Mirroring Hands

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RHNein.

ELREr war eine ziemlich eindrucksvolle Persönlichkeit – ein wunderbar liebevoller Hausarzt. Es war schon angenehm, ihn nur anzuschauen. Wenn er lächelte, fühlte man sich gut bei ihm aufgehoben – eingehüllt in die Flügel seines Wohlseins …

Dann habe ich eine Phase erlebt, in der die Finger wie Magneten sein konnten. Ich habe alle möglichen Übergangsphänomene durchlebt, und schließlich wurde mir die Bedeutung inneren Gewahrseins und der Selbstfürsorge im Alltagsleben klar (beschreibt mit beiden Armen einen großen, weit ausladenden Kreis, wobei sich seine Hände sehr langsam im Raum bewegen) … Ich stellte in meinem persönlichen Erleben fest, dass sogar ich etwas spüren kann, obwohl ich nicht besonders »suggestibel« bin. Wenn ich mit jemandem therapeutisch arbeite, befinde ich mich in der Regel in einem Zustand tiefer Empathie und tiefen Rapports. Ich versuche, mein Gefühl der Verbundenheit mit der anderen Person zu stärken, indem ich sie frage: »Spüren Sie, dass ein Teil von Ihnen von sich zu stoßen versucht, was Sie nicht mehr brauchen, und dass ein anderer Teil von Ihnen versucht zusammenzuziehen, was Sie annehmen müssen?« Sah die andere Person dann ihre eigenen Hände langsam zueinander hinstreben, fragte ich: »Bewegen sich die Hände wirklich aufeinander zu? Oder greifen Sie bewusst ein, damit das passiert?« Der Proband antwortet dann: »Nein, ich tue das nicht!«

Als eines Tages die Finger eines Klienten einander berührt hatten, wagte ich zu fragen: »Was würde wohl geschehen, wenn die Magneten, die inneren Kräfte, umgekehrt würden? Könnten Sie dann fühlen oder spüren, wie Ihre Hände auseinanderstreben?« Natürlich entfernten sich die Hände daraufhin voneinander. Dann sagte ich: »Bemühen Sie sich gerade, Ihre Rolle möglichst gut zu spielen, oder geschieht das alles wirklich wie von selbst?« Das Wie-von-selbst-Geschehen – das, was Hypnotherapeuten als »leichte Dissoziation« bezeichnen würden – wurde für mich sehr wichtig beim Entwickeln einer Vorstellung von sich verändernden neuartigen Zuständen des Bewusstseins und der Kognition. Ich vermute mittlerweile, dass solche Zustände verstärkter ideosensorischer Dynamiken eine Dimension des Bewusstseins auf der Quantenebene des NNNE sind, die sich zurzeit entwickelt.

Wenn also der NNNE selbstständig vonstattengeht, ist natürlich alles in der Natur auf der Quantenebene der Ungewissheit, der Wahrscheinlichkeit und des Potenzials für kreative Veränderung unbewusst. Auf diese Weise stellen wir Kontakt her – eine Verbindung zwischen neu entstehendem Bewusstsein, der Kognition, den Träumen und der probabilistischen Natur des Quanten-Unbewussten. Viele Jahre lang blieb ich dabei, essenzielle »Ja«- oder »Nein«-Zustände emotionalen Übergangs durch meine Mirroring-Hands-Technik zu fördern, Gehirn-Geist-Zustände mittels NNNE zusammenzuziehen oder auseinanderzutreiben. Dann kam es zu einer letzten wichtigen Veränderung: Ich entdeckte, wie ich das Gleiche ohne Nutzung einer hypnotischen Metapher erreichen konnte. Es reichte, einfach zu sagen: »Legen Sie Ihre Hände ungefähr auf Brusthöhe und mit einander zugewandten Handflächen zusammen – als würden sie einander spiegeln –, und wir schauen dann, was ganz von selbst geschieht.«

Als ich dies zum ersten Mal sagte, war es vermutlich ein Fehler. Ich vergaß, den Begriff »magnetisch« zu erwähnen. Ich hatte es einfach vergessen. Vielleicht war ich an jenem Tag müde. Jedenfalls sagte ich: »Schauen wir doch einmal, ob die Hände zusammenkommen oder sich voneinander entfernen.« Natürlich meinte ich, dass dies wie Magnete funktionieren würde, aber ich vergaß, das Wort »Magnete« zu erwähnen, und stellte fest, dass der Prozess wirklich wie von selbst vonstattenging, ohne die Magnet-Metapher, die der klassischen historischen Hypnose entstammt.

RHEs gab also keine Suggestion?

ELRGenau. Dann folgte der nächste Schritt, und das war … Ich versuche, mich daran zu erinnern, wie der Sprung zustande kam … »Spüren Sie, welche Hand sich so anfühlt, als würde sie Ihr Problem zum Ausdruck bringen?« Und das war für die Klienten sehr leicht, ganz unabhängig davon, ob sie glaubten, eine Hypnose zu erleben oder nicht! Bei der Handlevitation hatte es immer Probleme gegeben – nicht jeder ist dazu in der Lage. Und die Finger waren unzuverlässig. Aber jeder konnte plötzlich spüren: »Oh, tatsächlich, diese Hand fühlt sich wie das Problem an …«

Später verallgemeinerte ich es: »Wenn Sie in der einen Hand Ihr Problem haben, was haben Sie dann in der anderen Hand?« Was ist das Gegenteil von einem Problem? Nun, wohl eine Lösung! Wenn also hier das Problem ist, dann ist das, was in der anderen Hand geschieht, das Gegenteil – eine Heilung oder ein Aha-Erlebnis, also eine psychologische Einsicht oder Phase 3 des kreativen Zyklus. Daraufhin wurde das Konzept »Gegenteil« in meinem Geist sehr wichtig, so wie es dies auch für C. G. Jung war.

Ich hatte also einen Pfad gefunden – einen idiosynkratischen Pfad zwischen dem Problem und seiner Lösung, einen »Symptompfad zur Erleuchtung« –, und auf diese Weise ist das Buch gleichen Namens entstanden.

RHOh, dann passt alles zusammen.

ELRJa, das ist meine tägliche und stündliche Arbeit! Ich habe eine Möglichkeit entdeckt, das, was andere mit Hypnose getan haben, zu tun, ohne dass ich das, was ich tue, Hypnose oder Magnetismus oder auch nur Suggestion nenne. Was war das, was ich tat? Ich förderte das ideodynamische Bewusstsein und die entsprechende Kognition. Rein ideodynamisch – ideosensorisch und ideomotorisch. Hey, lasst uns mal so richtig auf den Putz hauen … Wir könnten es Ideo-Spaß nennen und ein Buch über achtsame positive Psychologie schreiben! Oder Ideo-Schmerz? Beispielsweise könnten wir bei Schmerzpatienten und vielleicht auch Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sagen: »Schauen wir einmal, welche Hand den Schmerz ausdrückt und was das Gegenteil davon beinhaltet. Halten Sie den Schmerz einen Augenblick lang in dieser Hand, und lassen Sie dann zu, dass Sie das Gegenteil empfinden.« Hier verstärke ich das Ideosensorische: »Und dann schauen wir einmal, was das Gegenteil von Schmerz sein könnte …«

Im Gegensatz zu Schmerz muss es eine angenehmes Gefühl sein. Ich verlagere also den Fokus des sensorischen/perzeptiven Bewusstseins und der entsprechenden Kognition im Gehirn vom Schmerzzentrum zum Genusszentrum. Dies können wir nun die quantenexperientelle Essenz der Neurowissenschaft und Neuropsychotherapie nennen.

Danach sprachen wir eine Weile über einen kürzlich in der Zeitschrift Nature erschienenen Aufsatz, in dem die Position der Wörter und ihre Verteilung über verschiedene Gehirnbereiche beschrieben wird, was darauf hinweist, dass Kommunikation ein Zusammenwirken aller Gehirnaggregate – also globale Interaktivität – erfordert (Huth et al. 2016, S. 453–458).

ELRDies könnte der Ursprung des Ideosensorischen sein. Ich muss mir den Aufsatz in Nature noch einmal genauer anschauen und prüfen, ob darin der Begriff »ideosensorisch« benutzt wird. Dies verhilft mir zu einer neuen Einsicht in die neurowissenschaftliche Grundlage der therapeutischen Hypnose. Wenn ich ein Wort sage – nehmen wir einmal an: »Welpe« –, tauchen beim Hörer ein Bild und ein Gefühl auf, die beide mit »Welpe« assoziiert werden: das Bild – verbal, das Gefühl – sensorisch; Assoziationen zu Sanftheit, Anmut und dem Welpenanteil Ihrer Persönlichkeit … und man fängt an, der Welpe in seinem Inneren zu sein. Im Gehirn manifestiert sich eine ideosensorische Dynamik. Tatsächlich geht diese Thematik alle Schulen psychotherapeutischer Arbeit etwas an. Wir verfügen heute über all diese unvorstellbar teuren Maschinen, die Wissenschaftlern ermöglichen zu erklären, was im Gehirn eines Menschen vor sich geht. Ist das die neue Neuropsychotherapie? Man könnte ein Buch darüber schreiben!

RHIch habe gerade aufgeschrieben, was du vorgeschlagen hast – »ein neuer psychotherapeutischer Ansatz …«. Ich kann mir vorstellen, dass du mit Erickson Situationen erlebt hast, in denen du dachtest: »Meine Güte, bin ich in diesem Raum?« Denn wenn ich so etwas auf ein Blatt Papier schreibe, »Na klar, Richard macht das schon …«, das ist außergewöhnlich! Ich werde diese Einschränkung überwinden; aber vor zwölf Jahren war ich in der Welt der Psychotherapie gar nichts …

ELRSuchst du immer noch nach einer Art Fundament?

RHDas hier ist der Anfang einer erstaunlichen Veränderung dessen, was mit mir geschieht …

Wenn Sie weiterlesen, werden Sie sehen, dass Rossi der Meinung war, ich hätte etwas verstanden und eine Blockade aufgelöst und das sei wichtig für mich. Plötzlich geht es in unserem Gespräch nicht mehr um Rossis Erinnerungen, sondern um etwas sehr Reales und in meiner inneren Welt Präsentes. Diese Veränderung wirkt mühelos, aber vielleicht wäre es besser, das Geschehen als mühelose Mühe zu bezeichnen. Es spiegelt aber auch Rossis natürliche Begabung als Förderer anderer – im konkreten Fall als mein Förderer.

RHNun, ich befinde mich in einem Raum mit Ernie Rossi, der sagt: »Du kannst dieses Buch schreiben.« Das ist ziemlich gut. Es stärkt mein Selbstvertrauen …

ELRSelbstvertrauen. Du empfindest jetzt Selbstvertrauen?

RHNun, du hast verursacht, dass ich jetzt Selbstvertrauen empfinde.

ELRWir sollten ein wenig innehalten und dein Selbstvertrauen spüren …

Wir sitzen einige Minuten still da.

ELRSiehst du, wie sensibel ich war und wie selbstsensibel [self-sensitive] du jetzt bist? Du hast endlich das Wort »Selbstvertrauen« über die Lippen gebracht, und du lächelst und wirkst angeregt; deshalb schalte ich meine eigenen Gedanken jetzt ab und sage mir: »Sei still, du verdammter Narr … hör einfach zu!« Und dann sage ich zu dir: »Okay, lass uns gemeinsam ein paar Minuten lang still sein und dein Selbstvertrauen genießen.« Du hast die Augen geschlossen und sofort »Ja, ja!« gesagt. Das war meine Sensibilität – die Quantenebene unseres Rapports. Unser Mind-Mirroring. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem Richard nach etwas in seinem Randbereich der Entwicklung gegriffen hat, seinem eigenen NNNE, ohne dass ich fragen musste: »Was ist dein growing edge, Richard? Was ist deine Leidenschaft?« Deine Leidenschaft hat sich manifestiert, und ich habe diese winzige Manifestation gesehen, und das ist meiner therapeutischen Sensibilität als »Quantenfeldtheorie-Psychotherapeut« zuzuschreiben (vorsichtiges Lachen, weil wir beide noch nicht so recht wissen, was das bedeuten könnte). Wenn es um solche Randbereiche des Wachsens geht, um deine Leidenschaften – darum, wohin du gehen musst, bin ich sehr sensibel. Ich reagiere sehr sensibel, wenn es um Phase 2 des kreativen Prozesses geht – um deine Schwierigkeiten, die Punkte, an denen du nicht weiterkommst, wo du dein Selbstvertrauen nicht erleben kannst.

 

Und in diesem wichtigen Augenblick habe ich die Geistesgegenwart zu sagen: »Lass uns in Anbetracht dessen eine Weile schweigen«, und dann lasse ich dich zu einer natürlichen inneren Suche, einer Exploration über diese Thematik aufbrechen. Das saß! Du sagtest: »Ja, ja.« Du verspürtest innerlich sofort ein gutes Gefühl – warmherzig und selbstbewusst wie deine von dir selbst erzeugte Motivation für die Arbeit an einem Buch. Das ist ein ideales Beispiel für meine Arbeitsweise. Wenn du eine Metapher aus dem Bereich der Hypnose benutzen willst, kannst du es eine hypnotische Induktion nennen; du bist aber in deinen Randbereich des Wachsens und der Entwicklung, in dein Inneres eingetaucht. Jetzt ruiniere ich das Ganze natürlich, indem ich es analysiere und darüber rede, aber ich wollte dir ein Beispiel vorführen. Ist dir klar, wie simpel das war? Das war ericksonsche Sensibilität, keine manipulative Genialität. Du fühltest dich sehr gut, als ich dir deinen Hunger nach Selbstvertrauen spiegelte, und das war genau das, was du brauchtest, um deinem eigenen Besten zum Ausdruck zu verhelfen. Du hast aber noch eine andere Veränderung vollzogen. Selbstvertrauen ist nicht so wie dieser Politiker (lacht). Du bist zuversichtlich, weil sich das gut anfühlt. Es fühlt sich innerlich gut an, und du befindest dich auf dem richtigen Pfad – vom Symptom zur Sicherheit auf deinem momentanen Pfad zur Erleuchtung … und es geschieht in dir, jetzt!

Das ist das Geheimnis, das sich hinter Ericksons Maxime verbirgt, die Aufgabe von Therapeuten bestehe darin, die Last der Verantwortung für die Effektivität der Psychotherapie wieder dem Klienten aufzubürden (Erickson 1964, S. 269–271). Es ist ein wenig altmodisch ausgedrückt, und es klingt simpel, aber dies war ein Beispiel dafür, wie Erickson die Last dem Klienten wieder selbst auferlegte und wie diese innere Aufgabe natürlicherweise den vierphasigen kreativen Zyklus und den NNNE evozierte, wodurch man automatisch in eine »private therapeutische Trance« verfällt. Man muss in Trance verfallen, um den manchmal schwierigen Übergang von Phase 2 zu Phase 3 des kreativen Zyklus bewältigen zu können; anschließend kann man sich Zeit für eine Pause nehmen und das Resultat genießen. Weil du motiviert bist, dieses Interview zu einem Bestandteil deiner persönlichen Entwicklung zu machen …

Wir pausieren eine halbe Minute in einem erneut spontan entstandenen Zustand der Innenfokussierung und des Rapports – einem Gefühl des Erfolgs beim Wechsel in Phase 4 des kreativen Zyklus.

RHIn meinen Lehrveranstaltungen benutze ich einen Film, den ich auf YouTube gefunden habe. Darin forderst du einen Therapeuten auf: »Gehen Sie aus dem Weg!«

ELRJa! Genau da fängt die Therapie an.

RH… und wenn ich diesen Film vorführe, in dem du das sagst, bevor ich selbst mich dazu äußere, dann hilft das. Vielleicht ist es ein wenig altmodisch ausgedrückt, aber es gefällt mir. Ich finde, es ist gut ausgedrückt, auch wenn einige meiner Zuhörer der Meinung sind, dass ich etwas altmodisch rede … Ich weiß nicht …

ELRDie Aufmerksamkeit des Therapeuten ist darauf gerichtet, sich sehr stark für das Erleben [des Klienten] zu interessieren; er fokussiert also nicht auf die Therapie. Die beste Antwort, die vom Therapeuten kommen kann, lautet, dass er daran arbeitet herauszufinden, wie er sensibler wahrnehmen kann, was in ideodynamischer Hinsicht im Klienten wirklich vor sich geht – was sein Herz und seine Seele wärmt.

RHAlso operiert jeder mit dieser Dynamik, und dies ist ein motorischer und sensorischer Vorgang und kann auch ein Bottom-up-Vorgang sein. Wir müssen triggern … In dieser Hinsicht vertrete ich die Auffassung, dass Neugier die Bewegung auf eine ganz bestimmte und sehr nützliche Weise mit Energie versorgt. Dann taucht eine Idee auf oder vielleicht auch eine motorische Handlung …

ELR… es könnte auch eine Art Behagen sein …

RH… eine Empfindung …

ELRJa, du hast eine Verbindung zwischen Neugier und der Essenz von Therapie hergestellt. Darüber solltest du jetzt etwas schreiben …

Ich schreibe auf meinen Notizblock: »Neuartigkeit (Novelty) – etwas, das unsere ›Beachtung‹ weckt: Neugier auf Information; Numinosum – Verwunderung und Staunen angesichts dieses neuartigen Reizes – Neugier auf Spiel; und Neurogenesis – die Förderung von Genaktivität, Proteinsynthese und Gehirnplastizität – Neugier, die auf Möglichkeiten gerichtet ist.«

Das Wort »Numinosum« spielt für Rossis Lehrtätigkeit und in seiner praktischen Arbeit eine zentrale Rolle. Der Begriff wurde von einem deutschen Theologen, Rudolph Otto, in seinem berühmten Buch Das Heilige aus dem Jahr 1917, das immer noch erhältlich ist, erstmals benutzt (Otto 1917). Auch Carl Gustav Jung hat den Begriff »Numinosum« oft erwähnt. Er spricht von einen »unbeschreibbaren« Gefühl, das fast unabhängig vom Willen auftritt, einem Gefühl, das mehr ist als man selbst – faszinierend, geheimnisvoll, wundersam, verblüffend, ungeheuerlich.

ELRJa. Ich nenne das jetzt den Neuheits-Numinosum-Neurogenesis-Effekt [NNNE]. Etwas ist dir neu – das ist jetzt fundamentale Neurowissenschaft –, etwas in der Umgebung hat dein Interesse geweckt. Das Numinosum ist deine Faszination und Verwunderung in Anbetracht von etwas, das dir sehr wichtig ist. Dieser neuartige Reiz verzaubert dich, und dadurch wird das spirituelle Empfinden geweckt, das Rudolf Otto »Numinosum« genannt hat. Dies ist nach meiner Auffassung die essenzielle neurowissenschaftliche Dynamik der Genexpression, der Proteinbildung und der Gehirnplastizität, die circa zwölfmal täglich – alle 90 bis 120 Minuten (was dem grundlegenden Ruhe-Aktivitäts-Zyklus entspricht) – die Generierung neuen Bewusstseins, neuer Erkenntnis und der Geist-Körper-Heilung unterstützt (Kleitman 1982, S. 311–317).

RHDen dynamischen Fluss der Aktivität, der sich auf vielen Ebenen bewegt, in einer komplexen Reaktion auf das, was bei oberflächlicher Betrachtung wie ein simples Verhalten oder eine Emotion erscheint …

ELRNun sind wir vom Sensorisch-Perzeptiven – Ideodynamischen – zu den Emotionen gewechselt – und von dort zur Aktivierung von Genen, die real neue Proteine und neue Zellen produzieren, wodurch die adäquaten neuronalen Systeme, Immunsysteme und heilenden Faktoren verstärkt werden. Du fängst an, dich stärker für das »Gegenteil von Schmerz« zu engagieren, also für Behagen – und für das Gegenteil des Problems, was ein therapeutisches Bewusstsein ist. Ich benutzte den Ausdruck »Fördern des therapeutischen Bewusstseins und des Erkennens [Cognition]«. Das ist meine Bezeichnung für die Arbeit, die ich jeden Tag tue. Ich bin ein Förderer der Optimierung des Bewusstseins und des Erkennens …

RH… mittels Sensibilität …

ELRJa, mithilfe von Sensibilität und deiner Neugier. Letztere führt zum Numinosum, wenn man sensibel genug ist, aber nicht, wenn man sich so verhält, wie Menschen es normalerweise tun. Wenn das Neuartige dich verzaubert, kannst du in einen neuen Raum in deinem Geist-Gen-Gehirn eintreten, und du erschaffst dich dadurch praktisch neu. Das ist eine simple neurowissenschaftliche Beschreibung von alldem.

RHNeugier gegenüber Möglichkeiten!

ELRGenau! – Möglichkeitsdenken …

RH… und ich sehe darin einen Unterschied zum herkömmlichen Verständnis von Neugier. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass es einerseits eine generelle Neugier auf Informationen gibt und andererseits eine Neugier auf unerwartete Informationen – Neugier auf Spiel –, die zu Ausgangspunkten für neue Möglichkeiten werden, weil Neugier auf Informationen und Spiel nur so lange ihre Funktion erfüllt, bis die Informationen gefunden sind. Neugier auf Möglichkeiten hingegen ist ergebnisoffen – so wie das Numinosum –, weil sie sich im Randbereich des Wachsens und der Weiterentwicklung bewegt, in dem es keine Einschränkungen gibt.

ELRGenau! Hast du das aufgeschrieben?

RHIch habe es aufgenommen …

ELRGut.

RHUm es vereinfacht auszudrücken: Neugier schaltet das »gute Zeug« ein, indem sie dich zunächst in den bestmöglichen Anfangszustand versetzt. Meiner Meinung nach gibt es im Gehirn ein »Neugier-System«, und zwar im Bereich der Nuklei oder Kerne, die sich wie eine kleine Versammlung oben auf dem Hirnstamm und an der Basis des Mittelhirns befinden [siehe hierzu Kapitel 9] und die ich »Nuntius-Kerne« nenne. Mir scheint, dass dies im Grunde nur eine nette kleine Möglichkeit ist, physisch und neurobiologisch zu beschreiben, worüber wir gerade gesprochen haben. Wir mögen, was die Neugier bewirkt! – Sie schaltet »gutes Zeug« ein.

ELRGenauso ist es.

RHUnd wir können alle zuversichtlich sein. Damit meine ich nicht nur emotionale Zuversicht, sondern auch körperliche Zuversicht …

ELRJa … und Behagen – das ist ein großes Wort!

RH… und das ermöglicht dir, das Numinosum und die Neugier zu fühlen …

ELRVerwunderung, Faszination und Staunen angesichts des Ungeheuerlichen.

RHNeuheit ist ein Trigger – Neuheit/Überraschung/Interesse –, der die äußere Welt, die Gewinner-Verlierer-Welt, wie ich sie nenne, diese dominierende äußere Welt, unterdrückt. Wenn du dem Neuen gegenüber nicht sensibel genug bist, beginnt das System möglicherweise nicht damit …

ELRRichtig …

RH»Sensibel« ist aus meiner Sicht heute das große Wort. Ein sehr wichtiges Wort … (Wir halten einen Augenblick inne und genießen diese Offenbarungen)

RHIch sitze hier nun schon eine ganze Weile und schaue mir ein Bücherregal auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes an, wo ich ein Buch entdeckt habe, das ein Freund von mir herausgegeben hat. Es handelt sich um Creating the Moment von Michael Hoyt.

Tatsächlich wurde dieses Buch von Michael Hoyt und Moshe Talmon herausgegeben, allerdings hat es den Titel Capturing the Moment (Hoyt a. Talmon 2014). Ich habe mit Michael darüber gesprochen, dass ich den Titel des Buches falsch benannt hätte. Er antwortete, ich sollte den korrekten Titel erwähnen, den »Irrtum« aber trotzdem im Text lassen, weil er für den betreffenden Augenblick relevant gewesen sei. Er hatte das Gefühl, dass wir einen Augenblick erschaffen hätten und dass wir die zufällige Falschbezeichnung für sich selbst sprechen lassen sollten.

ELRGenau, das ist das Wichtigste. Der »kreative Augenblick« ist Phase 3 – das Aha, das Positive – und viele Therapeuten sind nicht in der Lage, den Augenblick zu ergreifen …

(Wir genießen beide eine kontemplative Pause)

RHEs gibt jetzt so vieles, worüber ich nachdenken muss … da frage ich mich, ob wir heute noch mehr tun können.

ELRDu könntest einiges davon mitnehmen und vielleicht heute Nachmittag etwas darüber schreiben.

RHDas werde ich tun. Wir haben über so viele wunderbare Ideen gesprochen … so viele interessante Begriffe, Konzepte und Prinzipien, die ausführlicher erklärt werden sollten. Wir werden diese Dinge im ganzen Buch benutzen; deshalb sollten wir wirklich die Grundlagen klären. Ich finde, wir sollten einen Abschnitt ausschließlich für diese Grundlagen reservieren. … Das sind keine Dinge, die wir »tun«, sondern Dinge, die unterhalb dessen, was wir tun, liegen, und auch innerhalb dessen. Was wir tun, ergibt sich aus diesen Grundprinzipien. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir dort beginnen und diese Dinge klären sollten, damit jeder sie versteht … das ist ein guter Plan. Ich werde jetzt gehen und daran arbeiten!

8Siehe: http://www.erickson-foundation.org/ [22.12.2020].

 

9Im Original deutsch, Anm. d. Übers.

10Mehr zu den vier Phasen des kreativen Zyklus in Kapitel 5.