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Die Träger des deutschen Idealismus

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Die Probleme des Gewissens und der Pflicht, auch des Bösen und der Schuld werden hier mit weitem Blick und aus großer Tiefe behandelt.

Die Sittlichkeit

Eine Einigung des Guten im subjektiven und im objektiven Sinne bringt die Sittlichkeit, Form und Gehalt des Willens stimmen hier zusammen, hier erst erreicht das Leben einen festen Grund. »Das Rechtliche und das Moralische kann nicht für sich existieren, sie müssen das Sittliche zum Träger und zur Grundlage haben, denn dem Rechte fehlt das Moment der Subjektivität, das die Moral wiederum für sich allein hat, und so haben beide Momente für sich keine Wirklichkeit.« In der Sittlichkeit wird die Stufe erreicht, wo die Freiheit zu fester Gestaltung gelangt, das Leben beharrende Zusammenhänge bildet und dadurch den Menschen sicher über das kleine Ich hinaushebt; solche Zusammenhänge sind aber Familie, Gesellschaft, Staat. Bei der Familie findet Hegel zum Preise der Liebe hohe Werte, sie sei ein Gewinnen des Selbst in einer anderen Person, die wiederum dasselbe in mir erreicht. Damit erscheint die Liebe als der »ungeheuerste Widerspruch, den der Verstand nicht lösen kann«, aber wie das Hervorbringen, so ist sie auch die Auflösung des Widerspruchs, dieses aber als sittliche Einigkeit. Gesellschaft und Staat hat Hegel mit aller Deutlichkeit voneinander geschieden, jene erscheint als der Inbegriff der Verhältnisse, welche die einzelnen im gegenseitigen Verkehr zueinander ausbilden können; fiele der Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, so wäre das Interesse der einzelnen als solcher der letzte Zweck. Der Staat dagegen enthält eine feste Organisation des gemeinsamen Willens und hat damit seinen Zweck in sich selbst. Er baut sich in den Stufen des inneren Staatsrechts, des äußeren Staatsrechts, der Weltgeschichte auf. In der inneren Verfassung verficht Hegel die konstitutionelle Monarchie, da in der Person des Monarchen die Persönlichkeit und Souveränität des Ganzen erst voll zum Ausdruck komme und hier die notwendige Umsetzung des gemeinsamen Strebens in bestimmte Willensentscheidung erfolge. Auf die Individualität des Monarchen komme es dabei weniger an. »Es ist bei einer formellen Organisation nur um die Spitze formellen Entscheidens zu tun, und man braucht zu einem Monarchen nur einen Menschen, der ›Ja‹ sagt und den Punkt auf das i setzt; denn die Spitze soll so sein, daß die Besonderheit des Charakters nicht das Bedeutende ist.« So erscheint auch hier die Geringschätzung des Individuellen, die Hegel eigentümlich ist; überhaupt erklärt er für das politische Gebiet den öffentlichen Zustand für um so vollkommener, »je weniger dem Individuum für sich nach seiner besonderen Meinung zu tun übrig bleibt«. Es stimmt dazu die Art, wie Hegel das Verhältnis des großen Mannes zu seiner Umgebung faßt. Daran zweifelt er nicht, daß die großen Wendungen der Weltgeschichte keine Wirkungen der Masse sind, sondern sich in einzelnen hervorragenden Individuen vollziehen, aber diese Individuen sind groß nicht durch das, was sie an Besonderem haben, sondern durch das, was sie an Bewegungen der Gemeinschaft zum Bewußtsein bringen. »In der öffentlichen Meinung ist alles Falsche und Wahre, aber das Wahre in ihr zu finden, ist Sache des großen Mannes. Wer, was seine Zeit will, anspricht, ihr sagt und vollbringt, ist der große Mann der Zeit.«

Hegel will eine Volksvertretung, aber sie soll weniger in den Gang des Staatslebens eingreifen als dahin wirken, es auf eine höhere Stufe des Bewußtseins zu heben. Sein Ideal ist die Herrschaft der Intelligenz, und eine solche scheint ihm in unserer Zeit am ehesten ein philosophisch gebildetes Beamtentum zu bieten. Augenscheinlich schweben ihm dabei die damaligen Verhältnisse des preußischen Staates vor, die er in verklärendem Lichte sah, gemäß seiner Neigung, das Wirkliche als ein Vernünftiges zu verstehen.

Der Krieg

Bei den äußeren Verhältnissen verteidigt Hegel mit großer Entschiedenheit den Krieg, das aber in engem Zusammenhang mit seiner philosophischen Grundüberzeugung. Er versteht die Weltgeschichte als in unablässiger Fortbewegung begriffen, und das Hauptmittel des Fortschritts ist ihm der Kampf; das gilt nicht nur für das geistige Schaffen, sondern auch für das staatliche Leben. Jedes einzelne Volk ist nur ein Teil des Ganzen, im Ganzen aber verschiebt sich unablässig die Kraft des Lebens und verlegt sich von einem Volk in ein anderes; das kann nicht ohne Zusammenstoß und harten Kampf geschehen, so wird der Krieg ein Mittel, das Leben in frischem Fluß zu halten und seinen Fortgang zu befördern, »er hat die höhere Bedeutung, daß durch ihn die sittliche Gesundheit der Völker in ihrer Indifferenz gegen das Festwerden der endlichen Bestimmtheiten erhalten wird, wie die Bewegung der Winde die See vor der Fäulnis bewahrt, in welche sie eine dauernde Ruhe, wie die Völker ein dauernder oder gar ein ewiger Friede versetzen würde.« Zur Ausführung fügt er hinzu: »Im Frieden dehnt sich das bürgerliche Leben mehr aus, alle Sphären hausen sich ein, und es ist auf die Länge ein Versumpfen der Menschen; ihre Partikularitäten werden immer fester und verknöchern.«

In engem Zusammenhang mit dieser Stellung zum Kriege steht die Hegelsche Fassung des Verhältnisses von Moral und Politik. So wenig er die Politik aus der Moral herausfallen lassen möchte, so meint er, daß beim Staate mit seinen eigentümlichen Aufgaben die Moral selbst eine andere werde als in den privaten Verhältnissen. Das Wohl des Staates habe eine ganz andere Berechtigung als das Wohl der einzelnen, und zwar habe der Staat sein Recht in seiner »konkreten Existenz«, und es könne »nur diese konkrete Existenz, nicht einer der vielen für moralische Gebote gehaltenen allgemeinen Gedanken Prinzip seines Handelns und Benehmens sein«.

Die Weltgeschichte

Das Leben des einzelnen Staates mündet nach Hegel ein in die Gesamtbewegung der Weltgeschichte. Denn nach seiner Überzeugung ist immer ein einzelnes Volk der Träger der jeweiligen Entwicklungsstufe des Ganzen. Dieses auf der Höhe befindliche Volk hat dann ein absolutes Recht gegen andere, freilich nur insofern es der allgemeinen Bewegung, der »Idee des Weltgeistes« dient. Hegel meint, daß eine solche Höhe einem Volk nur ein einziges Mal beschieden sei.

Die nähere Fassung des weltgeschichtlichen Prozesses bildet eine der Höhen der Hegelschen Gedankenarbeit; seine immanente Art, die Welt zu betrachten, findet hier einen besonders großartigen Ausdruck. Mit fester Energie weist Hegel diejenigen ab, welche in respektierender Betrachtung nützliche Lehren aus der Geschichte ableiten möchten; er verurteilt das mit den Worten: »Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt hätten. Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, daß in ihm aus ihm selbst entschieden werden muß und allein entschieden werden kann.« Eine Voraussetzung allerdings hat die Philosophie an die Geschichte als ihre denkende Betrachtung heranzubringen, die Voraussetzung, daß eine Vernunft in ihr walte, daß es auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei; nur wenn wir Vernunft in ihr suchen, kann sie uns Vernunft offenbaren; »wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an; beides ist in Wechselbestimmung.« Zugleich bekämpft er sowohl diejenigen, welche zwar an eine Vorsehung für die einzelnen Individuen glauben, nicht aber an eine solche für das Große und Ganze, sowie auch diejenigen, welche sich bei dem allgemeinen Gedanken einer weltgeschichtlichen Vorsehung begnügen und nicht eine nähere Ausführung dieses Gedankens wagen. »Wir können nicht bei jener, sozusagen, Kleinkrämerei des Glaubens an die Vorsehung stehen bleiben und ebensowenig bei dem bloß abstrakten, unbestimmten Glauben, der nur zu dem Allgemeinen, daß es eine Vorsehung gebe, fortgehen will, aber nicht zu den bestimmteren Taten derselben. Wir haben vielmehr Ernst damit zu machen, die Wege der Vorsehung, die Mittel und Erscheinungen in der Geschichte zu erkennen, und wir haben diese auf jenes allgemeine Prinzip zu beziehen.«

Der Kern der Geschichte

Hegels Lösung der großen Frage nach dem Sinn und dem Verlauf der Geschichte ist aber folgende: Den Kern der Geschichte bildet die Bewegung des Geistes, das Wesen des Geistes aber ist die Freiheit, Freiheit im Sinne des Beisichselbstseins, nicht im Sinne einer Wahlfreiheit, »Freiheit ist nur da, wo kein anderes für mich ist, das ich nicht selbst bin«. Das Bewußtsein einer solchen Freiheit aber hat der Geist erst zu erringen, und dies eben ist es, was in der Geschichte erfolgt. »Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit«; ja als der Endzweck der Welt erscheint damit »das Bewußtsein des Geistes von seiner Freiheit«.

Hier besonders kommt zur Geltung, daß der Aufstieg nicht in ruhigem Fortgang, sondern durch schroffe Gegensätze und härtesten Kampf hindurch erfolgt. »Die Entwicklung, die in der Natur ein ruhiges Hervorgehen ist, ist im Geist ein harter unendlicher Kampf gegen sich selbst. Was der Geist will, ist seinen eigenen Begriff zu erreichen, aber er selbst verdeckt sich denselben, ist stolz und voll von Genuß in dieser Entfremdung seiner selbst.« »Die Entwicklung ist auf diese Weise nicht das harm- und kampflose bloße Hervorgehen, wie die des organischen Lebens, sondern die harte unwillige Arbeit gegen sich selbst.«

Große Menschen

So gewiß die Träger dieser Bewegung die Menschen sind, sie dient nicht ihrem Befinden, und nicht ihre Absichten sind es, welche den Weltlauf bestimmen. Vielmehr sind die Menschen nur Mittel und Werkzeuge der Bewegung des Geisteslebens, sie dienen ihm auch dann, wenn sie nur ihre eignen Zwecke zu fördern glauben. »Sie vollbringen ihr Interesse, aber es wird noch ein Ferneres damit zustande gebracht, was auch innerlich darin liegt, aber das nicht in ihrer Absicht lag.« »Die Leidenschaften zerstören sich gegenseitig, die Vernunft allein wacht, verfolgt ihren Zweck und macht sich geltend.« So spricht Hegel auch von einer »List« der Idee. Aus dem allgemeinen Getriebe aber heben sich als große Menschen solche hervor, welche die allgemeine Notwendigkeit zu ihrer eignen Lebensaufgabe machen. »Dies sind die großen Menschen in der Geschichte, deren eigne partikularen Zwecke das Substantielle enthalten, welches Wille des Weltgeistes ist. Dieser Gehalt ist ihre wahrhafte Macht.« Diese Menschen aber kommen nach Hegel eben zu der Zeit, welche ihrer bedarf. »Wir müssen überzeugt sein, daß das Wesen die Natur hat durchzudringen, wenn seine Zeit gekommen, und daß es nur erscheint, wenn diese gekommen, und deswegen nie zu früh erscheint noch ein unreifes Publikum findet.« Wie Hegel in dem allen der weltgeschichtlichen Bewegung eine Überlegenheit gegen die Zwecke der Individuen zuerkennt, so verlangt er auch für ihre Beurteilung einen anderen Standort als den der privaten Moral. »Die Weltgeschichte bewegt sich auf einem höheren Boden, als der ist, auf dem die Moralität ihre eigentliche Stätte hat, welche die Privatgesinnung, das Gewissen der Individuen, ihr eigentümlicher Wille und ihre Handlungsweise ist; diese haben ihren Wert, Imputation, Lohn und Bestrafung für sich.« »Die Taten der großen Menschen, welche Individuen der Weltgeschichte sind, erscheinen so nicht nur in ihrer inneren bewußtlosen Bedeutung gerechtfertigt, sondern auch auf dem weltlichen Standpunkte. Aber von diesem aus müssen gegen welthistorische Taten und deren Vollbringer sich nicht moralische Ansprüche erheben, denen sie nicht angehören. Die Litanei von Privattugenden der Bescheidenheit, Demut, Menschenliebe und Mildtätigkeit muß nicht gegen sie erhoben werden.« Gewiß liegt in solchem Gedanken eine Wahrheit, aber die Art, wie Hegel ihn überspannt, enthält augenscheinlich die Gefahr, die Moral der geistigen Kraft gänzlich unterzuordnen; er sah in der Moral nicht wie Kant die Quelle einer neuen Welt, sondern nur die subjektive Gesinnung des einzelnen, und daß diese nicht die bewegende Kraft der Weltgeschichte bildet, daran läßt sich nicht zweifeln. Wie hier, so ist überhaupt die Größe Hegels eng mit starker Einseitigkeit verquickt; wer ihn richtig beurteilen will, hat beides miteinander gegenwärtig zu halten.

 

Die nähere Durchführung des Grundgedankens hat darzutun, daß alle Mannigfaltigkeit des Geschehens der Entwicklung des Geistes zum Bewußtsein der Freiheit dient. Das ist nun nicht wohl möglich ohne eine energische Zusammendrängung und vielfache Gewaltsamkeit, die Individualität des Geschehens findet bei weitem nicht ihr gebührendes Recht. Aber andererseits erweist sich eine gewaltige Kraft in dem Vermögen, ausgedehnte Gebiete zu strenger Einheit zusammenzufassen und mit knappen, oft sehr treffenden Worten zu charakterisieren. Auch sei bei der Beurteilung gegenwärtig, daß sich damals das Bild der Geschichte unvergleichlich enger und einfacher ausnahm als in der Gegenwart. Den Mittelpunkt bildete dort das Verhältnis des Altertums zur Neuzeit durch das Christentum hindurch; das Leben des Orients mit all seinem Reichtum wurde als eine bloße Vorstufe angesehen, es war das die Zeit des stolzen Selbstbewußtseins Europas, die Zeit, der Europa als einziger Sitz höherer Bildung galt, und wo man, um mit F. A. Wolf zu reden »Asiaten und Afrikaner als literarisch nicht kultivierte, nur zivilisierte Völker« von der höheren Bildung ausschloß. Demgegenüber hat Hegel schon eine größere Weite.

Seinem Gesamtverfahren gemäß zerlegt Hegel die Geschichte in drei Hauptperioden: das Versenktsein des Geistes in die Natürlichkeit, das Heraustreten in das Bewußtsein seiner Freiheit (aber noch mit der unmittelbaren Natürlichkeit als einem Momente behaftet), das Selbstbewußtsein und Selbstgefühl des Wesens der Geistigkeit. In der näheren Entwicklung nimmt die Religion eine hervorragende Stelle ein, erst die Anerkennung einer höheren Ordnung gibt nach Hegel dem Menschen einen Wert bei sich selbst. So sagt er (zunächst im Hinblick auf die Neger): »Daraus, daß der Mensch als das Höchste gesetzt ist, folgt, daß er keine Achtung vor sich selber hat, denn erst mit dem Bewußtsein eines höheren Wesens erlangt der Mensch einen Standpunkt, der ihm eine wahre Achtung gewährt.« In allen verschiedenen geschichtlichen Gestaltungen der Religion bemüht sich Hegel einen Vernunftgehalt aufzuweisen. »In jeder Religion ist göttliche Gegenwart, ein göttliches Verhältnis, und eine Philosophie der Geschichte hat in den verkümmerten Gestalten ein Moment des Geistigen aufzusuchen.« Aber zugleich tritt er aufs entschiedenste dafür ein, daß die Religion nur zusammen mit der geistigen Arbeit, nicht von ihr abgelöst, segensreich wirken könne. In der Absonderung vermöge die Religion die Leidenschaften und Begierden nicht zu bezwingen. »Damit das Herz, der Wille, die Intelligenz wahrhaft werden, müssen sie durchbildet werden, das Rechte muß zur Sitte, zur Gewohnheit werden, die wirkliche Tätigkeit muß zu einem vernünftigen Tempel erhoben sein, der Staat muß eine vernünftige Organisation haben, und diese macht erst den Willen der Individuen zu einem wirklich rechtlichen. Das byzantinische Reich ist ein großes Beispiel, wie die christliche Religion bei einem gebildeten Volke abstrakt bleiben kann, wenn nicht die ganze Organisation des Staates, der Gesetze nach dem Prinzipe derselben rekonstruiert wird. Das Christentum war zu Byzanz in den Händen des Abschaums.«

Die germanische Welt

Die Höhe und den Abschluß der geschichtlichen Entwicklung findet Hegel in der »germanischen Welt«; die Neuzeit habe hier die Aufgabe, die Innerlichkeit des Geisteslebens, die durch das Christentum eröffnet, aber zunächst im Gegensatze zur Welt verblieben sei, dieser zuzuführen und ihre ganze Weite damit zu durchdringen.

Das Ganze klingt in eine befriedigte, ja freudige Stimmung aus. »Die Entwicklung des Prinzips des Geistes ist die wahrhafte Theodizee, denn sie ist die Einsicht, daß der Geist sich nur im Elemente des Geistes befreien kann, und daß das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur von Gott kommt, sondern Gottes Werk selber ist.«

Im geistigen Schaffen, im Reich des »absoluten Geistes«, wie Hegel es nennt, unterscheidet er drei Hauptgebiete: Kunst, Religion, Philosophie. Alle haben zum Inhalt dieselbe Wahrheit, aber sie stellen diese in verschiedener Weise dar und bilden dabei eine Stufenfolge. Die Kunst gibt die Wahrheit in der Form der sinnlichen Anschauung, die Religion in der der Vorstellung und des Gefühls, die Philosophie als die Vollenderin des Ganzen in der des reinen Denkens. In jedem der Gebiete aber wird eine Bewegung aus eigner Kraft und sachlicher Notwendigkeit aufzuweisen gesucht, die durch Satz und Gegensatz verläuft. So treten alle Gebiete geistigen Lebens in dasselbe Licht und verbinden sich zu einem großen Ganzen, überall ist es der Gedankengehalt, der sie beherrscht und gestaltet; ob sie dabei ihre Individualität vollauf zu wahren vermögen, ob überhaupt das Leben damit nicht in eine zu enge Bahn geleitet wird, das ist eine andere Frage. Namentlich der Religion wird es hier schwer gemacht, eine Selbständigkeit gegen die Philosophie zu behaupten.

Indem Hegel das Schöne als »eine bestimmte Weise der Äußerung und der Darstellung des Wahren« faßt, stellt er die Aufgabe, überall einen Gedankengehalt aufzusuchen und alles künstlerische Schaffen von da aus zu verstehen; die Kunst befreit durch ihre Darstellungen innerhalb der sinnlichen Sphäre zugleich von der Macht der Sinnlichkeit. Durch solches Verlangen eines Gehalts tritt Hegel in einen geraden Gegensatz zu denen, welche die Form für das Wesentliche am Kunstwerk erklären und in ihr den Grund des Gefallens am Schönen finden. Hegels Fassung enthält den Antrieb, die Kunst mit dem Ganzen des geistigen Lebens in einen engen Zusammenhang zu bringen und auch in ihr eine der Gesamtbewegung des Geistes entsprechende Entwicklung durch Satz und Gegensatz aufzuweisen. Das hat er in Wahrheit durch ebenso ausgebreitete wie tiefeindringende Arbeit getan, seine Forschungen zur Ästhetik sind das Bedeutendste, was unsere Literatur auf diesem Gebiete besitzt. Daß die Wirkung dieser Lehre oft minder günstig war, indem sie zum Aufstöbern eines Begriffes, eines »Grundgedankens« in den Kunstwerken drängte und dabei viel unerquickliches Räsonnement hervorrief, ist nicht ohne weiteres dem Denker selbst zur Last zu legen.

Religion

Besonders tief hat Hegels Arbeit in die Behandlung der Religion eingegriffen. Er bringt ihr die höchste Schätzung entgegen, er hat sich von früh an mit ihren Problemen eifrig befaßt, auf keinem anderen Gebiet erreicht seine Sprache eine solche Wärme wie hier. Die Religion ist ihm im allgemeinsten Sinne »Beschäftigung mit Gott«. »Als Tätigkeit tut sie nichts anderes als die Ehre Gottes zu manifestieren, die Herrlichkeit desselben zu offenbaren. Die Völker haben dann dies religiöse Bewußtsein als ihre wahrhafte Würde, als den Sonntag des Lebens angesehen; aller Kummer, alle Sorge, diese Sandbank der Zeitlichkeit, verschwebt in diesem Äther, es sei im gegenwärtigen Gefühl der Andacht oder in der Hoffnung. In dieser Region des Geistes strömen die Lethefluten, aus denen Psyche trinkt, worin sie allen Schmerz versenkt, alle Härten, Dunkelheiten der Zeit zu einem Traumbild gestaltet und zum Lichtglanze des Ewigen verklärt.« Seine wissenschaftliche Erörterung und Begründung der Religion hat sich zunächst nach zwei Richtungen hin zu rechtfertigen: einmal gegen eine bloß historische Behandlung, dann aber gegen eine Begründung der Religion auf das Gefühl, wie Schleiermacher sie unternommen hatte. Der bloß historischen Betrachtungsweise hält Hegel entgegen, es sei ein unabweisbares Bedürfnis der Gegenwart, die Religion nicht auf bloße Autorität hinzunehmen, sondern »durch denkende Vernunft Gott zu erkennen«. »Die Vernunft ist der Boden, auf dem die Religion allein zu Hause sein kann.« Auch könnten unmöglich der historische Glaube und die philosophische Forschung ruhig nebeneinander stehen bleiben. »Wäre das Erkennen der Religion nur historisch, so müßten wir solche Theologen wie Kontorbedienten eines Handelshauses ansehen, die nur über fremden Reichtum Buch und Rechnung führen, die nur für andere handeln, ohne eigenes Vermögen zu bekommen.« Auch sei es eine Verkehrung der Philosophie, sie als nur mit der Welt befaßt, als »Weltweisheit« und göttlichen Dingen fremd darzustellen, im Gegenteil habe die Philosophie Gott zum Gegenstande und eigentlich zum einzigen Gegenstande: »Auch die Philosophie hat keinen anderen Gegenstand als Gott, und ist so wesentlich rationelle Theologie, und als im Dienst der Wahrheit fortdauernder Gottesdienst.« Es sei dabei freilich nicht vergessen, daß Hegel den Gottesbegriff ganz im Sinne seiner eignen Philosophie versteht und damit die ganze Religion wesentlich umgestaltet. »Gott ist das an und für sich schlechthin Allgemeine.«

Religion und Vernunft

In anderer Richtung bekämpft Hegel die Begründung der Religion auf das bloße Gefühl, wobei er aber die eigentümliche Fassung des Gefühls bei Schleiermacher verkennt und diesem in seiner Kritik entschiedenes Unrecht tut. Die Zurückführung des Glaubens auf das Gefühl würde, so meint er, jenen ganz subjektiv machen, das Gefühl habe den zufälligsten Inhalt, »es sproßt die königlichste Blume auf demselben Boden neben dem wucherndsten Unkraut auf«. Nach Hegel empfängt das Gefühl seine Wahrheit erst durch den Gedanken: »Der wahre Nerv ist der wahrhafte Gedanke; nur wenn er wahr ist, ist das Gefühl auch wahr.« Damit wird das Gefühl nicht verworfen, aber es hat seinen wahrhaften Inhalt erst von der Philosophie zu empfangen.

Der Inhalt der Religion ist nun bei Hegel, wie sich schon zeigte, derselbe wie der der Philosophie, nur gibt die Religion die Wahrheit in der Form der Vorstellung, die Philosophie in der Form des Begriffs, des reinen Denkens; dort stehen die einzelnen Sätze als Tatsachen unmittelbar nebeneinander, hier werden sie als zusammenhängend und notwendig dargetan. Die Religion ist für alle Menschen, nicht aber die Philosophie. So hat denn die Philosophie »die Vernunft zu versöhnen mit der Religion und diese in ihren mannigfaltigen Gestaltungen als notwendig zu erkennen«. Der gemeinsame Inhalt von Philosophie und Religion ist nach Hegel, »sich als einzelner als das Allgemeine zu setzen und sich als einzelner aufhebend sein wahrhaftes Selbst als das Allgemeine zu finden«; so wird Religion »Beziehung des Geistes auf den absoluten Geist«; da aber diese Beziehung schließlich innerhalb des absoluten Geistes liegt, das Endliche letzthin in Gott ist, so ist Religion im höchsten Sinne nicht ein Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern ein Verhältnis Gottes zu sich selbst. »Gott setzt das andere und hebt es auf in seiner ewigen Bewegung.« Die Religion ist letzthin »die Idee des Geistes, der sich zu sich selbst verhält, das Selbstbewußtsein des absoluten Geistes«. Durch den Weltprozeß hindurch erfolgt hier eine Selbsterfassung und Selbstvollendung Gottes, wie denn Hegel auch geradezu sagt: »Ohne Welt ist Gott nicht Gott.«

 

Das Christentum

Diese »Religion des absoluten Geistes« sucht dann Hegel als identisch mit dem Christentum, als eine Erhebung des Christentums zu voller philosophischer Klarheit nachzuweisen; die christliche Lehre von der Erlösung durch ein Eingehen Gottes in die Welt, von einem Ausgehen und Zurückkehren zu sich selbst, ist dabei der verbindende Gedanke. Eine große Künstlichkeit dieses Verfahrens ist nicht zu verkennen, doch werden zugleich bedeutende Gedanken entwickelt. Ein solcher ist, entsprechend der Hegelschen Art vom Ganzen her zu verstehen, daß auch in der Religion an der einzelnen Stelle nichts geschehen kann, was nicht im Ganzen begründet und von dort zugeführt ist. »Daß der Gegensatz an sich aufgehoben ist, macht die Bedingung, Voraussetzung aus, die Möglichkeit, daß das Subjekt auch für sich ihn aufhebe.« »Nur vermittels dieses Glaubens, daß die Versöhnung an und für sich und gewiß vollbracht ist, ist das Subjekt fähig, imstande, sich selbst in diese Einheit zu setzen. Diese Vermittlung ist absolut notwendig.« Ferner verficht Hegel mit großer Entschiedenheit die Unabhängigkeit der Substanz der Religion von sinnlichen Zeichen und Wundern. »Die Beglaubigung des Sinnlichen, sie mag einen Inhalt haben, welchen sie will, bleibt unendlichen Einwendungen unterworfen«; »was für den Geist Wahrheit haben, was er glauben soll, muß nicht sinnliches Glauben sein; was für den Geist wahr ist, ist ein solches, für welches die sinnliche Erscheinung heruntergesetzt wird. Indem der Geist vom Sinnlichen anfängt und zu diesem seiner Würdigen kommt, ist sein Verhalten gegen das Sinnliche zugleich ein negatives Verhalten.« So ist die sinnliche Geschichte für den Geist nur Ausgangspunkt, über den es fortzuschreiten gilt. Ferner dringt Hegel auch in diesen Ausführungen stets darauf, die Religion als eine Sache nicht der Vergangenheit und des gelehrten Wissens, sondern der lebendigen Gegenwart zu behandeln. »Was der Geist tut, ist keine Historie; es ist ihm nur um das zu tun, was an und für sich ist, nicht Vergangenes, sondern schlechthin Präsentes.«

So enthält auch Hegels Religionsphilosophie wertvollste Anregungen. Aber daß diese Religion eines Ausgehens und Zurückkehrens der Gottheit zu sich selbst der christlichen Religion nur durch recht künstliche Deutung gleichgesetzt werden kann, daran läßt sich nicht zweifeln; alle Größen sind dabei verschoben, alles ist vom Moralischen ins Intellektuelle umgedeutet.

Die Philosophie

Den Gipfel des Lebens findet Hegel in der Philosophie, sie ist eine Erfassung der Wahrheit in der Form des Denkens, sie ist »der sich in Geistesgestalt wissende Geist oder das begreifende Wissen«. Ihre Entwicklung aber liegt in ihrer Geschichte, sie ist nichts besonderes neben dieser. Nur muß die Geschichte in ein Ganzes zusammengefaßt und vom Gedanken durchleuchtet werden. Die Lehren der einzelnen Denker sind nicht bloße Meinungen und Einfälle der Individuen, sondern in dem, was an ihnen wahr ist, sind sie notwendige Stufen des Gedankenprozesses. Diese Überzeugung drängt dahin, den Platz jeder einzelnen Leistung innerhalb des Ganzen aufzusuchen, sein Hervorgehen und sein Einmünden in das Ganze darzustellen, auch bei den einzelnen Denkern in aller Mannigfaltigkeit eine Hauptidee zu erkennen und diese mit voller Klarheit herauszuheben; alles Nebensächliche wird dabei energisch abgestreift. Der Fortschritt der Bewegung erfolgt aber wieder nach dem Gesetze des Gegensatzes, mittels eines Hindurchgehens durch These und Antithese, bis endlich eine allumfassende Synthese gewonnen wird. Diese glaubt Hegel aber in der Gegenwart erreicht. So kann es nicht als vermessen erscheinen, von hier aus den ganzen Bereich der Vergangenheit aufzuhellen und den Wahrheitsgehalt jeder besonderen Leistung festzustellen. Das Ganze erscheint damit als ein »in sich zurückkehrender Kreis, der seinen Anfang voraussetzt und ihn nur im Ende erreicht«. »Jeder Schritt des Fortgangs ist auch eine Rückannäherung an den Anfang.« Ein solches Insichzurückkehren erscheint Hegel als die wahre Unendlichkeit, während er die schlechte Unendlichkeit einer ins Endlose fortlaufenden geraden Linie vergleicht.

In jener wahren Unendlichkeit erreicht das Leben ein volles Beisichselbstsein und zugleich inmitten der unablässigen Bewegung ein sicheres Ruhen in sich selbst.

Auch in diesem Abschluß zeigt Hegel eine gewaltige Kraft des Denkens mit gewagter, höchst angreifbarer Behauptung aufs engste verbunden. Es erfolgt hier eine kräftige Gegenwirkung gegen ein Auseinanderfallenlassen der Gedankenbewegung in zerstreute Einzelleistungen, auch gegen ein Gleichsetzen von Haupt- und Nebensachen und ein Verweilen bei diesen; bloße Gelehrsamkeit wird von Hegel wenig geschätzt, er meint, daß sie »da immer am breitesten sich ausdehnt, wo am wenigsten zu holen ist«. Indem eine Gesamtbewegung alles umfaßt, alles einzelne aus sich hervortreibt und in sich zurücknimmt, wird ein packendes Bild geboten. Aber auch die Gefahren dieses Verfahrens liegen deutlich zutage, an Widerspruch konnte es nicht fehlen.

Es ist nicht leicht, zum Ganzen der Hegelschen Gedankenwelt Stellung zu nehmen. Da alle Mannigfaltigkeit einem einzigen Grundgedanken dient, so scheint die Sache damit auf ein schroffes Entweder – Oder zu kommen: entweder völlige Billigung oder völlige Ablehnung. Die nähere Erörterung dieser Frage ist eine Sache der Philosophie, sie wird dabei die Mahnung Hegels gegenwärtig zu halten haben, daß Systeme nur durch Systeme zu widerlegen sind. – Unsere Würdigung kann sich nur an die geschichtlichen Wirkungen halten, diese aber waren unbestreitbar groß. Die hier mit gewaltiger Energie erhobene Forderung, eine den Meinungen und Zwecken der Menschen überlegene sachliche Wahrheit anzuerkennen und ihren Forderungen nachzukommen, sich in die Dinge selbst zu versetzen und sie aus sich selbst zu verstehen, hat stärkend und erhöhend auf die geistige Arbeit gewirkt. Die Voranstellung des Ganzen vor alles Einzelne, das Sehen vom Ganzen her, hat der wissenschaftlichen Forschung fruchtbare Anregungen gegeben, indem sie überall auf ein Begreifen des Einzelnen aus den Zusammenhängen drang und die Individuen als einen Ausdruck ihrer Zeit zu verstehen suchte; sie hat noch mehr auf politischem und sozialem Gebiet gewirkt, indem sie die Aufgabe des Ganzen vor alle Interessen der Individuen zu stellen und die Macht wie den Wirkungskreis des Ganzen zu steigern antrieb; aus Hegel haben nicht nur die sozialdemokratischen Theorien geschöpft (Marx, Engels, Lassalle), man kann sagen, daß seine Auffassung den geistigen Hintergrund des gesamten sozialen Wirkens des modernen Staates bildet. Daß Hegel in aller Mannigfaltigkeit des Nacheinander eine durchgehende Bewegung aufwies, in ihr einen Fortschritt aus eigener Kraft verfocht, alle Erscheinungen in ein Verhältnis gegenseitiger Bedingtheit brachte, alles sich gegenseitig suchen, tragen, fördern ließ, das hat nicht nur im Ergebnis vieles gewinnen lassen, es hat auch die Art des Denkens geschmeidiger und flüssiger gemacht, es hat ihm eine freiere Stellung zum Stoffe gegeben. Daß Hegel die ungeheure Macht der Verneinung im menschlichen Leben, die aufrüttelnde und weitertreibende Macht des Widerspruches in ihm vollauf zur Anerkennung brachte, das hat einen großen Ernst in die Behandlung der Dinge gebracht, aber da seinem Nein immer auch ein Ja gegenwärtig war, zugleich eine innere Erhebung. Es ist ein großartiger Versuch, in der Wirklichkeit durch Schmerz und Leid hindurch das Walten einer Vernunft zu enthüllen, ein großartiger Versuch auch, mit voller Hingebung an die Bewegung der Zeit eine Betrachtung zeitüberlegener Art zu verbinden und damit den Lebensdrang bei sich selbst zur Ruhe zu bringen. Wohl ist hier das letzte Ziel eine Versöhnung mit dem Ganzen der Wirklichkeit, aber diese fordert eine so völlige Umwandlung des nächsten Anblicks der Dinge und kostet so viel Arbeit und Opfer, daß sie mit dem landläufigen Optimismus nicht das mindeste gemein hat.