Glauben ist ganz einfach - wenn man nicht muss

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Die Glaubensretter

Diese Spezies könnte man auch als eine Unterart der Kulturretter betrachten. Doch während es den Kulturrettern vor allem um die Bewahrung der Institution »Kirche« und der damit verbundenen Traditionen geht, fühlen die Glaubensretter grundsätzlich den Auftrag, den Glauben in dieser Welt zu bewahren: »Der gute Glaube an Jesus Christus darf nicht verloren gehen. Wir müssen alles dafür tun, dass der Glaube bewahrt bleibt. Was wäre unsere Welt ohne Glauben? Seht doch, wie Europa immer mehr säkularisiert wird, wie die Werte verfallen und im Fernsehen Sodom und Gomorra wieder auferstehen.«

Jeder, der meint, er müsse den Glauben retten, hat nicht verinnerlicht, dass es um etwas ganz anderes geht: nämlich darum, dass der Glaube ihn retten will.

Tatsächlich sind auch wir der Meinung, dass unsere Welt wesentlich ärmer und trauriger wäre, wenn es keinen Glauben mehr gäbe. Aber: Es ist nicht Auftrag der Menschen, den Glauben zu retten. In der Bibel jedenfalls steht das nicht. Darum ist es auch so merkwürdig, wenn in Talkshows, Podiumsdiskussionen, Zeitungsbeiträgen, Leserbriefen oder Internetforen Menschen verzweifelt dafür kämpfen, dass der Glaube doch bitte seine Bedeutung behalten möge. Dass ist ein gut gemeintes Ansinnen, aber nicht nur äußerst fragwürdig, sondern sogar in sich falsch. Warum? Ganz einfach: Jeder, der meint, er müsse den Glauben retten, hat nicht verinnerlicht, dass es um etwas ganz anderes geht: nämlich darum, dass der Glaube ihn retten will. Wir werden gerettet: Das ist der Kern des Evangeliums. Man könnte diesen Satz sogar noch weiter zuspitzen: Es lohnt sich überhaupt nicht, den Glauben zu verteidigen. Entweder er verteidigt sich selbst, weil er durch seine lebensstiftende Kraft überzeugt, oder er ist es nicht wert, verteidigt zu werden. Wenn der christliche Glaube richtig ist, wird er sich durchsetzen.

In der Praxis bemühen sich die Glaubensretter so intensiv, das Heilige zu bewahren, weil sie Angst haben, man könne zu salopp mit Glaubenswerten umgehen. Als Kabarettisten haben wir das oft genug erlebt. Zum Beispiel, dass Menschen zutiefst davon überzeugt waren, die heiteren Scherze zweier frecher Burschen könnten Gott oder seinem Ruf in der Welt ernsthaft etwas anhaben. Kein Scherz, sondern eine echte Rückmeldung ist zum Beispiel folgende Mail, die wir einmal erhalten haben: »Seit ich Ihr Programm gesehen habe, bedaure ich es, dass die Inquisition abgeschafft wurde.« Dieser goldene Satz hat sich einen Stammplatz in unserem Kabarettprogramm erobert.

Als unser Tourneeplakat uns mit nacktem Oberkörper und Bäffchen zeigte, gab es in einigen Gemeinden Menschen, die diese Bilder erbost von den Wänden rissen, weil sie der Überzeugung waren, damit würde die Heiligkeit des Glaubens lächerlich gemacht. Ein Mann blaffte uns sogar an, solche Plakate seien schuld an den Ereignissen des 11. September. Er hatte wohl den Eindruck, das Heilige (Pfarrerbild!) würde ins Lächerliche gezogen und damit so sehr untergraben, dass auch alle christlichen Werte in Gefahr seien. Leider gab es für uns keine Gelegenheit, ihm zu sagen, dass Terrorismus vorwiegend in Ländern und Gruppierungen entsteht, in denen solche Plakate verboten sind. Welche Ausmaße eine derartige Einstellung haben kann, wurde durch den sogenannten »Karikaturenstreit« deutlich, in dem sich muslimische Gruppen durch einige Bilder so angegriffen fühlten, dass sie ihrerseits ausländische Fahnen und Botschaften in Brand steckten. Und wenn Christinnen und Christen gegen die Verfilmung von Dan Browns »Sakrileg« auf die Straße gehen, steckt dahinter dieselbe Angst.

Also: Wer den christlichen Glauben retten will, weil er denkt, er würde damit den Grundwerten Europas, der Ethik, der Nächstenliebe oder dem lieben Gott selbst einen Gefallen tun, der irrt. Auch hier gilt: Wenn der christliche Glaube neue Kraft entfaltet, dann nur, weil Menschen ihn wieder als befreiend und sinnvoll erleben. Nicht, weil einige Leute verzweifelt versuchen, ihn vor dem Untergang zu retten. Im Gegenteil: Da, wo jemand in eine Verteidigungshaltung gerät und nun händeringend darum bemüht ist, zu erklären, warum Glauben doch bitte schön geachtet werden sollte, kann er nur verlieren. Das wissen wir doch alle aus eigener Erfahrung nur zu genau: Menschen, die uns wortreich erklären, dass sie besonders begabt und wahrhaft wunderbar seien, bleiben uns immer suspekt. Entweder ich erlebe sie als begabt und wunderbar, oder ich vertraue ihnen nicht.

Gott kann gut auf sich selbst aufpassen.

Allen Menschen, die pausenlos darum kämpfen, dass der Glaube seine Bedeutung behält, kann man nur sagen: »Entspannt euch! Wenn ihr überzeugt seid, dass es Gott gibt und dass er mit der Welt Gutes vorhat, dann vertraut ihm doch mal. Gott kann gut auf sich selbst aufpassen. Aber er ist gar nicht wirklich in Gefahr. Wodurch sollte denn der Schöpfer des Himmels und der Erde in Gefahr geraten? Also: Wenn er nicht in Gefahr ist, muss man ihn auch nicht retten. Und wenn man Gott nicht retten muss, dann muss man auch den Glauben nicht retten.«

Die Segensretter

Eine ganz besondere Schar in unserer Sammlung sind die Segensretter, also diejenigen, die der festen Überzeugung anhängen, Christinnen und Christen seien gesegneter als andere Menschen. Zu Deutsch: Sie sind wohlhabender, gesünder und behüteter. Dahinter versteckt sich zumeist ein nordamerikanisch geprägtes Wohlstands-Evangelium, das gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts an vielen Orten neu hervorbricht: »Glaube, weil du dann erfolgreich bist.« Dieser optimistische Ansatz klingt allerdings schon beim ersten Hinhören so, als ob er nicht gänzlich uneigennützig wäre. Natürlich kann eine solche Einstellung unterschiedlich intensiv ausgeprägt sein, aber das dahinterstehende Denken hat mehr Einfluss, als wir ahnen.

Deutlich wird das etwa bei der Praxis der Kindertaufe. Wenn man Taufeltern fragt, warum sie ihre Kinder taufen wollen, kommt zumeist die Antwort: »Ja, der Segen ist doch so eine Art Schutz. Und wir wollen auf jeden Fall, dass unser Kevin und unsere Chantal von Gott beschützt werden.« Da klingt schon wieder das Motiv des Handels mit Gott durch: »Ich lasse mein Kind taufen, dafür passt du, Gott, gut darauf auf.« Stimmt das denn wirklich: Wer glaubt, dem geht es besser? Ja und nein. Schauen wir uns das mal etwas genauer an.

Dass ein gesunder Glaube tendenziell auch zu einem besseren Leben führt, ist keine große Überraschung, dazu bedarf es der Statistiken bestimmt nicht.

Erst einmal: Ja. Wer glaubt, dem geht es tatsächlich statistisch gesehen besser. Und zwar nicht nur seiner Seele, sondern nachweislich auch seinem Körper. Das hat sicher viel damit zu tun, dass die meisten Christinnen und Christen für sich, ihre Gesundheit und die Welt Verantwortung übernehmen, dass sie ihr Leben in einem größeren Zusammenhang sehen, dass sie Gott Heilungen zutrauen und dass sie sich von ihm immer wieder in Frage stellen lassen, also das eigene Dasein kritisch reflektieren. Weil Glaubende anders denken, leben sie anders - und das hat positive Konsequenzen. Da ist es natürlich besonders schön, dass immer wieder Statistiken auftauchen, die den Zusammenhang von Glauben und Segen zu bestätigen scheinen: Eine Studie hat zum Beispiel ergeben, dass gläubige Menschen im Schnitt sieben Jahre länger leben als Nichtgläubige. Wenn das mal kein Grund ist, Christ zu werden!

Und es geht noch weiter: Glaubende sind nach Operationen im Durchschnitt deutlich früher wieder auf den Beinen, haben größere Heilungschancen und bekommen seltener Herzinfarkte. Und - damit kommen wir zum Höhepunkt dieses kleinen statistischen Exkurses: Laut einer amerikanischen Untersuchung erleben christliche Frauen signifikant häufiger einen Orgasmus als andere. Dass ein gesunder Glaube tendenziell auch zu einem besseren Leben führt, ist allerdings keine große Überraschung, dazu bedarf es dieser (möglicherweise anfechtbaren) Statistiken bestimmt nicht.

Nur: Man kann die Frage nach dem Segen genauso gut auch mit »Nein« beantworten. Es gibt tiefgläubige Menschen, die Krebs bekommen, deren Ehe in die Brüche geht, die ihren Job verlieren oder deren Kinder von einem Auto überfahren werden. Die meisten Christen können aufgrund ihres Glaubens mit derartigen Schicksalsschlägen in der Regel besser umgehen, weil sie Gott bei sich wissen, aber sie sind davor nicht gefeit. Und hier liegt das große Gefahrenpotenzial der Segensretter. Sie neigen dazu, die Unglücklichen, Kranken, Arbeitslosen, Armen plötzlich als Entsegnete anzusehen: »Ja, wenn es euch nicht gut geht, dann stimmt wohl etwas mit eurem Glauben nicht.« Und dann kommt es zu Sätzen wie diesem: »Gott kann alle Krankheiten heilen. Du musst (!) nur genug beten und glauben, dann wirst du auch wieder gesund.« Tatsächlich kennen wir erstaunliche Fälle, in denen Menschen gesund geworden sind, obwohl kein Arzt mehr mit einer Heilung rechnete. Wir kennen aber auch genügend überzeugte Christinnen und Christen, die bis zum letzten Atemzug geglaubt und gebetet haben - und trotzdem qualvoll an ihrem Tumor zugrunde gingen. Das Letzte, was diese Menschen brauchten, war jemand, der in diesem Moment salbungsvoll ihren Glauben in Frage stellte. Jesus selbst staucht seine Jünger einmal ziemlich zusammen, als sie wissen wollen, für welche Sünde ein Mann denn mit seiner Blindheit bestraft worden sei: »Hört auf, so etwas auch nur zu denken. Sein Leiden hat nichts, aber auch überhaupt nichts mit einer Sünde oder Ähnlichem zu tun.« (nach Joh. 9,3)

Gesunder Glauben hat positive Folgen für Körper, Seele und Geist, aber er bewahrt nicht generell vor Krankheiten,Verlusten oder anderen Leiderfahrungen. Und vor allem haben diese nichts mit mehr oder weniger Segen zu tun. Der gesegnete Täufling wird sich nicht weniger oft die Knie aufschlagen als der ungesegnete. Und er wird auch nicht weniger Liebeskummer haben. Segen heißt doch nicht: Dir geht es materiell und gesundheitlich gut. Segen heißt: Gott will dich begleiten. Und wer das für sich annimmt, wird erleben, wie dieses Wissen sein Dasein zum Guten verändert. Das heißt: Ein gesegneter Mensch bekommt nicht automatisch ein besseres Leben, aber auf jeden Fall die Kraft, mit dem Leben besser umzugehen.

 

Ein gesegneter Mensch bekommt nicht automatisch ein besseres Leben, aber auf jeden Fall die Kraft, mit dem Leben besser umzugehen.

Auch bei dieser Rettergruppe gilt: Neben den Extremisten gibt es viele gemäßigte Formen, die allerdings alle dem gleichen Denkmuster unterliegen. »Wir wollen, dass sich Glaube für uns lohnt. Wir erwarten von Gott, dass sich unsere Gebete auch auszahlen. Und wir denken insgeheim doch, dass man an unserem Erfolg etwas von unserem Glauben erkennt.« Ist ja auch nicht ganz falsch. Nur brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sich in unseren Kirchen und Gemeinden überwiegend das gehobene Bildungsbürgertum sammelt, während sich die Menschen, denen sich Jesus damals zuallererst zuwandte, nämlich die Verachteten der Gesellschaft, dort kaum finden. Viele Kirchen sind Versammlungsorte für die »Anständigen« geworden, in denen man sich nicht mehr gerne die Finger schmutzig macht. Ganz wie der Hausmeister, der uns einmal im Brustton der Überzeugung sagte: »Ich bin grundsätzlich gegen Jugendarbeit. Die macht nur Dreck.«

Der etwas überspannte Wunsch, dass Glaubende zugleich äußerlich gesegnete Menschen sein sollen, in deren Leben alles glatter geht als bei anderen, führt dazu, dass wir oftmals in den Gemeinden keine gesunde Kultur für den Umgang mit Scheitern, Versagen oder Unglück haben. Schade eigentlich.

Die Angstretter

Die letzte Gruppe, die wir Ihnen vorstellen, gleicht strukturell den Seelenrettern, hat sich interessanterweise aber statt des Segens genau das Gegenteil ausgesucht, nämlich die Dimension des Bösen. Wir treffen solche Leute bisweilen auf unseren Konzertreisen und sind dann ganz verwundert, wenn es zu Äußerungen wie dieser kommt: »Wir hatten im Vorfeld eures Auftritts ganz viele Angriffe. Uns ist jetzt klar, dass das Böse euer Konzert verhindern will: Horst, unser Plakatankleber, ist von der Leiter gefallen, unsichtbare Kräfte treiben einen Keil in unser Team - und der Redakteur der örtlichen Zeitung hat unsere Pressemeldung nicht erhalten. Es war ein schwerer Kampf.« Wir als bodenständige Hessen würden einfach sagen: »Ihr habt euch gestritten und die Werbung in den Sand gesetzt.« Aber für die Angstretter offenbaren sich in allen Vorkommnissen dämonische Einflüsse. Nur: Wenn ich das Böse überall erwarte, werde ich auch anfangen, alle meine Erfahrungen in diese Richtung zu interpretieren. Und das kann äußerst unangenehm werden. Wenn etwa die Tatsache, dass meine Druckerpatrone in dem Moment leer wird, in dem ich einen frommen Brief ausdrucken will, für mich zu einem Zeichen für die Präsenz des Teufels wird, dann stimmt etwas nicht.

Wenn ich das Böse überall erwarte, werde ich auch anfangen, alle meine Erfahrungen in diese Richtung zu interpretieren.

Einmal kam eine junge Frau zu uns und sagte traurig: »Ich freue mich so, dass ihr da seid. Seit drei Monaten bereiten wir eure Veranstaltung mit unserem Junge-Erwachsenen-Kreis vor- und es wird sicher total toll. Schade, dass ich nicht dabei sein kann.« Wir sahen sie wohl äußerst fragend an, denn wir bekamen die Erklärung: »Ja, unser gesamter Kreis sitzt doch heute Abend im Keller und betet mit Vollmacht dafür, dass keine dunklen Mächte Einfluss auf das Konzert nehmen. Der Heilige Geist soll frei wirken können.« Nun, abgesehen davon, dass wir uns bis heute fragen, warum die Gruppe nicht einfach im Konzert gebetet hat (was die Bibel unseres Wissens nach keineswegs als Todsünde erwähnt), spiegelt diese Grundeinstellung wieder mal einen Glaubenszugang wider, der viel mehr von Angst als von Freiheit bestimmt ist: »Ich und unsere Gemeinde, wir befinden uns in einem stetigen Kampf.« Um ehrlich zu sein: Das tut wahrscheinlich jeder, der halbwegs vernünftig durch sein Leben kommen will. Doch bei den Angstrettern wird dieses Thema geistlich überhöht und nimmt dadurch einen Raum ein, der ihm nicht zusteht.

Die Freiheitsliebe der Bibel ist wesentlich markanter als die wenigen Stellen, die darüber reden, dass Glauben ein »geistliches Ringen« sei.

Selbstverständlich stehen wir als Menschen bei jeder Entscheidung vor der Frage, ob wir richtig oder falsch wählen, und manchmal haben wir auch das Gefühl, als wären wir mit dem falschen Fuß zu erst aufgestanden und als ginge einfach alles schief. Nach Murphys Gesetz gehört es ohnehin zu den größten Geheimnissen der Welt, dass wir uns immer an der Kassenschlange anstellen, bei der der Marktleiter gleich viermal hintereinander aus der Wurstabteilung nach vorne kommen muss, um ein »Storno« zu bestätigen, während an der anderen Kasse inzwischen eine Kleinstadt abgefertigt wurde (und wehe, wir wechseln die Schlange). Ja, das Leben hat etwas von einem Kampf. Doch die Freiheitsliebe der Bibel ist wesentlich markanter als die wenigen Stellen, die darüber reden, dass Glauben ein »geistliches Ringen« sei. Der Satz »Fürchte dich nicht!« steht erstaunlich oft in der Bibel. Gott sagt den Menschen zu: »Ihr könnt in meiner Gegenwart angstfrei leben.« Wenn sich also die Seelenretter andauernd vor bösen Mächten fürchten, dann pervertieren sie diesen Zuspruch Gottes.

Um es deutlich zu sagen: So wie es gute Mächte gibt, die in der Welt wirken, gibt es wahrscheinlich auch negative Kräfte. Woher die kommen und was hinter ihnen steckt, soll hier nicht das Thema sein. Wichtig ist: Eine zu starke Ausrichtung auf diese Kräfte verleiht ihnen überhaupt erst ihre Macht - und sie verleitet dazu, hinter jedem menschlichen Versagen, jedem blöden Zufall und jeder kleinen Misere eine hämische Teufelsfratze hervorlugen zu sehen. Eine simple Erfahrungsweisheit besagt: »Das, worauf du dich konzentrierst, wird groß in deinem Leben.« Wer das Böse bekämpft, gibt ihm Raum und macht es stark. Besser ist es auf jeden Fall, man kämpft für eine gute Sache.

Die Bibel redet sehr klar und pointiert über das negative Potenzial des Menschen und nur ganz, ganz wenig über das Böse an sich. Und wenn es eine Aussage gibt, die dabei im Mittelpunkt steht, dann lautet sie: Gott ist stärker als das Böse. Jesus selbst sagt seiner Gemeinschaft zu: »Die Pforten der Hölle werden euch nicht überwältigen.« (Mt. 16,18) Das ist eine definitive Zusage, nicht nur eine Hoffnung oder eine vage Möglichkeit. Kein Grund also, Angst zu haben. Selbst wenn es diese dunklen Mächte gibt: Sie werden uns nicht kleinkriegen.

Wie entsteht diese Tendenz, die Angst zu kultivieren? Wie bei den Seelenrettern kommen die Angstretter nur schwer damit klar, dass das Leben nicht einfach nur gut oder böse ist, sondern immer beides in sich vereint. Sie hätten so gerne eine simple »Bei Gott ist alles schön«-Theologie. Dann merken sie: Auch Christen erleben Höhen und Tiefen. Und wenn beispielsweise die Ehe eines ansonsten vorbildlichen und zutiefst frommen Christenmenschen in die Brüche geht, dann gibt es eben schnell diese beiden Erklärungsmuster: Entweder hat der »Gescheiterte« durch mangelnden Glauben seinen Segen verspielt - oder das Böse hat diese Ehe zerstört. Wäre die Angst vor den dunklen Schattengestalten nicht da, müssten sich die Anhänger einer derartigen Theologie eingestehen, dass es auf komplexe Lebenszusammenhänge leider nicht immer nur einfache Antworten gibt. Und weil dem so ist, halten sie lieber an der knackigen Idee des Bösen fest.

Gott ist stärker als das Böse. Jesus sagt seiner Gemeinschaft zu: »Die Pforten der Hölle werden euch nicht überwältigen.« Selbst wenn es diese dunklen Mächte gibt.

Bedenkt man dabei, dass die meist äußerst militante Sprache der Angstretter zusätzlich für eine bedrückende Atmosphäre sorgt, dann wundert es nicht, dass alle Vertreter dieser Gattung, die wir kennengelernt haben, ziemlich verkniffene Typen waren, denen eines jedenfalls fehlte: das befreite Lebensgefühl, das Paulus so wunderbar zusammengefasst hat: »Wenn Gott auf unserer Seite ist, wer kann da gegen uns sein?« (Röm. 8,31) Wenige Zeilen später schreibt er, was er damit genau meint: »Ich bin ganz sicher: Weder der Tod noch das Leben, weder die Engel noch irgendwelche Mächte, weder die Gegenwart noch die Zukunft, weder der Himmel noch die Hölle, nichts, aber auch gar nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen, die sich in Jesus Christus offenbart hat.«

Diese Rettertypen stehen für bestimmte Tendenzen in der Diskussion über den christlichen Glauben, die im Extremfall dazu führen, dass aus einer befreienden Botschaft eine kleinmachende und beengende Botschaft wird. Dabei - dass muss noch einmal deutlich gesagt werden - sind viele der damit verbundenen Absichten durchaus gut und richtig, sie werden aber dann gefährlich, wenn sie absolut gesetzt werden. Weil sie vor allem eines machen: Sie stellen Bedingungen. Und Bedingungen weisen leider immer auf »Aber-Glauben« hin. Das heißt: Sie stellen dem Glauben ein »Aber« an die Seite, ein »Aber«, das erfüllt werden muss, damit alles seine Ordnung hat. Alle Rettertypen sagen: »Natürlich wäre es schön, wenn alle Menschen heiter und frei mit der Religion umgehen könnten. ABER ...

... die Kirche muss vorbildlich sein. (Weltretter)

... die Tradition muss bewahrt werden. (Kulturretter)

... die Ungläubigen müssen gerettet werden. (Seelenretter)

... wir müssen anständig leben. (Selbstretter)

... Gott muss verteidigt werden. (Glaubensretter)

... wir müssen ein heiligeres Leben haben. (Segensretter)

... wir müssen uns vor dem Bösen hüten. (Angstretter)

Viele Absichten sind durchaus gut und richtig, sie werden aber dann gefährlich, wenn sie absolut gesetzt werden.

Für all diese Aussagen gilt: Niemand muss das! All diese Bedingungen haben mit dem eigentlichen Glauben nämlich gar nichts zu tun. Weil echte Liebe, erst recht die Liebe Gottes, bedingungslos ist. Ganz und gar. Und weil Liebe und Freiheit eng zusammenhängen, gilt das eben auch für die Freiheit. Es gibt in ihr kein Muss. Ich kann nicht sagen: »Du darfst dich frei entscheiden, aber wehe, wenn du dich anders entscheidest, als ich es will.« Das wäre keine Freiheit. Und schon gar keine Liebe. Was wäre das für ein Gott, der sagen würde: »Du sollst mich lieben und musst deshalb folgende Bedingungen erfüllen .« Muss ich nicht. Weil Liebe und Furcht nicht zusammenpassen. Das steht übrigens auch in der Bibel: »In der Liebe ist keine Furcht, weil wahre Liebe die Furcht vertreibt.« (1. Joh. 4,18) Und das heißt: Wenn uns jemand sagen würde: »Ich liebe dich nur, wenn ...«, wüssten wir sofort, dass er uns nicht liebt. Doch Gott liebt die Menschen. Ohne Wenn und Aber.

Wenn uns jemand sagen würde:

»Ich liebe dich nur, wenn ...«, wüssten wir sofort, dass er uns nicht liebt. Doch Gott liebt die Menschen. Ohne Wenn und Aber.

Wichtig ist, dass wir den entscheidenden Denkunterschied begreifen: Die aufgezählten Engführungen sind nicht grundsätzlich falsch. Es wäre großartig, wenn unsere Kirchen fehlerfreier wären, wir die Traditionen bewusst pflegten, allen Zweifelnden leidenschaftlich von Gott erzählten, die Menschen ihr Leben nach den Geboten führten, mutig für den Glauben einträten, Gottes Segen alles zutrauten und auf die negativen Kräfte im Leben achteten: Das wäre ein Stück Himmel auf Erden. Und es gibt wahrscheinlich kaum etwas Sinnvolleres, als mit aller Kraft danach zu trachten. Insofern kann man die sieben vorgestellten Werte sehr wohl auch positiv sehen - und zwar als logische Konsequenz eines befreiten Glaubens, jedoch niemals als Bedingung des Glaubens. Denn: Wenn ich die Welt verändern will, ist es großartig, wenn ich es muss, ein Gräuel.

Und damit sind wir sehr nah am Geheimnis des Glaubens. Es hat etwas mit Wollen zu tun. Gott wünscht sich zutiefst, dass wir ihn lieben wollen. Und dass wir als Folge dieser Liebe Lust bekommen, ein verändertes Leben zu führen, das wiederum die Welt verändert. Entscheidend ist also die Reihenfolge. Wenn ich aus Liebe etwas tue, dann tue ich es gern. Wenn ich etwas aus Zwang tue oder weil ich glaube, es tun zu müssen, raube ich mir und anderen die Freiheit.

Wenn ich etwas aus Liebe tue, dann tue ich es gern.

Nun stellt sich natürlich die spannende Frage: Haben Sie sich oder andere in diesen Rettertypen wiedererkannt? Oder zumindest die Ängste nachvollziehen können, die darin deutlich werden? »Angst« kommt ja ursprünglich von »Enge«, darum verwundert es nicht, dass Ängste so oft zur Enge führen. Und all diese Formen eines Bedingungschristentums basieren auf Ängsten. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: auf der Angst vor der Freiheit. Oder zumindest vor zu viel Freiheit. Ja, wir haben Angst, frei zu sein. Der englische Schriftsteller und Dramatiker George Bernhard Shaw hat einmal geschrieben: »Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit; das ist der Grund, warum sich die meisten Menschen vor ihr fürchten.« Weil er damit recht hat, sind Aufklärung und Glauben ja auch keine Gegensätze. Sie gehören vom Wesen her sogar zusammen: Aufgeklärtes Denken bedeutet, dass ich für mein Leben Verantwortung übernehme, mich nicht mehr hinter irgendeiner »Du musst«-Struktur verstecke und es wage, das Dasein und auch alle Glaubensformen mutig in Frage zu stellen, um so zu dem zu kommen, was (oder besser: der) wirklich trägt.

 

Schauen wir uns zum Schluss dieser Einleitung noch mal kurz die Ursachen für das »Rettungsverhalten« vieler christlicher Strömungen an:

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