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Tag, Monat, Jahr

Maimonides war, hat mir ein Freund gestern erklärt, einer der Leibärzte am Hofe Saladins und hat ein für alle Male festgelegt, was die Leute zu glauben, zu bekennen und zu beten haben: zum Beispiel dass Gott kein Körper ist und dass er alle Gedanken und Handlungen der Menschen kennt und dass er die Herzen der Menschen geschaffen hat und dass der Messias kommen wird. Täglich harre ich seiner Ankunft, ist zu beten. Das hat Maimonides eben gebetet und den Wesir eben hat er gesund gehalten und seine Kommentare hat er abgegeben zu allem, was wirklich wichtig ist auf der Welt.

Tag, Monat, Jahr

Besonders gut hat Maimonides sich mit Hämorrhoiden, Asthma, Gift und dem Geschlechtsverkehr ausgekannt; mit dem Juwelenhandel mit Indien auch gut, aber seine Brüder weit besser. Für die Schriften des Hippokrates und des Galen war er Spezialist und natürlich eben für die Heilige Schrift und die aus ihr folgenden Gesetze. Habe heute nämlich selber nachgeschaut wegen Maimonides. Bei den Bürgermeistersachen auch was. Der Geologe, der die Hochquellwasserleitung geplant und gebaut hat, von dem kommt das Wort Atmosphäre her. Das Wort Biosphäre auch. Eine weltweite Kapazität war der und der Bürgermeister, Felder eben, glaube ich halt, hat dessen Idee, Suess hieß der, Eduard Suess, zuerst aber als Idiotie bezeichnet, aber dann ist das Vorhaben schnell realisiert worden; und zwar wegen der Angst vor der Cholera, weil die so viele Menschen umgebracht hat. Das Flussbett der Donau hat auch Suess neu geschaffen, was dann ein Segen gegen die Überschwemmungen war. Irgendwie am Suezkanal hat er sich da orientiert, der Suess. Der war nämlich wirklich auf der ganzen Welt unterwegs. Den haben überall die Flutkatastrophen und Erdbewegungen interessiert. Der war wirklich immer präventiv! Ich schau jetzt nicht noch mal nach, kann sein, das mit der Idiotie war nicht Felder, sondern der Vorgänger. Felder war ja nämlich wie gesagt auch nie blöd.

Tag, Monat, Jahr

Auf dem Hauptplatz der Radfahrer mit dem Helm auf dem Kopf schiebt sein Rad aus dem noblen Gebäude, lächelt zufrieden, gähnt sodann herzhaft und muss dabei aber seinen Mund ganz weit aufreißen und zugleich macht er zwei kurze Schritte nach vor auf die vielen Leut’ auf dem Platz zu und es plumpst ihm, schießt ihm, plötzlich sein Gebiss aus dem Mund. Er schaut verdutzt auf den Boden, hebt’s schnell auf, schaut’s freundlich an, schüttelt den Kopf, steckt’s in die Hosentasche, steigt aufs Rad und fährt aufrecht sitzend weg auf die Tramwayschienen zu und die weiter entlang Richtung auswärts, weit, biegt plötzlich ohne ersichtlichen Grund ganz geschwind wieder zurück stadteinwärts ab, in einem fort völlig aufrecht alles, und dann ist er wirklich weg.

Tag, Monat, Jahr

Das künstliche Gebiss ist von den Etruskern erfunden worden.

Tag, Monat, Jahr

Die Kerzen sind auch von den Etruskern erfunden worden.

Tag, Monat, Jahr

Als der junge Gorki kein Licht und kein Geld hatte, sammelte er von allen Kerzenhaltern, deren er habhaft werden konnte, das übriggebliebene Wachs, gab es in Sardinenbüchsen, fügte Lampenöl bei und legte dazu Dochte aus Bindfaden ein. Zu der Zeit damals war er gerne in Kirchen und auch kaufte er sich einen Trommelrevolver und schoss sich mit diesem in die Brust. Viel später dann sagte er, dass die Menschen so viel über die Politik und das verheerende Leid, das diese ihnen endlos verursache, Klage führen, aber nie einander Bescheid geben, was sie freut am Leben und ihnen Abhilfe schafft. Jeder von euch ist nötig, hat er auch gesagt. Und dass es nicht darauf ankomme, wie ein Mensch früher gewesen sei, sondern wie er jetzt ist hier. Und dass die Genossen, die Kameraden, ab sofort freundlicher zueinander sein sollen.

Tag, Monat, Jahr

Gorkis Großmutter war fromm gewesen, jedoch keine Christin. Ihrem Hausgeist vertraute sie stattdessen. Mit dem Gebet Da hast du einen Schlitten, komm in unsre Mitten, zum neuen Ort, auf andres Glück! rief sie ihn immer her zu sich. Auch mit ihrem Vieh soll sie viel gesprochen haben, auch über Gott. Die meiste Zeit lang über den. Überallhin soll der die Großmutter begleitet haben, den ganzen Tag lang alle Tage bis ans Ende der ihrigen und stets helfend so gut nur möglich soll er zu ihr und den Ihren gewesen sein und eh überhaupt zu allen. So soll sie sich das ganz fest vorgestellt haben und es soll auch ganz gut funktioniert haben. In der Kindheit waren, so ungefähr berichtet Gorki die ganze Angelegenheit, die Gedanken und Gefühle, die sich auf Gott bezogen, die vornehmste Nahrung meiner Seele, das Schönste, was mir das Leben zu geben hatte. Gott war das Beste, das Lichteste von allem, was mich umgab, der Gott meiner Großmutter, der zu aller Kreatur freundlich war. Gorki war selber fromm und im Regelfall zu den Leuten freundlich und hat, heißt’s, zeit seines Lebens geglaubt, dass sie alle zusammen Gott bewerkstelligen werden. Dass das ihre Aufgabe sei und ihr großes Glück und jede erdenkliche Zuversicht daraus erwachse und die Befreiung von allem Übel und die Schönheit.

Tag, Monat, Jahr

Von der Grausamkeit, den Gemeinheiten und der Brutalität war dauernd die Red’ bei Gorki, damit die endlich aufhören, des Weiteren vom stummen, fischhaften Leben. Die Menschen hat er nämlich so wahrgenommen, als ewiglich stumme Fische eben. Wenn die Menschen miteinander redeten oder dass sie Karten spielten oder wie sie einander küssten oder wenn sie besorgt waren oder in Auseinandersetzungen verstrickt waren – stumme Fische immer waren sie alle Male.

Tag, Monat, Jahr

Der Schah, der Vater, hat Khomeinis Vater ermorden lassen. Khomeini hat den Schah, den Sohn, vertrieben.

Tag, Monat, Jahr

Ich bin so unwichtig, dass ich größenwahnsinnig werden könnt. Ist nicht von mir, sondern von Karl Kraus. (Zirka.)

Tag, Monat, Jahr

Ich kann nicht lustig schreiben, es passiert zu viel. Auch zirka von Kraus.

Tag, Monat, Jahr

Ich bin kein Erfolgsautor, weit davon entfernt bin ich, einer zu sein. Bin froh, Erfolg geht ja immer daneben. Zirka Kraus detto.

Tag, Monat, Jahr

Karl Kraus hatte etwas gegen die Leute, die ihn angelogen oder im Stiche gelassen haben.

Tag, Monat, Jahr

6.000 Menschensprachen gibt’s auf der Welt, hat zu mir heute eine Linguistikstudentin gesagt. Mir kommt das sehr wenig vor. Ihr eh auch. Dann sagt sie, dass sich etliche Linguisten in die Politik einmischen. Nicht alleine nur Chomsky mehr. Der eine, dessen Namen ich mir nicht merke, zum Beispiel, der ganz anders ist als Chomsky, das ganze Gegenteil. Der mit dem Gewaltbuch, in dem steht, dass alles so viel besser geworden ist auf der Welt und dass das so gut weitergeht. Der regt mich immer so auf, dass ich seinen Namen nicht behalten kann. Pintner, so heißt der, Pitner, Pintner, oder? Ich weiß nur mehr, dass mich einmal ein Geschäftsführer beinahe ein ganzes Wochenende lang mit Pinter oder Pintner oder wie der heißt, drangsaliert hat. Ein Mail nach dem anderen hat mir der GF geschickt, weil Pintner recht habe und, in etwa, wie intolerant, ideologisch, unpädagogisch und unbrauchbar ich sei, irgendwie unredlich auch, und ich dem GF halt immer zurück. So in etwa war das wie gesagt. Pintner heißt der, sagte die junge Frau heute. Einen Chinesen gebe es auch, der sei wieder ganz anders, wohl in meinem Sinne, und dass der Hui heißt, Linguist ist der und politisch. Den Namen werde ich mir merken. Innen und außen hui soll der Chinese sein. Merk ich mir. Hui!

Tag, Monat, Jahr

Die junge Frau hat mich heute in aller Früh angerufen. Pinker heißt der, Pinker! Und es sind ein bisserl mehr als 6.000, aber nicht viel, hat sie sich am Telefon ausgebessert und sich entschuldigt für den Anruf und die falsche Info gestern bei der Pizza. Am Ende unseres Jahrhunderts wird es angeblich keine 100 Sprachen mehr geben auf der Welt, hat sie mir dann auch noch durchgegeben. Der indoeuropäischen Ursprache am nächsten, am archaischsten, ist das Litauische, hatte die junge Frau gestern auch gesagt im Lokal. Die Linguisten machen nämlich immer Strukturkurse im Studium, sie am liebsten nur die; frage sie aus Neugier oft nach Vokabeln aus so einem Kurs, sie weiß aber meistens fast keine, während für mich die Vokabeln am wichtigsten sind, die Tun-, Eigenschafts- und Wer-Wörter halt. Sie erzählt aber immer wirklich interessante Sachen, wie was innerlich zusammenhängt, aber ich interessiere mich halt fast nur für die Wörter. Wer was wann wo wie warum getan hat, solche Wörter brauche ich. So schauen halt meine Strukturen aus; will immer wissen, was man tun kann. Die junge Frau sieht das anders. Das irritiert mich oft. Gestern war aber prima, finde ich. Soweit ihr nämlich bekannt, haben die Litauer um 1990 herum uralte Lieder gesungen, in der Folge war Revolution und es gab sowjetische Ultimaten und einen Blutsonntag, an dem viele Litauer verletzt und getötet wurden von den Sowjets und dann wurde Litauen aber sofort freigegeben. Dieses archaische Singen haben wir uns dann gestern vorgestellt. Ohne die Vokabeln. Ging wirklich gut gestern. (Denke nicht daran, mir diesen Pinter zu merken. Weg! Weg! Weg!)

Tag, Monat, Jahr

Der Mann, der sich einbildet, nicht er habe den Unfall verursacht, sondern seine Beifahrerin habe ihm ins Lenkrad gegriffen.

Tag, Monat, Jahr

Für die russischen Zwiebelkuppeln auf den Kirchen gibt’s angeblich keine Erklärung. Manche sagen, es seien Kerzen und Kerzenflammen.

 

Tag, Monat, Jahr

Die Österreicher haben den ersten Luftangriff der Welt durchgeführt und dabei die erste Bombe abgeworfen. Über Venedig eine. Eine Ballon-bombe war das und die Venezianer waren damals fix und fertig dadurch. Ein paar Bomben waren es, genau genommen, und es hat ein paar Wochen gedauert. Die Venezianer ergaben sich, obwohl die Bomben zumeist vom Wind weggetrieben wurden und keinen großen materiellen Schaden anrichteten. Den nicht endenden Terror der Österreicher ertrug die Bevölkerung Venedigs nicht und war am Boden zerstört. Der ständigen Bedrohung ihres Lebens und ihrer Kulturgüter wegen.

Tag, Monat, Jahr

Um das Verhungern abzuschaffen und den Hunger und diese Armut, bräuchte es eine kurze Zeit lang jedes Jahr 300 Milliarden Dollar. Obwohl’s eine Zeit lang jedes Jahr wäre, ist das nicht viel. Denn die USA z. B. geben jedes Jahr mehr für ihr Militär aus als 300 Milliarden, und 300 Milliarden sind außerdem weniger als 1 % des Welteinkommens jedes Jahr. 300 Milliarden sind wirklich nicht viel. 600 Milliarden hat jetzt vor kurzem auch einmal jemand gesagt, dass die Amis für ihre Militärsachen ausgeben!

Tag, Monat, Jahr

Ein Vater ohrfeigt seinen Sohn im Zorn ein paar Mal. Nach jeder Ohrfeige sagt der Sohn, die bekomme der Vater zurück, sobald er selber erwachsen sei.

Tag, Monat, Jahr

Der Vatikan lebt von Aktien, Immobilien, Banken, den Steuern und den Touristen. Die Briefmarken bringen auch viel ein.

Tag, Monat, Jahr

In einer mittelalterlichen Handschrift ein christliches Heldenlied. Das endet in etwa mit Ich kann nicht mehr. Lustig.

Tag, Monat, Jahr

Einer sagt, alle unglücklichen Familien seien jeweils ganz verschieden unglücklich; aber die glücklichen Familien seien alle gleich. Im Glück sind alle gleich, im Unglück ist jeder gegen jeden, heißt das, oder? Jedenfalls sind, meint der, im Unglück die Menschen nie gleich. Gleichheit ist eben Glück, Ungleichheit Unglück.

Tag, Monat, Jahr

In etwa:

Richter: Was ist Ihr erlernter Beruf?

Angeklagter: Übersetzer.

Richter: Von wem haben Sie die Lizenz dazu? Wer hat Ihnen das attestiert?

Woher haben Sie Ihre Aufträge?

Angeklagter: Von niemandem. Wer hat mir aufgetragen, dass ich ein Mensch bin?

Tag, Monat, Jahr

Einer sagt, immer wenn er mit dem Flugzeug fliege, lese er Augustinus. Das tue ihm sehr gut. Ich glaube, der weiß nicht, dass Augustinus immer Atemnot, Erstickungsanfälle und Panikattacken hatte. Und trotzdem funktioniert’s.

Tag, Monat, Jahr

Einer sagt, um einen Kilo Reis zu gewinnen, braucht man zwischen 3.000 und 10.000 Liter Wasser. Das ist nichts für meine Nerven.

Tag, Monat, Jahr

Angeblich muss ein griechischer Haushalt im Jahresdurchschnitt 1.500 Euro Bestechungsgeld zahlen. Kann sein, das ist inzwischen weniger geworden. Aber wahrscheinlich mehr.

Tag, Monat, Jahr

Warum gewinnt immer der Gute? Weil der Gute nicht denken muss. Der braucht nur zu reagieren. Weil er der Gute ist, reagiert er richtig. Und zwar schnell und sofort und rechtzeitig und lang genug tut er das. Spontan eben. Der muss nicht überlegen. Das geht alles von selber bei dem. Der muss sich nicht damit aufhalten, das Böse zu planen. Der Gute reagiert einfach gut. Kann gar nicht anders. Deshalb ist er der Sieger, immer also gewinnt der Gute. Das ist gut zu wissen. Und wie die Guten das machen, zuvorderst. Das wichtigste Wissen überhaupt ist das. Es meinen ja alle Leut’, dass die Guten immer verlieren, zum Beispiel weil die Guten sich ja so viel überlegen müssen, weil ja alles so kompliziert ist. Aber das stimmt eben nicht. Was hingegen wirklich los ist, hat angeblich Niels Bohr entdeckt. Der Quantenphysiker just. Eben dass immer der Gute gewinnt, aus den oben genannten Gründen.

Tag, Monat, Jahr

In den Wildwestfilmen, die Duelle zwischen dem Bösen und dem Guten. Der Gute gewinnt immer. Die Überlegung, dass das deshalb ist, weil er nur zu reagieren braucht, empfinde ich als beachtlich. Wer gut ist, kann von selber richtig und rechtzeitig reagieren, darum geht es. Niels Bohr hat sich das durchexperimentiert, immer wieder. Mit Spielzeugpistolen. Er hat da gegen einen Russen immer gewonnen beim Ziehen: die zwei Atomphysiker: Bohr und der Russe. Bohr war immer schneller. Sehr friedliebend war der aber. Als er die Atombombe mitentwickelt hatte und die fertiggestellt war, wollte er verhindern, dass sie in Verwendung genommen wird. Niemals dürfe das geschehen. Daher hat er gemeinsam mit den meisten anderen Atombombenphysikern und zuvorderst mit Einstein den amerikanischen Präsidenten angefleht, die Bombe nicht abzuwerfen. Tatsächlich hat der Präsident infolge von Bohrs Interventionen vom japanischen Vorhaben bereits abgelassen gehabt. Aber Churchill, Churchill wollte den Abwurf. Bestand darauf. Churchill! Bohr wollte dann in der Folge, dass die Russen sofort auch die Atombombe haben und auf der Stelle alle Forschungsergebnisse und Baupläne ausgehändigt bekommen sollen. Die Amerikaner sollen die den Russen unverzüglich übergeben. Niemand auf der Welt dürfe im atomaren Vorteil sein, sonst sei die Menschheit in kürzester Zeit dem Untergang preisgegeben. Von der friedlichen Atomenergie, die er auch maßgeblich mit entwickelt hat, hielt Bohr genauso wenig. Auf nichts sei Verlass, alles lebensgefährlich. Bohr war ja an die kompliziertesten Dinge gewöhnt und zuvorderst daran, dass alles plötzlich ganz anders sein kann. Das Gute ist ganz einfach, hat er daher aber gesagt. Die unerschöpfliche Existenz und Einfachheit des Guten ist die Grunderkenntnis der Quantenphysik.

Tag, Monat, Jahr

Karl Valentin mochte keine Züge und in der Nacht damit fahren überhaupt nicht und am liebsten wäre er immer auf der Lok mitgefahren, damit der Lokführer ja nichts übersieht. Und am liebsten versäumte er den früher fahrenden Zug und nahm dann stattdessen den nächsten, weil der der sicherere sei, weil der andere ja inzwischen entgleist ist.

Tag, Monat, Jahr

Um die Fragebögen geht’s, die man immer auszufüllen hat. Überhaupt um alle Fragen, glaub’ ich. Ob man wo dazugehört. Z. B. zu einer Partei. In dem Valentinstück, meine ich, in dem der dauernd nur Nein sagt.

Tag, Monat, Jahr

Zenne Renne. Das heißt: Kommt und schaut! Aus dem Hohelied der Liebe ist das, der Titel. Für Kinder und Frauen und zur Erbauung. Verfasst um 1700. Kommt und schaut! würde ich meinen Sozialstaatsroman gerne nennen. Ich würde gerne damit durch die Gegend laufen und das rufen. Und dann kommen die Leute in Scharen da hier zum Sozialstaatsvolksbegehren zum Unterschreiben und es bekommt 5 Millionen Stimmen und die Politiker müssen das dann wirklich sofort so machen rechtzeitig ohne Verzug und den Menschen kann daher das dumme Böse nicht mehr geschehen und das gemeine Leid ist vorbei. Hazilu, hazilu! heißt Zu Hilfe, zu Hilfe! Rettet, rettet! Zenne renne hazilu!

Tag, Monat, Jahr

Die Tannaiten, da steckt Wiederholen drinnen, Lernen eben. Das sind die Gelehrten, die das rabbinische Judentum begründeten. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels. Und die haben eben die Mischna geschaffen. Die Sekundärliteratur, würde unsereiner sagen. So wie der Talmud eine ist. Enzyklopädieartig. Aber wie ein Gesetzeswerk. Mischna heißt auch Wiederholen. Denn es gibt beim Lernen nichts Wichtigeres als das Wiederholen. Und dann später ist als Sekundärliteratur eben zum Beispiel Das Buch des Glanzes verfasst worden. Das soll, ist überliefert, von einem antiken Autor stammen, ist aber in Wirklichkeit aus dem 13. Jahrhundert. Sefer ha-Sohar. Ist kabbalistisch und gleichwertig, aus kabbalistischer Sicht, der Bibel und dem Talmud. Des Weiteren heißt die hebräische Bibel Tanach. Das ist alles, was ich weiß. Wenn mir jetzt wieder einmal jemand vorwirft, dass ich mich so oft wiederhole, erzähle ich dem von den Tannaiten und der Mischna. Nämlich, wie wichtig das Wiederholen ist, weil sonst alles weg ist.

Tag, Monat, Jahr

Angeblich verdoppelt sich in letzter Zeit alle 15 Jahre die Produktionsleistung der Wirtschaft. Was weiß ich, wie die das macht. Weltweit oder so ist das gerechnet. Frage einen Statistiker. Der sagt, das stimmt nicht. Woher ich den Blödsinn habe, will er natürlich wissen. Das ist sehr schade, denn ich hatte geglaubt, ich begriffe jetzt das Wirtschaftswachstum.

Tag, Monat, Jahr

Man sagt, OM sei das Stöhnen einer Frau beim Gebären. (Kali hat die Welt stöhnend geboren.)

Tag, Monat, Jahr

Die Juden, die in den KZs von Deutschen und Österreichern usw. gequält und umgebracht wurden: Die, die am Ende waren, die Leidendsten, die nicht mehr konnten, die Verhungernden, die Hilflosesten, Verlassensten, Kränksten nannte man Muselman. Muslime eben. Also: Warum ist jetzt immer Krieg zwischen jenen und diesen?

Tag, Monat, Jahr

Die Sprache, die Sprache!, sagen die Kulturleut’ durch die Bank, allesamt, sodass ich die Sprache schon gar nicht mehr mag. Karl Kraus 1932: Die Sprache habe die Menschen den Respekt vor jeglichem Lebensgut zu lehren. Der Unerschöpflichkeit des Lebens dienen, so steht das dort, ist mir erinnerlich. Des Weiteren gegen den Tod gut sein, welcher hergestellt wird durch Gewalt und List. Das verstehe ich ja eh alles. Aber wenn die Leut’ die Sprache, die Sprache, nur die Sprache! sagen, wird mir halt immer ganz anders. Das klingt bei denen immer koital und kopulierend, kommt mir vor. Und irgendwie sadomaso. Meistens sowieso, als ob sie es mit Gott treiben. Die besseren Leut’ haben im Falle von öffentlicher Geilheit solcher Art, sprachlicher eben z. B., überhaupt keinen Genierer.

Tag, Monat, Jahr

Als die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg auf Sizilien landeten, sollen sie den Plan verfolgt haben, es von Italien abzutrennen und den USA einzugliedern wie Hawaii. Auch soll es zu einem Bündnis zwischen der Mafia, den Faschisten und dem amerikanischen Geheimdienst dahingehend gekommen sein, den Sozialisten und Kommunisten mit allen Mitteln entgegenzuwirken. Ein Mafioso damals aus der Nähe von Palermo hieß Gerettet. Auf Sizilianisch heißt das Turridu. Als er noch ganz jung war, erschoss er aus geringfügigem Grund einen Gendarmen, der ihn eben wegen Schwarzhandels mit Getreide festnehmen wollte. Und ein zweiter Gendarm schoss ihm da nach und verwundete ihn und er konnte sich aber in einem Wald und in einem Getreidefeld verstecken und ein Bauer brachte ihn zu einem Arzt. Daher wohl der Name. Freilich steckte in diesem auch, dass er selber die Rettung war für viele Leute. Am Ende dann aber wurden 1.500 Gendarmen gegen ihn aufgestellt. Wie er wirklich geendet hat, weiß man jedoch nicht. Vermutlich ist er von anderen Mafiosi sicherheitshalber liquidiert worden. An die 150 Menschen soll er in seinem kurzen Leben umgebracht haben und an die 170 zu ermorden versucht und zirka 50 entführt. Die meisten seiner Verbrechen sollen wie gesagt Teil des politischen Kampfes gegen die italienische Linke gewesen sein. Muss ja nicht stimmen. Wird schon nicht so sein. Wie im Übrigen Hawaii vulkanologisch entstanden ist, hat mir einmal einer wie folgt erklärt: Wie wenn einer auf dem Rücken in einem Fluss treibt, leicht untertaucht, dabei mit einem Strohhalm Luftblasen fabriziert. (Habe ein Gedächtnis wie ein Elefant, der auf dem Rücken in einem Fluss treibt, untertaucht, dabei mit einem Strohhalm Luftblasen fabriziert.)

Tag, Monat, Jahr

Mein Name ist Mori, und ich werde Menschen sterben lassen! Wie aus einem Mafiafilm. War aber wirklich so. Mori stand auf einer Piazza in Sizilien und der Schirokko verwirbelte gerade den Saharasand. Das Verbrechen muss verschwinden, wie dieser Staub verschwindet, den der Wind hinwegfegt! Hat tatsächlich funktioniert. Mori war einer der unerbittlichsten, effizientesten Feinde der Mafia. Mussolini hat ihn dann aber aus seinem Amt in Palermo abberufen, und zwar weil ein der Mafia willfähriger italienischer Prinz im Regierungskabinett des Duce das so wollte. Obwohl sich Mori mit den Faschisten arrangiert hatte und sich dann selber als Faschisten titulierte, erinnerten sich diese stets voll Wut an die für sie demütigende und bedrohliche Zeit zurück, als Mori höchstpersönlich gegen sie vorgegangen war. Damals waren sie ihn losgeworden, indem sie systematisch so lange massenweise an die Mauern seiner Präfektur in Bologna urinierten, bis er endlich von dieser Peinlichkeit wegversetzt wurde. Mori freilich war ein Heimkind und dann zeitlebens in jeder Funktion stur und todesmutig. Es heißt zwar, die Faschisten haben der Mafia den Garaus gemacht und das sei Mussolinis Verdienst und die Bevölkerung sei ihm dankbar gewesen, Mussolini selber unterhielt aber höchstpersönlich – was wenig bekannt ist – die besten Mafiakontakte. Die Mafia teilte mit ihm nämlich das Geld aus dem Rauschgifthandel. Ein Mafiachef hatte ja Amerika verlassen müssen; war offiziell des Landes verwiesen worden. Irgendein politischer Deal war das damals alles in allem gewesen. Konkurrenzkämpfe hatte es auch gegeben. Sein interner Kontrahent war zwar eingesperrt, auf Alcatraz, aber die US-Regierung brauchte den und es übernahm daher tatsächlich die Mafia im Zweiten Weltkrieg im Auftrag der US-Regierung die Sicherung des Hafens von New York gegen mögliche feindliche Angriffe zu und unter Wasser. Und in Italien eben andererseits baute der andere Mafioso, der vertriebene, derweilen den Drogenhandel auf und aus. Der zurückgebliebene Mafioso, der in den USA, in Alcatraz, wurde freigelassen und hat dann auf Kuba sich etwas aufgebaut. Von Kuba aus bearbeitete er aber wieder die USA und das wollten die Regierungsleute jedoch partout nicht. Und so weiter. Es wurden jedenfalls, summa summarum, von der Mafia sowohl Mussolini bedient als auch Roosevelt und Truman. Das US-Militär sowieso immer. Das ist eben die Geschäftswelt, die politische detto. Gewesen, gewesen! Das ist eben ihr Wesen.

 

Tag, Monat, Jahr

Gleich nach dem 11. September 2001 hat Arafat in einer Fernsehansprache gesagt, man werde jetzt in Millionen nach Jerusalem marschieren. Und, wenn es denn sein muss, den Märtyrertod sterben. Aber Jerusalem, Jerusalem werde dadurch die Hauptstadt des palästinensischen Staates sein. Und wem das so nicht passt, der solle das Wasser des Toten Meeres trinken. Darin ersaufen, meinte Arafat. Ertrinken, ertränken, der Unterschied. Es sind ja alles im Leben Übersetzungsfeinheiten. Philologische Probleme eben. Andere gibt es nicht. Gute Dolmetscher sind daher das Wichtigste überhaupt. Damit es ja keine Missverständnisse gibt! Denn die Folgen von Missverständnissen sind oft schrecklich.

Tag, Monat, Jahr

Jede Stunde hat 1.080 Teile und jeder Teil wiederum 76 Augenblicke. (Habe vergessen, wer die Zeit so rechnet. Aber es gibt welche.)

Tag, Monat, Jahr

Erasmus aus Rotterdam gab sich gern als jemand anders aus, als nicht er selber eben. Zum Beispiel als ein von ihm Abgesandter und Beauftragter, der einen Brief übergibt oder etwas ausverhandeln oder im Voraus abklären soll. Erasmus spielte das den Leuten nicht aus Spaß vor, sondern es war eine Vorsichtsmaßnahme. Es ist dann zwar immer viel gelacht worden. Aber das war nicht der Sinn und Zweck.

Tag, Monat, Jahr

Semper patet alia via, das ist von Erasmus. Dass wir in jeder Situation eine Wahl haben. Das ist so, das stimmt, das weiß ich. Und dass, wer keinen Ausweg sieht, dadurch keinen hat. Es gibt immer einen Ausweg, hat Erasmus gesagt.

Tag, Monat, Jahr

Die Leute haben gespottet, man müsste Erasmus einmal wirklich ins Herz schauen. Bislang habe das noch nie jemand vermocht.

Tag, Monat, Jahr

Erasmus trug gerne Ringe. Auf einem schaut sich eine Frau um. Den vermachte er einer Frau.

Tag, Monat, Jahr

Erasmus besaß auch eine goldene Uhr, einen goldenen Löffel und eine kleine goldene Gabel.

Tag, Monat, Jahr

Erasmus sagte von sich, dass er sich niemandem füge, beuge. Lebte stets auf diese Weise. Hatte es sich ja so vorgenommen. Und dass er jeden Tag den Tod erwarte, sagte er. Das insgesamt heißt bei Erasmus eben cedo nulli. Dass er niemandem weicht.

Tag, Monat, Jahr

Mein liebes, zartes Körperchen, sagte Erasmus zu sich, wenn es ihm nicht gut ging. Und zu den Ärzten sagte er, es sei ihre Pflicht und Arbeit, den vielen Dreck wegzufressen, der die Menschen so krank macht.

Tag, Monat, Jahr

Die Regierung jetzt, die so viel kaputt macht. Ohne Gegenwehr alles. Die diversen Regierenden jetzt da hier wären aber bei jeder öffentlichen Gelegenheit zu fragen, was sie so kaputt gemacht hat, dass sie jetzt alles kaputt machen müssen da hier. Einfach nur: Warum machen Sie das? Oder eben: Was ist das in Ihnen? Oder am besten: Wie kaputt sind Sie?

Tag, Monat, Jahr

Von der Natur jegliches Bauen jetzt lernen. Beton z. B., der wie die Knochen ist. So belastbar und zugleich im Inneren die vielen Höhlen und Kammern. Das dämmt die Wärme gut, wenn der Beton so ist. Und Gebäude, die Muskeln haben und daher Erdbeben aushalten und Schneekatastrophen. Und Häuser aus Zellkulturen und aus Bakterien und Pilzen. Oder aus Tüchern, die man faltet. Wirklich, solche Sachen werden erprobt.

Tag, Monat, Jahr

14 Familien seien es nur, hat Bischof Romero gesagt, und dann war er tot.

Tag, Monat, Jahr

Es ist nicht wahr, dass die Flüchtlingslager viel Geld kosten. Strohhalme gegen Seuchen, ein Filtersystem ist das, mit dem man um 3 € 700 Liter Trinkwasser herstellt. Das ist der Jahresbedarf eines Menschen. Betonzelte, die man aufpumpt; in einem 230-Kilo-Sack befindet sich ein Kunststoff, der ist mit Zement imprägniert und darauf wird Wasser gegossen und aufgepumpt eben wird das Ganze eine Dreiviertelstunde lang und muss dann einen halben Tag trocknen und dann kann man rein in die Behausung, 16 m2. Zum Essen Erdnusspaste, die hat den höchsten Nährwert in kleinen Mengen. Die Stromversorgung für Licht, Kochen und Heizen erfolgt über Sonnenenergie. Handcomputer helfen beim Übersetzen, den Ärzten z. B. und den anderen Helfern, damit diese die Flüchtlinge möglichst gut verstehen. Und unterrichtet werden die Kinder und die Erwachsenen, alle Generationen eben. Das sind gute und billige Lager. Errichtet werden aber stattdessen die furchtbaren, durch welche die Flüchtlinge zu Geld und krank und tot gemacht werden. Dafür zahlt die EU den EU-Staaten.

Tag, Monat, Jahr

Die EU ist eigentlich von einem französischen Unternehmer ausgedacht worden. Um die Kohle und den Stahl ist es da gegangen. Jean Monnet hieß der Mann. Ein Mann ohne Arme hat mir einmal ein Buch über ihn geschenkt oder von ihm. Habe es nie angerührt bis auf heute. Man hat Monnet dazumal für ein Genie gehalten, macht man immer noch so. Aber zitiert ihn nie und beruft sich auch nicht auf ihn. In den Medien halt bei den öffentlichen Auftritten von denen allen kommt der nicht vor. Jean Monnet. Ich werd’ das Buch nicht lesen. Keine Zeit.

Tag, Monat, Jahr

Eine, der ich von den Lagern erzähle, wie die sein könnten, sagt, Sonnenkollektoren funktionieren am besten, wenn sie wie Sonnenblumenkerne angeordnet werden und wie Blütenblätter ausschauen. (Bionik alles.)

Tag, Monat, Jahr

Die nackte Wahrheit, von Horaz ist das Wort. Sein Schlafzimmer soll voller Spiegel gewesen sein. Des sexuellen Gewinnes wegen, heißt es. Das glaube ich aber nicht. Es war der Wahrheit wegen.

Tag, Monat, Jahr

Einer sagt: Ich fühle nichts. Ich bin völlig leer im Kopf. Wo bin ich, wie komme ich hierher. Und dann, dass er hätte tot sein können. Und dass er jetzt da hier völlig isoliert sei und das sei schrecklich für ihn. Und dass er das Gefühl habe, nie und nirgends sicher zu sein, und verlassen könne er sich auch auf niemanden. Ich habe niemanden, sagt er.

Tag, Monat, Jahr

NE MUTLU TÜRKÜM DIYENE. Das ist mein ganzes Türkisch. Falls es überhaupt richtiges Türkisch ist. Mein ganzes Arabisch ist AL-ISLAM AL-HALL. Es kommt immer darauf an, zu wem man solche Sachen sagt. Die einen mögen einen dafür. Für die anderen ist man ein Problem. ENGHELAB! Das kann ich auch noch, ist persisch. ENGHELAB-E ESLAMI! Und PESCHMERGA ist kurdisch, bedeutet dem Tod in die Augen schauen. Dass mein beschränkter Wortschatz der Völkerverständigung dient, bin ich mir zwar gewiss, es kommt aber immer auf die Situation und die Leute an. Man kann nicht jedem alles sagen.