Kochwut

Tekst
Autor:
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Das ist dann wohl ein Problem, das ihr klären müsst, Kollegen. Und jetzt lasst mich man in Ruhe arbeiten hier.«

»Ist die Rechtsmedizin schon benachrichtigt?«

»Aber selbstverständlich, Herr Kollege! Dein süßer Freund wird bestimmt gleich hier sein«, flötete Ameise in affektiertem Tonfall auf Angermüllers Frage, der gewohnheitsmäßig versuchte, die plumpe Anspielung zu ignorieren. Trotzdem ärgerte er sich darüber. Andererseits war er froh, dass er es mit seinem Freund Steffen zu tun bekam, der als Rechtsmediziner einen sehr guten Ruf genoss und mit dem er hervorragend zusammenarbeitete.

Tumultartiges Getöse war plötzlich zu vernehmen, und Angermüller bemühte sich zu orten, woher es kam.

»Das kommt aus dem Studio«, erklärte der Lensahner Kollege, als er Angermüllers fragenden Gesichtsausdruck sah. »Die haben da so einen Einheizer vor der Show, der die Leute zum Klatschen bringt. Das schneiden die dann später zwischen.«

»Sie kennen sich ja gut aus.«

»Ich bin selbst mit meiner Frau neulich erst hier gewesen als Zuschauer«, erzählte der Mann nicht ohne Stolz. »Der macht so Sprüche, der junge Mann, der ist richtig witzig. Vielleicht kennen Sie den auch aus der Werbung für … na für …«

Es fiel ihm nicht ein. Angermüller schüttelte den Kopf.

»Wahrscheinlich nicht. So, dann wollen wir mal. Claus, besorgst du uns bitte einen Raum, wo wir unsere Zeugen befragen können?«, forderte er seinen Kollegen auf. »Und ihr seht euch auf dem Gelände ein wenig um, bei den Leuten, die sonst hier auf dem Gut wohnen. Wann wurde das Opfer gestern von wem gesehen, gab es fremde Besucher, sonst irgendwas Auffälliges, na ja, ihr wisst schon«, wandte er sich danach an Anja-Lena Kruse und Norbert Teschner.

»Und Sie, Herr Kollege aus Lensahn, Sie sorgen bitte dafür, dass möglichst niemand von den Leuten verschwindet, die heute Morgen dabei waren, bevor wir mit ihnen gesprochen haben.«

Auf dem Tisch lagen zwei Mobiltelefone, die ständig Signale von sich gaben, und eine dicke Klarsichtmappe mit Papieren. Um den Hals der zierlichen Frau hing ein breites Schlüsselband in Blau-Weiß-Rot mit einem Namensschild. Das Band trug fortlaufend einen Schriftzug, den Angermüller nach längerem Rätseln als Pierre Lebouton entzifferte.

»Sie sind also die Chefin hier, Frau Fischer?«

»Chefin?«

»Na ja, wofür Sie so alles verantwortlich sind …«, meinte Angermüller in nettem Ton, da die Frau ihm ziemlich nervös vorkam. Sie lachte nur bitter. Sie war Anfang 30, wirkte aber älter in dem streng geschnittenen, klassischen Hosenanzug und mit dem akkuraten Bubikopf. Mit einer heftigen Bewegung schnippte sie die Asche von ihrer Zigarette in einen Joghurtbecher.

»Da haben Sie was falsch verstanden. Hier gibt es nur einen Chef! Und der fragt sich wahrscheinlich schon, wo ich bleibe. Ich bin nur die Regieassistentin, die immer schuld ist, wenn was schiefgeht.«

»Und wer ist hier der Chef?«, fragte Angermüller.

Grit Fischer hatte Jansen sofort angeboten, dass sie die Gesindeküche des Kavaliershauses für ihre Befragungen nutzen konnten. Jetzt saßen sie hier zu dritt an einem langen Holztisch. Alle anderen hatten die Beamten hinausgeschickt und gebeten, sich zur Verfügung zu halten.

»Pierre natürlich.«

Die Regieassistentin war heute Morgen die Erste hier gewesen. Es war Tag eins von drei Produktionstagen, und wie immer hatte sie zur Sicherheit noch einmal alles durchchecken wollen, bevor die anderen kamen. Sie kontrollierte, ob die Studioküche sauber und dort alles an seinem Platz war, ob die von den Köchen gewünschten Zutaten ausreichend vorhanden waren, ob alle Namensschilder richtig geschrieben, die Sitzplätze der Kandidaten und Mitwirkenden beschildert waren und ob der Ablaufplan in sich logisch war.

»Das ist noch lange nicht alles. Ich will Sie nicht mit den vielen tausend Kleinigkeiten langweilen, die in der Summe aber für das Gelingen der Show unheimlich wichtig sind.«

Sie zog an ihrer Zigarette.

»Eigentlich ist vieles davon gar nicht mein Job. Aber wie gesagt, wenn was schiefgeht … Und dann mache ich es lieber gleich selbst. Dann kann ich mich wenigstens da­rauf verlassen, dass alles in Ordnung ist.«

Alles war so kalkuliert, dass drei Folgen ›Voilà Lebouton!‹ pro Tag aufgezeichnet werden konnten. Man drehte immer am Freitag, Samstag und Sonntag hintereinander.

»Der Chef will nicht nur die Busladungen aus dem Altenheim und lauter Arbeitslose als Zuschauer im Studio haben«, lieferte die Regieassistentin ungefragt die Begründung für die Arbeit am Wochenende. »Außerdem wäre das ja auch ungerecht. Unsere Show ist sehr beliebt, und die Karten sind heiß begehrt. Es gibt Leute, die warten bis zu zwei Jahre auf die Möglichkeit, hier einmal dabei zu sein.«

Es war der Frau anzumerken, dass sie sehr stolz auf ihren Job war, das Gelingen der Show nicht zuletzt ihrer eigenen Person zuschrieb und der damit verbundene Stress ihr Element war. Sie war auffallend klein, doch schien eine ungeheure Energie in ihr zu stecken, die jetzt allerdings von fiebriger Nervosität überlagert wurde. Obwohl sie eine brennende Zigarette in der Hand hielt, holte sie immer wieder ein Zigarettenpäckchen und ihr Feuerzeug aus den Taschen ihres Jacketts und packte die Sachen wieder weg. Auf die Fragen, die Angermüller ihr stellte, antwortete sie schnell und präzise.

»Wann sind Sie heute Morgen hier angekommen? Und ist Ihnen dabei irgendwas aufgefallen?«

Ein kurzes Lachen, eine neue Zigarette.

»Natürlich. Zum einen war die Lagertür nicht abgeschlossen. Aber da mehrere Leute einen Schlüssel dazu haben, dacht ich mir nichts dabei beziehungsweise dachte ich, oh wie toll, ausnahmsweise ist die Praktikantin pünktlich da. Angekommen bin ich auf Güldenbrook so kurz vor 8 Uhr, und im Lager bin ich ungefähr eine halbe Stunde später gewesen.«

»Was wollten Sie im Lager?«

»Ich wollte sehen, ob die Expresslieferung vom ›Gourmet-Profi‹ aus Hamburg schon eingetroffen ist. Das ist wichtig, weil da irgendwelches Zeugs dabei ist, das für die Aufzeichnung heute unbedingt gebraucht wird. Patricia, die Praktikantin, hatte vergessen, das zu bestellen, obwohl ich’s ihr dreimal gesagt hatte, und da hab ich’s halt gestern spätabends noch selbst gemacht. Und natürlich war Pa­tricia auch noch nicht da, jedenfalls ist mir hier niemand begegnet. Und dann hab ich den Stuhl gesehen, der unter dem Türgriff an der Kühlzelle klemmte.«

»Und das kam Ihnen komisch vor?«

»Erst eigentlich gar nicht. Als die Tür vor ein paar Monaten kaputt war und nicht mehr richtig schloss, da hatte auch jemand einen Stuhl drunter geklemmt. Aber als ich dann näher kam und hörte, dass der Kompressor auf Hochtouren arbeitete, und gesehen habe, dass jemand die Temperatur verstellt hatte, da fand ich das schon eigenartig. Und dann hab ich Christian gefunden …«, sie verstummte und starrte einen Moment vor sich hin. »Dann hab ich sofort die Polizei gerufen und Pierre alarmiert. Ich war ziemlich aufgeregt. Man findet ja nicht jeden Tag einen Toten! Ich hab wohl etwas lauter gesprochen beim Telefonieren, denn jedenfalls kamen von oben gleich die Jungs angelaufen.«

»Welche Jungs?«, fragte Angermüller.

»Na die Lehrlinge von Pierre. Die wohnen hier.«

»Hier im Haus?«

»Ja. Im oberen Stockwerk gibt es eine ganze Reihe von Gästezimmern. Die Lehrlinge wohnen da und manchmal auch Leute vom Team.«

»War schon jemand vom Team hier heute Nacht?«

»Offensichtlich Alix. Die kam auch von oben. Wer noch, weiß ich nicht. Ich bin erst heute Morgen von Hamburg aus hierhergekommen.«

»Können Sie uns die Namen der Lehrlinge sagen? Und wer ist Alix?«

»Von den Jungs kenn ich nur die Vornamen: Thorsten, Ernie und Anatol. Alix – das ist unsere Moderatorin: Alix Blomberg. Ich denke, die kennt man.«

»Ach ja?«

Angermüller notierte die Namen auf einen Zettel. Der Name der Moderatorin sagte ihm gar nichts.

»Wie gut kannten Sie Christian von Güldenbrook?«

»Man läuft sich hier immer mal wieder über den Weg. Er war ab und zu bei den Aufzeichnungen dabei, manchmal auch, wenn’s was zu Feiern gab, dann haben wir ein paar Worte gewechselt. Aber gut kennen, nein, das würde ich nicht sagen.«

»Hatte er auch beruflich mit der Show zu tun?«

»Direkt nicht. Er und Pierre kennen sich schon sehr lange, glaube ich. Wie der Name schon sagt, ist das hier sein Stammsitz. Er war immer so eine Art graue Eminenz, Pierres Finanzguru sozusagen, und hatte wohl einigen Einfluss auf ihn. Aber manchmal schien er sich auch in Dinge einzumischen, die ihn nichts angingen. Dann gab’s Ärger mit dem Chef. Jedenfalls war er irgendwie fürs Geld verantwortlich, und darum ging der Streit wohl auch immer.«

»Wie hat denn der Herr Lebouton reagiert, als Sie ihm sagten, was passiert ist?«

Grit Fischer hielt einen Moment inne und schien nachzudenken.

»Gefasst, würde ich sagen. Er war schon irgendwie bestürzt, aber sein erster Gedanke galt der Show. Wir sollten möglichst kein großes Aufhebens darum machen, der normale Betrieb soll so wenig wie möglich davon gestört werden. Verstehen Sie mich nicht falsch«, setzte sie hinzu, als sie die interessierten Blicke von Angermüller und Jansen bemerkte. »Jeder Drehtag hier ist bares Geld, und wir können nicht einfach wieder alle Leute nach Hause schicken. Und die Zuschauer, die zum Teil weite Wege zurücklegen, um an der Show teilzunehmen, die wären stinksauer! Und auf keinen Fall sollte die Presse davon erfahren!«

Angermüller nickte.

»Haben Sie denn eine Vorstellung, wer das getan haben könnte?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Tut mir leid. Aber fragen Sie doch Alix, die kennt oder kannte Christian ganz gut. Jedenfalls erweckte sie immer gern den Eindruck, dass sie mit dem Grafen auf Du und Du war …«

 

Die Küchentür wurde energisch geöffnet.

»Hi!«

Ein junges Mädchen, wohl Anfang 20, stand in der Tür. Unter der offenen Motorradlederjacke trug sie ein knappes, schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift ›Bitch‹, dazu einen kurzen gemusterten Rock und ein Paar schwere, knielange Stiefel. Ihr dunkles Haar baumelte in zwei Rattenschwänzen vom Kopf. Auch sie hatte das Band mit dem Lebouton-Schriftzug und einem Namensschild um den Hals und in der Hand eine Mappe mit Papieren.

»Sorry, wenn ich störe. Grit, der Chef sucht dich.«

»Wie schön, dass du auch schon da bist, Patricia! Wie oft habe ich dir schon gesagt, an Produktionstagen ist für dich Arbeitsbeginn mindestens zwei Stunden vor der Aufzeichnung!«

Ungerührt sah das junge Mädchen die Regieassistentin an.

»Okay, Frau Fischer, vielen Dank. Wir sind eh fertig. Gehen Sie nur und sagen Sie dem Herrn Lebouton bitte, dass wir ihn gern sprechen würden«, sagte Angermüller.

»Ich werd’s versuchen, aber ich weiß nicht, ob das jetzt ein guter Moment ist …«

»Und jetzt schicken Sie uns bitte die Jungs rein, die hier wohnen. Ach so, Sie müssten nur noch Ihre Aussage kurz bestätigen, Frau Fischer.«

Angermüller kramte ein kleines Formblatt, das ziemlich verknittert aussah, aus seiner Manteltasche und deutete auf das kleine Diktiergerät.

»Spulst du mal zurück, Claus?«

Patricia stand immer noch in der Tür, Kaugummi kauend, und sah neugierig zu Angermüller und Jansen.

»Vielleicht wollen Sie mich ja erst verhören?«

»Wichtige Zeugen wie Sie knöpfen wir uns später vor«, grinste Jansen. »Und außerdem sind wir hier nicht bei der Stasi. Wir verhören nicht, wir befragen Zeugen.«

Patricia blieb lässig in den Türrahmen gelehnt stehen, grinste ebenfalls und wartete auf Grit Fischer.

»Du sollst doch hier nicht Kaugummi kauen!«, zischte diese wütend, als sie kurz darauf aus der Küche stürmte und Patricia an einem Ellbogen mitzog.

»Nimm das Ding sofort aus dem Mund!«

»Ach nee. Ich soll den Kaugummi rausnehmen. Aber in der Küche rauchen ist okay, ja? Seit wann das denn?«

»Na, die haben Spaß zusammen«, meinte Jansen, als die beiden die Tür hinter sich zugezogen hatten. Es dauerte einen Moment, dann klopfte es kaum hörbar.

»Herein!«, rief Jansen und lief, als niemand eintrat, kopfschüttelnd zur Tür und riss sie auf. Zwei junge Männer in Kochkleidung standen davor.

»Ihr seid wohl schwerhörig? Kommt rein!«

Die beiden trotteten in die Küche. Der eine grinste. Er war nicht besonders groß, hatte rote Haare und war ein wenig rundlich. Seine Kochmütze hatte er breit gedrückt und trug sie schief auf dem Kopf, sodass sie einem Barett glich und ihm etwas Verwegenes verlieh. Sein Kumpel, lang und dünn mit weißblonden Haaren, hatte die Mütze abgenommen, da er sich mit seiner beachtlichen Körpergröße ohnehin im Türrahmen etwas beugen musste. Er sah die Beamten nicht an, verzog keine Miene und sagte kein Wort.

»Bitte, setzt euch. Ich bin Kommissar Jansen, das ist mein Kollege Angermüller.«

Jansen stellte das Diktiergerät auf den Tisch.

»Ich lass die Handquatsche hier mitlaufen, okay? Sagt ihr uns eure Namen?«

»Ich bin der Thorsten. Thorsten Bauer.«

Thorsten sah zu seinem Nachbarn, der erst einmal stumm blieb, dann errötete und sich räuspern musste.

»Ernst Lohse.«

»Du kannst ruhig ein bisschen lauter sprechen, Ernst. Habt ihr was dagegen, wenn wir euch duzen?«, fragte Jansen.

»Nö«, meinte Thorsten.

»Du auch nicht, Ernst? Alle sagen hier Ernie zu dir, oder?«

»Is mir egal. Ja, Ernst sagt eigentlich keiner …«

Angermüller fragte dann nach ihrem Alter. Erstaunlicherweise war Ernie erst 18 und damit drei Jahre jünger als Thorsten. Vielleicht wirkte er deshalb so unsicher und ungelenk. Er schien noch tief in der Pubertät zu stecken.

»Ihr wohnt also hier im Haus?«

»Wenn hier Aufzeichnung ist oder wir im Hofrestaurant arbeiten. Manchmal sind wir aber auch im ›Au Lac‹ am Plöner See.«

Das war das mit großem Getöse vor knapp einem Jahr eröffnete, neueste Nobelrestaurant Leboutons, erinnerte sich Angermüller.

»Ihr wisst, was passiert ist?«

Beide nickten stumm.

»Ihr wohnt ja hier im Haus und seid deshalb vielleicht wichtige Zeugen. Also habt ihr gestern oder heute Nacht irgendwas bemerkt? War irgendwas anders als sonst?«

Thorsten und Ernie starrten angestrengt vor sich hin.

»Was habt ihr gestern denn so gemacht?«

Natürlich war es wieder Thorsten, der auf Angermüllers Frage antwortete.

»Vormittags haben wir mit dem Chef Besorgungen gemacht und dann Lieferungen angenommen und eingeräumt. Und da war niemand in der Kühlzelle. Nach dem Mittagessen sind wir mit dem Chef noch einmal die Gerichte für heute durchgegangen, und dann hatten wir frei.«

»Wann war das?«

»So gegen 16 Uhr. Wir waren auf meinem Zimmer, haben Musik gehört und Computer gespielt. Dann bin ich so gegen 19 Uhr mit Anatol nach Lensahn in die Kneipe gefahren. Die vom Fernsehen haben uns mitgenommen.«

»Und du Ernie?«

»Ernie war schon weg, der musste erst noch seine Oma besuchen«, sagte Thorsten mit einem Grinsen.

Ernie bekam sofort wieder rote Ohren.

»Stimmt das Ernie?«

»Ich geh immer Donnerstag zu meiner Oma zum Essen«, sagte der Junge, und es klang wie eine Entschuldigung.

»Die hat ihm ja auch das Auto bezahlt!«, platzte Thorsten heraus.

»Hast du damit ein Problem?«, fragte Ernie und guckte seinen Kumpel böse an, der nur eine Grimasse schnitt.

»Und du bist dann auch noch in die Kneipe gekommen?«, wollte Angermüller wissen.

»So bei 20 Uhr rum«, bestätigte Ernie.

»Wie heißt die Gaststätte?«

»›Bei Gitta‹ heißt die«, kam Thorsten seinem Kollegen zuvor. »Donnerstag war da wieder Oldienacht, und da ist der Laden immer brechend voll. Echt fette Stimmung!«

»Aha«, machte Angermüller. »Ihr drei macht also auch in der Freizeit viel zusammen?«

»So dick wie der«, er zeigte auf Ernie, »bin ich eigentlich nicht mit dem Anatol. Aber Oldienacht ist Pflicht.«

»Und wo ist euer dritter Mann jetzt?«

»Der macht Assistenz beim Chef.«

»Noch mal zu gestern: Ist euch irgendetwas aufgefallen?«

»Nö. War alles wie immer«, sagte Thorsten nach kurzem Nachdenken. »Und wie wir von der Kneipe nach Hause gekommen sind, und wann und so – das weiß ich sowieso nicht mehr. Du?«

»Um 3. Mit ’nem Taxi«, brummte Ernie nur, ohne aufzusehen.

»Wann habt ihr Christian von Güldenbrook das letzte Mal lebend gesehen?«

Thorsten hatte ihn am gestrigen Nachmittag mit dem Auto auf den Hof kommen sehen, und Ernie sagte: »Das ist schon ein paar Tage her, dass ich dem begegnet bin.«

»Was habt ihr mit dem Herrn Güldenbrook zu tun gehabt?«

»Nix, oder?«, meinte Thorsten achselzuckend und sah zu Ernie. »Der ist halt der Gutsherr hier und außerdem ein Freund vom Chef, glaub ich. Manchmal hat er sich aufgeregt, weil das Geld nur so rausgeschmissen wird.«

Ernie nickte.

»Was hat er damit gemeint?«

»Keine Ahnung.«

»Und, macht euch die Arbeit hier Spaß?«, wechselte Angermüller das Thema.

»Mal so, mal so. Kommt ganz drauf an, was grad dran ist. Aber irgendwie schon«, Thorsten klang nicht gerade begeistert. »Irgendwas muss man ja lernen …«

»Was sagst du Ernie?«

Ernie zuckte mit den Schultern, murmelte dann aber: »Macht schon Spaß.«

Glücklich sah der lange Kerl nicht gerade aus.

»Es muss doch toll sein, bei so einem berühmten Mann in die Lehre zu gehen! Bei dem kann man bestimmt ’ne Menge lernen!«

Zum ersten Mal reagierte Ernie etwas lebhafter und nickte voller Überzeugung.

»Was wollt ihr denn nach eurer Ausbildung machen?«

»Weiß nicht«, seufzte Thorsten. »Vielleicht auf ein Kreuzfahrtschiff! Stell ich mir gut vor – Karibik und so!«

Und er grinste breit. Ernie blieb stumm. Erst, als Angermüller ihn noch einmal auf seine Pläne ansprach, überwand er sich.

»Ich mach später ein eigenes Restaurant auf«, sagte er leise und errötete wieder. »Und irgendwann kriege ich einen Stern.«

»Ernie, du bist ein Spinner! So reich ist deine Oma auch wieder nicht! Wo willst du denn die Kohle für ein Restaurant hernehmen?«

Der Junge schüttelte seinen Kopf mit der kecken Mütze. Ernie biss sich trotzig auf die Unterlippe.

»Und wie ist er so, euer Chef?«, fragte Jansen.

»O, o, oh!«, machte Thorsten nur, und sein Kumpel sagte: »Streng.«

»Darauf kannste einen lassen. Wenn der sauer wird, da bleibt kein Auge trocken!«, bekräftigte Thorsten noch einmal. »Und der ist oft sauer! Da fliegt schon mal ’n Topfdeckel!«

»Aber er ist nicht ungerecht«, sagte Ernie. Thorsten zog nur eine Grimasse.

»Na, dann wollen wir euch nicht länger von der Arbeit abhalten. Euer Chef wartet bestimmt schon auf euch.«

»Macht doch nix«, griente Thorsten.

»Sie können jetzt nicht mit Alix reden!«, sagte Grit Fischer verzweifelt. »Die Aufzeichnung läuft, und die sind gerade dabei, die Vorspeisen zu verkosten, das geht jetzt wirklich nicht!«

Die kleine Frau stand vor der Tür mit der Aufschrift ›Studio‹ und verteidigte sie mit vollem Einsatz. Der junge Anzugträger mit Knopf im Ohr und dem Schild ›Security‹ auf der Brust, der eigentlich hier postiert war und auch zum Team gehörte, stand stumm daneben, offensichtlich überwältigt von Grit Fischers engagiertem Auftreten.

»Hören Sie, wir sind keine Fans oder Zuschauer, die unbedingt in Ihre komische Sendung wollen!«

Auch Angermüller konnte anders. Wenn es um seine Arbeit ging, hatte der Spaß ein Ende.

»Müssen wir den Laden hier erst dichtmachen, um unsere Arbeit durchführen zu können?«

»Ich denke nicht, dass Sie dazu befugt wären«, stellte die Regieassistentin erstaunlich unbeeindruckt fest. Dann wieder warb sie flehentlich um Verständnis.

»Ich bitte Sie um ein wenig Geduld – keine zehn Minuten mehr, und Sie können mit dem Chef sprechen, mit Alix, mit wem auch immer. Wir werden die Aufzeichnung unterbrechen. Ich nehm das auf meine Kappe! Aber bitte, lassen Sie uns diesen Durchlauf noch beenden! Sie kennen den Chef nicht!«

Angermüller, der spürte, dass hinter dem forschen Auftreten von Grit Fischer echte Angst steckte, warf einen fragenden Blick zu Jansen, der einverständig nickte.

»Okay, zehn Minuten, sonst lernt Ihr Chef mich kennen!«