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Das Lob der Narrheit

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Ich stelle mir vor: ein wie vom Himmel gefallener Weiser trete plötzlich auf, und schreie: der, den man als einen grossen Herrn halbgöttlich verehre, sey nicht einmal ein Mensch, weil er sich viehisch durch seine Lüste leiten lasse; er sey nichts als ein verachtungswürdiger Sclave, weil er sich freywillig so vielen und so schändlichen Herren als einen Knecht dargebe. Er sieht jemanden, der über das Absterben seines Vaters weinet, und heißt ihn lachen, weil sein Vater endlich zu leben angefangen habe, da dieses gegenwärtige Leben nichts als ein Tod sey. Er begegnet einem Junker, der sich seiner edlen Abkunft rühmt, und betitelt ihn einen ehrlosen Bankert, weil er weit von dem Pfade der Tugend gewichen, der einigen Quelle des Adels. Auf gleichen Schlag behandelt mein Weiser jeden, der ihm aufstößt. Aber was erbeutet er anders, als daß man ihn gleich einem zum Tollhause reifen Rasenden ansieht?

Nichts ist närrischer, als eine zur Unzeit angebrachte Weisheit; nichts unkluger, als eine verkehrte Klugheit. Der beträgt sich schief, der sich nicht nach der gegenwärtigen Lage der Dinge einrichtet; nicht auf den Marktpreis achtet; sich nicht des Tischgesetzes erinnert: „Thue Bescheid, oder packe dich;“ nicht will, daß das Spiel ein Spiel sey. Der Kluge hingegen denket: da ich ein sterblicher Mensch bin, so will ich mich nicht bestreben, übermenschlich weise zu seyn; ich will mich gern nach andern Leuten einrichten, und auch etwann aus Höflichkeit einen Weg mit ihnen gehen, den ich sonst für mich nicht gehen würde. Ist eben dieses nicht Narrheit? O ja, ihr weisen Männer! doch solltet ihr mir dagegen eingestehen, dieses heisse: seine Rolle in der Welt spielen.

Uebrigens – o ihr unsterbliche Götter, soll ich reden? soll ich schweigen? Warum sollt ich es nicht frey heraus sagen, da es die pur-lautere Wahrheit ist? Vielleicht aber ists das beste, daß ich bey einer so wichtigen Sache die Musen von ihrem Helikon hinunterrufe, sie, die von den Dichtern oft um einer Schnakerey willen herabgeranzt werden. So stehet mir denn für eine Weile bey, ihr Töchter Jupiters, bis ichs bewiesen habe, jene glänzende Weisheit, die hochberühmte Burg der Glückseligkeit, werde nur denen aufgeschlossen, die sich ihr unter dem Schutze der Narrheit näheren.

Erstlich ist es eine ausgemachte Sache, daß alle Leidenschaften sich unter der Botmäßigkeit der Narrheit befinden; denn der Unterschied zwischen einem Narren und einem Weisen ist dieser: jener richtet sich nach den Leidenschaften, dieser nach der Vernunft. Daher schaffen die Stoiker alle Beunruhigungen, als so viele Seuchen, aus ihrem Weisen weg; und doch (sagen die Peripatetiker) vertreten diese Leidenschaften die Stelle der Pädadogen bey denen, die sich Mühe geben, in den Port der Weisheit einzulaufen; ja sie dienen bey allen Tugendpflichten zu Sporen und Peitschen, dadurch wir zum rechtschaffenen Betragen angetrieben werden. Doch wendet hier Seneca, der Erzstoiker, so vieles ein, als er immer auftreiben kann, um den Weisen von jeder Leidenschaft loszuhalftern. Indem er aber dieses thut, rottet er den ganzen Menschen aus, den er zu einer Art einer Gottheit umschaft, die nie gewesen ist, und nie seyn wird; oder damit ichs noch deutlicher sage, er meisselt ihn zu einem marmornen Menschenbilde, tumm, ohne Menschenverstand. O immer, ich mag es von Herzen wohl leiden; mögen sich solche Künstler ihres Weisen unbeneidet erfreuen, und mit ihm Platons Stadt oder das Gebiet der Ideen oder des Tantalus Gärten bewohnen!

Wer eilt nicht schauernd von einem solchen Menschen weg, wie von einem Ungeheuer, einem Gespenste! Alle Sinne der Natur sind nicht im Stande, einen Eindruck in ihn zu machen; er ist ohne Leidenschaften; für die Liebe, das Mitleiden, ist er so unempfindlich als ein Kieselstein, als ein Felsenstück; nichts entgeht ihm; nirgends schießt er fehl; mit Luchsenaugen durchschaut er alles; nach Richtschnur und Bleywaag beurtheilt er alles auf das pünktlichste; für nichts hat er Nachsicht; mit nichts ist er zufrieden, als mit sich; er allein ist reich, gesund, ein König, frey; er allein ist alles, aber auch blos nach seinem allerliebsten Urtheile; er, der keinen Freund begehrt, hat auch keinen; er, macht sich kein Bedenken, die Götter selbst zum Henker zu schicken; er, der alles, was in der Welt vorgeht, als Wahnsinn verdammt, und verlacht.

Nun, ein solches Thier ist der, den man uns als das Meisterstück der Weisheit anpreist. Wenn es auf die Wahrheit der Stimmen ankäme, welche Stadt würd ihn zu ihrem Bürgermeister wählen? welches Kriegsheer würde sich ihn zum Feldherrn wünschen? welcher Frau würd ein solcher Mann, welchem Wirth ein solcher Gast, welchem Bedienten ein solcher Herr, erträglich seyn? Man würde lieber mitten aus dem närrischsten Pöbel einen Narren wählen, um Narren zu befehlen, das ist den meisten; sein Weib würd’ an ihm einen gefälligen Mann finden; seine Freunde würden sich seiner erfreuen; er würd einem Tische Ehre machen; die Gesellschaft würd ihm das Lob beylegen: er führe sich durchgehends als Mensch auf. Aber schon lange fühl ich einen Ekel, so viele Worte an Weisen Leuten zu verlieren. Ich sehe mich nach andern Gegenständen um.

Bilden Sie sich ein, meine Herren, daß Sie auf jener Hochwarte stehen, auf welche die Dichter den Jupiter hingepflanzt haben. Sehen Sie allen den Jammer, mit dem sich des Menschenleben zu erkämpfen hat. Elend, garstig, steht es um seine Geburt; um die Auferziehung ists Holzhackersarbeit; tausenderley Gefahren belagern seine Kindheit; durch die jugendlichen Jahre muß er sich hindurchschwitzen; ihn beugt die Last des Alters; und der Tod ist ihm ein verdrüßlicher Bothe. Mit ganzen Heeren von Krankheiten ist er umgeben; unzählbaren Zufällen ist er blosgesetzt; Widrigkeiten von allen Arten; bald alles, das er genießt, ist mit Galle verdorben. Ich möchte nicht einmal von dem vielen Uebel reden, das die Menschen sich einander selbst zuziehen: Armuth, Gefängniß, Schande, Schmach, Streithändel, Betrügereyen. O lieber wollt ich die Sandkörner am Meere zählen!

Durch welche Verbrechen haben die Menschen sich solche Strafen zugezogen? welcher Gott hat sie in seinem Zorne verdammt, unter solchen Jammer gebohren zu werden? Nein, meine Herren, noch ist es mir nicht verstattet, Ihnen hierüber Nachricht zu ertheilen. Wer aber diese Dinge genau durchdenkt, wird er nicht dem erbarmungswürdigen Entschlusse der Milesischen Töchter seinen Beyfall gewähren? Welches aber sind die berühmtesten von denen, die, ihres Lebens überdrüssig, dem Tod entgegengeeilt sind? Waren es nicht die Benachbarten der Weisheit? Unter diesen (um jetzt eines Diogenes, Xenokrates, Cato, Cassius, Brutus, nicht zu gedenken) war jener Chiron, dem die Wahl gegeben worden, unsterblich zu seyn, und der den Tod wählte.

Man sieht leicht, was daraus entstehen würde, wenn alle Menschen Weise wären: man würde sich um neuen Leimen, und um einen andern schöpferischen Prometheus, umsehen müssen. Ich aber, die ich mich schicklich der Unwissenheit oder Unbedachtsamkeit der Menschen zu bedienen weiß, etwann sie das Uebel vergessen mache, Hoffnung auf Gutes einstreue, oder auch etwas von süsser Wollust einmische, komme diesem grossen Unfuge zu Hülfe; so daß die Leute auch dennoch nicht das Leben müde sind, wenn die Parzen bereits abgesponnen haben, und das Leben seit langem mit dem Abschiednehmen den Anfang gemacht hat; je weniger Ursache sie haben, im Leben zu bleiben, desto tiefer sind sie in das Leben verliebt; desto weiter entfernt, seiner überdrüssig zu werden.

Mir hat man es zu verdanken, daß man hin und wieder Greisen sieht, alt wie Nestor, die zwar bald nicht mehr Menschen gleich sehen, stammeln, aberwitzig sind, grau, zahn-, haarlos, gebücket, runzlicht, stinkend, lendenlahm, aber sich des Lebens doch so sehr freuen, noch so kindisch tändeln, daß der Eine sein graues Haarnest schwarz färbt, und der Andere seine Glatze unter falsches Haar versteckt; dieser sich solcher Zähne bedient, die er einem seiner Anverwandten aus dem Schweinstalle abgeborgt hat; jener in ein Mädchen so jämmerlich verliebt ist, daß kein junger Laffe den Narren so weit treiben könnte. Daß ein Steinalter, der an der Grube herumkriecht, und zur Todtenbaar vorbereitet ist, ein junges Töchterchen, das blutarm ist, und Andern zu Diensten stehen wird, zur Ehe nehme, ist etwas so wenig ungewöhnliches, daß es zur rühmlichen Mode geworden.

Noch herzbrechender ists, wenn man ein altes Mütterchen sieht, die schon lange dem Tod entgegengelebt hat, und so geripphaft aussieht, daß man meynen sollte, sie komme gerad aus dem Reiche der Todten zurück, aber das Lob des Lebens noch immer herausstreicht, und einen armen Phaon reichlich bezahlt, um ihr durch seine geheimen Künste die Lebensliebe fleißig einzupropfen: an Schminke läßt sies nicht fehlen, ihr Gesicht zu verstecken; vom Spiegel ist sie nicht wegzubringen; sie erarbeitet sich, was an ihrem Leibe das Alter verräth, bestmöglichst auszureuten; da steht sie leider im allzutief ausgeschnittenen Wamste; in ein verliebtes Liedchen brummt ihr kollernde Stimme; da sitzt sie beym Gesundheittrinken; mischt sich unter die tanzenden Reigen der Mächden; krazet Liebesbriefe. Freylich rufen die lachenden Spötter, hier die Wahrheit, daß es alles erznärrisch sey; aber inzwischen gefällt sie sich selbst, schwimmt in einem Wollustsmeere, und, Dank hat sie mir, ist beglückt.

Ja freylich, lächerlich machen sich diese Leute. Ihr aber, die ihr diese weise Anmerkung ausgebrütet habt, überleget es reiflich: ists nicht besser, bey einer solchen Narrheit wonnevoll leben, als verzweiflungsvoll sich nach einem Balken, Nagel, und Strick umsehen? Daß der Pöbel dergleichen Dinge für schändlich halte, das macht meinen Narren keinen Kummer: sie fühlen dieses Uebel nicht; oder, wenn sie es fühlen, so achten sie es wenig. Wenn ein Stein ihnen auf den Kopf fiele, ja, dann würden sie das Uebel fühlen; aber Scham, Schande, Schimpf, Schmähungen, sind nur da schädlich, wo man sie als schädlich ansieht; Fühllosigkeit setzt über das Uebel hinaus. Wenn gleich das ganze Volk dich auszischt, so bleibst du doch unverletzt, so lange du dir selbst Beyfall zuklatschest; und diese Kunst lernt sich blos in der Schule der Narrheit. Eben dieses (krächzen mir Philosophen entgegen) ist ein Elend, wenn man in den Stricken der Narrheit als ein Tummkopf umherirrt. O nein, eben das heißt, ein Mensch seyn; und anbey, was plaudert ihr hier vom Elendseyn; seyd ihr nicht selbst gerade so gebohren, unterrichtet, auferzogen? ists nicht das gemeine Loos allen Menschen?

 

Nichts ist elend, das sich in seinem natürlichen Zustande befindet; sonst müßte man das Loos des Menschen beweinen, der nicht mit den Vögeln fliegen, nicht mit dem übrigen Viehe auf vier Füssen laufen, sich nicht mit den Hörnern ochsenmäßig vertheidigen kann. Mit gleichem Rechte müßte man das schönste Pferd unglücklich nennen, weil es nicht in der Grammatik unterrichtet worden, und man es nicht mit Pasteten bewirthet; elend würd es um den Ochsen stehen, weil er nicht auf den Fechtboden gegangen ist. Wie demnach das ungrammatikalische Pferd nicht unglücklich ist, so ists auch der närrische Mensch nicht: beide befinden sich ja in ihrem natürlichen Zustande.

Der Mensch (erwiedern die verdrehten Feinschwätzer) hat das besondere Vorrecht, sich in Wissenschaften umzusehen, und vermittelst derselben kann er durch Scharfsinn das erlangen, das die Natur ihm versagt hat. O wo bleibt die Wahrscheinlichkeit? Die Natur, die bey Mücken, beym Grase, bey Blumen, so wachsam war, schlummerte gewiß, da die Reihe an den Menschen kam, nicht so ein, daß sie jene Wissenschaft hätte zu Hilfe rufen müssen, die Theut, der dem Menschengeschlecht so abholde Genius, zum Verderben derselben ausgesonnen hat, indem sie nicht nur zur Glückseligkeit des Menschen nichts beytragen, sondern derselben sogar sehr hinderlich sind; wie beym Plato der scharfsichtige König Thamus, in Absicht auf die Erfindung der Buchstaben, sehr richtig bemerkt hat.

Wissenschaften schlichen sich gleich den übrigen ansteckenden Seuchen des menschlichen Lebens in der Welt ein; sie hatten eben die Erfindung, von denen alle Schandthaten herkommen, nämlich die Dämonen, das ist, Vielwisser. Die Menschen lebten in den ersten goldenen Zeiten ohne Wissenschaften, und folgten blos dem Naturtrieb. Wozu hätte die Grammatik dienen sollen, da man nur eine Sprache redte, und dabey keinen andern Zweck hatte, als einander zu verstehen? Unnütz waren die Redner, weil niemand den Andern vor Gerichte zog. Gesetzverständige würden müssige Leute da gewesen seyn, wo man nichts von Sittenverderbniß wußte, dieser Quelle guter Gesetze. Zu fromm war man, als daß man, mit ruchloser Neugier, den Geheimnissen der Natur, dem Maaße, den Bewegungen, und den Wirkungen der Gestirne, und den verborgenen Ursachen der Dinge, nachgespührt hätte; man würd es für ein strafwürdiges Verbrechen gehalten haben, wenn ein sterblicher Mensch über seine Gränze hinaus nach Weisheit gefrefelt hätte; nachzuforschen, was sich über dem Himmel hinausbefinde – o ein solcher Wahnsinn wäre damals niemanden zu Sinne gekommen!

Nach und nach verlohr sich die Reinigkeit des goldenen Zeitalters. Schadenfrohe Geister (wie gesagt) erfanden Künste, wenige noch, und von wenigen angenommen. Der Aberglaube der Chaldäer und der Griechen schwindlichter Leichtsinn erfanden nachwärts eine Menge ächte Geistesplagen; schon die Grammatik für sich wäre zureichend, den Menschen sein ganzes Leben hindurch auf der Folterbank zu martern. Unter diesen Künsten und Wissenschaften hält man die für die schätzbarsten, die mit dem gemeinen Menschenverstande, das ist, mit der Narrheit, am besten übereinstimmen. Die Theologen fressen sich vor Hunger Nägel weg; die halberfrohernen Naturforscher hauchen sich in die Finger; über Astrologen lacht man; Vernunftlehrer läßt man nach dem Winde haschen; aber vor dem Arzte sieht man alles die Segel streichen; je ungelehrter, verwägener, unbedachtsamer er ist, desto höher ist er bey Fürsten und reichen Leuten angeschrieben. Die Arzeneykunst, wie sie heut zu Tage von vielen getrieben wird, ist geschwätzige Fuchsschwänzerey.

Nach diesen kommen die Gesetzkünstler. Vielleicht hätte ich ihnen den ersten Platz einräumen sollen. Sie betreiben, wenn man doch der ganzen Zunft der höhnischen Philosophen Glauben zustellen will (denn in den Handel möcht ich mich nicht mengen) einen Eselsberuf. Und doch richtet sich alles, grosses und kleines, nach dem Gutdünken dieser Esel; ihnen fallen grosse Landgüter zu, alldieweil der Theolog, der alle Schränke der Gottesgelehrtheit durchstänkert hat, an harten Bohnen sich müde beißt, und sich mit Wanzen und Läusen erfechten muß.

Ja, je näher eine Kunst mit der Narrheit in Verwandtschaft steht, desto mehr hat man sich von ihr zu versprechen. Die Beglücktesten sind also die, denen es vergönnet ist, mit keiner der Wissenschaften Verkehr zu haben, und blos der Natur zu folgen, die nie auf Abwege verleitet, so lange man nicht die Schranken, die den Sterblichen gesetzt sind, überspringen will. Die Natur verabscheut jede Schminke; lustig wächst das hervor, das durch keine Kunst verdorben worden.

Sehen Sie nicht, meine Herren, daß es um alle übrigen Thiere herrlich steht, die von Wissenschaften keinen Begriff, und blos die Natur zur Hofmeisterinn haben? Was ist glücklicher, wunderbarer, als die Bienen? Bey wenigen körperlichen Sinnen erweisen sie sich als unvergleichliche Baumeister; noch kein Philosoph hat gleich ihnen eine Republik errichtet. Das Pferd, dessen Sinne etwas Gemeines mit den menschlichen haben, und das sich verleiten ließ, zum Hausgenossen des Menschen zu werden, mußte Antheil an den menschlichen Jammer nehmen: denn nicht selten, wenn es sich in dem Weltlaufe schämt, überwunden zu werden, läuft es sich bauchschlägig aus dem Athem; und wenn es sich in der Schlacht um den Triumph erkämpft, wird es durchbohrt, und muß mit samt dem Reuter in den Staub beissen. Und noch hab ich nichts von rauchen Gebißen und Zähnen gesagt, scharfen Sporen, Stallkerker, Peitschen, Banden, Halftern, schwerem Reuter, kurz, allen den jämmerlichen Folgen der Knechtschaft, denen es sich von freyen Stücken überließ, weil es heldensüchtig (grossen Kriegern nachahmend) dieses für das beste (aber freylich hoch zu stehen gekommene) Mittel hielt, den Hirschen, welchen es nicht leiden konnte, von der Weide zu treiben. O wie weit glücklicher ist das Leben der Mücken und Vögel, die dem blosen Naturtriebe folgen, und nichts als die menschliche Arglist zu fürchten haben! Wenn die Vögel eingebauret, sich von Menschen im Pfeifen und Schwatzen unterrichten lassen, o wie bald ist nicht ihre natürliche Munterkeit entartet! In allwege wird das Werk der Natur durch die Schminke der Kunst geschändet.

Alles mein Lob übersteigt jener pythagorische Hahn. Er war alles: Philosoph, Mann, Weib, König, Unterthan, Fisch, Pferd, Frosch, und wie ich glaube, sogar auch Pfifferling; nach seinem Ausspruche ist der Mensch das elendeste unter allen Thieren, weil er allein (da alle übrigen mit den Schranken, darein die Natur sie gesetzt hat, herrlich zufrieden sind) sich inner seinen Gränzen nicht halten will; auch zieht er unter den Menschen einen Tummkopf dem Gelehrten und Mächtigen weit vor. Auch Gryllus war ungemein viel weiser, als der verschmitzte Ulysses, weil er lieber im Stalle grunzen, als mit diesem, ich weiß nicht, wie manches gefährliche Abentheuer aufsuchen wollte. In dieser Meynung scheint mir auch Homer gewesen zu seyn, der Vater schnakichter Fabeln: oft nennt er die Menschen überhaupt arbeitselige Tropfen; und besonders betitelt er den Ulisses, den er als ein Muster eines weisen Mannes aufstellt, den Elenden und Unglücklichen; Titel, mit welchen er nie einen Paris, Ajax, Achilles, beehrt. Und warum? weil jener Krübler sich in allem nach dem Rathe der Pallas richtete, und zu weise war, sich vom Naturweg zu weit entfernend.

Ja, unter den Sterblichen weichen keine von der Glückseligkeit weiter ab, als die, welche sich mit der Weisheit abgeben: zu Menschen sind sie gebohren, die Tollköpfe vergessen aber ihres Standes; wollen gleich den unsterblichen Göttern leben; kündigen, nach dem Beyspiele der Himmelsstürmer, mit Wissenschaftswaffen versehen, der Natur den Krieg an. Hingegen wird wohl das Elend derer das kleinste seyn, die an Gesinnung und Narrheit den Thieren am nächsten kommen und sich an nichts wagen, das dem Menschen zu schwer seyn muß. Wir wollen doch sehen, ob wir dieses nicht, ohne stoische Künsteley, in einem handgreiflichen Beispiele, an den Tag legen können. Nun (ich nehme hierüber die unsterblichen Götter zu Schiedsrichtern): kann was glücklichers seyn, als der Zustand jener, die man Schalksnarren nennet, Stocknarren, hirnlose Krautsköpfe, oder was dergleichen Beynahmen sonst seyn mögen, die ich für die schönsten Ehrentitel erkenne? Ich will etwas sagen, das dem ersten Anschein nach närrisch und abgeschmackt ist, sich aber als die Wahrheit selbst anpreist.

Meine gepriesenen Helden wissen erstlich nichts von Todesfurcht, einer Sache, die (beym Jupiter will ichs beschwören) kein kleines Uebel ist. Sie wissen nichts von der Folterbande des Gewissens. Die Fabeln von Erscheinung unterirdischer Geister jagen ihnen keinen Schrecken ein. Sie fürchten sich nicht vor Gespenstern und Poldergeistern. Weder kommendes Unglück, noch zauderndes Glück, macht ihnen den Kopf toll. Kurz, tausenderley Sorgen, denen dieses Leben blosgesetzt ist, nagen nicht an ihrem Herzen. Scham, Scheu, Ehrfurcht, Neid, Liebe, machen keinen Eindruck auf sie. Selbst die Theologen werden sagen, je näher man dem Unverstande vernunftloser Thiere komme, desto weniger sündige man.

Nun erwäg es einmal bey dir selbst, närrischer Weiser! mit tausenderley Geistesgrame marterst du dich Tag und Nacht; trag alle Beschwerden deines Lebens wie in einen Haufen zusammen; sieh dann, wie von manchem Uebel ich meine Tummköpfe sicher gestellt habe. Immer sind sie fröhlich; spielen, singen, lachen; wo sie hinkommen, theilen sie jedermann Wonne mit; alles scherzt, spielt, lacht mit ihnen. Ists nicht gerade so, als ob die huldreichen Götter sie aus keiner andern Ursache in die Welt gesetzt hätten, als um das Düstere des menschlichen Lebens aufzuhellen? der Schwermuth zum Gegengifte zu dienen? Sie (da sonst jeder nur gewisse Leute begünstigt) erwerben sich jedermanns Zuneigung; allerorten werden sie gesucht, gespeiset; man schmeichelt ihnen; eilt ihnen, wenn sie sich in Gefahr befinden, zu Hülfe; ungestraft läßt man sie alles sagen und thun; niemand trachtet ihnen zu schaden; selbst die Thiere, wie ihre Unschuld fühlend, gehen ihnen aus dem Wege. Sie sind wie den Göttern geheiligt, und besonders mir; mit Recht allso hält jedermann sie in Ehren.

Fürsten und Königen sind sie vorzüglich lieb und werth; so, daß einige derselben ohne sie nicht essen, nirgends hingehen, nicht eine Stunde ausdauern können; ja sie ziehen sie ihren Weisen und sauern Räthen, derer sie doch auch einige Ehrenthalben mit Speise und Lohn versehen, weit vor. Und warum thun sie es? Die Ursache ist leicht gefunden, und eben so wunderbar nicht: diese Weisen tischen den Fürsten nur traurige Dinge auf; sich auf ihre Gelehrtheit verlassend, scheuen sie sich etwann nicht, zarte Ohren mit der beissenden Wahrheit zu martern; die Narren hingegen bringen anders nichts zu Markte, als Dinge, dadurch die Fürsten sich weit sicherer als durch irgend was anders das Herz abstehlen lassen: Scherz, Schwänke, die das wonnevollste Lachen zeugen.

Man bemerke auch diese grosse Gabe der Narren: nur durch sie hört man die pur lautere Wahrheit. Nun, was ist lobenswürdiger, als die Wahrheit? Wenn man dem Alcibiades beym Plato glauben will, so reden Wein und Kinder die Wahrheit; wirklich aber gehört dieses Lob mir ganz zu. Euripides sah es wohl ein, da er sagte, Narren reden närrisch. Was der Narr im Herzen hat, kann man auf seinem Gesichte lesen, und in seinen Reden hören. Die Weisen hingegen haben zwo Zungen (wie eben dieser Euripides bemerkt) mit der einen reden sie die Wahrheit, und mit der andern so, wie es Zeit und Umstände erheischen; das schwarze machen sie weiß; aus demselben Munde kömmt kalt und warm; und sie reden nicht frey von der Brust weg.

Fürsten mögen auch so glücklich seyn, so halt ich sie doch darinn für höchst unglücklich, daß sie niemanden haben, von dem sie die Wahrheit hören könnten, und gezwungen sind, sich Schmeichler statt Freunden zu wählen. Aber (heißt es etwann) den Ohren der Fürsten eckelt von der Wahrheit; deßwegen scheuchen sie jene Weisen von sich weg; sie fürchten, ein Freymaul möcht auftreten, um ihnen ihre Freuden durch die bittere Wahrheit zu verderben. O ja, so verhält sich die Sache; Könige mögen die Wahrheit nicht wohl leiden. Aber, hierüber thun meine Narren sich hervor: aus ihrem Munde hört man nicht nur die Wahrheit, sondern sogar auch die offenbarsten Schmähungen, mit Vergnügen an; Dinge, die dem Weisen, wenn er sie hervorgebracht hätte, den Hals würden gebrochen haben. O um die Wahrheit ist es etwas vortrefliches! sie belustigt, wenn nichts Beleidigendes eingemischt ist: aber das ist auch eine Gabe, die von den Göttern nur den Narren zugetheilt worden.

 

Weiber, die von der Natur einen Hang zum Vergnügen und zu lustigen Zeitvertreiben haben, pflegen sich, bald aus den nämlichen Ursachen, an diese Art von Menschen zu halten. O wer kann alles wissen, was sie mit denselben für Possen treiben; oder wie allzuernsthaft es zuweilen dabey zugeht! Nein, nein, alles ist nur Scherz, nur Spiel gewesen. Ja, das schöne Geschlecht versteht die Kunst aus dem Grunde, jeden Schritt und Tritt auf das sinnreichste zu beschönen.

Wir kommen wieder auf die Glückseligkeit der Narren. Nachdem sie ihr Leben fröhlich durchgebracht haben, ohne Furcht und Gefühl des Todes, wandern sie gerades Wegs nach den elysischen Feldern, um ihre frommen und sorgenlosen Seelen an den Zeitvertreiben derselben Theil nehmen zu lassen.

Kommen Sie nun, meine Herren, um das Loos eines Weisen, welchen Sie immer wollen, mit dem Loose dieses Narren zu vergleichen. Stellen sie sich ein rechtes Muster der Weisheit vor, einen Menschen, der seine Knaben- und Jünglingsjahre bey Erlernung der Wissenschaften durchgebracht, und den holdesten Theil des Lebens an schlaflose Nächte, Sorgen und Schweiß verschwendet hat; auch sein ganzes übriges Leben hindurch erlaubt er sich nicht, einen Bissen von Wollust zu kosten; immer ist er filzig, arm, traurig, störrisch, feindselig und hart gegen sich, andern verhaßt und unerträglich, blaß, mager, kränkelnd, triefäugig, abgemärkelt, vor der Zeit grau, und aus diesem Leben wegeilend. Doch was liegt daran, wann ein solcher sterbe, der eigentlich nie gelebt hat? Wie gefällt Ihnen, meine Herren, dieses Bild des Weisen? verdient er nicht, daß man sich sterblich in ihn verliebe?

Schon betäubt mich wieder das Widerbefzen des stoischen Froschengequäkes. „Wahnsinnig seyn (schreien sie) ist ja das elendeste Ding von der Welt; nun kömmt die wirkliche Narrheit dem Wahnsinn sehr nahe, wenn sie je nicht der Wahnsinn selbst ist; denn was heißt wahnsinnig seyn anders, als, nicht bey Verstande seyn?“ Aber, dieses heißt wohl recht fehlgeschossen. Dieses Schlußgeplauder wollen wir, unter dem Beystande der Musen, bald verdunstet sehen. Haben die Mückenfänger nie gelesen, wie Sokrates beym Plato zwischen Venus und Venus und zwischen Cupido und Cupido, einen Unterschied macht? also hätten auch sie Wahnsinn von Wahnsinn unterschieden, wenn es ihnen darum zu thun wäre, nicht selbst für wahnsinnig gehalten zu werden. Nicht jeder Wahnsinn ist etwas schädliches und schimpfliches; sonst würde Horaz nicht von einem liebenswürdigen reden; Plato hätte nicht die Wuth der Dichter, der Wahrsager, und Verliebten, zu dem gerechnet, das zum Wohlseyn des menschlichen Lebens das meiste beyträgt; und jene Wahrsagerinn beym Virgil scheut sich nicht, dem arbeitsamen Aeneas einen gewissen wahnsinnigen Fleiß zuzuschreiben.

Es giebt also zwo Arten des Wahnsinnes: die Eine kömmt aus der Hölle von den grausamstrafenden Furien; sie senden etwann ihre Schlangenbrut, den wütenden Kriegsdurst, die unersättliche Goldbegierde, die verruchteste und abscheulichste Lüsternheit, Vatermord, Blutschande, oder irgend eine Pest von dieser Art, in die Brust der Sterblichen, wenn sie das sich einer Verschuldung bewußte Gemüth mit ihren Schrecknissen martern wollen. Die andere Art des Wahnsinns ist von einer ganz verschiedenen Natur; sie kömmt von mir, und für die Menschen könnte nichts wünschenswürdiger seyn. Dieses ereignet sich, wenn ein gewisser glücklicher Irrthum des Verstandes das Gemüth von ängstlichen Sorgen befreyt und es mit vielerlei Wollust segnet. Cicero schrieb an den Atticus, er wünsche sich von den Göttern eine solche Verstandslosigkeit und würde sie als ein grosses Geschenke ansehen, weil er dann bey allen seinen Verdrüßlichkeiten fühllos seyn würde.

Jener Argiver befand sich dabey sehr wohl. In seinem Wahnsinne saß er ganze Tage hindurch einzig auf dem Schauplatze, lachte, klatschte Beyfall, war ganz Freude, in dem Wahne, er sehe die Vorstellung eines herrlichen Schauspiels; und es war doch alles nichts an der Sache; alle übrigen Lebenspflichten befolgt er auf das beste; „fröhlich war er bey seinen Freunden, die ihn liebten; artig betrug er sich gegen seine Frau: seinen Knechten konnt er durch die Finger sehen, und er überließ sich dem Zorne nicht, wenn gleich einer derselben sich an einer Flasche vergriffen hatte.“ Seine Anverwandten veranstalteten es, daß seine Krankheit durch dienliche Arzeneymittel gehoben ward. Da er wieder ganz zu sich selbst gekommen war, hudelte er seine Freunde also aus: „Beym Henker! ihr, meine Freunde, habt mich umgebracht; habt mir nicht geholfen; mich meines Vergnügens beraubt; mich mit Gewalt dem mich beglückenden Irrthum entzogen.“ Er hatte recht; sie schossen fehl, und waren der Nießwurze mehr als er benöthigt; sie, die auf den unglücklichen Einfall gerathen, einen so glücklichen und erfreulichen Wahnsinn, als ob er eine Krankheit gewesen wäre, durch Ausführungsmittel abzutreiben.

Ich habe es noch nicht entschieden, ob man durch den Irrthum der Sinne, oder den Irrthum des Verstandes, zum Wahnsinnigen werde. Wenn ein Blödsichtiger ein Maulthier für einen Esel ansieht, oder jemand ein armseliges Gereime als ein gelehrtes Gedicht bewundert, so muß man ihn nicht sogleich für wahnsinnig halten. Wenn aber jemand sich nicht nur durch die Sinne, sondern auch die Einbildungskraft, täuschen läßt, und zwar auf eine ganz ungewöhnliche Weise und immer, so muß man ihn für einen Nachbar des Wahnsinns erkennen; wie wenn er so oft er einen Esel schreien hört, sich einbildet, er höre vortreffliche Sänger; oder wenn er, ein blutarmer Schlucker, sich in den Kopf gesetzt hat, er sey der lydische König Crösus. Wenn diese Art von Narrheit (und bald allemal thut sie es) einen Hang zur Wollust hat, so zeugt sie kein geringes Vergnügen; so wohl bey denen, die damit behaftet sind, als auch bey denen, die ihn bemerken und doch davon nicht angesteckt sind. Und diese Art von Wahnsinne erstreckt sich weiter, als man gemeiniglich dafür hält. Auch lacht ein Wahnsinniger über den Andern, und jeder teilt dem Andern etwas von seiner Wonne mit. Nicht selten lacht der grössere Narr weit heftiger über den kleinen, als dieser über jenen.

Hören Sie, meine Herren, hierüber den Ausspruch der Narrheit: Auf wie mehrere Arten des Wahnsinns der Mensch verfällt, um so viel glücklicher ist er; wenn er dabey nur in dem von mir bezeichneten Gleise bleibt. Doch hat man sich hierüber um so viel weniger zu beklagen, da dasselbe so ausgedehnt ist, daß ich wirklich nicht weiß, ob sich unter allen Sterblichen ein einziger finden lasse, der immer weise ist, und sich von aller und jeder Art des Wahnsinns frey befindet.

Nur ist hiebey dieses zu bemerken: Wer einen Kürbiß sieht, und ihn für ein Frauenzimmer hält, wird wahnsinnig genennt; und zwar darum, weil nur wenige in diesen Zustand gerathen. Wenn aber jemand schwört, seine Frau, die er mit vielen gemein hat, sey keuscher als Penelope, und sich hierüber, in seinem glücklichen Irrthume, was rechtes zu gute thut, so muß niemand ihn wahnsinnig nennen. Warum? weil man ja sieht, daß dieses das gemeine Schicksal der guten Männer ist.