Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch)

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

4.1.3 Die Kerncurricula und Lehrpläne des Landes Hessen für die Fächer Französisch und Spanisch

Die hessischen Kerncurricula bilden seit dem Schuljahr 2011/2012 die curriculare Grundlage für die Primar- und Sekundarstufe I und werden seit dem Schuljahr 2016/2017 durch die verbindliche Inkraftsetzung der Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe ergänzt. Die Kerncurricula lösen die bis dato geltenden Lehrpläne des Landes Hessen ab und verknüpfen bewährte Inhalte aus den Lehrplänen mit fachinhaltlichen Wissenselementen und den Kompetenzerwartungen der bundesweit geltenden Bildungsstandards (cf. Kap. 4.1.2). Ähnlich wie in den nationalen Bildungsstandards werden die Leistungserwartungen in den hessischen Kerncurricula in Form von Kann-Beschreibungen formuliert. Sie gliedern sich in der gymnasialen Oberstufe in Kurshalbjahre und Themen- bzw. Inhaltsfelder und orientieren sich an den Kompetenzniveaus des GeR (cf. Kap. 4.1.1).

Während im hessischen Kerncurriculum der Sekundarstufe I alle modernen Fremdsprachen (differenziert nach Haupt-, Real- und Gymnasialschulzweig) zusammen behandelt werden, liegen für die gymnasiale Oberstufe fachspezifische Kerncurricula für die jeweiligen Einzelsprachen (e.g. Französisch, Spanisch, Englisch, Italienisch) vor. In Anlehnung an die nationalen Bildungsstandards wird die Kompetenz des Hörverstehens in den hessischen Kerncurricula durch die des Hör-Seh-Verstehens ergänzt und beide gemeinsam aufgeführt. Dabei wird das Hör-Seh-Verstehen als eigenständige, kommunikative Teilkompetenz verstanden, die „ganzheitlich-integriert erworben werden“ soll (HKM 2011, 11).

Bei den Kompetenzerwartungen der hessischen Kerncurricula ist auffällig, dass sie denen der Bildungsstandards sehr stark ähneln bzw. im Fall der gymnasialen Oberstufe (Französisch/Spanisch) sogar gänzlich entsprechen (cf. HKM 2016a, 14; 2016b, 14). Lediglich am Ende der Sekundarstufe I lassen sich leichte Abweichungen feststellen. Diese sind allerdings eher sprachlicher Natur. So wird von den Schülern erwartet, dass sie in der ersten und zweiten Fremdsprache das fremdsprachliche Niveau B1 erreichen und im Bereich des Hör-Seh-Verstehens

klare sprachliche Äußerungen zu vertrauten Themen verstehen und dabei Hauptaussagen und einzelne Informationen entnehmen, wenn deutlich artikuliert gesprochen wird.

Sie können

 Mitteilungen, Erläuterungen und Ankündigungen verstehen,

 im Allgemeinen den Hauptpunkten längerer Gespräche und Präsentationen folgen,

 das Wesentliche aus Hörtexten und audio-visuellen Materialien entnehmen,

 Filmsequenzen folgen, deren Handlungen im Wesentlichen durch Bild und Dialoge getragen werden (HKM 2011, 18).

Im Gegensatz zur ersten Fremdsprache unterscheiden sich die Kompetenzerwartungen für Spanisch bzw. Französisch als dritte Fremdsprache dahingehend, dass Schüler nach zwei Jahren im Bereich der rezeptiven Sprachkompetenzen über ein Niveau von A1+/A2 verfügen sollen. Die Anforderungen an das Hör-Seh-Verstehen setzen voraus, dass die zu Grunde liegenden Medieninhalte sprachlich einfach, deutlich und langsam sein müssen und einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Schüler aufweisen. Um die Informationsentschlüsselung zu erleichtern, soll neben vorwiegend bekanntem Wortschatz ebenso eine visuelle Unterstützung durch Bildmaterial erfolgen. Konkret handelt es sich dabei um Unterrichtsgespräche, Mitteilungen, Bekanntmachungen, Beschreibungen, Anweisungen und Bitten (cf. HKM 2011, 24).

Der hohe Stellenwert des Hör-Seh-Verstehens, der sich aktuell in den hessischen Kerncurricula wiederspiegelt, fand bereits in den vorausgegangenen hessischen Lehrplänen der Fächer Französisch und Spanisch Berücksichtigung. So forderte beispielsweise der Lehrplan Französisch Jahre zuvor den „kritische[n] Umgang mit und [die] sinnvolle Nutzung von audio-visuellen Medien“ (HKM 2010a, 4). Im Sinne einer frühzeitigen Integration und gewinnbringenden Nutzung neuer Medien galt es, „grundsätzlich zu prüfen, inwieweit die Themen und Inhalte des Lehrplans durch medial anders vermittelte Materialien besser erarbeitet werden können“ (HKM 2010a, 5). Der Einsatz von Medien war folglich bereits ab dem ersten Lernjahr erwünscht, sofern dieser zum fremdsprachlichen Kompetenzerwerb beitrug und eine Bereicherung darstellte. Man ging davon aus, dass insbesondere

der Einsatz audio-visueller Medien [es] ermöglicht […], die authentischen Ausdrucksweisen einer fremden Sprache und Kultur durch Ton und Bild unmittelbar zum Ausgangspunkt von Unterricht zu machen. Songs und Chansons, Spielfilme, Reportagen, Radio- und Fernsehsendungen erlauben die Teilnahme an den kulturellen und politischen Auseinandersetzungen im Land der Zielsprache (HKM 2010a, 8).

Trotz des damaligen Bewusstseins über den schulischen Mehrwert audiovisueller Medien und der grundsätzlichen Empfehlung, das Lehrwerk in seiner (audiovisuellen) Medienkombination zu nutzen (cf. HKM 2010a, 50), war der mediale Einsatz zunächst nur für die Oberstufe bzw. für die Einführungsphase verbindlich. Dieser Umstand änderte sich erst mit der Einführung der eingangs beschriebenen hessischen Kerncurricula und bestätigt die Einschätzung von Experten, wonach die systematische Förderung des Hör-Seh-Verstehens im Fremdsprachenunterricht Französisch und Spanisch „in Zukunft deutlich mehr Raum […] einnehmen [wird] als bisher“ (Hu/Leupold 2008, 58).

4.2 Curriculare Forderungen nach einem integrierten Hör-Seh-Verstehen

Die dargestellten curricularen Richtlinien des GeR, der Bildungsstandards und der hessischen Kerncurricula machen deutlich, dass die Schulung des Hör-Seh-Verstehens zu einem festen Bestandteil der Fremdsprachenausbildung geworden ist. Dies ist nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen, dass, abgesehen von Schriftverkehr oder Telefonaten, in der Regel jegliche Art von Konversation sowohl über einen auditiven als auch über einen visuellen Kanal erfolgt. Die Kombination von Bild und Ton ist somit ein unbestreitbares Merkmal authentischer Alltagskommunikation. Ein innovativ gestalteter Fremdsprachenunterricht sollte daher versuchen, den europaweit gültigen Richtlinien durch die gezielte Schulung des Hör-Seh-Verstehens Rechnung zu tragen (cf. Nieweler 2008, 113).

Vor dem Hintergrund, dass Medien im Gegensatz zu früher nicht mehr als zweitrangig anzusehen sind, gilt es, audiovisuelle Medien in die schulische Unterrichtspraxis mit einzubeziehen und den daraus entstandenen Mehrwert für den Fremdsprachenerwerb zu nutzen. Obgleich die geltenden Richtlinien offen lassen, mit welchen didaktischen Methoden die vorgegebenen Ziele erreicht werden sollen, steht fest, dass die zu erwerbenden Kompetenzen der Grundidee nach miteinander verwoben werden sollen. Vor diesem Hintergrund leisten die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife einen besonders guten Überblick, zumal das verknüpfende Zusammenspiel der einzelnen Kompetenzbereiche in einer aussagekräftigen Graphik (cf. Abb. 12) visualisiert wurde. Aus der besagten Graphik geht zunächst hervor, dass sich die fremdsprachliche Diskursfähigkeit aus fünf Kompetenzbereichen zusammensetzt. Diese umfassen:

 funktionale kommunikative Kompetenzen

 interkulturelle kommunikative Kompetenz

 Text- und Medienkompetenz

 Sprachbewusstheit

 Sprachlernkompetenz (cf. KMK 2012, 12).

Die gestrichelte Linienführung macht deutlich, dass „alle abgebildeten Kompetenzen […] in engem Bezug zueinander“ stehen (ibid. 13). Die Kompetenz des Hör-Seh-Verstehens manifestiert sich in diesem Kontext insofern als integrative Teilfertigkeit des Sprachlernprozesses, als sie nicht nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung sprachlicher und interkultureller Qualifikationen steht, sondern darüber hinaus „das Erkennen konventionalisierter, kulturspezifisch geprägter Charakteristika von Texten und Medien, die Verwendung dieser Charakteristika bei der Produktion eigener Texte sowie die Reflektion des individuellen Rezeptions- und Produktionsprozesses“ begünstigt (ibid. 20).


Abb. 12: Kompetenzbereiche der Bildungsstandards für die gymnasiale Oberstufe (KMK 2012, 12; HKM 2016a, 12; 2016b, 12)

Ähnliche Formulierungen zu Gunsten eines integrativen Kompetenzerwerbs finden sich auch in den hessischen Kerncurricula wieder, wobei lediglich für die gymnasiale Oberstufe auf die Graphik der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife rekurriert wird. Im Kerncurriculum der Sekundarstufe I wird das Zusammenwirken kommunikativer, transkultureller und Sprachlernkompetenzen dagegen anhand eines eigenen, hessischen Kompetenzmodells zur fremdsprachlichen Diskursfähigkeit (cf. Abb. 13) visualisiert. Die Text- und Medienkompetenz finden hierbei jedoch keine visuelle Berücksichtigung.


Abb. 13: Hessisches Kompetenzmodell zur fremdsprachlichen Diskursfähigkeit in der Sekundarstufe I (HKM 2011, 15)

Der Vergleich beider Darstellungen (cf. Abb. 12, cf. Abb. 13) zeigt, dass die Kompetenz des Hör-Seh-Verstehens in der Graphik der Bildungsstandards wesentlich stärker zur Geltung kommt als im hessischen Kerncurriculum der Sekundarstufe I. Dies ist zum einen auf die explizite Nennung, zum anderen auf die gestrichelte Linienführung zwischen den verschiedenen, vergleichsweise detailliert ausgearbeiteten Kompetenzbereichen zurückzuführen, die den integrativen Charakter des Hör-Seh-Verstehens nachdrücklich unterstreichen.

 

Auch wenn dies in den curricularen Richtlinien insgesamt noch nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, kommt im Zuge des integrierten Kompetenzerwerbs gerade dem Sehverstehen als Teil des Hör-Seh-Verstehens eine bedeutsame Rolle zu: Der Erwerb visueller Fertigkeiten begünstigt sowohl den kulturellen als auch den sprachlichen Umgang mit visuellen Informationen und fördert auf diese Weise grundlegende Sprachlernprozesse, die, wie das folgende Zitat zeigt, weit über die Decodierung visueller Informationen hinausgehen.

Es [das visuell geschulte Kind] kann auch schreiben, d.h. visuelle Sprache mit Geschick, vielleicht sogar mit Eloquenz ausdrücken. Es kann von der visuellen Sprache in die verbale übersetzen und umgekehrt. Es verfügt über ein fundiertes Verständnis der Grammatik der visuellen Sprache und über die Einsicht, dass sie Parallelen zu[r] verbalen Sprache aufweist. Es kennt und beherrscht in gewissem Ausmaß Werkzeuge zur visuellen Kommunikation. Und schließlich hat es eine kritische Sensibilität gegenüber visueller Kommunikation entwickelt (R.B. Fransecky und J.L. Debes. 1972. Visual literacy: A way to learn – A way to teach. Washington, DC: Association for Educational Communications and Technology, zit. n. Weidemann 1988, 174).

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass audiovisuelle Medien, darunter insbesondere Lernvideos, mit Hilfe didaktisch aufbereiteter Hör-Seh-Übungen Ausgangspunkt für zahlreiche Aktivitäten im Unterricht sein können. Wie in den vorausgegangenen Teilkapiteln angedeutet und in Kapitel 5 ausführlich behandelt, können sie angesichts des übergeordneten Ziels der Diskursfähigkeit diverse Funktionen innehaben und nach Fachmeinung sogar eine „Ausgewogenheit […] [aller] Fertigkeiten“ erzielen (Faistauer 2010, 40).

In diesem Sinne fordert der Begriff des integrierten Hör-Seh-Verstehens nicht nur eine Integration audiovisueller Medien in das tägliche Unterrichtsgeschehen, sondern ebenso eine Verknüpfung mit den oben genannten Kompetenzbereichen: Aufgaben zum Hör-Seh-Verstehen sollen derart integriert werden, dass die Schulung der audiovisuellen Rezeption in regelmäßigen Abständen in Unterrichtsabläufe eingebettet wird und Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn zu einem methodisch-kritischen Bewusstsein befähigt werden.

4.3 Befürwortung einer mediengestützten Didaktik und deren Auswirkungen auf die Lehrwerksgestaltung

Im Hinblick auf die Unterstützung fremdsprachlicher Übungsprozesse spielt der Begriff der Neuen Medien eine immer größere Rolle. Gemeint sind damit Medien, deren Einsatz für die jeweilige Zeit und den damit verbundenen technischen Stand innovativ und neu sind (cf. Baier 2009, 108). Hierzu zählen heutzutage insbesondere der Einsatz von Smartboards, Computern, Internet, Lernsoftwares, CD-ROMs, digitalen Unterrichtsassistenten sowie erste Erwägungen dreidimensionaler Cyber-Classrooms. Dank der Benutzerfreundlichkeit und des einfachen Zugriffs auf diese Medien sollen und können Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme, Werbung, aber auch Musikclips und Nachrichtensendungen immer öfter zum Gegenstand des Unterrichts gemacht werden.

In diesem Zusammenhang führte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) unter dem Titel Schule 2.0 eine repräsentative Studie zum Einsatz elektronischer Medien an Schulen aus Lehrersicht durch. Basierend auf einer Befragung von 501 Lehrern unterschiedlicher Fächer und Schulformen konnten überraschende Ergebnisse festgehalten werden. So gaben 91 % der Fremdsprachenlehrer an, den Beamer als häufigstes aller elektronischen Medien zu verwenden. Computer sowie Overheadprojektoren finden mit 48–63 % ebenso regulär Anwendung. Erstaunlich ist dagegen, dass DVD-Player (44 %) im Fremdsprachenunterricht von den befragten Lehrern weniger häufig benutzt werden als etwa Kassettenrekorder oder Plattenspieler (52 %). Ein Blick auf Abbildung 14 verrät darüber hinaus, dass der regelmäßige Einsatz elektronischer Medien im Fremdsprachenunterricht insbesondere im Vergleich zu MINT- aber auch zu anderen Fächern tendenziell geringer ausfällt (cf. BITKOM 2011, 18).


Abb. 14: Einsatz elektronischer Medien an Schulen aus Lehrersicht (BITKOM 2011, 18)

Obwohl Schulen verstärkt mit Informations- und Kommunikationstechnologien ausgestattet sind, kam eine weitere Bildungsstudie zu dem Schluss, dass „die Institution Schule […] nicht auf digitale Medien vorbereitet [ist]“ (Initiative D21 2011, 5). Es stellt sich also die Frage, warum der regelmäßige Einsatz elektro­nischer Medien trotz positiver Einstellung der Lehrer (cf. BITKOM 2011, 15) und verstärkter technischer Ausstattungen in deutschen Klassenzimmern nur relativ wenig Anwendung findet.

Gemäß der Studie der Initiative D21 ist die vorherrschende Zurückhaltung im Umgang mit Medien vor allem dadurch bedingt, dass für viele Lehrer das Schulbuch nach wie vor die sicherste Basis für die Unterrichtsgestaltung darstellt. Dementsprechend konnte im Rahmen der Erhebung folgende Bilanz gezogen werden: „Digitale Angebote müssen […] besser mit gedruckten Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien verzahnt sein, damit sie integraler Bestandteil der Wissensvermittlung werden können und nicht sporadische Ergänzung bleiben“ (Initiative D21 2011, 5).

Angesichts der Forderung nach Aktualität und zeitgemäßem Unterricht ist das Schulbuch mehr denn je Ausgangspunkt vieler Fragen und Diskussionen. Denn gerade in den ersten Lernjahren ist das Lehrwerk von elementarer Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht. Mit Blick auf den Sprachlernprozess stellt es für Lehrende eine (ökonomische) Strukturierungshilfe mit Anregungen für den eigenen Unterricht dar, für Schüler und Eltern dient es hingegen als Orientierung für den Lernfortschritt und die im Unterricht behandelten Inhalte (cf. Leupold 2007b, 49; cf. Quetz 1999, 168; cf. Schwerdtfeger 1989, 48).

Die im Lehrwerk dargebotenen inhaltlichen Schwerpunkte und Aufgabenstellungen richten sich nach den jeweils geltenden curricularen Vorgaben, d.h. nach den aktuellen Lehr-/Bildungsplänen der Bundesländer, den länderübergreifenden Bildungsstandards sowie den europaweit anerkannten Richtlinien des GeR. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Vorgaben dabei sowohl an den neusten fachdidaktischen Erkenntnissen als auch an Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis orientieren, entstehen die Lehrwerke gewissermaßen „im Spannungsfeld von Bildungspolitik und Schulpraxis“ (Cornelsen 2012, Rund ums Schulbuch, 1).

In diesem Kontext steht die Schulbuchentwicklung gegenwärtig vor der Herausforderung, nicht nur den geltenden Standards zu genügen, sondern ebenso den neusten mediendidaktischen Stand zu berücksichtigen. Betrachtet man unter diesem Aspekt die Schulbücher vergangener Lehrwerksgenerationen, lässt sich feststellen, dass diese über eine enorme Methoden- und Medienvielfalt verfügen: Als Spiegelbild komplexer Unterrichtsbedingungen stehen Lehrern und Schülern seit geraumer Zeit lehrwerksergänzende Zusatzangebote in Form von Multimedia, Handreichungen sowie Übungs- und Arbeitsheften zur Verfügung. Dieser Anspruch bleibt für neue Generationen von Schulbüchern bestehen. Sie sollten gemäß den gesetzten Standards aus einem didaktisch aufbereiteten „Konglomerat von auditiven, visuellen und audiovisuellen Elementen [sowie] einem zusätzlichen Übungsheft“ bestehen (Hu/Leupold 2008, 79) und „die Anforderungen der Lehrpläne lückenlos und in didaktisch-methodisch zeitgemäßer Weise“ erfüllen (Brill 2013, 139). Im Hinblick auf die bestehenden curricularen Vorgaben bedeutet das, dass die Schulung des Hör-Seh-Verstehens ein integraler Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts sein muss. Folglich sind Begleitmaterialien wie Audio-CDs nicht mehr ausreichend, sondern müssen durch das Angebot audiovisueller Medien ergänzt werden.1

Letztere haben wie alle anderen Medien die Funktion, Schüler zu motivieren und in ihrem Lernprozess zu unterstützen. Gleichermaßen soll das Zielsprachenland ein Stück näher ins fremdsprachliche Klassenzimmer gebracht werden. Dies gelingt bei audiovisuellen Medien besonders gut, zumal sie es trotz geographischer Distanz in vielen Fällen ermöglichen, Eindrücke aus dem Zielsprachenland äußerst authentisch, greifbar und anschaulich zu vermitteln (cf. Leupold 2007b, 48sq.).

Da das Schulbuch in den Augen vieler die sicherste Grundlage für die Unterrichtsgestaltung darstellt, gilt es, das Leitmedium Lehrwerk fortan so zu gestalten, dass zeitgemäße Aufgaben und Anwendungen zum Hör-Seh-Verstehen bereitgestellt werden, die die Schüler in ihren Lern- und Arbeitsprozessen unterstützen.

Im Sinne der Medienkompetenz muss dem Lehrer mit Hilfe des Lehrwerks grundsätzlich ein Spagat zwischen mediengestütztem Lernen und Kompetenzorientierung gelingen. Nur so kann das übergreifende Bildungsziel der Lernerautonomie im Kontext von Wissensvermittlung erreicht werden (cf. Küster 2002, 39sq.). Die relevanten Methoden und Medien stehen dabei in Abhängigkeit von den zu erreichenden Lernzielen und festgesetzten Inhalten des Fremdsprachenunterrichts, wobei der Medieneinsatz im Gegensatz zu früheren didaktischen Ansätzen nicht mehr als zweitrangig anzusehen ist (cf. Schludermann 1981, 26).

Was fremdsprachliche Lernvideos betrifft, so stellt deren Entwicklung eine besondere Herausforderung dar: Curriculare Rahmenrichtlinien geben keinerlei Anhaltspunkte darüber, auf welcher Ebene Lernvideos eingesetzt werden sollen, um das Ziel eines integrierten Hör-Seh-Verstehens tatsächlich zu erreichen. Für den Laien, aber leider auch für den Experten, bleibt daher ungewiss, ob es sich um eine Integration auf sprachlicher, inhaltlicher und grammatikalischer Ebene handelt oder ob lediglich der Einsatz von Lernvideos im Sinne einer kontinuierlichen Integration in den Unterrichtsalltag gemeint ist. Richtet man sich nach den bestehenden Leitlinien, liegt die Interpretation der Vorgaben letztlich im Auge des Betrachters. Folglich bleibt Raum für unzählige Spekulationen und Mutmaßungen, auf welche Weise Lernvideos ihren Weg in die schulische Praxis finden sollen.

Allerdings bleibt an dieser Stelle zu bedenken, dass eine mediengestützte Didaktik immer nur dann greifen kann, wenn die Schulen über die nötigen technischen Voraussetzungen verfügen. Faktisch bewertet aber nur ein Viertel aller Lehrer die technische Ausstattung ihrer Schule als gut oder sehr gut – 72 % aller Fremdsprachenlehrer dagegen als mittelmäßig bis sehr schlecht (cf. BITKOM 2011, 30sqq.). Angesichts dieses Ergebnisses einer Umfrage im Rahmen der Studie Schule 2.0 stellt sich die Frage, wie trotz technisch mangelhafter Ausstattung die Kompetenz des Hör-Seh-Verstehens anhand audiovisueller Materialien geschult werden kann.

Etwaige Lösungsansätze führender Schulbuchverlage können dem weiteren Verlauf dieser Arbeit entnommen werden (cf. Kap. 6.3.4.3). Es sei vorab darauf hingewiesen, dass im Fall technisch mangelhaft ausgestatteter Schulen die seit 2012/13 von den Verlagen Klett und Cornelsen für den Französischunterricht bereitgestellten Lernvideos von großer Hilfe sind, da sie mit dem Erwerb des zugehörigen Übungshefts jedem Schüler individuell zur Verfügung stehen. Das hat den Vorteil, dass Lehrer unabhängig von der technischen Ausstattung ihrer Institution Hör-Seh-Verstehen nahezu uneingeschränkt schulen können, zumal die Schüler von zu Hause aus auf das Medium zugreifen können.

Hinzu kommt, dass insbesondere die seit 2012 auf dem Markt erschienenen Lernvideos auf die spezifischen Kompetenzen und Bedürfnisse des Anfangsunterrichts zugeschnitten sind. Zwar bestehen gemäß des GeR noch keine europaweit gültigen Deskriptoren zum Hör-Seh-Verstehen auf der Niveaustufe A1, die frühe Einsatzmöglichkeit ebendieser Lernvideos kommt jedoch der Forderung des Lehrplans nach, Medien an geeigneter Stelle bereits im Anfangsunterricht einzusetzen. Damit gelingt es den besagten Verlagen, der Diskrepanz zwischen Lehrplan und GeR zumindest ein Stück weit entgegenzuwirken (cf. Kap. 6.3).

Insgesamt kommt dem modernen Lehrwerk durch die bewusst systematische Aufnahme von Lernvideos eine richtungsweisende Bedeutung zu, die „im günstigsten Fall auch Neuerungen in den Unterricht“ (Quetz 1999, 168) transportiert und belegt, dass Lehrwerk und technischer Fortschritt einander nicht ausschließen. Die überarbeitete Konzeption geht einher mit einer regelrechten Aufwertung des Lehrmaterials, da neben den traditionellen Basiskompetenzen auch die zeitgemäße Schulung des Hör-Seh-Verstehens hinreichend Berücksichtigung findet.