue Leiber die dichte Vegetation, brachen aus dem hellen Grün und liefen tänzelnd auf uns zu. Dutzende. Nein, noch viel mehr. Der Boden vibrierte, und es war, als stürzte von allen Seiten die Welt über uns herein. Eine Minute lang bebte die Schöpfung, dann hatten uns die Elefanten umringt. Gigantische Körper, große, verwegene Köpfe mit kleinen, klugen Augen - und schier endlos lange Rüssel, die uns mit einem lauten, aufgeregten Tröten begrüßten.

Das Unfassbare war: Ich hatte keine Angst. Das hier, das war das Leben. Das war Sein. Pur, unverfälscht, kräftig und satt. So nah war ich ihm wohl noch nie gewesen. Und ich war nicht überrascht, als plötzlich Tränen in meine Augen schossen.

»Verstehst du mich jetzt?«, fragte Hannibal. Ich nickte nur.

12. August 2005

Einen Tag später brachen wir auf. Drei Männer und hundert Elefanten. Hannibal hatte den Wildhütern die staatlichen Papiere vorgelegt - und viel Zustimmung geerntet. Schließlich war die Elefantenpopulation im Krügerpark in den letzten Jahren derart angewachsen, dass schon mehrfach größere Herden in andere Parks hatten umgesiedelt werden müssen. Ein andauerndes Problem.

Das Naturschutzgebiet des Krügerparks ist zwar so groß wie Belgien, trotzdem reicht sein Nahrungsangebot nicht aus, um derart viele Dickhäuter zu versorgen. Dadurch bekommen die staatlichen Behörden nicht nur tierpflegerische Probleme, sondern immer häufiger auch Krach mit erbosten Siedlern, deren Felder von Elefanten geplündert werden - und die sich nicht scheuen, ihre Pflanzungen notfalls mit der Waffe gegen Eindringlinge zu verteidigen. Trotz aller Jagdverbote.

Mehrfach war das Wild-Management schon gezwungen gewesen, das biologische Gleichgewicht im Park selbst durch Culling, das kontrollierte Abschießen von Elefanten, wiederherzustellen. Ein in der Presse wenig populärer Akt, der weltweit bei Tierschützern für Schreie der Entrüstung sorgt. Insofern wunderte es mich auch nicht, dass die Behörden dem Ansinnen Hannibals so schnell nachgegeben hatten.

Das alles ging mir durch den Kopf, während ich in fast vier Metern Höhe saß und kräftig hin und her geschaukelt wurde. Der weiche, wiegende Gang der Elefanten ist tatsächlich ungewöhnlich, aber schon nach kurzer Zeit gewöhnte ich mich daran und saß fortan wie auf einem lebendigen Thron. Oder wie auf einem borstigen Schiff.

Um mich herum wogte ein Meer aus Elefan tenrücken, zwischen dessen grauen Wogen und der Gischt aus aufgewirbeltem Staub bisweilen schemenhaft der grüne Boden aufblitzte. Ich schwebte dort oben, meine Blicke verloren sich in der endlosen Weite, und es war, als würden dadurch auch die Grenzen in meinem Denken eingerissen. Mein Geist wurde frei. Und schon damals registrierte ich erstaunt, dass der eigenartige Bewegungsablauf der Elefanten beim Gehen einen Rhythmus in sich birgt, der die Seele beruhigt. Ich flog beinahe. Ein Hochgefühl, das lange anhielt.

Am Vormittag hatte ich allerdings erst einmal geübt aufzustei gen. Wer zum ersten Mal leibhaftig vor einem Elefanten steht, kann sich nämlich überhaupt nicht vorstellen, dort jemals ohne eine Leiter hinaufzukommen. Didimale hatte mich schräg von oben herab aus den Augenwinkeln angesehen. Den Anfänger. Doch weil Bongani neben mir gestanden und leise gebrummt hatte, hatte ich zumindest gewagt, die Hand auszustrecken und die graue Dame zu berühren. Erstmals. Seltsames Gefühl. Fremd und anziehend zugleich.Was für ein beeindruckendes Lebewesen.

»Versuch, raufzukommen«, hatte Bongani mich ermutigt, doch ich war nicht einmal sicher gewesen, wo ich anfassen durfte. Die raue Haut? Das Ohr? Die Schulter? Vier Meter Höhe können unbezwingbar erscheinen. Anfangs hatte ich versucht, am Elefantenbein wie an einem Baum hochzuklettern.Vergeblich. Im Laufe der Zeit war dann der Rest der Herde immer näher gekommen, als wollte sie meine lächerlichen Versuche anschauen - und sich darüber amüsieren. Als ich zum vierten Mal hinuntergefallen und auf dem Rücken gelandet war, hatte auch Bongani nur noch laut gelacht.

»Entschuldige. Das war nicht fair, Fabian. Also: Du musst Didimale ein Zeichen geben.Am besten immer mit dem gleichen Ruf. Was weiß ich: Hojo! Und den Ruf setzt du ein, wenn du auf ihr Bein geklettert bist. Los.«

Bitte!

Ich hatte mich mit dem linken Bein auf das Knie der Elefantin gestellt und mich unsicher an ihrem Oberschenkelknochen festgehalten. Bongani hatte etwas gerufen und mit seinem Ankus in die Kniekehle des Tieres gestoßen. Daraufhin hatte Didimale ihr Bein angehoben und ich war wie mit einem Fahrstuhl nach oben gehoben worden. Und weil ich dadurch nun wie ein Freeclimber in der Steilwand in drei Metern Höhe hinter ihrem Ohr gehangen hatte, hatte sie mich mit dem Rüssel das letzte Stück hinaufgeschoben. Am Po. Meine Nase war dadurch in der ledernen Haut versunken und hatte sich intensiv mit dem unverwechselbaren erdig-moschusartigen Geruch der Elefanten gefüllt. Für einen Moment hatte mein Herz gestockt, als ich nach unten gesehen hatte, dann war der Applaus der anderen zu mir hochgedrungen und ich hatte angefangen, mich zu entspannen: Ich sitze auf einem Elefanten. Das darf doch nicht wahr sein. Irre. Ein Elefant. Und hier oben soll ich jetzt zehntausend Kilometer hinter mich bringen. Das wird entweder das Abenteuer meines Lebens oder eine Katastrophe. Na, dann mal los.

Und es ging los.

Schon nach wenigen Stunden war mir, als wären Didimale und ich eins geworden. Mein Becken nahm die Schwingungen des Elefantenkörpers auf, als liefe eine Welle vom Boden durch uns beide hindurch und schwänge sich auf ins Universum. So fühlte ich mich tatsächlich wie ein Bindeglied zwischen Himmel und Erde.

Das Leben, das ich noch vor ein paar Tagen geführt hatte, lag sehr rasch unendlich weit hinter mir und ich sog den herben Geruch der Landschaft gierig in mich auf.Welch eine Reise lag vor uns. Hin und wieder ging mein Blick aber auch neugierig nach hinten, denn fern am Horizont zeigte eine kleinere Staubwolke die Gruppe der Bullen an, die hinter uns herzog.

Wenn männliche Elefanten mit etwa zwölf Jahren geschlechtsreif werden, dürfen sie nämlich nicht mehr länger bei der Herde bleiben, sondern ziehen als Einzelgänger oder in kleineren Gruppen mit anderen Bullen umher. Den Elefantenkühen nähern sie sich dann nur noch, wenn diese fruchtbar sind, was jedoch nur viermal im Jahr für drei bis sechs Tage der Fall ist. Ich weiß nicht, wie Hannibal es geschafft hat, aber irgendwie folgten die Bullen der großen Herde die ganze Zeit und verloren uns in all den Monaten und trotz vieler heikler Situationen nicht aus den Augen.

Wir waren unterwegs.

Die ersten Wochen hielt es an, das unbeschreibliche Gefühl. Die Mischung aus Euphorie und Rausch. Diesen Giganten so nah zu sein und mit ihnen in eine neue Zukunft zu ziehen sorgte für einen fortwährenden Adrenalinausstoß. Ich beobachtete Bongani, der mit seinen Brummlauten tatsächlich mit den Elefanten kommunizierte, spürte die Kraft Didimales an meinen Oberschenkeln und genoss es, meine Elefantin immer wieder mit Zucker, Nüssen oder anderem zu verwöhnen.

Erstaunlicherweise zogen wir anfangs nach Süden.Tagelang.Als ich Hannibal bei einer Mittagspause danach fragte, hob er demonstrativ die Arme. »Das ist Afrika. Wir könnten zwar auch im Norden über die Grenze nach Mozambique, doch die Visa für die Weiterreise nach Tansania gibt es nur in der Hauptstadt Maputo. Und die liegt nun einmal ganz im Süden dieses üppigen Landes. Deshalb marschieren wir erst einmal hundertachtzig Kilometer in die falsche Richtung. Aber das macht nichts. Wir haben ja Zeit. In Mozambique ist das Entscheidende die Paciência, die Gelassenheit. Hektik hat man da gar nicht gerne.«

In diesen ersten Tagen bekamen wir - abgesehen von Touristen - kaum einen Menschen zu Gesicht, weil wir uns die ganze Zeit an der Ostgrenze des Krügerparks entlangbewegten. Ein paar Mal deutete Bongani über die Hügelketten im Westen und rief mir die Namen von Orten und Camps zu, die mir alle nichts sagten: Satara, Tshokwane, Lower Sabie. Ich nickte dann - oder winkte wieder mal einem Jeep mit Safari-Gästen zu, die voller Erstaunen ihre Kameras auf uns richteten und verzweifelt versuchten, einander zu erklären, was das da vor ihnen wohl sei: hundert Elefanten mit drei fröhlich grüßenden Reitern obendrauf.

Nur in Skukuza entfernte sich Bongani für einige Stunden von uns.Als er wieder zu uns stieß, war Epila über und über mit Paketen beladen.

»Was ist da drin?«, fragte ich neugierig.

»Biltong.«

»Was? Beton?«

»Nein, Biltong. Getrocknetes Wildfleisch. Rind, Strauß, Springbock und Gnu. Das hält sich gut bei dem Wetter und stillt den Hunger.«

Ich zeigte auf das Hinterteil der Elefantendame: »Und das große Ding da hinten? Unter der Plane?«

Bongani grinste breit. »Das ist ein Moped.Wir müssen schließlich hin und wieder zu Botschaften oder, um einzukaufen, in eine Stadt fahren. Das können wir schlechterdings nicht mit einer riesigen Elefantenherde machen. Das wirst gerade du als Großstädter einsehen, oder?«

Wir strahlten beide und verteilten dann das Essen und das Moped auf verschiedene Tiere. Noch wirkte das alles wie ein wildes Abenteuerspiel großer Jungs. Nur Hannibal schien bisweilen ein wenig unruhig, winkte aber ab, wenn ich ihn darauf ansprach. Und wenn abends am Lagerfeuer der Kalahari-Wüstenschnaps die Runde machte, dann schlief ich anschließend ruhig und gelassen ein, als wollte ich nirgends lieber sein.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?