Za darmo

Karl der Große im Norden

Tekst
0
Recenzje
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Vor der Folie eines weißen, heterosexuellen, männlichen Subjekts darf Olivers æuentyr als hegemoniale Machtausübung interpretiert werden. Während in der dänischen Version Oliver die Tochter des byzantinischen Kaisers heiratet – was sich in die religiöse Bearbeitungstendenz der Karl Magnus Krønike fügt –, zieht Oliver in der schwedischen Fassung ohne die junge Frau zurück ins Frankenreich, während sie sich in einer höfischen Manier von ihm verabschiedet:

Thu

goder høffdinge thu skalt thz wita

at iach skal aldre wider tik osemiæ

och thin goduili skal aldre aff minom

hwg ganga.31

Wie schon eingangs beschrieben, ist Karls Reise nach Konstantinopel zunächst durch das Rivalenmotiv, den Vergleich der beiden Kaiser Karl und HugoHugo von Konstantinopel, eingerahmt; auch die beiden zentralen Machtkonzepte werden in der Geschichte bereits am Anfang thematisiert: Die militärische Autorität Karls wird der auf Wohlstand basierten Herrschaft des byzantinischen Kaisers entgegengestellt. Dieser von Karls Ehefrau knapp formulierte Wohlstand „Rikare ær han til fææ æn thu est“ (KM, S. 2, 30) – er ist reicher als du – findet in der Palast-Szene eine deskriptive Ausführung, die gemeinsam mit der Alexanderdichtung sowie dem höfischen Roman Flores och BlanzeflorFlores och Blanzeflor als eine der wichtigsten Quellen zur Konstruktion des Orient-Bildes in der altschwedischen volkssprachigen Literatur gelten kann. Bereits die Ankunft in Konstantinopel und das Treffen mit dem Kaiser sind durch den Luxus-Topos markiert, der sich durch die gesamte Episode zieht:

Nw kom k:m k

Til mykla gardh / och hitte k. sithia

j yrtegard sinom Gardhen han war

alder aff gulle och sat k: a gull stole

enom och vnder gulfueno pelle.32

Diese Eröffnungsszene fügt sich zudem mit dem höfischen Verhalten Hugos („thy at han saa at han war høffuitzker man“33) und seiner Freigebigkeit („Ok taka tolkit aff gull och silff hans som han wilde“34) sowie der prächtig ausgestatteten Gefolgschaft („tolff hundrad riddara allæ bona mz gull och mz gullbonom pellum“35) zunächst in den Positivierungsdiskurs des Orients. Die leitmotivische Verwendung des Goldes ist nicht nur durch seinen Materialwert als das wertvollste aller Edelmetalle zu erklären, sondern auch durch dessen Symbolwert für die byzantinische Ästhetik der Kunst- und Sakralräume.36

Seine Kulmination findet der Orient-Diskurs in der bereits erwähnten Szene der Palastbeschreibung, deren Wurzeln zurück zu den antiken und keltischen Mythen reichen.37 Durch die Übertragung der Passage ins Altschwedische wurde den Rezipienten eine Teilhabe an diesem mythischen Wissen ermöglicht, denn sie behält, obgleich deutlich gekürzt, alle zentralen Elemente der altfranzösischen Darstellung bei:

Hallen som k: atte war innan gør vnder

likæ thakit war skriffuat mz alzskona

fægrind hon war sihwalff Och en stolpe

stod vnder hallene.38

Weiterhin wird über weitere einhundert Säulen aus Gold – „alle aff gull“ (KM, S. 14, 2) – berichtet, an deren Seiten „war barns liknilsse støpt aff ere / och hwar thera haffde eth horn j sinom munne“.39 Auch „alzskona liudh som fager waro“,40 welche durch die Windeinwirkung auf die hohlen Säulen und die Hörner in den Statuenhänden entstehen, werden hier beschrieben. Eine erste Reflexion Karls angesichts der wundersamen Gestaltung der Räumlichkeiten wird hier formuliert: „Och k: m: k:: vndradhæ ther pa och sannadhe tha hwa kona hans haffde sakt“41 In Angst und Schrecken werden die Franken versetzt, als starker Wind vom Meer aufkommt und den Palast zum Rotieren bringt:

Nw kom

wæder hwast aff haffueno och wende

hallenæ swa som myllno hws tha toko

hornnen at blæsæ / och loo hwart

aat andhro / thz thøkte them swa fagert

wara / som ther glædis sanger ware

All windøghon waro aff cristallo

k: m: k: vndradhæ och frankis

mæn matto ey a fotom standa Och

huxado for wist / at them ware for-

gerninga gør.42

Die Reaktion der Franken fällt hier lakonischer aus als in der altfranzösischen Überlieferung, in der die Demütigung der Franken stärker akzentuiert wird. Aber auch in der schwedischen Version muss erst HugoHugo von Konstantinopel hinzukommen, um die Franken zu beruhigen so dass zunächst die Überlegenheit des höfischen Macht- und Weltkonzepts an dieser Stelle sichtbar wird: „Sidhen kom keysaren in til thera och badh them ey rædhas“.43 Die Szene endet mit einem Festmahl, bei dem Karl und seine Recken an der Seite des Kaisers und seiner Tochter Platz nehmen.

Eine weitere kürzere Beschreibung des Schlafgemaches, in dem die Franken untergebracht sind, korrespondiert mit der Palastszene insofern, als sie die Pracht der Räume zusätzlich durch Einbindung der Edelsteine, u.a. Karfunkelsteine, unterstreicht:

Herbær-

ghit war alt skriffuat och sæt mz dyræ

stenæ och karbonkoli lysto ther / ther

waro tolff senger giordo alla aff ere

och thrættendhæ j midhio och allæ

forgyltæ. 44

Diese beiden Textstellen konstruieren nun einen Raum, welcher die Vision einer anderen, utopischen Welt bietet, konträr entgegengesetzt zum martialischen Universum der chansons de gestechansons de geste, das seine Existenzberechtigung aus der genozidalen Ästhetik des Schlachtfeldes schöpft. Als Gegenentwurf fungiert hier Konstantinopel, symbolisiert durch den rotierenden Palast, der gleichzeitig als liminoider Ort der Aushandlungen von ambivalenten Beziehungen zwischen dem östlichen und dem christlichen Christentum sowie der eigenen destabilisierten Identität wird. Doch auf welche Weise kommt diese Identitätssuche zum Ausdruck?

Anders als in der RoncesvallesRoncesvalles-Episode ist hier nicht die christliche Religion das entscheidende Differenzmerkmal zwischen dem Selbst und dem Anderen, sondern die Gesellschaftsform. Die Konfrontation zwischen der epischen und der höfischen Welt muss auf der narrativen Ebene anders ausgehandelt werden als die Auseinandersetzung der Religionen unter dem ideologischen Kreuzzugsdiktum. Diese Konfrontation ist zunächst als friedliche Begegnung zweier Kulturen, der fränkischen und der byzantinischen, maskiert. Dabei betreten die Helden des epischen Universums der chansons de gestechansons de geste die Welt des höfischen Romans, wie sie durch den Kaiser HugoHugo von Konstantinopel repräsentiert wird.45 In welcher Form werden aber diese Verhandlungen mit der eigenen destabilisierten Identität auf der narrativen Ebene ausgeführt? Die æuentyr der fränkischen Kämpen, die im Weinrausch erzählt werden, sind auf den ersten Blick bloßes Amüsement, Prahlereien einer angetrunkenen Männergemeinschaft. Sie beinhalten aber auch eine andere Ebene, auf der die Auseinandersetzung mit der fremden Kultur und mit der höfischen Welt von Konstantinopel auf ihre eigene Weise stattfindet. Während einige æuentyr der Demonstration des eigenen Geschicks oder außergewöhnlicher Kräfte dienen, zielen die anderen auf die Zerstörung des Palastes und der Stadt, Demütigung des Kaisers und somit auf den Untergang der Utopie durch die Franken ab. Die æuentyr, die Karl mit seinen Äußerungen „wi warom j aptons alle drukne“46 sowie „Och thz ær frankis manna sider at tala mangt tha the fara soffua badhæ wise och owise“47 rechtfertigen will, offenbaren eine Reflexion über die eigenen Sitten und Bräuche, somit auch über die eigene Identität. Entscheidend für die Konfrontation ist die destruktive Seite der æuentyr sowie die Tatsache, dass Kaiser Hugo diese richtig bewertet und zunächst als tiefe Undankbarkeit seiner Gastfreundschaft gegenüber empfindet, was im Text auf einer humoristischen Ebene verhandelt wird. Doch dass der byzantinische Kaiser Hugo, dessen Ruf als mächtigster Herrscher auf Erden den von Karl übersteigen könnte, offensichtlich nicht in der Lage sein soll, diese Situation richtig einzuschätzen, mutet vor der Folie der genannten Eigenschaften doch recht ungewöhnlich an. Viel eher suggeriert seine Reaktion tatsächlich, dass er die – humoristisch eingebettete – Bedrohung für seine Stadt und seine Welt durchaus erkennt und ernst nimmt. Das bereits thematisierte æuentyr Olivers ergänzt mit der klar artikulierten sexuellen Eroberung den Motivkomplex Erotik: Gewalt und Sexualität, die als Aneignung des Orients durch den männlichen, weißen, heterogenen Westeuropäer gelesen werden können.48 Obwohl diese narrative Entwicklung letztendlich die Gewaltkomponente zugunsten einer höfischen Konversation relativiert, so ist die sexuell konnotierte Dominanz Olivers über die Tochter des Kaisers offensichtlich – sie fügt sich in den prämodernen exotisierenden Orient-Diskurs und korreliert mit dem Konzept hegemonialer Männlichkeit.

6.5.2. Fazit: Transfer der Alteritätsbilder: Strategien und Funktionen

Welche Funktionen hat diese Passage im Hinblick auf das gesamte Kapitel, und kann man hier von einer Modifikation im Prozess der Übersetzung und Adaption sprechen? Die Antwort auf die letztere Frage muss hier negativ ausfallen. Auch in der altschwedischen Bearbeitung, die sich stark am Text der Ausgangskultur orientiert, fungiert der Palast als ein liminoider Ort, in dem die Aushandlungen zwischen zwei Identitäten stattfinden. Dass die Rezipienten des 15. Jahrhunderts in dieser Geschichte nicht die Konstruktion einer eigenen Identität wiederfinden, die in der Auseinandersetzung mit einem orientalisierten Anderen konstituiert wird, ist zunächst als Funktionsverlust infolge des Kulturtransfers durch Übertragung des Stoffes ins Altschwedische zu konstatieren. Gleichzeitig ermöglichte ebendiese Übertragung einem neuen Rezipientenkreis den Zugang zu einem europäischen kulturellen Gedächtnis, an dessen Gestaltung sie nicht aktiv partizipierten. Die Übersetzung des Karlsstoffes schaffte die Voraussetzung zur Teilhabe an diesem kulturellen Gedächtnis, da die eigene einheimische Literatur diese Funktion nicht erfüllen konnte. In diesem Sinne besitzt die Übersetzung innovatorisches Potenzial, um es mit der Terminologie der PolysystemtheoriePolysystemtheorie zu beschreiben, und ist daher stark am Text der Ausgangskultur orientiert.

 

Eine weitere wichtige Funktion dieser Jerusalem- und Konstantinopel-Episode liegt im Transfer von Diskursen, hier speziell im Transfer des Orient-Bildes ins altnordische Literatursystem, das nicht auf eigenen Erfahrungen basierte, sondern durch Vermittlung und Übersetzung in den Norden gelangte. Hiermit fungiert die Übersetzung als eine wichtige Quelle des Wissenstransfers. Dabei ist die narrativ aufgearbeitete, übersetzte und adaptierte Darstellung des orientalischen Anderen bzw. Fremden nicht das einzige Novum in der altostnordischen Literatur, genauso dürfte den altostnordischen Rezipienten die Begegnung mit der heldenepischen Welt der Franken des 11. Jahrhunderts unbekannt gewesen sein. Die Funktionen der Übersetzungen dieser Texte dienten also nicht nur der Vermittlung von Darstellungsmustern des Anderen bzw. Fremden, sondern vor allem des vermeintlich Eigenen bzw. Vertrauten. Hier wird Hybridisierung des Wissens als Folge des Kulturtransfers sichtbar.

Dass gerade die schwedischen Handschriften lediglich die beiden Episoden, die Schlacht von RoncesvallesRoncesvalles und Karls Pilgerreise, überliefern, mag quellenhistorische Gründe haben, die im Dunkeln liegen. Bemerkenswert ist dabei, dass es sich um zwei generisch völlig unterschiedliche Ausformungen der Gattung chansons de gestechansons de geste handelt, repräsentiert doch die Chanson de RolandRoland das am stärksten kanonisierte Gedicht der frankophonen Heldendichtung, während der Voyage de Charlemagne geradezu eine Parodie deren darstellt – oder als solche gelesen werden kann. Gemein ist den beiden Episoden nicht nur die zentrale Figur Karl der Große und seine zwölf Gefährten, sondern auch das thematische Motiv der fränkischen, westlich-christlichen Identitätskonstruktion durch Konfrontation mit dem Anderen und dem Fremden. Während im Rolandslied die Anderen, d.h. die Sarazenen, Heiden und Muslime, dämonisiert werden, was unter dem Diktum der Kreuzzugsideologie zunächst nichts Ungewöhnliches darstellt und im berühmten Ausruf Rolands „Paien unt tort e chrestiens unt dreit“1 kulminiert, erweist sich die Binarität zwischen Gut und Böse, Christen und Heiden hingegen als äußerst fragil, sind doch die Sarazenen hinsichtlich ihrer feudalen Gesellschaftsordnung einerseits und ihres Verhaltens auf dem Schlachtfeld andererseits als mirror images der fränkischen Krieger konstituiert. Die einzige Differenz, deren Aufrechterhaltung erst eine eigene Identität konstruieren kann, liegt in der Religion – die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft wird hier zum entscheidenden Momentum. Durch Bekehrung wäre die Möglichkeit einer Differenz nicht mehr gegeben, so dass die Vernichtung die einzige Alternative bei der Suche nach der eigenen Identität zu sein scheint.

Konträr dazu kann die Begegnung ebenjener fränkischen Christen mit dem fremden ‚Orient‘ gelesen werden. In friedlicher Mission, als Pilger mit Stab statt Schwert, begegnet Karl dem Wohlstand und den Wundern von Byzanz, symbolisiert durch den Palast des Kaisers HugoHugo von Konstantinopel. Diese Welt ist als utopischer Gegenentwurf zum heldenepischen Kosmos konzipiert, obgleich die Religion an dieser Stelle keine Differenz, sondern eine Distanz markiert. Hier handelt es sich um die Erfahrung sozialer und kultureller Fremdheit, die das Unbekannte determinierte und vor Augen führte, dass AlteritätAlterität eine „fundamental relationale Kategorie“Alterität2 ist. „In der kulturellen Dimension steht das Fremde für das kognitiv wenig Bekannte“3 und dieses kognitiv Unbekannte, in diesem Falle die wundersame Welt des byzantinischen Kaisers, bewirkt eine Destabilisierung des Vertrauten. Während die heidnischen Anderen durch die Kategorie der Differenz zur kollektiven Identitätsfindung der Franken beitragen, um so das fränkische Eigene als Ergebnis kultureller Differenzierungsprozesse zu konstituieren,4 ist es in der Jerusalem- und Konstantinopel-Episode die Kategorie der Distanz, die zwar das christliche, aber kognitiv unbekannte Fremde kennzeichnet.

6.6. Exkurs: Weitere Aspekte der Alteritätsdarstellungen in den altschwedischen Handschriften

Die schwedischen SammelhandschriftenSammelhandschrift, deren Zusammenstellungen im Kapitel „Kontextualisierungen im Codex“ bereits näher erläutert wurden, enthalten neben Karl Magnus noch weitere Texte, die ein Interesse des Kompilators an orientalischen Themen erkennen lassen, so dass man hier von einem narrativen Kontinuum ausgehen kann. Dazu gehören u.a. Flores och Blanzaflor (Cod Holm. D4, Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a, Cod. Holm. D3Cod. Holm. D3, AM 191 fol.AM 191 fol.) sowie Konung AlexanderKonung Alexander (Cod. Holm. D4, als Prosatext mit einer anderen Vorlage in AM 191 fol.), aber auch die Geschichtensammlung Sju vise mästareSju vise mästare (Cod. Holm. D4), der ein orientalischer Ursprung bescheinigt wird.1 Dabei repräsentieren diese Texte unterschiedliche literarische Traditionen, die nicht dem Kreuzzugsethos verpflichtet sind: Flores och BlanzeflorFlores och Blanzeflor, eine der drei EufemiavisorEufemiavisor, steht in der Tradition des roman courtois, des höfischen Romans, Konung Alexander gehört zu der Gattung der Antikenromane, während Sju vise mästare Übertragungen von Septem sapientes, einer Erzählungssammlung orientalischen Ursprungs, darstellen. Wie Massimiliano Bampi feststellt, sind drei der vier Texte, Konung Alexander, Flores och Blanzeflor sowie Sju vise mästare im Hinblick auf ihre Funktion, nämlich „the edifying purpose“,AM 191 fol.2 miteinander verknüpft. Thematisch werden die Texte durch ein gemeinsames Interesse an den Bildern und Darstellungen der Fremden verbunden. Anhand einer kursorischen Analyse der relevanten Passagen soll nun dargestellt werden, wie die Begegnung mit dem Fremden im Prozess der Übertragung gestaltet wird und ob man von einer Programmatik und Funktionalisierung orientalischer Topoi in den schwedischen Handschriften ausgehen kann.

6.6.1. Flores och Blanzeflor

Flores och BlanzeflorFlores och Blanzeflor,Flores och Blanzeflor1 die jüngste der drei EufemiavisorEufemiavisor, die im Auftrag der Königin Eufemia ins Altschwedische übertragen wurden, ist thematisch dem binären Schema Christentum/ Heidentum verpflichtet, was bereits zu Anfang thematisiert wird: „een hedhin konung foor mz brand, hæria oc ödha sancti jacobs land“.2 Auch die Bekehrung zum Christentum spielt im Versroman eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zur RoncesvallesRoncesvalles-Episode wird die binäre Opposition christlich/ heidnisch narrativ in einem anderen Raum als dem Schlachtfeld präsentiert, nämlich in Form einer Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten Flores und Blanzeflor. Dabei ist die Geschichte der beiden jungen Liebenden von externen sozialen Barrieren geprägt: Um eine Mesalliance zwischen den beiden zu verhindern, verkaufen die Eltern des heidnischen Flores das christliche Mädchen Blanzeflor heimlich nach Babylon. Doch Flores folgt seiner Geliebten, um sie zu befreien und letztendlich sein Land zu bekehren.

Bedeutend für die Identitätskonstruktion der Hauptfiguren ist die bereits bei der Geburt bestehende virtuelle Ununterscheidbarkeit zwischen Flores und Blanzeflor: Sie kommen am gleichen Tag auf die Welt, erhalten verwandte Namen und wachsen unzertrennlich auf; auf ihre physische Ähnlichkeit wird im Text ebenfalls mehrfach hingewiesen:

iak thykkis ther a vara viis

blanzaflor hans syster ær

the æru swa liik tho the æru sær.3

Wie schon in der Schlacht von RoncesvallesRoncesvalles werden die christlichen und die heidnischen Figuren des Romans als mirror images präsentiert.Flores och Blanzeflor4 Dabei wird das ausschlaggebende Differenzierungsmerkmal von Flores, nämlich das Geschlecht, narrativ getilgt, wenn es in der Szene, in der ein Diener Emirs die beiden Liebenden in einem Bett schlafend vorfindet, heißt:

tha han them sofuande liggja sa

han thænkte, thz vare iomfrur twa

thy at han hafdhe ey skæg a sik

the vænasta iomfru tha var han lik.5

Als androgyner Heide ist Flores „a symbol of flawed order without differentiation“.6 Für seine Integration in die christliche, männlich-dominierte Weltordnung gilt es, sowohl das Feminine/ Androgyne als auch das Heidnische zu eliminieren. Auf der histoire-Ebene geschieht dies zum einen durch den Beischlaf mit Blanzeflor, zum anderen durch Floresʼ Bekehrung zum Christentum, die in der Christianisierung des gesamten Landes nach dem Tod seines Vaters Felix mündet:

han læt sik sidhan kristna ther

ok alt thz folk my honum ær7

bzw.

Sidhan loot han wt stæmpna

alt thz folk han hafdhe ouer æmpnæ;

bödh them vnder kristno ga,

hwa a moot sigher han skal dödhin fa.8

Das religiöse Kolorit der altschwedischen Adaption des Flores-Stoffes wird darüber hinaus durch den alternierenden Schluss des Romans hervorgehoben: In der französischen Version leben Floris und Blanchefleur nach der Christianisierung Spaniens glücklich bis an ihr Lebensende zusammen, während in der schwedischen Eufemiavisa der nun christliche König Flores „kirkior ok kloster“ (ebd., 2081‒ Kirchen und Klöster) bauen lässt, bevor er und Blanzaflor sich für den Lebensabend in klösterlichen Wänden entscheiden:

blanzaflor foor til fruor in

lifdhe sidhan ther gudhlika badha

gudh gaff them tha stora nadhæ.

the lifua mz digher ödhmiuwkt ther,

gudh siælfuer hafuer them swa kær;

han ænde væl thera iordherike

ok gaff them sidhan himerike.9

Die schwedische Bearbeitung lässt aus, dass Flores und Blanzeflor in der frankophonen Überlieferung als Eltern von Berta mit dem großen Fuß und demnach als Großeltern Karls des Großen ausgewiesen werden, was eine literarische Verknüpfung mit der Tradition der chansons de gestechansons de geste darstellt. Dass für den schwedischen Redaktor dieser genealogische Hinweis von keiner Relevanz war, lässt sich vermutlich auf die zum Zeitpunkt der Übersetzung von EufemiavisorEufemiavisor fehlende Rezeption der Karlsepik zurückführen.

Die Feststellung McCaffreys, „nowhere is the romance seriously intersted in pagan culture or the problems of inter-cultural romance“,10 hat zweifelsohne im Hinblick auf die schwedische Bearbeitung ihre Berechtigung: Floresʼ Glaube dient vor allem als „differentiating marker“,11 der durch die Integration in eine neue Ordnung annulliert wird. Dennoch enthält der Roman einige Beschreibungen babylonischer Wunder aus dem Repertoire der orientalischen/ orientalisierenden Topoi der mittelalterlichen kontinentaleuropäischen Narrativik, wie sie unter anderem in der Pilgerreise Karls nach Jerusalem und Konstantinopel sowie in den märchenhaften Orient-Utopien aus dem fiktiven Brief des Presbyters Johannes Epistola presbiteri Johannis12 zu finden sind. Die Wahrnehmung der imaginierten Welten ist dabei nicht von einem a priori dämonisierenden Diskurs gekennzeichnet, lässt zudem auch im erotischen und exotischen Überfluss Despotismus, sukzessive Polygamie und Bedrohung für die christlichen Protagonistinnen in der Manier der Märchensammlung 1001 Nacht erkennen.13 Folgende Schilderung der königlichen Praxis, die im Text bereits als vnderlik sidh bewertet wird, findet sich in Flores och BlanzeflorFlores och Blanzeflor:

 

konungin hafuer ok een vnderlik sidh,

som her hafuer varith langan riidh:

ena iomfru tagher han huart et aar,

hon ij sæng mz honum gaar.

tha thz aar ær komith om kring,

tha later han stæmpna almænt thing,

konunga ok hertugha som ther bo næra

skulu genast koma thære,

ok læter hona drepa swa,

at the skulu alle ther se a

thy at ther skall aldre ængin then man

the sama quinno fanga æpter han.14

Die Ausführungen über den Garten des Emirs lassen sich hingegen mit der Palastbeschreibung des Kaisers HugoHugo von Konstantinopel von Konstantinopel vergleichen, wenn durch die Windwirkung wundersame Klänge ertönen:

the vædher komber stötelik,

tha hafuer huart thera liwdh om sik.15

Weitere märchenhafte sowie enzyklopädische Attribute vervollständigen die ausführliche Darstellung des wundersamen Gartens. Im Fluss eufrates, einem der vier Flüsse, die dem Paradies entstammen, findet man u.a. Edelsteine:

ij thz vatnith rena

man finder dyra stena:

saphira ok robina,

ther skære æru ok finæ,

smaragda ok granata,

ther idher ær nw væl til mata,

sardinis ok iacinctus,

iaspis ok topacius,

adamas ok amatist,

borillus mz föghe list;

margha andra ma man ther fa,

ther thænne bok hon sigher ey fra.16

Zudem wachsen die Blumen dort „vinter, somar, höst ok vaar“ (ebd., 1103) – im Winter, Sommer, Herbst und Frühling –, was die Konklusion erlaubt, es sei der Garten Eden: „som man ware ij paradiis“ (FoB, S. 38, 1111 – als wäre man im, Paradies). Diese Vorstellung vom Paradies wird sofort durch Emirs sadistische Methode konterkariert, selektiert doch der Emir jährlich eine neue Frau:

tha konungin kona omskipta vil,

han kallar ther iomfrur alla til.

een bækkir rinder the kællo fra,

hans ström mz smaragda ga.

han kallar them huar andre fra

ok læter them ouer vatnith ga;

bidher thz ful innirlik,

vakta æn vatnith vnfærghar sik.

ær hon mö ouer vatnith gar

vatnith ij same færgho star,

ær hon ey mö ouer vatnith vodh

vatnith vardher som eet blodh.

the pröfuath vardher ij tholkith maal

hon vardher genast brænd ij baal.

vnder et træ tha skulu the sta;

the iomfru blomster faller a

hon skal drötning vara thz aar.17

Der exotische Orient wird hier zum Sinnbild eines gefährdeten irdischen Paradieses, das gefangenen Jungfrauen nichts als Unterwerfung, Leid und Tod bringt. Das wahre Paradies erreichen die beiden Liebenden nach Floresʼ Bewährung als liebender Held und Bekehrung zum Christentum, wenn Gott selbst „gaff them sidhan himerike“ (KM, S. 136, 2176) – ihnen das Himmelreich schenkte. Der Orient-Diskurs, der vor der Folie der einzig wahren, nämlich christlichen Weltordnung konstruiert wird, ist auch in der altschwedischen Adaption von solchen Topoi wie Erotik, Luxus und Exotik gekennzeichnet. Dabei wird auch der anfangs heidnische androgyne Protagonist Flores an die bestehende Ordnung assimiliert, im Zuge dessen seine Differenzierungsmerkmale, Glauben und Androgynität, eliminiert werden.