How to Get Shit Done

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Z serii: Dein Leben
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POP-Wahrheit
Wer hat Ihnen was zu sagen?

Nehmen Sie Ihr Leben in die eigene Hand, indem Sie:

sich vom Objekt zum Subjekt machen,

aufhören, um des Fleißes willen fleißig zu sein,

den Klang Ihrer Stimme kennenlernen.

»Du hast mir nichts zu sagen!« Das ist eine häufig von Füßestampfen begleitete Äußerung, die man von einem kleinen Kind zu hören bekommt. Kinder wissen intuitiv, dass der zentrale Kampf des Aufwachsens dem Wechsel von der Abhängigkeit in die Selbstständigkeit gilt. Und auch wenn es den meisten von uns gelingt, sich weitgehend aus der Abhängigkeit von ihren Erzeugern zu lösen, sind wir damit noch lange nicht immer autonom. Autonomie ist definiert als die Freiheit von äußerer Kontrolle und Einflussnahme. Vielleicht werden wir nie eine Welt schaffen, in der wir ausschließlich auf unsere eigenen Stimmen hören (wer würde sich das wünschen?). Aber wo sind unsere eigenen Stimmen in der Hierarchie aller Stimmen, auf die wir hören?

Auf wen hören Sie im Verlauf eines gewöhnlichen Tages? Wenn Sie an Ihre Arbeit denken, geht Ihnen da immer wieder dieses Meeting mit Ihrer Chefin durch den Kopf, als diese so unzufrieden wirkte? Wenn Sie sich morgens kleiden, machen Sie sich da Vorwürfe, dass Sie nicht häufiger Sport treiben, damit Ihr Rock wieder besser passt? Wenn Sie an Ihren Partner denken, hören Sie da Ihre Mutter fragen, wann er Ihnen wohl einen Ring zu schenken gedenkt? Es fällt uns mitunter verdammt schwer, zu unterscheiden, was wir selbst wollen und was die übrige Welt von uns will, aber ohne das bewegen wir uns nie in Richtung Autonomie.

Wir haben bereits festgestellt, dass Fleiß allein um des Fleißes willen der sichere Weg zum Ruin ist. Besser ist es, wenn wir eine neue Produktivitätsschneise nach unseren eigenen Regeln schlagen, was bedeutet, dass wir auf Ziele hinarbeiten, die wirklich unsere eigenen sind. Was wiederum voraussetzt, dass wir unsere Ziele kennen. Und dazu müssen wir uns erst einmal selbst kennenlernen – wir müssen uns selbst zuhören. Wenn wir uns mit unseren eigenen Gedanken, Gefühlen und Werten vertraut machen und allen äußeren Einflüssen, die nicht zu unserem Vorteil sind, entschlossen widerstehen, ist das, wie wenn wir den ersten Dominostein anstoßen.

Was also hindert uns, unser Ding zu machen?

Oh ja, sehr viel!

Seit eh und je gibt es wenige Gruppen, die nicht versuchen, uns Frauen ihren Willen aufzudrücken. Denken Sie an die Kirche, den Staat, die Väter, die Schönheitsexperten, die Schlankheitsindustrie … ich könnte immer so weitermachen. Wäre es nicht so verdammt anstrengend, könnten wir uns sogar geschmeichelt fühlen. Ursprünglich war es leibhaftige, auf körperlicher Kraft basierende Macht. Die Frauen durften nicht wählen, nichts besitzen und nicht selbst über ihre reproduktive Gesundheit bestimmen. Aber als sich die diesbezüglichen Gesetze änderten, traten andere Möglichkeiten, die Autonomie der Frauen zu unterdrücken, in den Vordergrund, und die Kontrollinstrumente bekamen einen stärker emotionalen und psychologischen Charakter – sie wurden heimtückischer und unterschwelliger. Die Welt kennt viele unsägliche Methoden, um uns Frauen dazu zu bringen, nicht auf uns selbst zu hören. Aber keine Sorge, wir werden ihnen allen schon bald eins überbraten; zuerst aber müssen wir sie verstehen.

Vom Objekt zum Subjekt

»Wenn ich ein Objekt male, dann mit der Absicht, ihm eine neue Bestimmung zu geben.«

GEORGES BRAQUE

Dieses Konzept zu verstehen, ist essenziell, damit Sie eine der allerersten fundamentalen Fragen von P – Persönlichkeit – beantworten können, nämlich die Frage: Wer sind Sie in Ihren eigenen Augen und nicht in den Augen derer, die Sie sehen? Mit anderen Worten: Jeder Versuch, zu verstehen, wer Sie wirklich sind (und folglich, was Sie wirklich wollen), setzt voraus, dass Sie sich zum Subjekt jeder Geschichte und jedes Szenarios statt zum Objekt machen. Sie werden die aktive und nicht die passive Spielerin sein.

In meiner obigen Geschichte wechselte ich binnen weniger Minuten vom Subjekt zum Objekt und zurück zum Subjekt, aber diese Wechsel veränderten meine Realität jedes Mal von Grund auf. Als ich auf die Bühne ging, um einen Raum voller Menschen zum Lachen zu bringen, sah ich mich als Subjekt. Unter den kalten Blicken der Anwesenden schwand mein Selbstvertrauen jedoch dahin und ich wurde in meiner Selbstwahrnehmung zum Objekt – zu einem Ding, das begutachtet und für Sachen kritisiert wurde, die nichts mit meiner bevorstehenden Darbietung zu tun hatten, wie beispielsweise mein Aussehen, mein Alter und mein Geschlecht. Solange es mir in diesen entscheidenden Sekunden nicht gelang, mir meine Macht zurückzuerobern, wurde ich inspiziert – und fühlte mich schwach. Trotz aller Vorbereitung und allen Mutes blieb meine Wirkung auf das Publikum begrenzt. Erst als ich den festen Entschluss fasste, mir die Kontrolle über den Raum zurückzuholen, wurde ich wieder zum Subjekt der Situation, schwang mich zur Siegerin des Abends auf und lernte eine Lektion fürs Leben.

Wie werden wir zu Objekten?

Was bedeutet das nun für Sie? Schauen wir uns einige interessante kulturelle und historische Beispiele an, wie Frauen in die Rolle von Objekten anstelle von Subjekten gedrängt werden.

Auch wenn wir Frauen mittlerweile mancherorts mehr als 50 Prozent der Studierenden ausmachen, bemisst unsere Kultur den Wert einer Frau nach wie vor nach ihrer Attraktivität. Man könnte ganze Büchereien mit dem füllen, was über die Objektifizierung von uns Frauen durch Kunst, Werbung, Medien und Kultur geschrieben wurde. Einen Kernaspekt des Phänomens benennt jedoch die Filmtheoretikerin Laura Mulvey in ihrem Essay »Visual Pleasure and Narrative Cinema« (»Visuelle Lust und narratives Kino«), wenn sie vom »männlichen Blick« spricht. Mulvey erklärt, dass die Kamera – und damit das Publikum, dem erst die Kamera den Blick in den Film freigibt – in klassischen Hollywoodfilmen den männlichen Blickwinkel einnimmt. Das visuelle Vokabular macht die Sehgewohnheiten des heterosexuellen Mannes zur Grundlage des präsentierten Frauenbildes. Wenn wir also einen Film betrachten und eine weibliche Figur die Szene betritt, wird sie von der Kamera so eingefangen, wie ein Mann sie sehen würde, und gemäß seinen Standards mit den Attributen »gefällig« oder »nicht gefällig« belegt. Während Mulvey vom »männlichen Blick« in einer feministischen Filmkritik spricht, begegnen wir dieser Brille auch außerhalb alter Schwarz-Weiß-Filme. Bis vor Kurzem kam es höchst selten vor, dass in Werbung, Zeitschriften und Fernsehen weibliche Figuren aus einem anderen als dem männlichen Blickwinkel präsentiert wurden.

Diese Erwartung, dass Frauen – in Bildern, wenn nicht gar in der Realität – dazu da sind, von Männern »konsumiert« und als Lustobjekte wahrgenommen zu werden, ist mit dem Wechsel vom Schwarz-Weiß- zum Farbfilm nicht verschwunden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Schauspielerinnen bei so manchen Hollywoodbossen erst den »Fuckability-Test« bestehen müssen, bevor sie eine Starrolle angeboten bekommen. Amy Schumer nahm dieses Klischee in ihrem beißend humorvollen Clip »The Last Fuckable Day« auf die Schippe. Schumer spielt darin sich selbst, wie sie bei einem Spaziergang auf Tina Fey und Patricia Arquette trifft, die an einem reich gedeckten Tisch gemeinsam mit Julia Louis-Dreyfus auf deren »letzten Tag als attraktive Schauspielerin« anstoßen. Als Schumer nicht glauben kann, dass eine so schöne Frau wie Louis-Dreyfus ihr Haltbarkeitsdatum bereits überschritten haben soll, zuckt diese nur mit den Schultern. »Niemand war mehr geschockt als ich, dass man mir erlaubte, durch meine Vierziger hindurch und bis hinein in meine Fünfziger noch als ›fuckable‹ durchzugehen … Ich dachte, ›Us Weekly‹ muss sich da verschrieben haben.«

Während viele weibliche Autorinnen und Regisseurinnen das Eigentumsrecht am Frauenbild aktiv einfordern, zeugt die Notwendigkeit dieses Einforderns davon, dass dieses Bild bislang vom männlichen Blick bestimmt ist. Und der hohe Verbreitungsgrad dieser Art von Bildern hat den heterosexuell-männlichen Blick in einem Maße zur Norm gemacht, dass diese Werte nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen hochgehalten werden. Quer durch unsere Kultur werden wir zu der Vorstellung verleitet, Frauen seien dazu da, gesehen zu werden, statt selbst zu sehen, und Objekte und nicht Subjekte zu sein. Wir haben diese Botschaft in unseren Gedanken und Gefühlen verinnerlicht. Wir Frauen sind so sehr darauf sensibilisiert, beobachtet zu werden, dass wir etwas machen, was Psychologen als »Habitual Body Monitoring« bezeichnen: das ständige Nachdenken über den eigenen Körper und seine Wahrnehmung durch andere. Viele Frauen bringen es hier auf Wiederholungsfrequenzen von bis zu einmal pro Minute. Vielleicht sitzen Sie in einem Meeting und denken: »Wie sehen meine Beine aus, wenn ich so sitze? Wirken meine Arme schwabbelig, wenn ich sie so kreuze? Bemerkt mein Gegenüber meine grauen Haare?« Da ist es nicht verwunderlich, wenn »Habitual Body Monitoring« regelmäßig mit Unzufriedenheitsgefühlen einhergeht. Mit anderen Worten: Wir sagen uns nicht: »Wow, ich sehe gut aus in diesem Meeting!« Die Belegung von mentaler und emotionaler Bandbreite mit Gedanken dazu, wie unser Körper auf andere wirkt, ist bestenfalls eine Ablenkung und schlimmstenfalls eine Form der Selbstquälerei. Wenn Sie sich solche Gedanken machen, verschenken Sie damit Kapazitäten, die Sie stattdessen nutzen könnten, um relevante Dinge zu erledigen.

 

Ein anderer Ort, an dem unsere gut entwickelten Selbstobjektifizierungsfähigkeiten zur Geltung kommen, ist das Schlafzimmer. Vielen von uns Frauen fällt es schwer, in intimen Augenblicken ganz bei uns zu sein. Stattdessen tun wir etwas, das Masters & Johnson als »Spectatoring« bezeichnen: Wir schweben über uns und unserem Partner und beobachten das Geschehen, anstatt in diesem Geschehen präsent zu sein. Auch das ist nichts Positives. Solange wir das tun, kritisieren wir unseren eigenen Körper und fragen uns ständig, ob wir dem Partner gefallen. Wie bei der Arbeit reißt uns diese Objektifizierung aus dem Geschehen und drängt uns an die Peripherie des Geschehens, wo wir viel weniger Einfluss haben und viel weniger von dem passiert, was wir wirklich wollen.

Eine an der Royal Holloway, University of London, erstellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen, die zur Selbstobjektifizierung neigen (also dazu, ihr Aussehen wichtiger zu nehmen als ihre Kompetenzen), weniger in der Lage waren, ihren eigenen Herzschlag zu spüren (ein von Wissenschaftlern häufig verwendeter Körperwahrnehmungstest). Die Forscher konnten nicht sagen, ob diese Frauen weniger sensibel für ihre eigenen Körper waren, weil sie sich objektifizierten, oder ob sie sich als Objekte begriffen, weil ihr Empfinden für den eigenen Körper weniger ausgeprägt war. Unabhängig von der Antwort auf diese Henne-oder-Ei-Frage ist jedoch klar, dass eine mangelnde Nähe zu uns selbst und unserem Körper einen enormen Einfluss auf uns Frauen hat.

Diese unsichtbaren Gewohnheiten scheinen vielleicht vordergründig wenig mit Produktivität zu tun zu haben, aber das beweist nur, wie heimtückisch das Patriarchat ist. Die Zusammenhänge zwischen Selbstobjektifizierung, sexueller Dysfunktion und Essstörungen sind gut dokumentiert. Diese kulturellen Kräfte und die daraus resultierenden deprimierenden Gewohnheiten wirken sich jedoch auch auf profanere Weise auf uns aus. Auf der elementaren Ebene verleiten sie uns dazu, mehr auf andere und weniger auf uns selbst zu hören. Und wir verwenden viel mentale Energie darauf, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir mit unserem Äußeren auf andere wirken und wie gut wir vorgeformte Erwartungen erfüllen. Frauen werden immer schon beobachtet, bewertet und inspiziert, und deshalb haben wir uns angewöhnt, uns so zu verhalten, wie es anderen gefällt, und nicht, wie es uns selbst gefällt. Angesichts dessen, dass wir unseren Selbstwert an der Erfüllung äußerer Erwartungen festmachen, verwundert es da, dass wir ständig bemüht sind, immer noch mehr zu leisten? Solange wir nicht alle Menschen um uns herum zufriedenstellen, haben wir das Gefühl, nicht zu genügen.

Der Wechsel vom Objekt zum Subjekt ist ein entscheidender Schritt, um autonom zu werden, uns mit den eigenen Zielen zu identifizieren und ihrer Verwirklichung näher zu kommen. Wenn wir die Kontrolle über unser Leben, unser Glück und unsere Produktivität erringen wollen, dürfen wir nicht länger darauf reagieren, wie andere uns wahrnehmen. Im Klartext heißt das, dass wir knallhart wir selbst sind und uns einen Dreck darum scheren, ob sich davon jemand angepisst fühlt. Wir müssen lernen, unser eigenes Bild und unseren eigenen Lebensweg aktiv zu gestalten (und nur auf unser eigenes Urteil zu hören).

Okay, ich gebe zu, das ist leichter gesagt als getan.

Hier sind ein paar Ideen, wie Sie üben können, Subjekt statt Objekt zu sein:

1. Treiben Sie Sport. Denken Sie, wenn Sie Ihren Körper bewegen – laufen, wandern, tanzen oder schwimmen –, daran, welch ein Wunder er ist. Indem Sie sich auf die Fähigkeiten Ihres Körpers statt auf Ihre Attraktivität konzentrieren, können Sie Ihre Gefühle positiv beeinflussen.

2. Achten Sie darauf, wie Sie selbst andere Frauen bewerten. Wenn Sie andere Frauen wegen ihrer »schlampigen« Kleidung schief ansehen, sollten Sie sich klarmachen, dass Sie damit den Kontrolljob der Kultur übernehmen.

3. Achten Sie auf die doppelten Standards um Sie herum. Im Fernsehen, in Filmen und Musikvideos werden die Körper von Frauen häufiger gezeigt – und besprochen – als die Körper von Männern.

4. Reduzieren Sie Ihren Konsum von Glamour-Medien. Wenn Prominente nach ihrem Körper und ihrem Aussehen beurteilt werden, handelt es sich fast immer um Frauen.

5. Gönnen Sie sich eine Pause. Wenn Sie sich selbst beim »Body Monitoring« ertappen, sollten Sie versuchen, es abzustellen. Fokussieren Sie sich wieder auf das, was Sie tun, und nicht darauf, wie Sie aussehen.

Die Fleißfalle

»Hüte dich vor der Öde eines dem Fleiß gewidmeten Lebens.«

SOKRATES

Haben Sie schon einmal eine Frau gefragt, wie es ihr geht, und eine wesentlich andere Antwort bekommen als »Ich habe so viel zu tun!«? Und ich glaube, das ist noch nicht einmal Angeberei. Wenn wir Arbeit, unbezahlte Hausarbeit und Emotionsarbeit zusammenrechnen, dann haben wir viel zu tun. Und wir wissen, dass ein Leben tagaus, tagein im fünften Gang uns früher oder später ins emotionale und körperliche Burn-out treibt. Aber was hat das mit Produktivität und Selbstbestimmung zu tun? Ist nicht Fleiß der Weg, um etwas zustande zu bringen? Die kurze Antwort lautet: nein. Für alle, die süchtig danach sind, Aufgabenlisten abzuarbeiten, ist das harter Tobak. Wie können wir produktiv sein, solange wir nicht fleißig sind? Der radikale Sprung, zu dem ich Sie ermuntern möchte, verlangt von Ihnen genau das: produktiver zu werden, indem Sie weniger fleißig sind.

In Wahrheit schränkt uns die Art, wie wir unsere Tage strukturieren, indem wir von Aufgabe zu Aufgabe hetzen und so viel wie möglich unterzubringen versuchen, nicht nur in unserer Kreativität ein, sondern beraubt uns auch der Fähigkeit, uns selbst zu kennen. Solange wir konzentrierte Arbeit leisten und ohne Pause unsere Aufgabenliste abarbeiten, verwenden wir unsere linke Gehirnhälfte. Erinnern Sie sich noch an unsere kurze Gehirnwissenschaft aus dem 1. Kapitel? Wir brauchen auch ruhige, meditative Zeiten (erinnern Sie sich an das »Default Mode Network«?), damit unsere rechte Gehirnhälfte Informationen verarbeiten und kreative Lösungen finden und wertbasierte Entscheidungen treffen kann. Mit anderen Worten: Wir brauchen weniger Aktivität und mehr Ruhe, damit wir uns buchstäblich eine eigene Meinung bilden können.

Solange wir uns mit halsbrecherischer Geschwindigkeit bewegen und deswegen nicht dazu kommen, uns unsere eigenen Wünsche und Meinungen bewusst zu machen, können andere diese Lücke leichter füllen. Solange wir nicht genau wissen, was wir denken und fühlen, können uns andere viel leichter erzählen, was wir denken und fühlen sollen. Und wie wir bereits festgestellt haben, ist die Welt nur zu gern bereit, uns Frauen Geschichten zu erzählen, die uns auf tausenderlei Weise ausbremsen.

Vor Kurzem las ich einen spannenden Bericht darüber, was mit dem Gehirn passiert, wenn wir immer nur fleißig sind. Laut Iain McGilchrist, Psychiater und Verfasser des Buches »The Master and His Emissary – The Divided Brain and the Making of the Western World«, ist das Gehirn in zwei Hemisphären unterteilt: die rechte Gehirnhälfte (Kreativität / »Meister«) und die linke Gehirnhälfte (Vernunft / »Gesandter«). Und wenngleich es sich um eine komplexe wissenschaftliche Bewertung handelt, lautet die Kernaussage ungefähr so: Alle Kreativität kommt von der rechten Gehirnhälfte. Aller Fleiß und alles Tun kommen von der linken Gehirnhälfte. Je beschäftigter die linke Gehirnhälfte ist, desto weniger Raum bleibt für die Kreativität der rechten Gehirnhälfte. Je ruhiger die linke Gehirnhälfte ist, desto mehr blüht die rechte Gehirnhälfte mitsamt ihrer Kreativität auf. Während wir beide Hälften und ihre Fähigkeiten brauchen, unterstreicht McGilchrist, dass unsere Kultur der linken Gehirnhälfte mehr Wert beimisst als der rechten.

Meiner Ansicht nach ist es besonders für uns Frauen wichtig, durch eine Favorisierung der rechten Gehirnhälfte und der Kreativität das Gleichgewicht wiederherzustellen. Kreativität steht für die wahre Stimme eines Menschen – für das, was jeden von uns einmalig macht. Kreativität ist immer wichtig, ganz gleich, ob wir künstlerisch tätig sind oder einfach nur im Rahmen unserer Arbeit Probleme zu lösen haben. Je mehr Dinge wir lediglich um des Tuns willen tun – je mehr wir tun, um es von unserer Aufgabenliste zu streichen –, desto schwerer fällt es uns, diese kreative Stimme zu hören und zu wissen, wer wir wirklich sind und was wir wollen und brauchen. Deswegen ist es unerlässlich, dass wir unsere persönliche Geschäftigkeit analysieren, wenn wir jemals beginnen wollen, den Schwerpunkt auf die Dinge zu legen und Mühe und Energie in sie zu investieren, die wahrlich repräsentieren, wer wir sind und was wir wollen, um so am Ende echte Produktivität zu erzielen.

Im 6. Kapitel werden wir uns genauer anschauen, wie wir uns ein zutreffendes Bild davon machen, was wir mit unserer Zeit anstellen.

Stimmen im Kopf

»Entweder steuern Sie selbst Ihre Gedanken oder äußere Kräfte werden es tun, und seien Sie gewarnt: Die äußeren Kräfte sind in der Regel negativ.«

MADDY MALHOTRA

Bis kurz bevor ich in den dunklen, schmuddeligen Comedy-Club trat (siehe oben), war mein Kopf voller positiver Gedanken und bestärkender Botschaften zu dem gewesen, was ich erreicht hatte, noch bevor ich überhaupt die Bühne betrat. Ich wusste, dass ich die Arbeit geleistet hatte, und war fasziniert von den neuen Seiten, die ich dabei an und in mir entdeckt hatte. Als mich aber die Unsicherheit überkam und mein Selbstvertrauen schrumpfte (für mich ein einmaliger Fall, aber für viele ein tägliches, wenn auch vielleicht nicht ganz so dramatisches Erlebnis), da war es schon erstaunlich, wie von meiner positiven Einstellung im Nu nichts mehr übrig war. Nicht nur hatte ich meine beruhigende innere Stimme verloren; an ihrer Stelle hörte ich die Stimmen all jener, die mir immer schon erzählt hatten, was ich nicht konnte, und hatte paranoide Vorstellungen von dem, was das Publikum wohl denken mochte. In Nullkommanichts wechselten meine Gedanken von der beruhigenden Gewissheit, dass ich mich gründlich vorbereitet hatte, zu panischen Zweifeln an meinem Aussehen, meinem Wesen und meinen Fähigkeiten. Erst als ich die Kraft fand, diese Stimmen wieder aus meinem Kopf zu verbannen und durch meine eigene zu ersetzen, begannen sich die Dinge zum Besseren zu wenden.

Wem gehören die Stimmen, die wir hören, wenn wir uns unsicher fühlen? Leider haben es die negativen Stimmen aus der Vergangenheit am leichtesten, unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen. Wenn Sie mit Ihrem Körper unzufrieden sind, erinnern Sie sich dann mental und emotional an jene Ballettlehrerin, die Sie anfuhr, Ihren Bauch mehr einzuziehen? Versetzt Sie die Nervosität vor einer Präsentation, die Sie halten sollen, in Ihre Zeit als Achtjährige zurück, als Ihre Lehrerin zu Ihnen sagte, vor Publikum zu sprechen sei wohl nicht Ihre Stärke? Selbst wenn das Feedback, das Sie erhielten, positiv und ermutigend war, half es Ihnen möglicherweise nicht, sich Ihre eigene Meinung zu bilden.

Wenn ich auf meine perfektionistischen Neigungen in meiner Kindheit zurückblicke, scheint es mir, als wäre ich schon damit geboren worden. Aber kann das wirklich sein? Wenn ich mich an frühe Gespräche mit meinen Eltern zurückerinnere, so bekam ich viel Aufmerksamkeit von ihnen, wenn ich gute Noten nach Hause brachte. Klar, welche Eltern belohnen ein gutes Zeugnis nicht mit Lob? Aber etwas in mir wurde süchtig nach dem Endorphinrausch, den die Zufriedenheit meiner Eltern in mir auslöste. Der Entschluss, nicht Jura zu studieren, fiel mir überraschend leicht. Ich wusste, dass das nicht der richtige Weg für mich war und dass ich ihn nicht gehen wollte. Aber zu Hause am Esstisch zu sitzen und meinen Eltern diesen Entschluss mitzuteilen? Das war mörderisch. Ich hasste es, sie zu enttäuschen, und es kostete mich jedes bisschen Stärke, das ich besaß, zu einer Entscheidung zu stehen, von der ich wusste, dass sie meine Eltern nicht glücklich machte. Noch bizarrer war, dass meine Eltern mich nach ihrem ersten Schock dann tatsächlich unterstützten (wie sie es anfangs in Toronto getan hatten). Ich hatte lediglich meine eigenen Ängste auf das projiziert, von dem ich dachte, dass es ihre Reaktion sein würde. Das wird hier jetzt reichlich psychologisch, und das im Einzelnen zu analysieren, bin ich sicherlich nicht die geeignete Person. Entscheidend ist, dass der erschreckte und verunsicherte Geist ein ziemlich abenteuerlicher Ort voller Zweifel und Schuldgefühle ist. Ich tue bis heute nichts gern, was meinen Eltern missfällt. Aber ich habe durch Übung gelernt, zwischen meinem Bedürfnis, ihnen zu gefallen, und meinen eigenen Ansichten zu unterscheiden.

 

Das sind harte Lektionen – selbst für eine, die von sich sagt, dass sie bereits mit einem eigenen Kopf geboren wurde. Meine Freundin Lori Deschene, die ebenfalls über Wellness bloggt, ist die Begründerin der Website »Tiny Buddha«. Sie erzählt mir, sie sei die Art von Kind gewesen, das trotzig zum Dinosaurier griff, wenn andere Mädchen sich im Spielzeugladen eine Barbie aussuchten. »Ich sah mich immer schon als die, die gegen den Strom schwimmt. Ich sah mich als Rebellin, als Wagemutige, als Träumerin.« Sie musste sogar aufpassen, dass sie ihre Entscheidungen nicht nur unter dem »Anti«-Gesichtspunkt traf. »Ich musste lernen, dass meine echten Wünsche mitunter dem entsprachen, was auch andere taten.«

Aber was ist, wenn Sie sich mit Ihrer Entscheidung definitiv außerhalb des Mainstreams bewegen? Die Kenntnis Ihrer eigenen Werte macht die Situation für Sie noch lange nicht besser, solange die Menschen, die Ihnen lieb und teuer sind, Ihre Entscheidungen nicht nachvollziehen können. Vor rund vier Jahren verlobten sich Lori und ihr Freund. Sie brachten diese frohe Botschaft ihren Familien und Freunden dar. Nur beschlossen die beiden kurze Zeit später, dass sie in Wahrheit zumindest vorerst nicht wirklich zu heiraten beabsichtigen. Sie wussten, dass sie ihre Meinung jederzeit ändern konnten – beispielsweise, wenn sie Kinder haben würden. Aber zu diesem Zeitpunkt liebten sie sich, fühlten sich einander verbunden, und das genügte ihnen, selbst wenn um sie herum alle ihre Freunde heirateten. Entgegen dem Druck unserer Kultur auf Paare, den scheinbar unvermeidlichen Weg bis zur Ehe zu gehen, mussten Lori und ihr Freund ehrlicherweise zugeben, dass sie eine andere Entscheidung treffen wollten. Und so mussten sie allen erzählen, dass es keine Hochzeit geben würde. »Wir bekamen viel Kritik für unseren Gesinnungswechsel. Schließlich waren wir ja verlobt. Da gab es die Überraschten und die Enttäuschten. Und für uns beide war das sehr nervig, denn immer, wenn das Stichwort fiel, fragte irgendwer: ›Und, wann heiratet ihr jetzt?‹ Eine Weile lang nannte ich ihn noch meinen Verlobten, und das brachte dann jedes Mal diese Frage auf. Jetzt spreche ich nur noch von ›meinem Freund‹, denn wir haben nicht vor, in der näheren Zukunft zu heiraten.«

Die Entscheidung, zu heiraten oder nicht zu heiraten, ist sicherlich zu bedeutsam, um sie äußeren Kräften zu überlassen. Und doch … kulturelle Normen gepaart mit dem Wunsch, es der eigenen Familie recht zu machen, machen es schwer, sich dagegen zu entscheiden. Das kann selbst dann schwierig sein, wenn es um weniger bedeutsame Fragen geht. Lori sagt: »Wenn ich einen Rat geben sollte, dann den, den richtigen Mittelweg zwischen purer Protesthaltung und Anpassung um der Anpassung willen zu wählen.« Herauszufinden, wo Sie im Spektrum zwischen Anpassung und Unbeirrbarkeit stehen, ist der erste Schritt. Und Lori gab mir noch ein Juwel mit auf den Weg: »Ich denke, die einzig wichtige Frage, die wir uns stellen müssen, ist: ›Was würde ich tun, wenn ich wüsste, dass niemand sich ein Urteil über mich bilden wird?‹«

Wenn Sie vor einer großen Entscheidung oder Aufgabe stehen, hören Sie häufig als Erstes in Ihrem Kopf die Antworten auf Fragen wie »Was wird er davon halten?« oder »Begehe ich damit in ihren Augen einen Fehler?«. Die Stimmen und Meinungen und die hypothetischen Antworten anderer werden mitunter so laut, dass wir unsere eigene Stimme und unsere eigenen Antworten nicht mehr vernehmen. Wir fühlen uns dann häufig hin- und hergerissen und unsicher. Für uns Frauen, denen ein feines Gespür für die Gefühle und Wünsche anderer anerzogen wurde, kann sich diese Ambivalenz wie ein zentraler Teil unseres Charakters anfühlen. Unsere Stärke – unser Einfühlungsvermögen, unsere Fähigkeit, andere Sichtweisen zuzulassen – kann zugleich unsere Schwäche sein. Die Psychiaterin Anita Chakrabarti beschreibt es so: »Unsere Unsicherheit kann daher kommen, dass wir uns all dieser unterschiedlichen möglichen Sichtweisen bewusst sind. Anstatt eine Entscheidung zu treffen und zu sagen: ›Das werde ich tun. Ich weiß, das ist nicht perfekt, aber ich habe beschlossen, diesen Weg zu gehen‹, reagieren wir auf alle diese unterschiedlichen Sichtweisen. Wir wollen die richtige Entscheidung treffen, und so bringen wir uns selbst immer neu aus dem Konzept, indem wir sagen: ›Das ist richtig, nein, jenes ist richtig, nein, das ist auch richtig‹, bis wir uns vollkommen verlieren.«

Sobald Sie die Stimmen und Einflüsse identifiziert haben, die Sie aus Ihrem Kopf verbannen möchten, ist es an der Zeit, dass Sie die eine Stimme kultivieren, die Sie hören wollen: Ihre eigene. Voraussetzung ist natürlich, dass Sie sie überhaupt wahrnehmen können. Infolge mangelnder Verwendung ist sie möglicherweise kaum mehr als ein Stimmchen. Und wie werden Sie nun all die anderen realen oder eingebildeten Stimmen zu Ihren Entscheidungen los – wie schütteln Sie dieses Den-Wald-vor-lauter-Bäumen-nicht-sehen-Gefühl ab? Anita sagt: »Was uns hier helfen kann, ist Achtsamkeit, denn Achtsamkeit heißt, in jedem Augenblick nur genau eine Sache zu machen und sich dabei jeder Wertung zu enthalten.«

Ich habe diesen Prozess auch bei anderen Frauen beobachtet. Sam Negrin, die mit mir bei LEAF arbeitete, ist ein kreativer Mensch mit viel Zutrauen in ihre Lebensentscheidungen. Aber sogar Sam, die immer ihren eigenen Weg gegangen ist, ließ sich vor Kurzem vorübergehend aus dem Konzept bringen.

»Es ist seit jeher meine Art, mit den Leuten zu reden. Ich spreche über meine Ideen. Aber seit Kurzem arbeite ich an einem neuen Projekt, und das ist ein ziemliches Ding. Die Entscheidung dazu war nicht einfach, denn sie bedeutet eine gewaltige Lebensumstellung. Ich erzählte meinen Freundinnen davon, und eine sagte: ›Was glaubst du, wer du bist, dass du denkst, dass du das schaffst?‹ Na ja, mit unserer Freundschaft ist es seither nicht mehr weit her. Aber ich hatte nun dieses Feedback: ›Wie kommst du auf die Idee, dass du das schaffen kannst? Du wirst daran scheitern und auf die Nase fliegen.‹ Aber andere sagten: ›Was für eine tolle Idee! Mach das. Wenn du es willst, dann schaffst du es auch.‹« Nach so widersprüchlichen Reaktionen war Sam verunsichert. »Ich musste tief Luft holen und mit vielen Leuten darüber sprechen. Ich merkte, wie mich das negativ beeinflusste. Und ich war wie: Oh mein Gott, was tue ich da?«

All die negativen Kommentare und selbst die freundlicheren, aber verhaltenen Bemerkungen zehrten an Sams Entschlossenheit. Sie arbeitete zwei Monate lang nicht an dem Projekt, aber sie hörte auch auf, andere nach ihrer Meinung zu fragen. Langsam begann sie, sich wieder auf ihre eigenen Gedanken und Wünsche zu fokussieren. Mehrere Wochen lang verwendete sie täglich etwas Zeit darauf, ihre Gedanken, ihre Pläne und ihre Ziele aufzuschreiben, und das brachte sie schließlich zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Sie liebte ihre Idee und entwickelte einen Plan zu ihrer Umsetzung. »Als ich nicht länger mit anderen darüber sprach, sondern nur noch auf meine eigene Stimme hörte und die Idee einige Wochen lang reifen ließ, kam ich schließlich zu dem Punkt, an dem ich mir sagte: ›Das ist eine gute Idee, und ich will sie unbedingt umsetzen.‹ Vielleicht wird nichts daraus. Aber ich glaube, vielen Leuten ist nicht klar: Wenn du etwas willst, dann wird daraus manchmal etwas ganz anderes, als du dir am Anfang vorgestellt hast.«

Und wenn Sie während des gesamten Prozesses immer mit Herz und Seele dabeibleiben, haben Sie auch keine Schwierigkeit damit, dass sich die ursprünglichen Ziele mit der Zeit verschieben. Jaclyn Johnson von den erfolgreichen Create-&-Cultivate-Konferenzen erzählte mir, wie sich ihre eigenen Erwartungen verschoben. Als sie ihr Unternehmen gründete und anfangs gerade einmal ihre Unkosten wieder hereinbekam, dachte sie schon, sie wäre gescheitert. Ihre Eltern, beide Unternehmer, erinnerten sie daran, dass eine schwarze Null für ein Start-up bereits ein großer Erfolg ist. Das war für Jaclyn eine wichtige Lektion in Sachen Blickwinkel. »Was du unbedingt machen musst, ist, dass du für dich selbst definierst, was Erfolg ist – dass du dir deine eigene Erfolgsmetrik schaffst.«

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