Von der Dunkelheit ins Licht

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Von der Dunkelheit ins Licht
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Evelyn Steiner

Von der Dunkelheit ins Licht

7 Geschichten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kurzbeschreibungen

Von der Dunkelheit ins Licht

Sklave

Der König

Drei Leben

Das alte Haus

Martinus

Der Stern

Danksagungen

Impressum neobooks

Vorwort

Liebe Leser,

dieser Sammelband enthält 7 völlig verschiedene Geschichten. Die meisten sind aus der Antike, weil ich diese Zeit nun einfach favorisiere, aber nicht alle. Ich erzähle eine Bibelgeschichte nach, ich habe ein Märchen verfasst, eine Erzählung ist in Form eines Briefes geschrieben, zwei Legenden habe ich ausgegraben und ihnen neues Leben eingehaucht und dann ist da noch eine Weihnachtsgeschichte. Doch was diese Geschichten alle gemeinsam haben: In jeder kommt eine Person (oder mehrerer) von der Dunkelheit der Trauer, Verzweiflung und Furcht ins Licht der Freude und des Friedens, in das Licht Gottes.

Ich wünsche viel Freude und Segen mit diesem Buch!

Evelyn

Besucht mich auch auf meiner Homepage: www.nylevestory.de.vu

und auf Facebook: www.facebook.com/autorinevelynsteiner

Dort veröffentliche ich immer wieder kürzere Texte, Drabbles und Leseproben.

Kurzbeschreibungen

Von der Dunkelheit ins Licht

Jericho im 1. Jahrhundert. Ein blinder Bettler, der nur als Abschaum seiner Gesellschaft betrachtet wird, erfährt auf zweifache Weise Heilung.

Nacherzählt aus der Bibel, Markusevangelium 10,46-52.

Sklave

Wie war es, als Leibeigener im antiken Rom zu leben?

Die Geschichte eines jungen, dunklen Sklaven, der schon zu viele Schrecken erlebt hat, als dass er noch Aussicht auf eine Besserung seiner Lebenssituation hat. Doch ist wirklich alle Hoffnung vergebens?

Der König

Es war einmal ein großer, mächtiger König, der viele Ländereien und Güter, viele Untertanen und Diener besaß. Der König hatte auch ein kleines Kind, das er von Herzen liebte und für das er alles tat.

Dies ist ein Märchen, aber es ist eigentlich noch viel mehr.

Drei Leben

Drei völlig verschiedene Charaktere treffen in einer bedeutsamen Nacht aufeinander und werden auf einzigartige Weise vereint.

Die Lebensgeschichten dreier außergewöhnlicher Frauen, die sich um 300 n. Chr. in einem römischen Kerker begegnen: Asteria von Bergamo, Agnes von Rom und eine unbekannte Eva.

Das alte Haus

Mysteriös und ein bisschen unheimlich wirkt das alte Haus - und wirklich, es hält mehr für Sophie bereit, als sie geahnt hätte. Die junge Frau erbt das Haus ihrer Großtante, die sie nie kennengelernt hat, und entdeckt ein gut gehütetes Familiengeheimnis.

Martinus

Hinter Laternenumzug und Lieder Singen verbirgt sich eine spannende Geschichte. Ich bin der Legende vom Heiligen Martin auf den Grund gegangen und habe eine Erzählung über ihn geschrieben - den jungen Martinus, der gar kein Soldat sein wollte.

Der Stern

Eines Tages erhellt ein ungewöhnlicher Stern den Nachthimmel über Israel. Johanan ist nur ein kleiner, unerfahrener Junge, doch hat er viele Fragen, mit denen er sich vertrauensvoll an Gott wendet. Doch wird dieser ihm Antwort geben?

Von der Dunkelheit ins Licht

Es war dunkel. Es war immer dunkel um ihn. Wie viele Jahre irrte er nun schon in dieser völligen Finsternis herum? Er wusste es nicht, hatte er doch keine Möglichkeit die Tage und Wochen, Monate und Jahre zu zählen, die er nun schon auf der Straße lebte und bettelte.

Manchmal, aber nur sehr selten, kamen ihm schwache Erinnerungen an Licht, an Farben und Formen. Also war er nicht immer blind gewesen, doch er konnte sich nicht mehr an sein Leben zuvor erinnern. Er konnte sich auch nicht an seine Familie erinnern, nicht an Wärme und Geborgenheit, nur das raue Leben eines Ausgestoßenen kannte er.

Wieder streckte Bartimäus den vorbeigehenden Menschen seine dünnen, ausgezehrten Hände hin, um Almosen flehend. So viele gingen einfach vorbei, ohne ihn wahrzunehmen. Manche blieben für einen Moment stehen um ihm ein kleines Geldstück zuzuwerfen, aber kaum einer redete ihn an.

Dennoch wusste er genau, was um ihn vorging, denn er hörte alles, was sich die Leute erzählten. Er wusste, was sich in der Politik zutrug, sowohl im eigenen Lande, als auch im sonstigen römischen Reich. Er kannte alle hohen Persönlichkeiten seiner Stadt mit Namen und wusste, welche Parteiungen mit welchen im Streit lagen. Alle Gerüchte und jeden Klatsch schnappte er auf, wie er so tagein, tagaus an einer Hausmauer hockte.

Im Grunde hatte er einen guten Platz ergattert, denn der Markt war nicht weit entfernt und jeder, der die Stadt in Richtung Jerusalem verlassen wollte, musste seine Straße passieren.

Bartimäus‘ Gedanken wurden zurück in die Gegenwart gerufen, als eine kleine Münze vor seinen Knien im Straßenstaub landete. Sofort rief der Bettler der Person „Schalom – Friede sei mit dir!“ nach, dann steckte er das As, eine kleine römische Münze, in die Tasche seines Gewandes. Er konnte alle Geldstücke der verbreitetsten Währungen an deren Größe, Gewicht und Prägung unterscheiden, gleich ob römische, griechische, jüdische, tyrische oder ägyptische Münzen.

Wenn es sehr heiß wurde und Bartimäus glaubte, dass der Mittag gekommen war, suchte er seinen Weg zu einem Marktstand mit Brot oder Gemüse. Oft wurde er unterwegs angerempelt oder zur Seite geschoben. An den Stimmen allein konnte er sich orientieren und den Stand mit den Lebensmitteln finden, den er suchte.

Nach dieser kleinen, aber beschwerlichen Reise, hockte er sich wieder an seinen Platz um das wenige, das er gekauft hatte, zu verzehren. Es gab keine Abwechslung in seinem Tagesablauf, nur den harten Kampf ums Überleben.

Wenn er über sein Leben nachdachte, wurde seine Traurigkeit oft zur Verzweiflung. Was war überhaupt der Sinn seines Daseins? Er wäre nur allzu gerne einmal mit nach Jerusalem hinauf gezogen, um im Tempel dem Herrn zu begegnen, aber das war eine unmögliche Vorstellung. Doch jedes Mal, wenn er Reisende bemerkte, die nach Jerusalem pilgerten, wurde sein Verlangen größer.

An diesem Nachmittag wurde es plötzlich unruhig auf den Straßen. Neugierig versuchte Bartimäus herauszufinden, was vor sich ging. Viele Leute liefen an ihm vorbei, rufend: „Er kommt!“ Doch wer es war, der Jericho in einen derartigen Aufruhr versetzte, konnte er zuerst nicht verstehen.

Auf einmal rief eine Frau neben ihm laut: „Jesus? DER Jesus aus Nazareth kommt?“ Sie lief aufgeregt weiter und auch Bartimäus versetzte diese Aussage in freudige Erwartung. Wie viel hatte er doch schon gehört, über diesen Wunderheiler aus Galiläa. Die Predigten des Mannes wurden von der ärmeren Bevölkerung begeistert aufgenommen, während sie von den oberen Schichten und den Gelehrten abgelehnt, ja sogar verachtet wurden. Doch was der Mann auch immer sagte, es wurde unterstrichen von dessen bescheidenen und vorbildlichen Lebensstil. Nie sagte dieser Jesus etwas, das er nicht auch selbst tat, und das machte ihn glaubhaft. Seine Wunder sprachen ebenfalls für sich. Wie viele Aussätzige, Gelähmte, Blinde und von Dämonen Besessene hatte er schon geheilt.

All das war Bartimäus bereits schon zu Ohren gekommen, von Männern ebenso wie von Frauen, von Alten und von Jungen. Wie so viele Menschen fragte auch er sich, ob dieser Jesus der versprochene Retter sein sollte, der Messias. Er solle ja von König David abstammen und soviel Bartimäus aus der Schrift wusste, würde der Messias eben diese Wunder tun, die Jesus aus Nazareth nun vollbrachte.

Aber Bartimäus war nur ein armer Bettler und kein Gelehrter, so konnte er nur hoffen, dass Jesus der erwartete Erlöser war. Denn wer sonst könnte ihm helfen, als der Herr allein.

Mit zitternden Knien stand Bartimäus auf und hielt sich an der Hausmauer fest. Jesus musste hier vorbei kommen. Aber würde er ihn bemerken? Würde er ihn heilen?

Der Trubel wurde immer lauter und die Straße immer voller, da alle gerne diesen Jesus sehen wollten, der überall soviel Aufsehen erregte. Bartimäus fürchtete, dass er in der Menge untergehen würde und begann zu rufen, so laut er konnte.

 

„Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“

Erboste Stimmen rund um ihn versuchten ihn zum Schweigen zu bringen. Ein Bettler sollte den großen Wanderprediger nicht belästigen, meinten sie. Aber davon ließ sich Bartimäus nicht einschüchtern, immer wieder rief er laut: „Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“

Immer verzweifelter klang seine Stimme, denn es schien, als hörte Jesus ihn gar nicht. Vielleicht war er zu unwürdig, um geheilt zu werden. Er, ein Nichts und Niemand, verachtet und ungesehen.

Doch er täuschte sich, denn sobald Jesus seine Stimme aus der Menge hörte, sagte er zu seinen Begleitern: „Sagt ihm, er soll herkommen.“ Zwei seiner Jünger gehorchten sofort und suchten den verzweifelten Bettler.

Bartimäus hörte plötzlich die Stimmen zweier junger Männer neben ihm und spürte Hände an seinen Ellenbogen. „Komm, er ruft dich.“ Sie führten ihn vorsichtig durch die Menschenmenge, die zurückwich. Als die beiden Jünger den Mann vor Jesus gebracht hatten, fiel dieser auf seine Knie nieder.

Jesus sah ihn mitfühlend an und fragte ihn: „Was soll ich für dich tun?“

Bartimäus Herz klopfte ihm bis zum Hals als er die warme, freundliche Stimme hörte. Noch niemals hatte jemand so mit ihm gesprochen. Als er Jesus ansprach, war er heiser vor Ehrfurcht: „Rabbuni, lieber Meister, ich möchte sehen können.“

Ängstlich wartete er auf die Antwort. Würde er angehört oder abgewiesen werden? Doch vertraute er fest darauf, dass Jesus ihn heilen konnte.

Als Jesus wieder sprach, war seine Antwort voller Freude: „Geh nur! Dein Glaube hat dich geheilt.“

Erstaunt hob Bartimäus seinen gesenkten Kopf und in diesem Moment wurde sein Blick klar. Überwältigt von dem grellen Licht, das er nicht gewöhnt war, schloss er schnell wieder die Augen. Da spürte er eine sanfte Hand auf seiner Schulter. Erneut die Augen öffnend, blickte Bartimäus direkt in das Gesicht von Jesus.

In seinem ganzen Leben würde er dieses Gesicht nicht mehr vergessen, voll Liebe blickte es ihn an und strahlte von innen heraus. Jesus hob ihn auf und fragte dann mit einem Lächeln: „Möchtest du mit uns nach Jerusalem gehen, Bartimäus?“

Es erstaunte ihn kaum, dass Jesus seinen Namen kannte. Dieser Mann war der Messias, Gottes Mensch gewordener Sohn, das war er sich nun sicher. Bartimäus konnte seine Augen nicht mehr von ihm abwenden.

„Herr, ich will dir folgen, wohin du auch gehst“, versprach er atemlos. Die Möglichkeit nach Jerusalem zu reisen, verblasste vor der Aussicht, immer in der Nähe von Jesus zu bleiben.

Das Lächeln Jesu vertiefte sich und er nickte.

Anmerkung:

Nacherzählt von Markus 10,46-52.

Sklave

Mit einem achtlosen Fußtritt in die Seite wurde er geweckt. Er biss die Zähne zusammen und erhob sich rasch. Dabei stolperte er fast, da seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren und ihm die Kette an seinen Füßen kaum einen halben Schritt erlaubte.

Neben ihm rappelten sich die anderen Sklaven mit Stöhnen und Ächzen auf. Viele von ihnen waren in sehr schlechter Verfassung, abgemagert, krank, verwundet, vernarbt, verkrüppelt, gebrandmarkt. Diese waren nur noch für die niedrigsten Arbeiten zu verwenden. Sie würden billig verkauft werden, hatten sie doch ohnehin nicht mehr lange zu leben. Doch es gab andere Sklaven, besser gekleidet, wohlgenährt und gepflegt. Sie würden als Leibsklaven reicher Patrizier, Bedienstete vornehmer Herren, Träger feiner Sänften oder sogar Gladiatoren verkauft werden. Den jungen Frauen unter ihnen erwartete das Leben einer Kinderfrau, einer Frisörin, einer Hausbediensteten oder auch das eines Freudenmädchens in einem der unzähligen Bordelle. All das waren Tätigkeiten, für die sich die wohlhabenderen Römer zu fein waren.

Für ihn war das so natürlich wie die Sonne, die jeden Tag aufging. Wieso sollte man auch Dinge hinterfragen, die selbstverständlich waren? Die einen waren eben frei geboren, die anderen unfrei. Jetzt war es nur wichtig, alles zu tun, was der Aufseher sagte, um sich keinen Ärger einzuhandeln.

Darum war er einer der ersten, die aufrecht standen, damit man sie in einer Reihe anketten konnte. Die Ketten rasselten, während die Sklaven des Händlers sie alle miteinander verbanden. So konnte keiner flüchten und musste mit den anderen Schritt halten.

„Los, beweg dich, du schwarzer Hund!“, brüllte der Aufseher und gab ihm einen Stoß, der ihn fast zu Fall brachte. Aber gekonnt ignorierte er sowohl den Aufseher als auch den Schmerz an seinem rechten Schulterblatt. Gehorsam setzte er sich als erster in Bewegung. Die Wunde von gestern war an seinem Rücken wieder aufgeplatzt und er spürte einen Blutstropfen an seinem Schulterblatt nach unten laufen. Das kitzelte ein bisschen, sodass er beinahe gelächelt hätte. Doch er versteinerte schnell sein Gesicht, denn ein Sklave durfte keine Gefühle zeigen. Mit Bedauern bemerkte er, dass heute wohl das Frühstück ausfiel. Der undefinierbare, dickflüssige graue Brei, den sie hier vorgesetzt bekamen, konnte zwar kaum als essbar durchgehen, war aber immerhin Nahrung gewesen. Nun gut, es machte ihm nicht viel aus, heute Morgen nichts zu essen, hatte er doch im Haus seines vorletzten Herren das Fasten gelernt.

Die Kolonne der Sklaven verließ nun den Hof des Händlers und bahnte sich durch die dichtbevölkerten Straßen Roms einen Weg zum Forum Romanum. Der Händler ritt auf einem kleinen Pferd ihm folgten seine Aufseher, die die Sklaven mit Rutenhieben antrieben.

Der Weg war lang und wenn man nicht auf das Gezeter der Aufseher hörte und Schritt für Schritt machte, konnte man gut nachdenken. Wie war er genannt worden? „Schwarzer Hund?“ Schon wieder ein neuer Name! „Hund“ war eine allgemeine, verächtliche Bezeichnung für eine bedeutungslose Person, wobei ein Sklave ja eigentlich kein Mensch war, sondern Besitz. Und „schwarz“ hatte er ihn bestimmt wegen seiner dunklen Haut gerufen. Obwohl sie eher braun als schwarz war, doch bei so was machten Römer wie Griechen keinen Unterschied. Sein erster Herr hatte ihn überhaupt nur „Niger“ – „Schwarzer“ genannt. Oft versuchte er sich zu erinnern, wie er wohl wirklich hieß. An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern - überhaupt an keine Familie. Seine älteste Erinnerung war, dass er Platten von Speisen in ein herrliches Triclinum (Speisezimmer) getragen hatte, wobei ihm mit Schlägen gedroht wurde, falls er etwas fallen ließe. Da ihm das aber immer wieder passiert war, hatte er sich schon bald im Ertragen von Schmerzen üben müssen. Sein Herr hatte nicht mit Strafen und Schlägen gespart, auch bei seinen jüngsten Sklaven nicht. Heute fragte er sich, wie alt er damals gewesen sein mochte. Aber er hatte keine genauen Anhaltspunkte, außer seine wiederholten Verkäufe und sein Vergleich mit anderen Kindern. Doch wie konnte er sich vergleichen mit einem verweichlichten, verwöhnten Patrizierjungen? Er, der Sklave, der nicht mal einen Namen oder eine Familie besaß und obendrein noch eine schwarze Haut hatte? Eigentlich hatte er gelernt, sich in alles zu fügen, egal ob Hunger oder Schmerz, Strapaze oder Demütigung; das machte ihm nicht mehr viel aus. Einzig und allein seine Hautfarbe hasste er aus ganzem Herzen. Er hasste sie mehr als alle seine Herren, Vorsteher und Verkäufer. Denn gleich wie schwach, krank oder unfähig alle anderen Sklaven gewesen waren, sie standen über ihm, weil sie weiß waren.

Tränen brannten in seinen Augen und wieder biss er seine Zähne fest zusammen, um keine Gefühlsregung zu zeigen. Wie durch einen Schleier sah er die Stadt vor seinen Augen, die Stadt, die er nun schon so viele Jahre bewohnte. Rom, das Zentrum der Welt, die Stadt, die sich selbst „die Ewige“ rühmte.

Die Reaktionen der Sklaven waren unterschiedlich, als sie sich dem Forum näherten. Es gab die, die vor Angst zitterten und weinten, andere, die grimmig vor sich hin starrten, und wieder andere, die ausdruckslos vorangingen. Manche konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten. Manche fluchten und hätten am liebsten um sich geschlagen, wenn sie gekonnt hätten. Es gab auch welche, die sich immer wieder nach einer Fluchtmöglichkeit umblickten. Und allen voran stapfte ein dunkelhäutiger, vielleicht fünfzehnjähriger Junge in dreckiger, abgerissener Tunika und unbeweglichen Gesichtszügen.

Schließlich fand der Sklavenhändler einen freien Platz auf dem Forum und drängte seine Ware auf einen Haufen zusammen. Bewaffnete Diener des Händlers bewachten sie und machten immer einen nach dem anderen los, damit sie verkauft werden konnten. Der Händler begann mit lauter Stimme auf sich aufmerksam zu machen. Rasch sammelte sich eine Menschenmenge um die Gefangen.

„Seht, seht, was ich hier habe! Ihr meint vielleicht das sei ein Gladiator. Ja, seht euch nur seine Muskeln an! Er stammt aus Germanien und kann kämpfen, das sage ich euch. Ein Fürst war er unter seinem Volk. Nun wird er einen guten Leibwächter abgeben. Seht ihn euch nur an. Seht seine stolze Haltung und sein schönes Gesicht. Was bietet ihr für diesen Prachtkerl?“

Mit vielen geschwollenen Worten versuchte er seine Kundschaft locken. Jeden einzelnen seiner Sklaven lobte er über alle Maßen. Sogar das altersschwache Mütterchen pries er als wundervolle Köchin an, und den kranken, abgemagerten jungen Mann verkaufte er als einen hochgebildeten Hauslehrer. Wenn der Preis zu sehr gedrückt wurde, klagte er, dass er wohl noch sein Haus verkaufen müsse. Dass er bei seinen Anpreisungen die Sklaven kaum eines Blickes würdigte und der Wahrheitsgehalt seiner Ausführungen gegen Null ging, schien ihn nicht im geringsten zu beunruhigen.

Die Sonne näherte sich ihrem höchsten Punkt und das Gedränge am Forum nahm ab. Während dieser Hitze verzogen sich die meisten Bürger in ihre kühlen Innengärten oder in den Schatten der Häuser. Auch der Sklavenhändler beschloss, eine Pause einzulegen. Er ging in eine Schenke um zu speisen, während seine übrigen Sklaven in der prallen Sonne warten mussten. Der Durst machte ihnen am meisten zu schaffen. Schließlich baten einige der stärkeren Männer um Wasser. Nach einer hitzigen Debatte und einigen Schlägen wurden alle Sklaven zu einem Brunnen geführt. Dort durften sie sich selbst Wasser hochziehen und nacheinander trinken.

Erst um die neunte Stunde wurde der Verkauf fortgeführt. Immer mehr Sklaven wechselten ihren Besitzer. Manche hatten einen guten Herrn erwischt, andere wurden sogar von ihren Leidensgenossen bedauert. So wie eine junge Mutter, die ihr sechs Monatige altes Kind zurücklassen musste, weil sie als Amme gekauft worden war. Ihr Schreien und Kreischen hatte ihr nichts als Schläge eingebracht. Zwei besonders hübsche jüdische Mädchen wurden von dem Betreiber eines Bordells gekauft. An den Haaren mussten die Mädchen, die sich zu Boden geworfen hatten, weggezerrt werden, da sie sich mit aller Kraft gegen ihr Schicksal wehrten. Drei kräftige Jungen wurden von einem Lanista, einem Gladiatorenausbildner gekauft. Ihre großen Augen und ihre bleichen Gesichter sprachen Bände, als sie weggebracht wurden.

Kurz vor Sonnenuntergang waren fast alle Sklaven verkauft. Nun versuchte der Händler es noch einmal mit den letzten zwei Unverkäuflichen. „Diese wackere Frau kann kochen, dass ihr fast an Zauberei denken möchtet. Wie die Götter mit Nektar und Ambrosia werdet ihr euch wähnen, wenn ihr eure Küche nur ihren erfahrenen Händen überlasst.“ Doch jedermann sah der Alten an, dass sie sich kaum mehr aufrecht halten konnte, geschweige denn eine Küche führen konnte.

„Seht hier, der Schwarze. Wo auch immer ihr ihn einsetzten möchtet, wird er eure Zufriedenheit erlangen. Gleich, ob auf einem Landgut bei der Ernte oder beim Bau von Häusern und Straßen, ob im Haus als Bediensteter oder als Laufbursche, er ist vielseitig und unermüdlich. Seht nur sein weißes Gebiss, er ist kerngesund, kräftig und ausdauernd.“ Egal, wie viele Worte der Händler für ihn gebrauchte, jeder wendete nur den Blick ab. Wie oft hatte er das nun schon mitgemacht? Und doch hatte ihn am Ende immer jemand gekauft.

Die Sonne sank bereits, als ein weißhaariger älterer Mann in nobler, langer Toga auf den Sklavenhändler zutrat. Sein Schritt war gemessen; er bewegte sich sehr aufrecht. Trotz seines weißen Haupthaares schien er voller Kraft. Seine ganze Erscheinung war ehrfurchtgebietend und sogar der Händler verneigte sich leicht vor seinem neuen Interessenten. Er hatte nur mehr ein einziges Angebot, doch das wollte er dem Herrn schmackhaft machen. Der Mann beachtete den Händler jedoch gar nicht, sondern blickte dem dunklen Jungen geradewegs in die Augen. Er sprach ihn direkt an: „Willst du mit mir kommen, Junge?“

 

Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. So etwas hatte er noch nie erlebt. Bei all seinen Herrn war er nie etwas gefragt worden, nicht die geringste Kleinigkeit. Und hier kam einer, der ihn fragte, ob er mit ihm kommen wollte. Wer fragt einen Sklaven nach seinem Willen? War es nicht die Bestimmung eines Sklaven den Willen anderer zu tun? Ungläubig blickte er den vornehmen Herrn an. Dann sagte er leise mit belegter Stimme und untergebenem Ton: „Wie du möchtest, Herr, ich stehe zu deiner Verfügung.“

„Ich habe dich gefragt, ob du willst. Ich bin allein. Willst du mir Gesellschaft leisten?“

Fassungslos antwortete er: „Ich will, Herr, ich werde alles tun.“

Da glitt ein Lächeln über die Lippen des Mannes und er reichte dem Jungen die Hand.

Doch dessen Blick pendelte erstaunt zwischen dem Gesicht und der hingestreckten Hand des Mannes hin und her.

„Oh, das hatte ich vergessen“, rief der Mann, er drückte dem Händler einen klingenden Beutel in die Hände und befahl, die Ketten zu lösen. Er kümmerte sich weder um den richtigen Preis, noch um die Ketten, die man ihm reichen wollte.

Lächelnd nahm er die Hand des Jungen und führte ihn weg. Er bog in eine andere Straße ein und dann fragte er: „Wie heißt du, Junge?“

„Ich… ich habe keinen Namen. Nenn mich wie du möchtest, Herr“, kam die zögernde Antwort.

„Aber wie wurdest du denn vorher genannt?“

„Cerberus, Herr“

„Aber…“, der Mann stutzte. Cerberus war der Name des dreiköpfigen Ungeheuers, das die Unterwelt bewachte. Das war ein schändlicher Spottname.

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