Always Look On The Bright Side Of Life

Tekst
Autor:
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Was schlechtes Benehmen anging, so wurde ich irgendwann sehr gut im Ophny: hinterhältig und anti-autoritär. Es war wie eine Kombination von Kommiss und Knast, wo du lernst, dich anzupassen und deinen Kumpels zu vertrauen. Meine Klasse war eine hochorganisierte kriminelle Vereinigung. Bis zur Mittleren „O-Level“-Reife haben wir nie ein normales Examen abgesessen, weil wir immer die Prüfungsunterlagen klauten. Einige Jungs waren verdammt gut im Schlösser-Knacken, oder sie haben einfach die Rückwände der Schränke abgeschraubt, in denen die Lehrer ihre Fragebögen lagerten. Dann schrieben sie die Antworten über Nacht auf gestohlenes Examenspapier, schmuggelten das unter ihren Pullis rein und tauschten es aus. Erst bei diesem O-Level-Examen fand ich heraus, dass ich vergleichsweise clever sein musste, weil nämlich die meisten der anderen Jungs nach den Sommerferien schlicht nicht wiederkamen. Die waren alle durchgefallen. Es war das erste echte Examen, das ich jemals ablegte.

Ich glaube, nur acht von uns kehrten zurück. Es gab Gerüchte, einige seien schon im Knast …

Wir hatten ziemlich sumpfige Sportplätze, und im Fußball war ich nicht so toll. Statt mich also für die verpflichtenden Spiele umzuziehen, setzte ich eines Donnerstagnachmittags meine Schulmütze auf, marschierte zum Haupt­eingang hinaus in die City von Wolverhampton und sah mir einen Kinofilm an. Das machte ich bald regelmäßig jeden Donnerstagnachmittag – schlenderte frech am Arbeitszimmer des Direktors vorbei, und niemand hat mich je erwischt. Denn wenn du deine hellrote Schulmütze trägst und den Haupteingang benutzt, bist du ja eindeutig auf einer Schulmission, oder? Und so lernte ich schon recht früh: Wenn du dreist genug bist, stellt dir keiner dumme Fragen. Hätte ich mich hinausgeschlichen, wäre ich wahrscheinlich erwischt worden. Nun ja, in meinem vorletzten Jahr wurde ich dann erwischt. Ich war ein Senior-Präfekt, also ein Stubenältester, und überwachte gerade die Hausaufgaben, als der Direktor nach mir schickte und mich dann fragte: „Nun, Idle, hat Ihnen denn der Film heute Nachmittag gefallen?“

„Nein, nicht wirklich, Sir, der war nicht so besonders“, sagte ich, um ihn zu ärgern.

Man hatte mich beobachtet und verpetzt, wie ich einen Film ab 18 gesehen hatte: Butterfield 8 (Telefon Butterfield 8) mit Elizabeth Taylor. Also bekam ich natürlich Prügel – „Sechs von den Besten“ –, und am nächsten Morgen schleppten sie mich vor die ganze Schulversammlung, damit der Direktor mich wegen dieses furchtbaren Verbrechens an den Pranger stellen konnte. Idle war in der Stadt erwischt worden, wie er sich einen Erwachsenenfilm anschaute! Nun, eine bessere Promo hätte ich mir gar nicht wünschen können. Plötzlich war ich der Held. Die ganze Schule liebte mich! Ich wurde in aller Öffentlichkeit ans Ende der Aula geschickt und war kein Stubenältester mehr, und die Kids schlugen mir auf den Rücken und hielten die Daumen hoch. Es war hervorragend. Zum Ende des Schuljahres verließ der Direktor dann die Schule – mit der überraschenden Empfehlung, ich solle zum Schülersprecher ernannt werden. Vielleicht mochte er einfach Elizabeth Taylor. Vielleicht mochte er mich. Vielleicht wollte er auch seinem Nachfolger eins auswischen.

Im ersten Vierteljahr meines letzten Schuljahres organisierte mir mein toller Ex-RAF-Geschichtslehrer Mr. Fry die Bewerbung an seinem alten Cambridge College, Pembroke. Ich nahm einen Harry-Potter-Zug mit Dampflok zu den Fens in Ostengland und wurde in puncto Englischstudium interviewt, durch einen Ökonomen, den Dekan und einen arabischen Studenten. Erstaunlicherweise boten sie mir einen Studienplatz an, wenn ich innerhalb eines Jahres das kleine Latinum schaffen würde. Ein Kinderspiel.

Da ich nun plötzlich – und irrerweise – zum Schülersprecher geworden war, bestand die Schule darauf, dass ich auch Leiter der Combined Cadet Force werden sollte, wonach mir so gar nicht der Sinn stand. Gegen Ende von sechs Jahren Militärtraining hatten sie den Fehler gemacht, uns auf einen Zivilverteidigungs-Kurs zu schicken. Dort wurde genau demonstriert, was passiert, wenn eine Atombombe hochgeht. Das Resultat war, dass ich zum glühenden Pazifisten wurde. Während der Osterferien (1962) nahm ich am Aldermaston-Marsch teil, der jährlichen Anti-Atom-Demo des CND, der Kampagne für nukleare Abrüstung. Wir marschierten von Aldermaston in Hampshire zum Hyde Park, über eine Entfernung von 80 Kilometern, hinter riesigen Transparenten und unter Absingen von Protestsongs. We shall overcome – Wir schaffen das. Taten wir aber nicht. Stattdessen zelteten wir über Nacht in Reading und marschierten dann stolz nach London rein. Mein Freund Alan Sinfield, der dunkelhaarige, finstere, Poesie lesende Gitarrist unseres Folktrios, war mittlerweile an der London University. Wir waren verdammt links und sehr engagiert, und es war toll. Als ich zur Schule zurückkehrte, nahm mich der neue Pater beiseite und meinte: „Du bist ein Heuchler, Idle. Bist der Boss der CCF-Kadetten und beim Aldermaston-Marsch mitgelaufen.“ Worauf ich sagte: „Nun, ich trete zurück“, und er meinte: „Dir wird aber nicht gestattet, zurückzutreten.“ Also nahm ich bei der Parade zwar das Salutieren ab, drehte mich dann aber zur falschen Seite, was die Profi-Feldwebel verärgern sollte. Anschließend verdrückte ich mich zum Lesen. Ich weigerte mich dann, zum Ende des Jahres ins Militärcamp zu gehen. Sie konnten mich allerdings nicht rauswerfen, weil ich schon gegangen war. In Cambridge hatte man mich ja bereits akzeptiert, ich war beim Aldermaston-Marsch dabei und nahm nichts von ihrem ganzen Combined-Cadet-Force-Scheiß ernst.

Dann änderte sich mein gesamtes Leben.

Das, was mich für immer veränderte, war Comedy. Meine Offenbarung begann bei Beyond The Fringe (Jenseits des Randes/der Avantgarde). Anfang 1963 wohnte ich bei meinem Freund Alan Sinfield in Nord-London, und wir sahen uns möglichst jedes Theaterstück an. Es war die Ära der Dramatiker, die man The Angry Young Men nannte: die zornigen jungen Männer, nach Look Back In Anger (Blick zurück im Zorn), dem bahnbrechenden Stück von John Osbourne, das wir im Royal Court Theatre erlebten. Für diese neue, ausverkaufte Revue von vier jungen Männern aus Oxbridge – also Oxford und Cambridge – am Fortune Theatre konnten wir nur Stehplätze bekommen. Das war aber auch besser so, denn es hätte mich nie und nimmer auf dem Stuhl gehalten. Ich kugelte mich kreischend vor Lachen an der Wand entlang. So heftig hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelacht. Ich hatte keinen Schimmer, dass man so witzig sein konnte und dass man über den Premierminister und den Krieg und die Königsfamilie lachen konnte. Über alles, was ich heimlich hasste, machten die sich lustig – und waren dabei absolut geistreich. Sie waren jung, smart und gefährlich witzig. Das war Zorn, aber er wurde zum Lachen verwendet. Ich kaufte mir sofort die Platte und lernte alles auswendig. Alan Bennetts Vikar-Monolog, Peter Cooks Premierminister-Rede, Jonathan Millers skurrile Monologe. Und dann machten wir uns auf den Weg und erlebten Dudley Moore am Jazzpiano in der Oxford Street. Beyond The Fringe war eine erstaunliche Show. Von diesem Moment an konnte ich mir ein Leben ohne Comedy nicht mehr vorstellen.

3

VERDAMMTER GLÜCKSPILZ

Nach zwölf Jahren im Untergrund als Larve in Wolverhampton nun für drei Jahre als Schmetterling in Cambridge aufzutauchen, das machte mich wirklich zu einem verdammten Glückspilz. Und hat Napoleon nicht schon gesagt, dass Glück zu haben wichtiger sei als Spaß zu haben? (Nein, hat er nicht, oder?) Jedenfalls habe ich Comedy dann zunächst an der Cambridge University gemacht, fast durch Zufall. Es war mit Sicherheit ein Glücksfall, dass ich mich im Pembroke College wiederfand, denn erst kurz zuvor war der großartige Peter Cook dort gewesen, und die Leute zitierten ihn immer noch.

„Leider war ich nur ein Einzel-Zwilling.“

„Ich würde gerne etwas wirklich Wichtiges erfinden: Feuer etwa.“

Es war schon ziemlich ungewöhnlich, dass ein Junge aus der unteren Mittelschicht akzeptiert wurde, dazu noch aus einer bescheidenen Armenschule. Aber Cambridge war im Begriff, sich zu verändern. Meine Schulausbildung wurde von der Kreisverwaltung in Warwickshire bezahlt, und meine alte Schule beteiligte sich generös mit einem anständigen Stipendium. So stand ich dann besser da als viele Privatschul-Knaben, die ihre Eltern um Bargeldspritzen angehen mussten. Als ich meine Sachen für Cambridge packte, war auch ein Kondom dabei. Das habe ich dann recht optimistisch zwei Jahre lang in meiner Brieftasche mit mir herumgetragen. Aber 1962 war Cambridge noch immer eine klösterliche Gemeinschaft. Im komplett männlichen Pembroke gab es nichts Weibliches. Frauen hatten ihre eigenen Colleges. Für Mädchen kletterte ich noch immer über Mauern. Um meine Chancen zu erhöhen, trat ich den Pembroke Players bei. Für deren Weihnachtsparty schrieb ich ein Cabaret, und meine Aufführung kam derart gut an, dass man mir empfahl, es mal bei The Pembroke Smoker zu versuchen, einer Comedy-Revue über drei Abende, die im Old Smoker unter der Wren-Bibliothek stattfand. So landete ich dann beim Casting für Tim Brooke-Taylor und Bill Oddie. Ist es nicht ein irrer Zufall, dass zwei zukünftige Goodies, Tim und Bill – die schon bald ihre eigene BBC-TV-Comedy-Serie mit Graeme Garden haben sollten –, einen zukünftigen Python vorsprechen ließen? Übrigens sollte genau jener Graeme Garden zwei Jahre Cambridge-Cabaret mit mir machen. Noch irrer war, dass sie mir für mein Debüt einen Sprechtext gaben, der von John Cleese verfasst worden war. John war nicht am Pembroke, aber er aß dort jeden Abend. Im College Smoker konnte er nicht auftreten, weil er nicht im College eingeschrieben war, aber ich schon. Und er war anwesend, als ich meine allererste Performance ablieferte –

 

und er sah mich einen Sketch aufführen, den er für sich selbst geschrieben hatte! Er hieß BBC BC (BBC vor Christus) über biblische Nachrichten. Ich spielte einen Meteorologen:

Unten im Süden, tja, musste Ägypten kürzlich schon eine ziemlich böse Periode durchstehen. Vor 17 oder 18 Tagen waren es erst Frösche, gefolgt von Läusen, Fliegen und letzten Dienstag dann Heuschrecken. Und nun, aus Süd-Südost hereindrängend – Eiterbeulen. Die weiteren Aussichten für Ägypten: Nun, zwei oder drei Tage lang wird das Land in dichteste Dunkelheit gehüllt sein, gefolgt vom Tode aller Erstgeborenen. Tut uns leid, Ägypten.

Humphrey Barclay war ein hochtalentierter Schülersprecher aus der Edel-Privatschule Harrow. Er konnte schauspielern, Regie führen und Cartoons zeichnen. Nach der Show stellte Humphrey mich John Cleese vor, einem hochgeschossenen Mann mit schwarzem Haar und stechenden schwarzen Augen. Sie machten mir große Komplimente und ermutigten mich, für The Footlights (etwa: Die Rampenlichter) vorzusprechen. Dieser Universitäts-Revue-Club war 1883 gegründet worden, um Sketche und Comedy-Shows aufzuführen, aber ich hatte noch nie was von dem gehört. Er schien jedoch eine Menge Spaß zu machen, und einen Monat später wurden Jonathan Lynn und ich von deren Komitee hineingewählt, nachdem wir vor einem vollbesetzten Haus von Comedy-Cracks im Footlights-Clubraum abgeräumt hatten. Jonathan Lynn, ein talentierter Schauspieler, Autor und Jazz-Drummer, sollte später bei Pass The Butler (Mr. Butler) Regie führen, meinem ersten Stück im West End. Außerdem schrieb und leitete er Nuns On The Run (Nonnen auf der Flucht), einen Kinofilm mit mir und Robbie Coltrane. Der Sketch, den ich geschrieben hatte, ließ sich erstaunlich gut spielen. Dazu ein denkwürdiges Detail: In der ersten Reihe, auf ein Sofa geräkelt, lachte gemeinsam mit ein paar Senioren-Mitgliedern kein Geringerer als – Kingsley Amis – neben dem Bruder des schon bald berüchtigten Burgess. Der sollte in Kürze aus dem Lande fliehen, weil man ihn als den vielleicht extravagantesten Spion outete, den Cambridge je hervorgebracht hat. Wann immer der sich nämlich extrem betrunken in Washington befand, was praktisch allabendlich zutraf, band er jedem lautstark auf die Nase, er sei Spion für den KGB. Kein Mensch glaubte ihm.

An das Footlights-Clubleben gewöhnte ich mich im Handumdrehen. Wir hatten unsere eigene Bar, die abends um zehn öffnete und in Betrieb blieb, so lange wir wollten. Lunch wurde vor Ort bereitgehalten, und zwei Mal pro Semester gab es Smoking-Konzerte, bei denen man neues Material ausprobieren konnte. Ich lernte bald eine wertvolle Lektion. Eines Tages stieß ich auf einen Schuldirektor-Sketch, der von John geschrieben worden war. Ich las ihn und fand ihn nicht besonders amüsant. An jenem Abend brachte er ihn, und er räumte absolut ab. Er ließ die Zeit im Auditorium glatt stehen bleiben. Es hängt derart viel davon ab, wie du etwas bringst. Das war der wertvollste Aspekt bei The Footlights: die Kunst des Schreibens und Performens zu erlernen – durch Beobachten und Umsetzen. Die Jahres-Revue jener Saison, die zwei Wochen lang im Arts Theatre lief, war das Witzigste, was ich seit Beyond The Fringe gesehen hatte. Sie nannte sich A Clump of Plinths (etwa: Ein Klumpen von Sockeln) – ein typischer Cleese-Titel. John ragte sprichwörtlich mit Kopf und Schultern über ein großartiges Ensemble hinaus. Im Gegensatz zu den anderen ließ er sich nie anmerken, dass er witzig sein wollte. Er war immer total ernst, der Trockenste unter den Staubtrockenen. Ich schaute mir das voller Freude an. Die Show ging auf Tour durchs Königreich und wurde dann von Michael White übernommen. Der brachte es im West End unter dem Titel Cambridge Circus heraus. Zu jener Zeit war ein langer, schlaksiger, Pfeife schmauchender Graham Chapman zum Ensemble gestoßen. Der hatte Medizin studiert und sich bereits in Richtung St. Bart’s Hospital verabschiedet, wo er dann das Studium zum vollqualifizierten Alkoholiker aufnahm. Er wurde außerdem Arzt, wovor er uns regelmäßig warnte. „Denkt immer daran, dass Ärzte nichts weiter sind als Ex-Medizinstudenten.“ Er war sehr witzig, und auf eine sehr ernste Art skurril.

Übrigens, endlich wurde auch das Kondom benutzt – und zwar nach einer Pembroke-Party, bei der mir eine belgische Garderobenfrau zeigte, wie man das aufzieht und mich liebenswürdigerweise von der Last der Zwangskeuschheit befreite, was mir klarmachte, dass so vieles im Showbusiness mit Sex zu tun hat. Dies war eine doppelte Liebenswürdigkeit, da ich bereits die heftig Ehe-anbahnende Attacke eines entschiedenen Nordlicht-Mädels der Pädagogischen Hochschule abgewehrt hatte. Die gab ihr Terrain so zögerlich wie widerwillig frei, wobei jedes Fitzelchen Kapitulation von weiteren kompromittierenden Versprechungen meinerseits begleitet wurde. Zum Glück wurde mir klar, dass ihre Strategie Sex nur nach der Hochzeit vorsah und sie bereits plante, mich ihrer Mutter daheim in Blackpool vorzustellen. Ich floh. Nach Übersee.

Im Jahr davor war ich während des Sommers 1962 zu einer Tour mit Alan Sinfield aufgebrochen, per Anhalter durch Frankreich und Deutschland – kurz bevor wir nach Cambridge gingen. Wir trugen Rucksäcke und übernachteten in Schlafsäcken auf Feldern und in halbfertigen Baustellen-Häusern. Unser optimistisches Ziel war Wien. Mit unseren Touren hatten wir bereits ziemliches Glück gehabt, als uns an der Autobahnzufahrt knapp außerhalb von Stuttgart ein junges deutsches Paar in einem schwarzen Mercedes aufpickte.

„Wo soll es denn hingehen?“

„Nach Wien.“

„Wie wär’s denn mit München?“

„Wunderbar.“

Es war eine tolle Tour, obwohl der Mann und seine ziemlich pummelige junge Frau nicht sehr viel redeten. Wir hielten zum Lunch an, und er bezahlte großzügig für alle.

„Ihr wollt nach Wien? Hey, warum bleiben wir nicht über Nacht in München, und ich bringe euch morgen nach Wien? Heute Abend kehren wir dann im Hofbräuhaus ein.“

„Hört sich toll an. Hey, danke.“

Er checkte uns in einer kleinen Pension in München ein. Zwei Doppelzimmer für eine Nacht. Eins für ihn und sein Mädel, eins für uns. Fabelhaft.

„Ich tanke nur gerade den Wagen auf und nehme euch dann zum Abendessen mit.“

„Okay.“

Wir waren so von unserem Riesenglück eingenommen, dass wir noch nicht mal unser Gepäck aus dem Wagen genommen hatten. Aber seine Freundin war ja bei uns, was sollte schon passieren?

Er kam nicht wieder.

Zwei Stunden vergingen. Irgendetwas stimmte hier nicht.

„Wo zum Teufel ist der?“, wollten wir schließlich von der pummeligen Gefährtin wissen.

Die brach in Tränen aus.

Sie kannte ihn überhaupt nicht. Und sie war auch nicht seine Freundin. Er hatte sie in Pforzheim, kurz vor Stuttgart, aufgelesen, wo er dann anhielt, um uns aufzupicken.

„Was?“

„Scheiße.“

Er war also weg, mit unseren Rucksäcken und allem, was wir auf der Welt besaßen – den Pässen, Reiseschecks, der Kleidung, Unterwäsche, den Schlafsäcken, dem ganzen Kram.

Scheiße, Scheiße, Scheiße.

Das Mädchen war in Tränen aufgelöst. Wir hatten kein Geld. Wir mussten mit dem schluchzenden Fräulein zur Polizei. Die machten sich dort Notizen und zuckten mit den Schultern. Wir mussten zur Britischen Botschaft. Aber es war Freitagabend, und vor Montag würden die nicht wieder aufmachen. Was konnten wir tun? Achselzucken. Das war’s mit der netten Pension. Wir hatten nur unsere Klamotten am Leib und überhaupt kein Geld. Drei Nächte lang schliefen wir im Freien, in den Parks und dem Münchner Bahnhof. Schließlich wurden uns am Montagmorgen von der Britischen Botschaft provisorische Pässe ausgestellt, und man gab uns ein wenig Bargeld, um nach Hause zu kommen. Wir trampten so zurück, wie wir gekommen waren, und erzählten unsere traurige Geschichte. All jenen Deutschen, die für uns anhielten, war unser Schicksal peinlich. Die brachten sich halb um, nett zu uns zu sein, gaben uns Essen aus und luden uns sogar in ihre Wohnungen ein. Pleite und ohne Gepäck schlichen wir uns nach England zurück. Wien haben wir nie zu sehen gekriegt. Trotzdem: „Schau immer auf die Sonnenseite des Lebens.“

Interessanterweise bekamen wir unsere Rucksäcke zurück. Es stellte sich heraus, dass der Mann ein norddeutscher Krimineller war – auf der Flucht von Hamburg aus und von der Polizei gesucht. Wir waren wahrscheinlich eine gute Tarnung für ihn. Am Ende schnappten sie ihn in Italien.

Unbeirrt von diesem ersten Abenteuer beschlossen wir im Jahr darauf, noch mal durch Deutschland zu trampen. Diesmal brachen wir aber etwas besser vorbereitet auf. Alan hatte ein paar Verwandte in Berlin, die uns ein Zimmer anboten, also trampten wir bis Nürnberg. Dort stellten wir uns auf die Tribüne des Reichsparteitagsgeländes, wo Hitler gestanden hatte, und ließen unsere Charlie-Chaplin-Imitationen vom Stapel. Weiter kamen wir nicht. Der einzige Weg nach Berlin führte durch das kommunistische Ostdeutschland, also buchten wir eine Busreise.

Wir hätten uns schon erstaunt fragen müssen, was da los war, als wir sofort aus dem Bus gezogen und von den ostdeutschen Grenzern rüde durchsucht wurden. Sie verhörten uns. Wohin unsere Reise denn gehen solle? Zwei englische Jungs, die nicht viel bei sich hatten – was interessierte die denn groß? Wir hatten drei Wochen lang keine Zeitung aufgeschlagen. Anscheinend waren wir die einzigen Menschen in ganz Deutschland, die absolut keine Ahnung hatten, dass Präsident Kennedy sich am kommenden Tag auf Staatsbesuch nach Berlin begeben sollte – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Ganz aus Versehen waren wir im Mittelpunkt der Welt gelandet.

Alans Verwandte nahmen uns warmherzig auf, und wir bekamen sogar Betten. Am nächsten Tag säumten wir mit Tausenden von Berlinern die Straßen, um die „Kavalkade“ vorbeiziehen zu sehen. Sechzehn Geheimdienst-Limousinen, gefolgt von siebzehn Presse-Limos. Schließlich tauchten sie auf: Konrad Adenauer, der westdeutsche Kanzler, und Willy Brandt, der legendäre Regierende Bürgermeister von West-Berlin (und spätere westdeutsche Kanzler). Sie standen beide im Fonds eines offenen Fahrzeugs und flankierten den lächelnden JFK. Ich kann mich noch gut an seinen Haarschopf erinnern – und weiß noch, wie überrascht ich über seine gesunde Ausstrahlung war. Die Deutschen spielten verrückt. Wir gingen nach Hause und schauten uns die berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede live im Fernsehen an. Innerhalb einer Stunde tauchten Flyer und Karten und Plakate mit diesem Slogan in den Straßen auf. Es sollte sich herausstellen, dass ihm weniger als vier Monate zu leben blieben.

Am folgenden Tag besuchte der ostdeutsche Regierungschef Walter Ulbricht Ost-Berlin. Am Tag danach schlüpften wir durch den Checkpoint Charlie: zu einer Tour durch das trostlose Paradies der Industriearbeiter, das so viel dazu beitrug, dankbar für die Segnungen des Westens zu sein. Bei uns konnte man sich theoretisch als Linker geben, ohne dafür leiden zu müssen. Wir fuhren an einer Reihe hässlicher Fünfziger-Jahre-Mietshäuser vorbei. In einiger Entfernung Hitlers Führerbunker. Und am Ende jeder Straße das gleiche Elend: The Wall – die Mauer.

Als wir wieder sicher in West-Berlin angelangt waren, stellten wir fest, dass die Pembroke Players in der Stadt waren – unsere Schauspieltruppe aus Cambridge. Sie brachten eine Inszenierung von Macbeth. Also gingen wir hin. Merkwürdig war, dass sie ein Telegramm für mich hatten. In Berlin? Es kam von den Footlights, von Humphrey Barclay. Cambridge Circus erwies sich im Londoner West End als ein solcher Erfolg, dass sie ihr Engagement beim Edinburgh Festival nicht wahrnehmen konnten. Also wollte Humphrey Barclay, dass ich es mit ihm und Graeme Garden aufführte. Ich sollte mich umgehend zu Proben in Cambridge einfinden!