Always Look On The Bright Side Of Life

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4

SHOWBUSINESS!

Sommersemester in Cambridge. Immer die beste Saison. Die Colleges hatten geschlossen, und jede Menge Mädchen liefen dort in ihren Sommerkleidchen herum. Das exquisite Pärchen Gita und Sonny Mehta hielt Hof – in ihrer mondänen Bleibe, die voller Bücher steckte. (Er sollte später ein distinguierter Publizist bei Picador in London und bei Knopf in New York werden, sie eine angesehene Autorin.) Gleichzeitig hauste ich während der dreiwöchigen Proben des Footlights-Clubs in einem winzigen Zimmer über einem miefigen Restaurant.

Edinburgh war der Hammer. Wir kampierten alle in einer Wohnung im sechsten Stock, ohne Fahrstuhl, nur kaltes Wasser. Aber endlich war das hier Showbusiness! Im zarten Alter von zwanzig Jahren hatte ich meinen ersten Fernsehauftritt: mit Humphrey Barclay beim Festival Special des Scottish TV. Wo ich einen John-Cleese-Sketch brachte. War ja klar …


Footlights ’63 war eine Sensation, ausverkauft. Hauptsächlich, weil wir all die besten Sketche vom West-End-Erfolg der Footlights hatten. Harold Hobson von der Sunday Times meinte: „Sie ziehen so mühelos Bewunderung an wie Blumen die Sonne locken.“ Das war nett von ihm, denn am nächsten Abend brachten wir ihn fast um: Sämtliche Kulissen krachten zusammen, als sich bei der Weltpremiere von Henry Millers einzigem Theaterstück Wild About Harry (Wild About Harry – Ein Koch spielt verrückt) die Drehbühne nicht drehen mochte. Dieses legendäre Desaster hatte all diese Londoner Kritiker nach Edinburgh gelockt.

Der Cambridge Amateur Dramatic Club hatte nämlich herausgefunden, dass Henry Miller mal ein Theaterstück geschrieben hatte, das nie zur Aufführung kam. Und nichts konnte ihn davon abhalten, eine Weltpremiere dieses Stückes beim Edinburgh Festival zu präsentieren. Sie beschlossen – typisch Cambridge –,

eine alte Baptistenkirche in ein modernes Theater umzuwandeln, Drehbühne inklusive. Sechs Wochen lang sägten und hämmerten extrem vollbärtige Kerle herum. Aber zum Premierenabend war klar, dass weder das Theater noch die Bühne fertig waren. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als zu verschieben. Da sie ja aus Cambridge waren, hatten sie das schon eingeplant. Sie hielten eine Pressekonferenz ab und gaben bekannt, dass ein regionales Kontrollgremium (das in Schottland Theaterstücke und öffentliche Aufführungen zensierte) „sehr geringfügige Änderungen“ verlange. Diese hätten sich aber als derart ungeheuerlich herausgestellt, dass sie es notwendig machten, zunächst Henry Miller selbst zu kontaktieren, um herauszufinden, ob der die überhaupt erlaube.

Die Kontaktaufnahme mit Henry Miller in Kalifornien verzögerte sich. Als man ihn schließlich erreichte, war der nicht nur überrascht, dass überhaupt jemand sein Stück aufführte. Er hatte außerdem keinerlei Einwände, was immer sie damit anstellen wollten. Also das war in Ordnung. Ein für Cambridge typischer perfekter Sturm im Wasserglas. Sie konnten loslegen. Schlagzeilen wurden verfasst, Tickets verkauft, und das Stück konnte am kommenden Tag aufgeführt werden. Nur passierte dies nicht. Die erste Szene lief noch sicher genug durch: Graeme Garden und ich – unter all diesen Mimen für das Stück gekapert – wechselten ein paar Worte mit einer speziell engagierten winzigen Person, während wir vorgaben, ein Apartment in San Francisco anzustreichen. Also gut, sie war weiblich und spielte jemand Männlichen. Es ist aber auch gar nicht leicht, so Kurze so kurzfristig für Amateur-Produktionen ungewollter Henry-Miller-Stücke aufzutreiben. Und Cambridge war schon immer berüchtigt für einen laxen Umgang mit Genderfragen. Und das ist auch prima so. Also, so weit, so gut – das Publikum applaudierte pflichtschuldigst. Aber der Traum vom Theater endete zur selben Zeit wie diese Szene. Die Drehbühne verweigerte die Drehung. Zwanzig Minuten vergingen. Mit Stoßen, Schieben, Wuchten und Fluchen. Egal wie viele Stoßer, Schieber, egal wie viele Wuchter und Flucher, die Bühne blieb felsenfest in ihrer Position arretiert. Die Akteure der nächsten Szene blieben felsenfest in den Kulissen. Am Ende schlingerte die Drehbühne nach einem letzten verzweifelten Wuchten. Die schweren Platten begannen zu vibrieren und krachten dann langsam wie Dominosteine runter. Die Theaterkritiker rannten alle um ihr Leben die Seitengänge hoch. Den armen Harold Hobson ließen sie in seinem Rollstuhl alleine in der ersten Reihe sitzen. Henry Millers einziges Stück war mausetot. Diese Show überlebte nur einen einzigen Abend, aber mit unserer Revue sah das völlig anders aus. Wir wurden der große Hit.

Natürlich checkten wir aus, wie sich unsere Rivalen bei der Oxford-Revue so machten. Während wir auf der Bühne aufgeweckt und locker wirkten, kamen die kühl und süffisant rüber. Außerdem hatten sie Mädels. Arschlöcher. Sie machten ein spezielles Projekt: ihre „Rejects Night“ – den „Ausschuss-Abend“ –, in den sie jene Sketche packten, die es nicht so richtig brachten. Die probierten sie dann vor Publikum aus, nach der Hauptaufführung. Das hieß, dass wir da nach unserer eigenen Vorstellung hinkonnten – und dort begegnete ich dem wunderbaren, witzigen Terry Jones. Dunkelhaarig, Pokerface, attraktiv, mit dem Aussehen des Kinostars Anthony Newley. Auch er brachte eine erstaunliche Ernsthaftigkeit in alles, was er präsentierte. Und das galt auch für das Singen eines Liedes.

Ich war Miss World von 1907 bis twenty-four …

Ich war Miss World, wunderbare belle amour …

Die Transgender-Anspielung war mir dabei keine Sekunde lang klar, aber die Tatsache, dass das Alter bedeuten sollte:

No one wants to see me, anymore

Niemand will mehr ein Date mit mir,

die beklagte ich zutiefst.

Terry sollte im folgenden Sommer die Hauptrolle in der Oxford-Revue Hang Down Your Head and Die (Häng deinen Kopf rein und stirb) im West End spielen, einer bitteren Polemik gegen die Todesstrafe. Oxford war eben immer viel ernster in allem.

Ein Jahr später begegnete mir 1964 in Edinburgh der unvergessliche Michael Palin, der beim Oxford-Ensemble zu Terry Jones gestoßen war. Das erste Mal sah ich ihn auf der Bühne, und er verschlug mir total die Sprache. Er brachte einen ausufernden Charaktermonolog über einen alten Darsteller aus dem Norden. Der kam raus, um seine fürchterliche Vorstellung mit einem entsetzlichen Song zu beginnen. Um dann festzustellen, dass neben ihm ein großes, in Geschenkpapier gewickeltes Präsent lag. Er versuchte, das zu ignorieren, schaffte es aber nicht. Mitten im Song hörte er auf, um sich das anzuschauen. Er las laut vor, was auf dem Kärtchen stand:

„Für Mikey, in Liebe von den Zuschauern.“

Er war überwältigt.

„Oh, all ihr Menschen. Ich bin gerührt. Ich bin sprachlos. Dies ist so etwas Besonderes für mich. Ich hatte schon befürchtet, mit meiner Darbietung sei es vorbei. Dass es die Leute nicht mehr interessiert. Dass ich irgendwie zu alt sei und niemand sich an mich erinnert. Aber nun dies. Von Ihnen. Dem Publikum. Das bedeutet so viel für mich. Nun, das Einzige, was ich tun kann, um mich bei Ihnen zu bedanken, ist meinen Song für Sie zu singen: „Wenn Liebe dein Herz zerbricht – in Millionen winziger Scherben …“

Mit Tränen in den Augen, kaum in der Lage, sich zu beherrschen, begann er zu singen:

Wenn Liebe dein Herz zerbricht, in Millionen winziger Scherben …

Rumms. Das Präsent explodierte.

Sein Gesichtsausdruck, als er da so still von der Bühne humpelte, war einfach brillant. Und das ist es, was Michael Palin ausmacht. Er schreibt lebensnahe Charakter-Sketche und spielt sie mit echter Emotion. Das Schreibtalent ­Michaels wurde mir so richtig bewusst, als ich Spamalot für die Bühne umschrieb, aus The Holy Grail (Die Ritter der Kokosnuss). Mir machte es Spaß, Mikes Schreibstil da reinzubringen, denn er lässt sich stets von seinen Charakteren leiten.

„Was? Auf einem Pferd geritten? Ihr verwendet doch Kokosnüsse. Kickt die …“

„Eines Tages, mein Junge, wird dies alles einmal dir gehören.“

„Was, die Vorhänge?“

„Nicht die Vorhänge, mein Junge.“

Auch wenn das unbewusst geschah: Bis zum September 1964 lernten sich sämtliche zukünftigen Pythons kennen – und bewundern (bis auf den amerikanischen Animateur als Joker).

5

WIEDERSEHEN MIT GATESHEAD

Ohne drohende Abschlussprüfungen war das zweite Cambridge-Jahr das reinste Vergnügen. Nach Edinburgh waren wir die großen Stars der Footlights, und wir machten sogar Gewinn. An jedem Wochenende kurvten Graeme Garden und ich in unseren Dinner-Jackets durch’s Land. Wir hatten David Gooderson im Schlepptau, jenen Kerl, der durch eine Ein-Mann-Show berühmt wurde, bei der er das Publikum zahlenmäßig übertraf, sowie Jim Beach als unseren Pianisten. Wir machten Cabaret – bei Jägerbällen, Maibällen, Debütantinnen-Bällen und sozialen Events der High Society. Aus den üblichen zwei Vorstellungen pro Wochenende nahmen wir fünfundzwanzig Pfund pro Woche für uns vier ein, also für drei Akteure und einen Pianisten. Ordentliches Geld in jenen Tagen. Woher wissen wir, dass einige Menschen durch unser ganzes Leben hindurch wieder auftauchen? Jim war unwiderstehlich. Heute managt er Monty Python. Und Queen. Jim war bei unserer Edinburgh Show Footlights ’63 der Bandleader, und er leitete viele Jahre lang die Autocrats, eine „debs’ delight“-Band (also „der Debütantinnen Pläsier“). Dort saß Peer von The Realm am Schlagzeug.

Mir war schon zu Anfang meines ersten Cambridge-Jahres klar geworden, dass ich keine Vorlesungen besuchen musste. Sie wollten unsere Meinungen, und vorausgesetzt, ich hatte die Bücher gelesen, konnte ich davon reichlich liefern. Auf diese Weise hatte ich ein herrliches Sozialleben, unbelastet von harter Arbeit, stattdessen mit feinem Sherry, Pubs und Zocken, dazu jede Menge weinseliger Krocketspiele. Diese Lebensphase pflegte ich Gateshead Revisited zu nennen – Wiedersehen mit Gateshead. Jim besaß einen Hang zu haarsträubenden Anzügen, in grellem Orange oder Lindgrün, zu denen er Schlapphüte trug. Ich kann mich an eine ausschweifende Nacht erinnern, als wir von Queens, meinem College, zurück zu meiner Bleibe in der Nähe von Pembroke liefen. Jim trug einen irren Lavendel-farbenen Anzug. Es war vier Uhr morgens, wir hatten was getrunken, und Jim war auf die Brüstung der Silver Street Bridge geklettert. Auf der balancierte er nun wackelig herum.

 

„Ich brauch was zum Ficken!“, schrie er plötzlich aus vollem Halse.

„Pssst, Jim“, meinte ich, „es ist schon spät.“

„Du willst doch auch ficken“, grölte er, „du hältst nur die Klappe.“

Dann änderten zwei Ereignisse den Lauf der Welt. John F. Kennedy wurde in Dallas erschossen, und die Beatles kamen durch Cambridge. In Amerika entwickelte sich eine eindimensionale Welt des Kummers allmählich zur Empörung, als Vietnam die USA in seine vernichtende Umklammerung nahm. In Selma und Alabama fanden Bürgerrechtsmärsche statt. Zuhause im Königreich ging die trostlose Nachkriegszeit zu Ende. Das schwarz-weiße Großbritannien nahm plötzlich Farbe an. Wir kamen nun nicht mehr als junge Kommilitonen in Harris-Tweed-Sakkos mit Ellbogenschonern rüber, sondern als Teil der Bewegung. Der Sechziger Jahre. Wir kauften schwarze kragenlose Beatles-Jacketts. Wir standen für Beatles-Singles ganz vorne in der Schlange. Wir diskutierten, wer unser Lieblings-Beatle war, und wir waren verrückt nach „A Hard Day’s Night“. Plötzlich hatte England Bedeutung. Und swingte. Ein bisschen jedenfalls.

Mein Freund Carey Harrison, ein hochgeschossener, attraktiver Anglistik-Kommilitone vom Jesus-College (Wir frotzelten immer „What a friend we have in Jesus“ über ihn) führte mich in jenem Sommer in die Freuden der französischen Landschaften ein. Wir nahmen den Zug in die Dordogne, saßen Dickens lesend im zarten Juni-Sonnenschein und gingen zu Flutlicht-bestrahlten Radrennen in den Straßen eines französischen Dorfes. Zu lokalen Feten fuhren wir in dem allgegenwärtigen Citroen 2CV – deux chevaux. Wir spielten sogar Cricket, auf der Place de Cornieres in Montpazier. Es war paradiesisch. Carey – inzwischen Englisch-Dozent, Theater- und Romanautor – war ein wahrer Universalgelehrter. Auf dem Heimweg beobachtete ich ihn, wie er in einem Zugabteil simultan vier Unterhaltungen führte. Mit einer Französin auf Französisch. Mit einem italienischen Geschäftsmann auf Italienisch. Mit einem deutschen Touristen auf Deutsch. Und mit mir in sehr gewöhnlichem Englisch – in seinem satten, Harrow-Privatschul-geprägten Bariton, der gar nicht mal so meilenweit entfernt von seinem väterlichen Matinee-Idol war: Sexy Rexy. Ich hatte auch diverse ältere Freunde. Besonders mochte ich die Aussies und die Amis, meist, weil sie bereits Abschlüsse und Titel hatten, aber auch, weil sie witzig waren. Mein Freund Stephen Greenblatt hatte schon ein Buch auf dem Markt, als er mit seinem Fulbright-Stipendium aus Yale eintraf: Three Modern Satirists (Drei moderne Satiriker) über Waugh, Orwell und Huxley. Kürzlich interviewte ich ihn für „Writers Bloc Presents“ im Emanuel-Tempel in Beverly Hills. Es ging um sein Buch The Swerve (Die Wende. Wie die Renaissance begann), die mittelalterliche Entdeckung von Lukrez’ außergewöhnlichem Lehrgedicht De rerum natura (Über die Natur der Dinge). Er meinte, er kenne mich seit vielen Jahren, aber die größte Errungenschaft des Abends sei für ihn, mich endlich in eine Synagoge gelockt zu haben!

Mein Freund Jim Beach wurde Anwalt bei Harbottle & Lewis. Jahre später gewannen wir einen Prozess gegen ABC und die BBC in New York, weil sie ausgeschlachtete Versionen von Monty Python’s Flying Circus gesendet hatten. Jim riet uns, die angebotenen zwei Millionen Pfund nicht zu akzeptieren. Wir sollten stattdessen unsere Master verlangen. Dieser brillante Ratschlag brachte uns alles: Besitz und weltweite Kontrolle über unsere TV-Serie. Das bedeutet, dass den Pythons fast alles gehört, was wir je gemacht haben, einschließlich der Kinofilme. Wir sind vielleicht albern, aber wir sind nicht dumm.

Während meines letzten Cambridge-Jahres wurde ich Präsident der Footlights, ernannt vom scheidenden Präsidenten (Graeme Garden) und den Senior Fellows. Ich gewöhnte mir an, bei den Smoking-Konzerten ein ausgebleichtes, ausgeleiertes pinkfarbenes Jackett zu tragen, suchte mir meinen Vorstand zusammen, organisierte unsere Cabaret-Vorstellungen und kümmerte mich ums Geschäft. Ich stellte eben sicher, dass der Laden wie am Schnürchen lief.

Als ob ich beweisen wollte, dass man Jungs aus der Unterschicht nicht erlauben sollte, Machtpositionen einzunehmen, änderte ich eigenhändig die Regeln dieser 1883 gegründeten Organisation – und zwar so, dass es Frauen erlaubt wurde, beizutreten. Das machte einige der älteren Granden sehr unglücklich. Die meinten, ich ruinierte den Club. Ich schrieb einen Brief an Harry Porter, den leitenden Schatzmeister, und verlangte, dass es Frauen gestattet werde, die volle Mitgliedschaft bei den Footlights zu erlangen:

Ich meine, dass es herabwürdigend und unglaublich rückständig ist, wenn Frauen in der Universität nicht die gleichen Möglichkeiten haben sollen wie Männer, und es ist schon ziemlich traurig, dass die Footlights in dieser Angelegenheit sogar noch hinter dem Studentenwerk rangieren.


Ich bin immer noch stolz darauf. Und es sollte noch mehrere Jahre dauern, bis die Colleges selbst mitmachten. Die allererste Frau, die bei den Footlights zugelassen wurde, war Germaine Greer. Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet Germaine in der Folgezeit Der weibliche Eunuch schrieb, denn von all den Frauen, die ich je kennengelernt habe, zeigte sie am eindeutigsten Eier. Sie war zum Brüllen. Ihr Casting-Sketch war eine strippende Nonne, die das Haus zum Toben brachte. Sie war als Spätstudierende von der Melbourne University gekommen. Dort habe sie „Jungfrauendienste“ übernommen, wie sie mir berichtete – also für die sexuelle Befreiung der Erstsemester gesorgt. Kurz nachdem sie Cambridge verließ, wurde sie die erste Lektorin der Warwick University, die auf der Titelseite des Magazins Suck (Lutsch) erschien. Ich himmelte sie an. In meiner letzten Footlights-Revue My Girl Herbert, mit der wir ein paar Wochen lang durch das Königreich tourten, stand sie mir zur Seite. Sie wettete mit mir, dass sie mit jedem einzelnen Mitglied unserer Tourneetruppe schlafen könne. Ich gewann. Sie blieb beim Hornisten stecken.

Germaine war mit Clive James durch die Footlights-Tür gerauscht, und wir wurden Freunde. Er führte mich in seine Lyrik und die Zeichnungen von Brett Whiteley ein, und ich verfolgte seine unablässige Jagd auf die Weiblichkeit. Sein Vater war wie meiner nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Mir wurde klar, dass ich mich auf diese Weise unbewusst mit einigen Menschen verbunden fühlte, einschließlich Germaine und Harry Nilsson.

Unsere rätselhaft betitelte und nicht besonders lustige Revue My Girl Herbert quälte sich in die Stadt und verschied nach drei Wochen im Lyric Theatre in Hammersmith. John Cameron, ein Lederjacken tragender Rocker, der ziemlich verrückt Klavier spielte und sang wie Ray Charles, bildete ein Duo mit mir. Wir wurden als musikalische Cabaret-Show von der Noel Gay Organization übernommen. Sie nahmen uns umgehend für den Blue Angel unter Vertrag, einen Nachtclub, der von Wachoffizieren frequentiert wurde. Unser Eröffnungsabend dort war ein Triumphzug, während die Woche über alles verblasste. Upper-Class-Trottel brüllten während unseres Sets herum, und gleichzeitig versuchten sie, ihre Kensington-Freundinnen anzugrapschen. Im Laufe unseres allabendlich zunehmenden Schwanengesangs rutschte John Cameron tiefer und tiefer hinter sein Klavier, bis er schließlich komplett verdeckt war und ich den Radaubrüdern von der Bühne aus alleine Paroli bieten musste. Es war das Ende unseres sub-dynamischen Duos, und ich setzte mich in Richtung Leicester Square ab, um in dem Musical Oh What a Lovely War! (Oh, was für ein entzückender Krieg!) aufzutreten. Der Regisseur war Richard Eyre, ein weiterer Zeitgenosse. Überraschenderweise baten sie mich beim Phoenix Theatre in Leicester, noch für ihre Weihnachtsproduktion an Bord zu bleiben, in der ich lernte, dass ich nicht zum Schauspieler geboren war. Mir fehlt einfach die Geduld dafür. Ihr Angebot für die Christkind-Saison war eine Ray-Cooney-Farce über einen Butler, One for the Pot (Eins für die Kanne).

Ich langweilte mich so sehr, dass ich backstage in meiner Garderobe damit anfing, Drehbücher zu schreiben, etwa für I’m Sorry I’ll Read That Again (Sorry, ich lese das noch mal), das von Humphrey Barclay produziert wurde. In der Serie tauchten John Cleese, Bill Oddie, Tim Brooke-Taylor und Graeme Garden auf, also die heimkehrenden Absolventen vom Broadway.

Eines Abends, als ich so richtig ins Comedy-Schreiben vertieft war, fiel mir auf, dass der Bühnenlautsprecher keinen Mucks mehr von sich gab und Richard Simpson, der sehr ruhige Hauptdarsteller, mir über die Schulter schaute:

„Wie läuft’s denn so mit dem Schreiben, Eric?“

„Ach, bestens, danke.“

„Gut. Wird’s witzig?“

„Nicht schlecht jedenfalls.“

„Gut. Pass auf. Tut mir leid, wenn ich dich störe, aber würdest du dich zu mir auf die Bühne gesellen?“

Ach du Scheiße! Die Stille war das Zeichen für die leere Bühne gewesen. Ich befand mich im „Off“. Richard – der sich die jeweils nächste Szene nur bezüglich der Auftretenden merken konnte – hatte schließlich geschnallt, dass die Abwesenheit jedweden Personals hieß, dass es sich um mich handeln musste. Also kam er ruhig rüber, um mich aufzufinden. Oh oh. Dem Leicester-Publikum schien die leere Bühne zwar genauso viel Vergnügen zu bereiten wie das Stück. Aber mir wurde keine Verlängerung angeboten. Zum Glück gefielen Humphrey Barclay meine Rundfunk-Drehbücher. Er wollte mehr davon. Also begab ich mich nach London, um herauszufinden, was es mit den Sechziger Jahren so auf sich hatte. Hauptsächlich – so mein Verdacht – ging es wohl darum, dass andere Leute wesentlich mehr Spaß hatten als ich.

Im Januar 1966 begann ich mein Londoner Leben mit einem langanhaltenden Fall von Pfeifferschem Drüsenfieber, das mich immens schwächte, wobei ich aber weiter schreiben konnte. Ich verbrachte dermaßen viel Zeit im Bett, dass ich den Mickey-Baker-Komplett-Gitarrenlehrgang absolvieren konnte. Der vermittelte mir jene raffinierten Funk-Akkorde, die ich schließlich in „Bright Side“ verwendete. Ich mochte all diese Verminderten, sowie die in Dur und Moll gesetzten Sexten und Septimen – also Akkorde, die ich von der Tabulatur ablesen konnte. Aber sobald es zu Punktierungen kam, gab ich auf.

Dank Humphrey war ich nun professioneller Drehbuchautor, denn mein Material für I’m Sorry I’ll Read That Again brachte mir drei Goldguineen ein. (Das sind achtzehn heutige Euro). Pro Minute. Üblicherweise versammelten wir uns an Sonntagabenden im Playhouse, dem BBC Comedy-Theater, wo vor einem riesigen und maßlos überenthusiastischen Publikum die Aufnahmen stattfanden. Danach hingen wir mit dem gesamten Ensemble stets im Sherlock Holmes Pub ab.

Es fanden aber immer noch gelegentliche Exkurse in Richtung Schauspielerei statt. Ich wurde von Ken Russell auserkoren, den Todes-Chauffeur in Isadora zu spielen. Durch einen tragischen Autounfall ertränke ich ihre Kinder versehentlich in der Seine und sitze dann mit Michael Palin und Terry Jones als Jazzband auf einem Leichenwagen, während Isadora da drin Sex mit einem russischen Poeten hat. Ich wurde auch dazu verpflichtet, einen langsamen Plumploris im Tränenmeer in Jonathan Millers Alice in Wonderland (Alice im Wunderland) zu spielen. Für mich die Chance, mit meinen Idolen abzuhängen: Jonathan, Alan Bennet, Peter Cook und Dudley Moore. Dazu kam ein wirklich unfassbares Ensemble mit Peter Sellers, Wilfrid Lawson und Michael Redgrave. Wir waren auf der Hälfte der Sechziger Jahre angelangt. Die Anti-Baby-Pille hatte ihre Mission der sexuellen Befreiung der Frau begonnen, und die Party ging definitiv los …

Ah, die Sechziger. Eine wunderschöne Blondine, nach der ich verrückt war, steckte mich beim Rumfummeln auf einem Kunstledersofa freigiebig mit Hepatitis an. Sodann teilte sich ein süßes Hippiemädchen eine milde Geschlechtskrankheit mit mir, die mich peinlich berührt eine Klinik aufsuchen ließ. Meine erbarmungslose Jagd nach Frauen war wohl nach zwölf Jahren Einkerkerung verständlich. Aber sie bedeutete auch, dass ich zwar die holde Weiblichkeit außerhalb des Schlafzimmers nie so recht verstand, jedoch zumindest eine gesunde Einführung in ihre Anatomie bekam. Ich war auf dem besten Wege, der „Kunstvolle Knuffer“ zu werden.

 

„Geht bei deiner Frau was – weißt du, was ich meine, knuff, knuff, weißt du, was ich meine?“