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Karl der Große im Norden

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7.1.3.1. Wdger Danske und Burnamanth

Holger DanskeBurnamanthDie Stringenz, die die gesamte Chronik auszeichnet, betrifft auch dieses Kapitel des Kampfes Wdgers gegen den heidnischen König BurnamanthBurnamanth. Aufschlussreich ist indessen die motivische Vielfalt, die diese Episode gekennzeichnet. Die Ausgangssituation des Kampfes wurde bereits angerissen: WdgerHolger Danske Danske ist am Hofe des heidnischen Königs Amyrall gefangen. Sowohl dessen Tochter Gloriant als auch ihr Verlobter, der ebenfalls heidnische König Caruel, erkennen an, dass Wdger nur durch List in Gefangenschaft geraten ist, und bitten Amyrall, Wdger frei zu lassen. Als Reaktion auf dessen Ablehnung begibt sich Caruel freiwillig als Geisel an den Hof Karls des Großen, während Gloriant den tapferen Wdger unterstützt. Währenddessen wird der Riese Burnamanth für einen erfolgreichen Zug gegen Karls Armee Gloriant als Preis in Aussicht gestellt. Die Rettung der heidnischen Königstochter durch Wdgers Kampf gegen den Riesen ist der Ausgangspunkt für die spätere dänische Rezeption der Chronik in der Volkstradition.

Von Caruel mit der besten Rüstung versorgt, soll WdgerHolger Danske auf einer Insel gegen BurnamanthBurnamanth antreten. Hier erscheint das in der altwestnordischen Literatur verbreitete Motiv der hólmganga, des Holmgangs, einem auf einer Insel ausgetragenen Zweikampfes.1 Auch wenn der Begriff nur in altwestnordischen Quellen vorkommt, dürfte das Konzept eines geregelten Zweikampfes auch den altostnordischen Rezipienten bekannt gewesen sein, thematisiert doch das als Hednalagen bekannte altschwedische Gesetzesfragment aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diese Praktik.2

Während Wdgers Tapferkeit und Vollkommenheit im Text bereits mehrfach ausgewiesen wurden, wird BurnamanthBurnamanth im Gegenzug dämonisiert: Sein Leben lang „hadde han waretth i krygh ok orloff“,3 sein Essen „skulle blandhes met blodh“,4 er hatte „øghen som en katth ok sogh bæther om natthen en vm dagen“.5 Eine Parallele zieht der Übersetzer zu Burnamanths Wesen, wenn es heißt: „wore han her i landhet tha wore han lyger en troll“.6 Diese Anmerkung ist eine der wenigen Stellen, an denen der Übersetzer in seiner erklärenden Funktion in Erscheinung tritt und die Zielkultur, target culture, als „her i landhet“ definiert, um durch das assoziative Bild eines Trolls die unheimliche Figur Burnamanths dem Rezipienten näher zu bringen.

7.1.3.2. Edelstein-Allegorese

Ein überaus aufschlussreicher Fachdiskurs entfaltet sich bei der Übergabe der Rüstung durch Caruel an WdgerHolger Danske: Er bekommt von Gloriants Verlobten die beste Brünne, die es im gesamten Heer gab, sowie den besten Helm der gesamten „hedhen skabæth“ (KMK, S. 66, 7 – Heidenschaft). Die kurzgefassten deskriptiven Ausführungen dazu bilden einen Fachdiskurs zur klassischen Edelstein-Allegorese, die bereits seit der Antike in den literarischen Texten Anwendung findet. Dabei werden den Edelsteinen und anderen Naturalien besondere symbolische Kräfte und apotropäische Wirkungen, die sich vor allem auf die Abwehr von unmittelbaren Gefährdungen aus dem Bereich des Dämonischen und Magischen richten, zugeschrieben.1 In der Chronik finden sich insgesamt fünf Edelstein-Allegoresen, die dem dänischen Rezipienten durch andere literarische Texte bekannt gewesen sein dürften, werden doch alle fünf Steine in Henrik Harpestrengs Steinbuch klassifiziert und detailliert beschrieben.2 Die dort behandelten Steine und die ihnen zugeschriebenen Kräfte entsprechen dabei in etwa den Beschreibungen der Chronik:



Tab. 6:

Edelsteinbeschreibungen in der Karl Magnus Krønike und in Harpestrengs Stenbog

Diese detaillierte Gegenüberstellung der Edelstein-Allegoresen verdeutlicht das Ineinandergreifen der Diskurse in verschiedenen Gattungen der mittelalterlichen Literatur, die Autoren/ Bearbeiter der fiktionalen Texte konnten ihre Vorlagen aus dem Fundus der Fachprosa ergänzen, während die Fachprosa-Autoren sicherlich auch auf literarische, d.h. fiktionale Gattungen zurückgriffen. Eine Parallele zur Edelstein-Allegorese der Karl Magnus Krønike bildet das oneiromantische Werk Somniale Danielis,Somniale Danielis das in der schwedischen SammelhandschriftSammelhandschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4 überliefert ist und zur Deutung der Traumerscheinungen Karls in den heldenepischen Texten herangezogen werden kann.

Die Funktion der Edelsteine in der Kampfszene zwischen WdgerHolger Danske und BurnamanthBurnamanth ist eindeutig: Während die Kräfte des heidnischen Königs, der sein Essen mit Blut vermischt, dämonischen Ursprungs sind, besitzen die Edelsteine apotropäische Wirkungen. Dabei sind sie nicht religiöse, magische oder kultische Gegenstände, sondern erfahren nach ihren Beschaffungen eine rational nachvollziehbare, an Regeln orientierte Exegese.15

Dem düsteren, irrationalen Potenzial Burnamanths werden Naturgegenstände mit Unheil abwehrenden Kräften gegenübergestellt. Hier sei ein kurzer Blick auf die altwestnordische Karlamagnús sagaKarlamagnús saga ok kappa hans erlaubt: Obwohl die altdänische Überlieferung an vielen Stellen von Auslassungen und Omissionen gekennzeichnet ist, erscheint die Aufzählung der Edelsteine und ihrer Eigenschaften ausschließlich in der dänischen Bearbeitung, während die Saga zwar von einem Helm berichtet, der von Edelsteinen besetzt ist, ihre Eigenschaften jedoch nicht exemplifiziert: „en síðan setti hann hjálm á höfuð honum allan [settan gimsteinum]“ bzw. „gyldan ok viða gimsteinum settan“.16

 

7.1.3.3. Curtana – im Drachenblut gehärtet

Die symbolischen Sinnträger im Kampf gegen das Böse sind mit der Benennung der fünf Edelsteine und deren Eigenschaften nicht erschöpft: WdgerHolger Danske erhält von Caruel ein Schwert namens Curthen – in der Forschung unter dem Namen Curtana bekannt. Mit diesem Schwert habe er, Caruel, dreißig Könige besiegt, gehärtet wurde es im Blut eines Lindwurms, der „basyliskus“ (KMK, S. 66, 120) heißt, und drei Jahre lang lag es unter einem Flugdrachen auf dem Gold, darum leuchtet das Schwert nun wie Gold. Das Schwert, dessen Provenienz in der Episode beiläufig erklärt wird,Karlamagnús saga ok kappa hans1 reiht sich jedoch in die lange literarische, romanische wie germanische, Tradition der mythologischen Schwerter, deren Identität, durch Namen personifiziert, mit dem Schicksal ihrer Besitzer verwoben zu sein scheint. Aus der französischen Heldenepik kennt man das Schwert Durendal, Rolands Wegbegleiter bis in den Tod, an das er seine letzten Worte richtet. Karl der Große hat ebenfalls ein legendäres Schwert namens Joyeuse – die Freudvolle, dessen Name mit dem Schlachtruf Karls „Munjoie!“ onomatopoetisch übereinstimmt.Þiðreks saga af Bern2 Dabei besitzt jedes literarisch prominente Schwert eine eigene Biographie, die häufig an einen mythischen Ursprung sowie an den Lebenszyklus seines Besitzers gekoppelt ist. Der aus der Ethnologie entlehnte biographische Ansatz in Bezug auf materielle Objekte, entwickelt von Igor Kopytoff, hilft dabei, die Gegenstände als Schnittstellen zwischen Traditionen zu begreifen. Kopytoff spricht von der kulturellen Biographie der Dinge: Die Artefakte werden in ihrer Biographie als kulturell konstituierte Einheiten betrachtet, die klassifiziert und re-klassifiziert werden und deren Relevanz dementsprechend variiert.3 Wichtig ist in diesem Zusammenhang die aus dem biographischen Ansatz heraus entwickelte These, „that [n]ot only do objects change through their existence, but they often have the capability of accumulating histories, so that the present significance of an object derives from the persons and events to which it is connected“.4 Überträgt man den biographischen Ansatz der Artefakte auf materielle Objekte, deren historische Provenienz nicht belegt oder umstritten ist, deren literarische Biographie aber umso greifbarer ist, so wird hier die Fähigkeit des Gegenstandes zur Akkumulation von Geschichten, Wissen und Mythen offensichtlich. Sagenumwobene Gegenstände der Artusepik wie der Heilige Gral oder das Schwert Excalibur eignen sich als literarische Zeugen materieller Objekte, deren kulturelle Signifikanz an die Personen und Ereignisse, die sie verbinden, geknüpft ist.

Wie ist jedoch die kulturelle Biographie des Schwertes von WdgerHolger Danske Danske konstituiert? Wie auch in den zyklisch, d.h. von der Geburt bis zum Tod eines Helden orientierten Epen wird zunächst der nebulöse, mythische Ursprung des Schwertes (Blut des Lindwurms Basilisk), sein Einsatz in erfolgreichen Schlachten und zuletzt seine Übergabe an den christlichen Ritter Wdger dargestellt. Hiermit wird die Funktion des Schwertes als eines prestigeträchtigen Objektes, das sich als Gabe an auserwählte Personen in besonderen symbolischen Situationen bestens eignete, vollkommen erfüllt. Die Krønike repräsentiert dabei eine Phase – sozusagen einen Zyklus – in der Biographie des Schwertes Curtana durch die Anbindung an den dänischen Ritter. Obwohl das Schicksal des Schwertes in der Krønike nicht weiterverfolgt wird, erscheint es in einem weiteren Sagenkreis, nämlich in der Artusepik: Im altfranzösischen Prosa-Tristan, einer um 1230 entstandenen Prosa-Bearbeitung des Tristanstoffes, ist es Tristan selbst, der als Vorbesitzers des Schwertes fungiert.5 Dabei informiert die Inschrift auf dem Schwert, es sei aus dem gleichen Eisen geschmiedet worden wie die bereits erwähnten Schwerter der Chanson de RolandRoland, Karls Joyeuse und Rolands Durendal. Damit illustriert das Schwert von Ogier/ Wdger als literarisches Artefakt die „capability of accumulating histories“6 – oder sogar accumulating heroes.

Sicherlich ist der Besitz eines dem Durendal und der Joyeuse ebenbürtigen Schwertes ein Statusmarker für den Besitzer – nicht nur verbal wird WdgerHolger Danske als einer der besten aus Karls Gefolgschaft gepriesen, auch seine Waffe als Statussymbol bezeugt seine heroische Signifikanz, die ihn in die Nähe Rolands und gar Karls selbst rückt. Diese Signifikanz wird in der Krønike jedoch an keiner Stelle sichtbar: Nirgendwo finden sich Verweise auf Tristan als Vorbesitzer des Schwertes. Der Grund dafür ist vermutlich die ausgebliebene Artustradition in der altostnordischen Literatur. Während das westnordische Literatursystem einige Bearbeitungen/ Übersetzungen der Artusepik vorweisen kann, beschränkt sich deren Rezeption im Osten auf Herr IvanHerr Ivan, eine Eufemiavisa mit der französischen Vorlage Chevalier au lion. Dass der Prosa-Tristan Ostskandinavien erreicht und literarisch beeinflusst hat, lässt sich hingegen nirgendwo konstatieren.

Das Schwert Curtana besitzt eine eigene kulturelle Biographie in der altdänischen Chronik; dort erhält es einen eigenen Ursprungmythos, der in dieser Form in keiner literarischen Tradition vorzufinden ist. Als festes heroisches Attribut begleitet Curtana den dänischen Helden jedoch durchgehend durch die europäische Überlieferung der chansons de gestechansons de geste wie des Tristan-Stoffes.Holger Danske7

7.1.3.4. Wdger und Burnamanth – Kommunikation und Kampf

Ausgestattet mit dem mythischen Schwert Curtana und dem edelsteinbesetzten Helm bestreitet WdgerHolger Danske den Kampf gegen den Riesen BurnamanthBurnamanth. Dabei handelt es sich um eine Episode, deren Rezeption sich sowohl durch die später entstandenen dänischen Balladen als auch durch Kirchenmalereien in der Floda-Kirche in Södermanland bezeugen lässt.

Wie schon andere Zweikampf-Episoden folgt die Szene stereotypen Kampfschilderungen: Der im wörtlichen Sinne strahlende Held begibt sich auf die Insel in den Kampf gegen den dämonischen Riesen, einem Stern am Himmel gleichend: „som en stiernæ flyger pa hymmelen So liwstæ the dyræ stene som i hans hielm sadhæ“.1 Die Kampfhandlung wird immer wieder durch kurze Dialoge strukturiert, deren Funktionen unter anderem in der Möglichkeit der unmittelbaren Charakterisierung der Figuren besteht: Durch den Einsatz der direkten Rede erhalten die Figuren, hier WdgerHolger Danske und BurnamanthBurnamanth, die Gelegenheit zur Selbstdarstellung und Bekanntgabe ihrer Gesinnung. In einem für die Gattung der chansonschansons de geste üblichen Kampf zwischen Christen und Heiden verwundert es nicht, dass die Figurenreden der christlichen Kontrahenten, wie im Falle von Wdger, häufig dem religiösen Duktus verpflichtet sind. Neben der Charakterisierung der Figuren kann die Strukturierung des Kampfes als eine weitere Funktion von Dialogsequenzen aufgeführt werden. Der Kampf zwischen Wdger und Burnamanth kann in drei Handlungsakte eingeteilt werden, wobei jeder Kampfakt mit einer Redesequenz eingeführt wird: Das einleitende Gespräch wird von Burnamanth initiiert und eröffnet ihm die symbolische Möglichkeit, vom Kampf zurückzutreten, worum die Königstochter Gloriant den Riesen gebeten hatte. Dass diese Möglichkeit nicht realisiert wird, liegt im der narrativen Szene eingeschriebenen Muster. Es widerspräche der Logik der heldenepischen Sinnbildung, wenn Wdger als christlicher Held und Karls Vasall den Kampf nicht ausföchte:

BurnamanthBurnamanth: „legh aff tyth harnisk ok giff tegh fongen jeg loffuede k datter ath jegh skulle icke dræbæ teg“

WdgerHolger Danske: „gud lønæ hennetth ath hwn bad for meg tw mott well giøre for hennes skyld hwat tw willth tog wille wij noget fræstæ aff worth howerk“.2

Während die Kampfszenen formelhaft geschildert werden („glawenen broste bode sønder“ – der Speer brach auseinander, „høggis suarlege“ – sie kämpften hart etc.), fungiert die direkte Rede Burnamanths als Mittel zur Charakterisierung Wdgers als vollkommener Kämpfer. Seine Wertschätzung artikuliert BurnamanthBurnamanth nach dem ersten Kampfakt folgendermaßen: „Jeg will nw syge thet santh ær jeg haffuer engen fwnnet tin lyghae“,3 während er in der zweiten Kampfhandlung vom Schwert Curtana verwundet wird und es verflucht – gleichzeitig die Singularität Wdgers bzw. seines Schwertes konstatierend: „forbannet wordhæ titth swærd jegh wordh aldrigh sor aff noger rydder før“.4

Eine für die Heldendichtung klassische Form nimmt der Wortwechsel zwischen den beiden während der nächsten Ruhepause ein, nämlich in der Frage nach der Herkunft Wdgers. Diese Frage entspricht einem rituellen dialogischen Handlungsplan des sog. ritterlichen Kampfgesprächs,5 das nach Marcel Bax in einem Dialogertrag, v.a. in der Herausforderung zum physischen Kampf endet. Auch wenn der physische Kampf zwischen den Kontrahenten schon im Gange ist, so verleitet Wdgers provokante Antwort, die eher als Beleidigung denn als Information interpretiert werden kann, unmittelbar zur Fortsetzung des Kampfes. Damit folgen die Frage nach der Herkunft und der daraus resultierende Dialogertrag, nämlich die Aufforderung zum Kampf, dem idealtypischen Muster des zweckbestimmten Dialogs, in diesem Falle des ritterlichen Streit- oder Kampfgesprächs.6 Die Antwort Wdgers entspricht dem rituellen dialogischen Schema und fällt folgendermaßen aus:

BurnamanthBurnamanth: „aff hwath slæght estu kommen eller hwor æstu fødder“

WdgerHolger Danske: „ther som jegh ær fødh kunne the engen troldom ok icke ædhe the rooth kødh ok dricke blodh ther stridde met rydderskab ok ey met trolldom som tw giør, willtw wijde myth slægh hwerken ær jek k. eller hertugh søn, en om tw wordher ath spwrdh tha tw kommer till heluede who teg tyth sendhæ tha sygh ath wdger danske giørde thet“.7

Diese Antwort, die in direkter Rede Wdgers erscheint, darf sicherlich als provocatio gewertet werden. Sie liefert kein faktisches Wissen auf die Frage Burnamanths über sein Herkunftsland Dänemark, obwohl der Børglumer Schreiber hier durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, geographische und kulturelle Besonderheiten Dänemarks niederzuschreiben oder auf politische und historische Details hinzuweisen. Wdgers Geschlecht, beispielsweise sein Vater Jofrør, wird ebenfalls nicht erwähnt. Was man hingegen erfährt, ist, dass man in Dänemark keine Zauberei („troldom“) kennt, kein rohes Fleisch isst und kein Blut trinkt, man kämpft nicht mit troldom – wie BurnamanthBurnamanth es tue. Dafür schicke er, WdgerHolger Danske, Burnamanth direkt in die Hölle. Dass die Konsequenz einer derartigen Äußerung, der Dialogertrag, eine erneute Kampfhandlung nach sich zieht, fügt sich in das oben beschriebene Schema des ritterlichen Streitgesprächs. Im Rahmen des Zweikampfes ist es nicht verwunderlich, dass Burnamanth ob der Beleidigung zornig wird und Wdger um Gloriants willen nicht weiter schonen will: „Jeg will teg icke lenger skone for k dotter skyld thy tw haffuer tegh sielffuer for brøth tw haffuer fortalet myn gud“.8

Im Verlauf der letzten Kampfsequenz wird ebenfalls ersichtlich, dass BurnamanthBurnamanth diese Antwort als äußerst kränkend auffasst, denn er nimmt anschließend Bezug darauf: Als er Wdgers edelsteinbesetzten Helm spaltet und ihn am Kopf verletzt, richtet er folgende Worte an den Dänen: „thet skalltw haffue for thin store ordh Jech seer tw kanth so well dricke blodh som iegh“.9 Da es sich vermutlich um Wdgers eigenes Blut, das ihm über das Gesicht läuft, handelt, erscheint Burnamanths Ansage als eine düster-karikatureske Bestätigung seiner eigenen, ihm zunächst nur von WdgerHolger Danske zugeschriebenen Identität: Er trinke tatsächlich Blut, aber Wdger ebenso – wenn auch sein eigenes. Der darauffolgende Schlag Wdgers führt zum letalen Ende Burnamanths, die kampfästhetischen Details werden dem Rezipienten an dieser Stelle nicht verschwiegen:

 

Sydhen hiøgh han till burnemant ok ragede hannum pa axælæn ok i gømmen brystet ok kloff sydhen næddher att ok alt kødhet aff wdhen pa lareth ok swaerdhet stodh i iorden.10

Anschließend wird Burnamanths Kopf am Sattel befestigt, womit WdgerHolger Danske seines Weges reitet. Für seinen Einsatz wird ihm von Gloriant und Caruel gedankt und der König Amyrall, der Wdger zuvor in Gefangenschaft gehalten hatte, entschließt sich beim Anblick des abgeschlagenen Kopfes von BurnamanthBurnamanth, seine Zelte abzubrechen und wieder nach Babylonien zurückzukehren. Wdger wird für seinen Mut mit vielen Gaben und Kostbarkeiten entlohnt und darf zusammen mit Caruel an den Hof Karls des Großen zurückkehren. Hier wird das Bild des Helden vollkommen, denn der Papst und Kardinäle empfangen Wdger bei seiner Rückkehr. Das Kapitel schließt mit einem gescheiterten Versuch der Bekehrung Caruels zum Christentum, was dieser dankbar ablehnt, trotz der Einsicht, das Christentum sei heiliger als seine Religion.

Der siegreiche Kampf gegen BurnamanthBurnamanth mit dem darauffolgenden glanzvollen Empfang durch den Kaiser Karl, den Papst und die Kardinäle ist nicht das Ende der WdgerHolger Danske-Geschichte in der Krønike. Eine kurze, auf den ersten Blick lose an das vorhergehende Kapitel angereihte Episode berichtet von der Entführung Gloriants, die zu befreien und zu rächen Caruel, Wdger und Karlot sich vornehmen. In dem recht lakonisch geschilderten Kampf wird Wdger in der klassischen Szenerie geschildert: Auf seinem Pferd Bursanth sitzend, mit bis zu den Achseln mit Blut beschmierten Armen, besiegt er seinen heidnischen Gegner, nicht ohne zuvor sein Schwert zu adressieren: „thw æst icke so god som meg ær sagd, eller jeg hiøg icke fast till“.11 Nach dieser Ansprache spaltet er erfolgreich den Gegner, die Dame wird befreit und mit Caruel verheiratet. Von den beiden stammt ein mächtiges Geschlecht ab.

In einer Reihe weiterer Episoden kommt WdgerHolger Danske im Dienste des fränkischen Kaisers Karl sowie der gesamten Christenheit zum Einsatz. Stets ist sein Handeln mutig und besonnen. Gerade in der Episode „Kampen i Spania med Kong AngulandoAngulando“, der die Handlung der Chanson d’Aspremont zugrunde liegt, wird Rolands Jugend und seine Initiation in den christlichen und kaiserlichen Dienst porträtiert, Wdger hingegen fungiert als Rolands Beschützer. Karl der Große persönlich bittet ihn, ein wachsames Auge auf den jungen Helden RolandRoland zu werfen: „ok keysæræn hade bedhet hannum ware po roland“.12

Obwohl die häufig stereotyp formulierte Tapferkeit in den heldenepischen Narrativen schwer zu bemessen ist, steht WdgerHolger Danske RolandRoland hier in Nichts nach: Beim Einzug in den Kampf wird nicht gezögert, Brünnen, Oberschenkel und Pferde werden gespalten, blutig bis zu den Achseln sind beide Helden nach solchen Schlachten. Im Gegensatz zu Roland fehlt dem Dänen jedoch jegliche Exorbitanz. Rolands démesure, die Hand in Hand mit seiner Tapferkeit einhergeht und seinen Status als ambivalenter Heldg gleichermaßen begründet wie hinterfragt, ist Wdger völlig fremd. Wdgers Äußerungen sind stets klug und besonnen, mitnichten aber feige. Dass Wdger der Kampferprobtere von den beiden ist, wird durch direkte Personenrede unterstrichen, so heißt es im Kampf „Jeg ser hor roland ok wdger danske the ære wdger ær mannelegh ok ouerda[d]igh Ok roland ær eth barn i so daen legh“.13 Auch Wdger Danske ist sich seiner Pflicht bewusst und kommuniziert sie ebenfalls in direkter Rede: Er kämpft nicht nur für Karl, sondern trägt auch Verantwortung für den jungen, mutigen und unbesonnenen Ritter Roland. Als Roland ungefragt von dannen reitet, will Wdger ihn suchen oder sterben – die darauffolgende Rüge offenbart sein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und die Konsequenzen, wäre er seiner Rolle als Rolands Wächter nicht gerecht geworden:

Illæ hauer tw giorth motth megh atw rydher so langt fra megh hade iegh icke fwnnet tegh løffuendis tha syger ieg thet gud at iegh skulle aldrigh taget harnsk pa myt liff.14

Parallel zu Wdgers tadellosem Verhalten als Kämpfer und Vasall zieht sich der Topos des Gefangenseins leitmotivisch durch die Chronik: Die entscheidenden Stationen seiner Biographie an Karls Seite werden von einer Gefangenschaft aus gemeistert. Als Geisel kommt er in Karls Gefolgschaft, in der er sich behaupten kann. Als Gefangener am Hofe des heidnischen Königs Amiral darf er den Kampf gegen BurnamanthBurnamanth ausfechten – so ist die letzte Episode, in der WdgerHolger Danske innerhalb der Chronik wieder eine prominentere Rolle spielt, ebenfalls mit einer Gefangenschaft verbunden. In der achten Branche „Boldevin, Udger Danske og Villum Cornitz“ kämpft Wdger an der Seite Karlotts, Karls Sohn, gegen den heidnischen König Amarus. Während Karlott auf die Provokation des Gegners ungestüm reagiert, tritt Wdgers besonnene Art wieder zu Tage, als er Karlott davon abzuhalten versucht. Seine Loyalität Karl und dem Frankenreich gegenüber wird kommuniziert, indem Wdger lieber seinen eigenen Tod in Kauf nehmen würde, als das Frankenreich ohne einen rechtmäßigen Erben zu sehen: „myn kære herre giør icke thet […] lath meg ryde motth hannum slar han meg tha ær thet myndræ skade mister k teg ta ær frankerighæ arffuæløst“.15 Das Verhältnis zwischen Wdger und Karlott ist narrativ jedoch so gestaltet, dass der Konflikt verbal nicht gelöst werden kann. Wdgers Loyalität, seine Bestrebungen, Karlott zu beschützen, werden missverstanden und so wird der Däne von Karlott angegriffen. Wdger, in dieser Situation ein feines Gespür für die Konfliktsituation und deren mögliche Konsequenzen beweisend, zeigt sich bereit, seinen Besitz an Karlott zu übergeben und sich für immer nach Dänemark zu begeben – doch im letzten Kampf muss sich Wdger gegen Karlott wehren und ihn letztendlich erschlagen: „gud forlade teg thet karlotth ieg wordher meg anthen wæriæ nw ællær bliffuer her slaghen“.16 Die Verurteilung hierfür ist eine erneute Gefangenschaft, die drei Jahre lang andauert, bis der alt und schwach gewordene Kaiser erneut angegriffen wird und Herzog Neymis Wdgers gedenkt: „gud gaffue ath wdger danske wore løffuendis“.17 Hier erhält der zu Unrecht verurteilte Wdger die letzte Chance, sich im Kampf zu bewähren, bevor er „for hiem til danmark ok war ther lengy koningh syden“.18 Ein letztes Mal wird er in der Chronik noch erwähnt, als Karl von seinem Tod spricht: „oc hauer ieg spord ath wdger danske ær dødh“.19 Hiermit ist auch Wdgers Biographie an der zyklischen Struktur der Karl Magnus Krønike orientiert – von den Anfängen Wdgers als Geisel am Hofe bis zu seinem Tod als König in Dänemark.

Die Genese des Nationalhelden HolgerHolger Danske Danske und seine postchronikalische Biographie in der dänischen Literatur- und Kulturgeschichte wird mit dem positiven Heldenbild bereits in der Karl Magnus Krønike initiiert. Dabei ist Ogier/ Wdger/ Holger im Rahmen seiner altfranzösischen Biographie in gänzlich andere narrative Muster eingebunden, nämlich in den großen Sinnzusammenhang der romanischen Heldenepik.20 Obgleich der mythische Sinnhorizont durch die Übertragung der Karlsdichtung verloren gegangen ist, sind gleichwohl die Einheiten wie der Zweikampf oder Vasallitäts- und Konfliktnarrative geblieben,21 die sicherlich nicht nur für die romanische Heldendichtung konstitutiv waren, sondern auch vom germanisch-ostnordischen Rezipienten eingeordnet werden konnten. Es sind also diese narrativen Kerne, die jenes Heldenbild konstruieren, das sich bis ins 20. Jahrhundert in der dänischen Literatur und Kultur manifestieren wird.

Trotz der Tatsache, dass der Beiname Le Danois einer historisch verifizierbaren Grundlage entbehrt, hat sich Dänemark als literarische Heimat Ogiers in der chanson-Tradition etabliert und war sicherlich der ausschlaggebende Grund für die Entwicklung der Heldenfigur HolgerHolger Danske Danske in Dänemark. Die narrative Konstruktion einer heroischen Singularität, die Wdger den Status eines Rolands oder eines Olivers einbringt, trug ebenfalls dazu bei. Wdgers Geschichte ist freilich weniger pathetisch als die von RolandRoland – ihm fehlt die Exorbitanz, die Maßlosigkeit und mitunter die Einsamkeit des größten romanischen Helden; er provoziert nicht den Untergang, der die Referenz eines ganzen epischen Universums bildet; nichts erfährt man über seinen Tod, die damit einhergehenden Naturerscheinungen, die Klagen, den Schmerz. In seiner Biographie agiert Wdger dennoch im Spannungsfeld zwischen Verrat, Treue und Solidarität, die seine Handlungen maßgeblich bestimmen und im Rahmen derer er sich bewähren kann – die Zweikampf-Szene gegen BurnamanthBurnamanth ist hier programmatisch. Dabei verfügt er über heldentypische Requisite: den edelsteinbesetzten Helm, der ihn wie einen Stern leuchten lässt, sowie über das literarisch auch außerhalb der Chronik prominente Schwert Curtana. Die Burnamanth-Episode, die für die ostnordische, hier v.a. dänische, Wdger-Rezeption ausschlaggebend ist, thematisiert an mehreren Stellen Dänemark, so spricht die heidnische Königstochter Gloriant vom Norden der Welt, auch Wdgers polemische Antwort auf Burnamaths Frage liefert Informationen über sein Heimatland.