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Die Rückkehr der Zeitmaschine

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Vorerinnerung

Kurze Belehrung für Nichtswisser und Besserwisser

Ehe der Bericht des Mr. Transic anhebt, sei eine kurze Zwischenbemerkung eingeschaltet, die aber eigentlich für normal intelligente Personen überflüssig ist. Sie richtet sich nur an zwei Gruppen von Menschen: Die völligen Ignoranten und jene Sorte von superklugen Eseln, die mit ihrer banalen Skepsis alles anzunagen versuchen, die Leute vom Schlage jenes Monsieur Pérès, der in einem dicken Buch den Beweis unternahm, daß Napoleon niemals gelebt habe, vielmehr nichts anderes sei als eine Personifikation der Sonne, und der ›Baconianer‹, deren radikalster Flügel erklärt, daß nicht nur Shakespeare, sondern auch Cervantes Pseudonyme seien, unter denen Bacon geschrieben habe.

Es sind nämlich bis in die jüngste Zeit immer wieder Zweifel laut geworden, ob die Zeitmaschine wirklich existiere, ja auch nur möglich sei, Zweifel, die sich nur aus neidischer Mißgunst, wie sie großen Erfindern zu allen Zeiten entgegengebracht wurde, oder aus völligem Mangel an physikalischen Kenntnissen erklären lassen. Zumal seit dem Hervortreten der Relativitätstheorie sollte niemand mehr den Mut haben, Einwände vorzubringen. Der Zeitreisende sagt zur Erläuterung seiner Maschine ungefähr folgendes: »Es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß eine ›mathematische‹ Linie, eine Linie von der Dicke ›null‹ keine materielle Existenz besitzt. Das ist eine pure Abstraktion. Ebensowenig kann ein Würfel, der bloß Länge, Breite und Höhe besitzt, eine reelle Existenz haben. Die meisten Menschen sind zwar dieser Ansicht. Aber denken Sie einmal einen Augenblick nach: kann ein momentaner Würfel existieren? Ich meine: kann ein Würfel, der keinerlei Zeitdauer besitzt, eine reelle Existenz haben? Daraus folgt, daß jeder materielle Körper eine Ausdehnung nach vier Richtungen aufweisen muß: er muß Länge, Breite, Höhe und – Dauer besitzen. Es gibt also vier Dimensionen, drei, die wir die drei Ebenen des Raums nennen, und eine vierte: die Zeit. Die Wissenschaft weiß sehr gut, daß die Zeit nur eine Abart des Raums ist. Betrachten Sie einmal ein ganz populäres wissenschaftliches Diagramm, diese Wetterkarte. Die Linie, die ich mit meinem Finger nachziehe, zeigt die Bewegung des Barometers. Gestern früh war er so hoch, gestern nachts fiel er, heute morgens stieg er wieder und so weiter. Das Quecksilber hat doch offenbar die Linie in keiner der landläufigen Richtungen des Raumes gezogen? Aber ganz zweifellos zog es eine Linie, und die Linie hat sich, so müssen wir schließen, längs der Zeitdimension bewegt.«

Man kann sich nicht gut klarer und einleuchtender ausdrücken. Wenn ich den Ort eines Körpers bestimmen will, so brauche ich drei Daten: wie weit ist er vor oder hinter mir, wie weit ist er rechts oder links von mir und wie weit ist er über oder unter mir – und dann weiß ich noch immer nicht, wo er ist. Denn dazu brauche ich noch die Angabe, wann er ist. Wenn ich mit einer jungen Dame um acht Uhr ein Rendezvous habe, und wir verabreden das nächste auf ›zwei Tage später, zu derselben Zeit, an genau demselben Ort: das vierte Boskett links vom Parktor‹, so ist es nicht derselbe Ort, denn die Erde hat sich inzwischen bewegt, die Sonne hat sich bewegt, das Weltsystem hat sich bewegt. Die Sonne eilt mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Kilometern in der Sekunde auf den Fixstern Wega in der Leier zu, der aber seine Gattungsbezeichnung sehr wenig verdient, denn er rast mit einer Schnelligkeit dahin, die noch um ein Drittel größer ist als die der Sonne. Für die Milchstraße ist das aber noch gar nichts: sie legt sechshundert Kilometer in der Sekunde zurück, tausendmal so viel wie eine Kanonenkugel, und da sollte das vierte Boskett an seinem Platze geblieben sein? Für die Rendezvousdame und mich ist es der ›gleiche‹ Ort; aber, müßte ein Beobachter sagen, der in jeder Beziehung weniger leichtfertig wäre als wir beide: die zwei Orte sind nicht gleich, sondern ›gleichen‹ sich nur, wie etwa ein Würfel von sieben Meter und einer von sieben plus zwei Meter Länge, Breite und Höhe. Die genaue Ortsangabe des zweiten Rendezvous ist, angenommen, daß das erste am siebenten Mai dieses Jahres stattfand: ›viertes Boskett links vom Tor, neunter Mai, acht Uhr abends‹, wohlgemerkt: die Ortsangabe! Nur unter diesen Daten vermöchte ein kosmischer Betrachter, der nicht die Bewegung der Erde, der Sonne, der Leier, der Milchstraße automatisch mitgemacht hätte, den Rendezvousort aufzufinden. Wer glauben wollte, das Zeitdatum sei überflüssig, wäre ebenso kindisch wie der Passagier eines Überseedampfers, der annähme, er befinde sich, wenn er am Mittwoch auf der ›gleichen‹ Bank sitzt wie am Montag, an demselben Ort. Es befinden sich aber alle Körper auf einer solchen Schiffsbank! Nur die Geister nicht, weil diese, wie man zu sagen pflegt, in der ›vierten Dimension‹ leben. Das heißt: sie können sich in der Zeit vorwärts und rückwärts bewegen, wozu wir nur in den drei Richtungen des Raumes imstande sind. Deshalb vermögen sie als ›Revenants‹ aus der Vergangenheit emporzutauchen und als ›Klopfgeister‹ Zukünftiges vorherzuverkündigen. So erklären sich die so oft beobachteten Erscheinungen Verstorbener und geheimnisvollen Warnungen vor Kommendem auf eine ganz natürliche Weise. Sie erscheinen uns sofort nicht mehr als Wunder, wenn wir uns entschließen, in Dingen der Physik etwas weniger gedankenlos zu sein. Daß die Materie für Geister kein Hindernis bildet, erklärt sich von diesem Gesichtspunkt aus ebenso einfach. Die Materie hat eben vier Dimensionen, und wir vermögen uns nur in dreien zu bewegen. Wir glauben irrtümlich, unsere Schranke sei der Raum, aber gerade der ist für uns nach allen Seiten offen. Unsere große Schranke ist die Zeit, an der wir sozusagen festgewachsen sind. Wären wir Flächenwesen, die sich nur in den zwei Dimensionen des rechts und links, vorne und hinten zu bewegen vermöchten, so wäre die dritte Dimension der Höhe und Tiefe für uns das große Hindernis und Geheimnis, das Reich der Geister. Und in der Tat empfinden auch wir noch diese Dimension als die geistigere. Man ersieht hieraus, daß Personen, die noch immer die Tatsache der sogenannten Spukphänomene in Abrede stellen, dies nur ihrer geistigen Rückständigkeit und mangelhaften mathematischen Schulung verdanken. Der Glaube, daß es nur drei Dimensionen gebe, ist ein primitiver Aberglaube, und der Zweifel an der vierten Dimension ist die Skepsis eines Abc-Schülers. Lange Zeit hielt man die Fernwirkung für eine unwissenschaftliche Vorstellung, dies tat sogar noch der große Newton. Heute weiß jeder Bauer, der einen Radioapparat besitzt, daß es sie gibt. Noch vor fünfzig Jahren weigerte sich der große Billroth, an einer hypnotischen Sitzung auch nur teilzunehmen; heute wird die unbefugte Anwendung der Hypnose gerichtlich verfolgt: gewiß die höchste öffentliche Anerkennung, die sich denken läßt. Ebenso hat Kant, die größte Denkkraft, die die Welt jemals erblickt hat, in seiner berühmten Satire ›Träume eines Geistersehers‹ Swedenborg, obgleich dessen telepathische Leistungen urkundlich bezeugt waren, als Schwärmer und Erzphantasten hingestellt. Alle diese Dinge: physikalische Fernwirkung, Hypnose, Telepathie, Spiritismus (dieser sogar noch heute) sind als ›höherer Blödsinn‹ angesehen worden. Aber in solchem ›höheren Blödsinn‹ und in nichts anderem besteht der Fortschritt der menschlichen Erkenntnis.

Die Bemerkung des Zeitreisenden, daß die Zeit nur eine Abart des Raums sei, war eine geniale Antizipation der Relativitätstheorie. Diese hat einwandfrei festgestellt, daß jedem Ort eine bestimmte Zeit zugeordnet ist, daß die Zeit eine Funktion des Orts ist. Deshalb verwenden wir auch für Zeit und Raum ein gemeinsames Maß: diese Einheit ist ein ›Zeitmeter‹, das heißt: die Zeit, deren die Lichtkraft zum Zurücklegen eines Meters bedarf. Das Licht hat bekanntlich eine Geschwindigkeit von dreihunderttausend Kilometern in der Sekunde, folglich braucht es zu einem Kilometer eine Dreihunderttausendstelsekunde und zu einem Meter den tausendsten Teil davon: eine Dreihundertmillionstelsekunde. Dies ist ein Zeitmeter. Ein Zeitmeter erscheint uns als äußerst geringfügige Größe, aber das ist eben ein relativer Standpunkt! Er ist in der Langsamkeit unseres Auffassungsvermögens begründet. Hätte dieses annähernde Lichtgeschwindigkeit, so würden wir sehr wohl bemerken, daß die Zeit sich bewegt. Aber dafür würden wir wiederum so gut wie gar nicht wahrnehmen können, daß der Raum sich bewegt und die Dinge in ihm! Wir könnten es nur durch ›astronomische‹ Beobachtungen erschließen, ähnlich wie wir jetzt durch solche Beobachtungen die Bewegung der Zeit erschließen. Denn für ein so blitzschnelles Auffassungsvermögen würde es keine fallenden Steine geben, sondern nur schwebende, die während eines Menschenalters kaum merklich von der Stelle rückten, und Greise würden ihren Enkeln von der Geschichte dieser Steine erzählen; und der Flug der schnellsten Kanonenkugel würde einen Meter in etwa sechs Tagen zurücklegen, wäre also in der Tat ein ›astronomisches‹ Ereignis. Umgekehrt braucht das uns verliehene Auffassungsvermögen zum Zurücklegen eines Zeitmeters (da das Jahr rund 311/2 Millionen Sekunden zählt) fast zehn Jahre: kein Wunder, daß wir diese Größe nicht bemerken oder, wie die Mathematiker zu sagen pflegen ›vernachlässigen‹. Die Körper haben für uns keine Ausdehnung in der Richtung des Vorher und Nachher: wir glauben, ein Körper von der Dimension vier Uhr nachmittags sei derselbe, der er war, als er noch die Dimension vier Uhr früh besaß, bloß weil seine übrigen drei Dimensionen sich nicht verändert haben. Aber er ist derselbe nur in unserem Bewußtsein. Einen ähnlichen Fehler machte die Antike, als sie annahm, die Erde ruhe unveränderlich an ihrem Platze, weil es für den Augenschein so aussah. Und wir glaubten, die Zeit ruhe unveränderlich an ihrem Platze. In der Praxis des täglichen Lebens spielen beide Irrtümer ja auch tatsächlich keine Rolle. Die Sonne geht für uns noch geradesogut auf und unter wie für Ptolemäus, keinem Menschen fällt es ein, zu sagen: die Erde geht unter. Und ebenso können wir auch getrost an der Fiktion festhalten, die Zeit seit etwas Fixes, der ruhende Schoß, in dem die Körper schlafen. Es ist ein Vorurteil, aber ein ungefährliches. Wir werden die junge Dame am Boskett dennoch finden, und wenn sie unpünktlich ist, kann sie sich nicht auf die vierte Dimension ausreden. In Wirklichkeit aber sind das Fixe wir, die sich nicht in der Zeit bewegen können.

 

Wir. Aber nicht der Zeitreisende. Denn obgleich er kein Gespenst ist, so vermag er doch die vierte Dimension auf und ab zu gleiten, wie wir die dritte. Seine Erfindung beruht auf einer höchst einfachen Erwägung, einer so einfachen, daß er es für überflüssig gehalten hat, sie zu erläutern. Übrigens sind fast alle genialen Erfindungen einfach, Kolumbuseier. Zum Beispiel der Feuerbohrer, der Flaschenzug, die Töpferscheibe. Und doch hat es zweifellos sehr lange gedauert, bis man ihr Prinzip entdeckte. Oder gibt es etwas Einfacheres als die Dynamomaschine? Der elektrische Strom magnetisiert Stahl, der Magnetismus des Stahls vermag umgekehrt elektrische Ströme zu erzeugen. Werner Siemens ließ durch den Strom den Magneten verstärken und durch den Magneten wieder den Strom und erhielt durch dieses sich immer mehr steigernde Wechselspiel eine starke und dauernde Kraftquelle, die das Antlitz der Erde verändert hat. Man sollte meinen: darauf hätte jeder Gewerbeschüler kommen müssen.

Der Gedankengang des Zeitreisenden war folgender: Für gewöhnlich bewegen wir uns in drei Dimensionen – oder glauben es zu tun. In Wahrheit nämlich bewegen wir uns immer nur in einer Dimension: entweder nach vorn oder hinten oder nach rechts oder links oder nach oben oder unten. Mit einem Wort: bei jeglicher Bewegung, die wir machen, isolieren wir eine Dimension. Am deutlichsten wird dies bei der Höhenrichtung. Wenn ich einen Berg besteige, so bewege ich mich zwar seitlich und nach oben, also in zwei Dimensionen, aber nur weil meine Höhenbewegung unvollkommen ist. Eine Lerche, ein Wasserstrahl, ein Luftballon, schon der kleine, der als Kinderspielzeug dient, steigt immer kerzengerade in die Höhe. Der primitive Mensch, der sich nur zu Fuße oder bestenfalls auf einem Tragtier nach oben bewegte, hielt diese Bewegung für selbstverständlich und dachte nicht viel über sie nach. Aber mit zunehmender Zivilisation begann man Apparate zu ersinnen, die diese Bewegungsrichtung mit vollem Bewußtsein isolierten: Aufzüge, Motoren, Äroplane, bis zum Stratosphärenflugzeug. Ganz so wie es der Luftschiffer und der Taucher in der Höhentiefendimension und schon jeder Besitzer eines Schiebkarrens in der Richtung macht, die ihm seine Nase angibt, macht es der Zeitreisende mit der Zeitdimension: er isoliert sie. Auch wir tun dies, wie soeben ausgeführt wurde, ununterbrochen, aber nur in verschwindend minimalen Beträgen, indem wir etwa alle zehn Jahre einen Zentimeter zurücklegen; und außerdem tun wir es nicht willkürlich. Wir tun es wie der unwissende Wilde, der einen Berg hinabkollert. Der Zeitreisende verhält sich zu uns wie Herr Piccard zu jenem Wilden.

Sie sehen: die Idee der Zeitmaschine ist so einfach, daß man fast enttäuscht ist. Aber die Idee ist noch nicht die Ausführung! Und zu dieser gehörten eben die fabelhaften technischen Kenntnisse und Geschicklichkeiten des Zeitreisenden. Auf die hierher gehörigen Details kann ich nicht näher eingehen: sie würden eine eigene Abhandlung erfordern und beim Leser eine Vorbereitung in der höheren und höchsten Mathematik voraussetzen, über die er kaum verfügen dürfte und die ich, offen gestanden, selbst nicht besitze. Sie werden vielleicht daraufhin finden, daß Sie ohne eine solche wissenschaftliche Demonstration nicht bemüßigt seien, an die Zeitmaschine zu glauben. Daran kann ich Sie nicht hindern, aber ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Sie doch auch an die Newtonsche Gravitationstheorie und an das kopernikanische System glauben. Nun, und haben Sie die Beweise überprüft? Dazu ist unter zehntausend Menschen kaum einer imstande, denn es verlangt ungewöhnliche mathematische und physikalische Kenntnisse, fast so große wie das Verständnis der Zeitmaschine. Nur das eine will ich erwähnen, daß von den Stoffen, die zum Bau des Apparats nötig sind, das Radium der wichtigste ist. Denn dieses besitzt bekanntlich die Fähigkeit, dauernd Becquerelstrahlen auszusenden und durch Atomzerfall beständig ein Gas, die sogenannte Emanation, zu erzeugen. Es ist also eine Art perpetuum mobile, das das Gesetz von der Erhaltung der Energie ignoriert. Und außerdem besteht zwischen jenen flüchtigen, zum Teil nur noch mit den feinsten Apparaturen meßbaren oder sogar unmeßbaren und bloß erschließbaren Energien und der Zeitenergie ein gewisser Zusammenhang. Denn es gibt selbstverständlich auch eine Zeitenergie, die – doch dies gehört bereits zum Bericht des Mr. Transic.

Erstes Kapitel

Zeitreisender startet

Es war am vierten Mai 1905, als der Zeitreisende seine Fahrt in die Vergangenheit antrat. Ich war über seine Pläne genauer unterrichtet als Mr. Wells, da ich noch am Abend vorher mit ihm eine längere Unterredung gehabt hatte. Er beabsichtigte durchaus nicht, zu den Sauriern zu reisen, obgleich ich etwas dergleichen gern gesehen hätte. Ich bin nämlich in meiner freien Zeit leidenschaftlicher Paläontologe, und da wäre es für mich von höchstem Interesse gewesen, zu erfahren, ob die von mir lebhaft bestrittene Hypothese Mr. Huxleys, das Ursprüngliche seien die wasserbewohnenden Tiere gewesen, sich auf diesem Wege experimentell widerlegen lasse. Ich vertrete nämlich die Ansicht, daß von allem Anfang an sowohl Landfauna wie Meeresfauna bestanden hat und… daß Landleben und Wasserleben zwei große Urtatsachen sind. Es muß also zum Beispiel in der Juraperiode von vornherein sowohl Krebstiere wie Spinnentiere gegeben haben.

Aber der Zeitreisende war durch die Abenteuer seiner Fahrt in die Zukunft mißtrauisch und nüchtern geworden. Er verwies auf die großen Gefahren einer solchen Unternehmung. Zunächst sei es völlig unsicher, ob er nicht in eine Eisperiode gelangen und sogleich bei seiner Ankunft jämmerlich erfrieren würde, denn die einzelnen Abschnitte des Jura ließen sich bei dem heutigen Stande der Wissenschaft nur mit einer Genauigkeit von zwei- bis dreimalhunderttausend Jahren berechnen. Also sei vielleicht das Turmzimmer seines Laboratoriums, in dem die Zeitmaschine steht, bei seiner Landung ein Eisblock und er mitten drin! (Ich brauche wohl kaum daran zu erinnern, daß sich die Zeitmaschine nur in der Früherspäterdimension bewegt, der Ort, an dem sie sich befindet, aber stets der gleiche bleibt.) Ja, wer verbürge ihm, ob er überhaupt auf Festland träfe? Wisse man denn auch nur annähernd, wie die Gegend von Richmond in der Jurazeit ausgesehen habe? Vielleicht war sie ein Golfstrom, vierhundert Meter unter dem Meeresspiegel. Vielleicht aber auch das Kerngebiet eines aktiven Kraters. Und ob Ertrinken oder Verkohlen dem Erfrieren vorzuziehen sei: das sei eine offene Frage. Und schließlich und vor allem interessiere ihn dieses ganze Spinnenzeug inklusive meiner Theorie überhaupt nicht. Da ich sah, daß er nicht umzustimmen sei, versuchte ich sein Interesse wenigstens auf den ersten Menschen zu lenken. Dies sei doch eine Angelegenheit von höchstens ein- bis zweihunderttausend Jahren. Er brauche bloß mit seiner Maschine in Intervallen von, sagen wir, fünftausend Jahren, das Terrain abzusuchen, bis er auf menschliche Spuren träfe. Und das sei doch gewiß eine Frage, die für jedermann von höchstem Interesse sei.

»Für jedermann«, ereiferte sich der Zeitreisende, »aber nicht für mich! Glauben Sie, ich habe Lust, mich mit der Rückständigkeit und Rechthaberei der Gelehrten herumzuschlagen? Würde das, was ich ihnen zu berichten hätte, in ihr derzeitiges System passen, so würden sie mit überlegenem Lächeln erklären, das hätten sie ja schon immer gewußt; wenn es nicht hineinpaßt, werden sie es mit demselben Dünkel als ›Dilettantismus‹ ablehnen. Ich aber halte ihre ganze Entwicklungstheorie für Dilettantismus. Natura non facit saltus!«

Er hatte überhaupt einen Widerwillen gegen alle ungarantierten Zeiten gefaßt, wie er sie nannte. Schon das Altertum lehnte er ab. »Man würde«, führte er aus, »meinen Apparat für eine römische Kriegsmaschine halten und mit einem Pfeilregen empfangen. Und überhaupt gibt es nichts Uninteressanteres als das antike Britannien. Bessere Indianer, weiter nichts! Es war eine unbegreifliche Marotte Julius Cäsars, dieses Land zu erobern, eine fast ebenso rätselhafte wie sein Mangel an Aberglauben, der ihn das Leben gekostet hat. Aber auch das englische Mittelalter kann mir gestohlen werden: lauter Raubrittereien! Und fast noch ärger sah es bei uns zur Zeit der Reformation aus: nichts als stupide und ordinäre Glaubenskämpfe! War man ein frommer Katholik, der dem Papst anhing, so wurde man als Hochverräter enthauptet; war man ein ehrlicher Protestant, der nichts von Zeremonienwesen wissen wollte, so wurde man als Kirchenschänder gehängt; war man ein strenger Calvinist, der die Brotverwandlung leugnete, so wurde man als Ketzer verbrannt. Aber auch die berühmte ›Aufklärung‹ ist mir nicht aufgeklärt genug. Erinnern Sie sich doch nur, was Papin mit seinem Dampfboot passierte! Und wenn man mir meine Zeitmaschine ebenfalls in Stücke schlüge, welcher entsetzliche Gedanke, daß ich den ganzen Rest meines Lebens in einer schweren unsauberen Haarmütze und einem verschwitzten, drahtgesteiften Samtpanzer verbringen müßte, ohne Gabel, ohne Nachthemd, ohne Straßenbeleuchtung, als Bodenbelag eine Mischung aus Kienruß und Bier, und daß ich, der ich gewohnt bin, mit der Zeitmaschine zu reisen, fortan gezwungen wäre, in einer Schneckenkutsche zu fahren, die alle zehn Minuten im Morast steckenbleibt, oder in der dunklen luftlosen Luke eines Segelschiffs, in steter Gefahr, zu stranden, von Piraten überfallen zu werden oder zumindest infolge ausschließlichen Genusses von Pökelfleisch und Dörrgemüse den Skorbut zu bekommen!«

»Ja, zum Donnerwetter«, rief ich ungeduldig, »warum wollen Sie denn dann überhaupt Ihren Apparat in Bewegung setzen, wenn Ihnen keine Zeit paßt?«

»Weil ich ins Jahr 1840 kommen will.«

»Was damals los war, können Sie doch in jeder alten Nummer der ›Times‹ nachlesen. Übrigens war meines Wissens damals gar nichts los.«

»Doch. In jenem Jahr hat Carlyle seine sechs Vorlesungen über ›Helden, Heldenverehrung und das Heroische in der Geschichte‹ gehalten. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, den warmen und harten Prophetenklang dieser Stimme zu hören, diesen breiten schottischen Dialekt, der wie ein Gesang ist, diesen eigentümlich holprigen und feurigen Redefluß, der dahinbraust wie ein Wildbach über Geklüft und Gestrüpp! Da es damals noch kein Grammophon gab, muß ich zur Zeitmaschine greifen.«

Ich war wie aus allen Himmeln gerissen. Dazu also hatte der Zeitreisende mit dem höchsten Aufwand an Ingenium, Scharfsinn und Geschicklichkeit seine Wundermaschine erbaut, um die überheizten Tiraden dieses barocken Landpredigers zu vernehmen! Aber sogleich mußte ich über meine eigene Besorgnis lächeln. Ich wußte: der Zeitreisende war ein viel zu kühner und wissenshungriger Forscher, als daß er dabei stehenbleiben würde. Es konnte gar nicht anders kommen, als daß er von da zu den überraschendsten und fruchtbarsten Entdeckungen fortschreiten würde. Hierin sollte ich mich freilich gründlich getäuscht haben. Das heißt, nicht in ihm: an Mut und Erkenntnisdrang fehlte es ihm tatsächlich nicht, sondern in seinen Entdeckungen, die wohl überraschend waren, aber nicht ebenso fruchtbar.

Es war schon spät geworden: »Wann reisen Sie?« fragte ich.

»Morgen punkt zehn Uhr vormittags.«

»Dann erwarte ich Sie etwas nach zehn in Ihrem Laboratorium, um zu erfahren, ob Mr. Carlyle wirklich so penetrant schottisch gesprochen hat. Und vielleicht machen Sie auch ein paar nette Aufnahmen. Aber ich glaube: damals gab es ja ohnehin schon Daguerreotype?« Ich wandte mich zur Tür.

»Nein, tun Sie das lieber nicht«, rief mich der Zeitreisende noch einmal zurück. »Erwarten Sie mich nicht zu der Zeit, von der ich ausgegangen bin.«

»Ja, wann denn sonst?« fragte ich erstaunt.

»Ja, sehen Sie«, erwiderte er etwas verlegen, »es ist vielleicht eine Schrulle von mir, aber ich möchte nicht gern als vorzeitig Gealterter herumgehen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, es könnte doch sein, daß es mir in dem gemütlichen London der Vierzigerjahre so gut gefällt, daß ich ein halbes Jahr dort bleibe oder gar noch länger: drei, vier, fünf Jahre. Jetzt denken Sie: ich komme an denselben Zeitort zurück, und alle meine Altersgenossen, aber auch meine übrigen Bekannten sind sich völlig gleichgeblieben, bloß ich bin älter geworden. Ich habe ein paar graue Haare bekommen, ein paar neue Falten, und vor allem bin ich seelisch älter geworden. Dadurch würde plötzlich ein ganz schiefes, ganz irrationales Verhältnis zu meinen Mitmenschen entstehen. Zu einem Jugendfreund müßte ich plötzlich ›junger Freund‹ sagen, und dieser würde von sich denken: ›ich habe mich doch viel besser konserviert‹. Jemand, der um fünf Jahre jünger war als ich, wäre nun auf einmal um das Doppelte jünger. Kurz, ich käme mir vor wie einer, der in der Klasse sitzengeblieben ist. Aber auch bei viel kürzeren Zwischenräumen, schon bei zehn oder zwanzig Tagen, würde seelisch etwas nicht stimmen. Die Zeit ist eben ein sehr subtiler Gegenstand, der mit feinen Fingerspitzen, ich möchte sagen: mit Takt angefaßt werden will. Nicht umsonst ist Takt auch eine Bezeichnung für Zeitmaß. Ich werde also genau so lange ausbleiben – als ich ausgeblieben bin.«

 

»Und woran werde ich merken, daß Sie wieder da sind?«

»Ich verständige Sie sofort. Auf dem Wege, den wir gewohnt sind. Und den nur wir gewohnt sind. Ist›s recht so?«

»Danke. Guten Start!«