Tarzans Tiere

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Tarzan erhob sich und bedeutete dem Schwarzen, das gleiche zu tun. Der Schwarze war ein wohlgebauter stattlicher Mann in voller Kraft, äußerlich so recht das Gegenstück zu der glänzenden Erscheinung des Weißen vor ihm.

Komm mit, sagte der Affenmensch. Er schlug die Richtung ein, aus der das Knurren und Schreien zu hören war. Mugambi fuhr zurück ...

Sie werden uns zerreißen, sagte er.

Das denke ich nicht, erwiderte Tarzan. Die Tiere gehören mir ...

Noch immer zögerte der Schwarze in der Vorstellung des Entsetzens, das ihn erwarten mußte, wenn er sich in die Reichweite jener schrecklichen Bestien begäbe. Aber Tarzan zwang ihn zum Mitgehen, und bald hatten sie vom Dschungelsaum aus das ganze Schauspiel am Meeresstrande vor sich. Erst begrüßten die Tiere die beiden mit drohendem Geknurr, doch Tarzan ging unerschrocken an sie heran, den zitternden Wagambihäuptling nach sich zerrend.

Wie er die Affen mit Sheeta versöhnt hatte, so sollten sie auch Mugambi in ihre Reihen aufnehmen. Er brachte ihnen das viel leichter bei. Nur Sheeta schien absolut nicht begreifen zu können, daß man ihn herbeigerufen hatte, um Mugambis Krieger zu zerfleischen, und daß es jetzt nicht erlaubt sein sollte, mit Mugambi auf gleiche Weise kurzen Prozeß zu machen. Er war jedoch gerade satt und begnügte sich damit, den vor Entsetzen an die Stelle gebannten Wilden zu umkreisen. Sein tiefes, drohendes Geknurr und die funkelnden, fast enttäuschten Augen, die kaum einen Moment von dem Schwarzen abließen, sagten aber genug.

Als Mugambi dann sah, wie der Riesenmensch mit bloßer Hand dem wütenden und unbarmherzigsten Dschungeltier einen Schlag versetzte, traten ihm seine Augen förmlich aus den Höhlen, und das Mißtrauen, das er bisher diesem starken weißen Manne im stillen entgegengebracht hatte, wandelte sich in fast göttliche Verehrung.

Die Dressur Sheetas machte so gute Fortschritte, daß Mugambi ihm bald nicht mehr zu den Geschöpfen zu gehören schien, die ihm zur Befriedigung seines Hungers bestimmt waren. Auch der Schwarze fühlte sich jetzt in seiner Gesellschaft ein wenig sicherer.

Daß Mugambi freilich in dieser neuen Umgebung sich besonders wohl gefühlt hätte, davon konnte nicht die Rede sein. So oft nur das eine oder andere von diesen wilden Tieren Anstalten machte, ihn etwas näher zu betrachten, ließ er seine Augen angsterfüllt in der Runde herumwandern, so daß man fast immer nur das Weiße in ihnen sah.

Und jedesmal, wenn Tarzan mit Mugambi, Sheeta und Akut einem Hirsche auflauerten und die vier sich gemeinsam auf den Wink des Affenmenschen über das zu Tode gehetzte Wild hermachten, meinte der Schwarze wieder, das arme Opfer sei nur vor lauter Schreck tot zusammengebrochen, noch ehe eine der großen Bestien zugepackt hatte.

Mugambi röstete sich das Beutefleisch unter offenem Feuer, während Tarzan, Sheeta und Akut mit ihrem scharfen Gebiß über die rohen Stücke herfielen und sich gehörig anknurrten, wenn einer den Anteil des anderen zu schmälern suchte.

Es darf nach alledem auch nicht Wunder nehmen, daß in dem ganzen Verhalten des weißen Mannes weit mehr Gemeinsames mit den Raubtiernaturen als mit dem wilden schwarzen Krieger zutage trat. Wir alle zusammen stehen ja unter der Macht der Gewohnheit: und würde der scheinbare Zwang, der uns zu immer veränderten Bahnen und Formen treibt, einmal nicht mehr in uns wohnen, so würden wir naturnotwendig und leicht in Sitten und Gebräuche zurückfallen, die früheres Herkommen und frühere lange Gewohnheit uns gleichsam wie einen untilgbaren Stempel aufgedrückt haben. Mugambi hatte von Kind auf kein Stückchen rohes Fleisch über die Zähne gebracht, während Tarzan jede irgendwie zubereitete Nahrung bis fast zum Eintritt ins Mannesalter nicht angerührt hatte. Erst in den letzten Jahren hatte er gekochtes oder gebratenes Fleisch zu sich nehmen müssen. Jetzt aber hatte ihn nicht allein die Gewohnheit seiner früheren Lebenszeit zum Genuß rohen Fleisches getrieben, nein, eine richtige heiße Gier danach war über ihn gekommen. Fleisch, irgendwie zubereitet, war für ihn soviel wie verdorbenes Fleisch, nicht zu vergleichen mit der warmen, saftigen Fülle, die ihm aus dem Fleische einer eben erlegten Beute entgegendampfte.

Daß ihm rohes Fleisch schmeckte, das er noch vor Wochen einfach verscharrt hätte, und daß er sogar kleine Nagetiere und Kerbtiere mit Behagen verzehrte, ist gewiß für uns, die wir immer als »zivilisierte Menschen« gelebt haben, so etwas wie eine Revolution des Geschmackes. Hätten wir aber als Kinder gelernt derlei zu essen und es überall in unserer Umgebung nicht anders gesehen, so würde diese Kost uns zum mindesten nicht schlechter bekommen sein als viele unserer feinsten Leckerbissen, über die ein Wilder in Afrika die Nase rümpft.

Unweit vom Rudolf-See lebt z. B. ein Stamm, der im Gegensatz zu seiner nächsten Nachbarschaft Hammel- und Rindfleisch gar nicht anrührt. Und nicht weit von dort ergötzt sich wieder ein anderer Stamm besonders gern an Eselfleisch; man stellt mit diesem sonst allgemein dort verachteten Brauche geradezu die Anschauungen aller anderen auf den Kopf. Wer möchte also nun behaupten, daß Schnecken, Froschschenkel oder rohe Austern weniger ekelerregend sind als Kerbtiere, oder daß der Appetit auf rohe Austern etwas Normales, der Genuß einer sauberen blutwarmen Hirschkeule etwas Ungeheuerliches sei?

In den nächsten Tagen webte sich Tarzan aus allerlei Pflanzenfasern des Waldes ein Segel für das Boot, denn er hatte wenig Hoffnung, den Affen das Rudern beizubringen. Zwar war es ihm gelungen, einige wenigstens zum Besteigen des Bootes zu bewegen und dann mit Mugambi in der durch Riffe und Klippen fast abgeschlossenen und ruhigen Bucht ein paar kleine Probefahrten zu veranstalten. Als sie dann ihm und Mugambi die Ruderbewegungen mit den Armen nachmachten, gab er ihnen die Ruder in die Hand. Doch scheiterte alles an der mangelnden Ausdauer der Neulinge, man hätte es schon auf eine wochenlange Geduldsprobe ankommen lassen müssen, um sie mit dem neuen Gerät vertraut zu machen. Und dabei war es noch fraglich, ob sie dann im Ernstfalle überhaupt mitgemacht und auf die Dauer durchgehalten hätten.

Nur Akut bildete eine rühmliche Ausnahme. Seine Intelligenz entpuppte sich auch hier als der seiner Stammesgenossen völlig überlegen, ja er legte von Anfang an ein verblüffendes Interesse für diesen neuen »Sport« an den Tag. Er schien den Sinn des Ganzen sogleich zu erfassen, und als Tarzan dies merkte, scheute er die Mühe nicht, ihn über den vorteilhaftesten Gebrauch der Ruder aufzuklären, wiewohl in der so unentwickelten Menschenaffensprache die passenden Worte schlecht zu finden waren.

Von Mugambi erfuhr Tarzan, daß das Festland gar nicht weit von dieser Insel entfernt sei. Die Wagambi-Krieger waren durch Sturm vom Land her und infolge hohen Seegangs abgetrieben worden. Sie waren die ganze Nacht gerudert, in der Meinung, das Boot halte den Kurs auf ihr Heimatgestade. Mit Freudengeschrei hatten sie dann bei Sonnenaufgang das Land begrüßt, in dem sie ihr Ziel, das Festland, vermuteten. Erst allmählich sei ihnen klar geworden, daß sie auf eine Insel verschlagen worden seien. Sie hatten aber noch nicht den Mut gehabt, sich abermals dem wilden Meere anzuvertrauen.

Dem Segel traute der Wagambihäuptling gar nicht recht, denn er hatte noch nie etwas Derartiges gesehen. Sein Land lag der Beschreibung nach ziemlich weit oberhalb der Mündung des breiten Ugambi-Stromes, auf dessen Fluten er sich als erster seines Volkes bis zum Meere vorgewagt hatte.

Tarzan war gleichwohl fest überzeugt, mit guter Westbrise auch in dem kleinen Boot das Festland zu erreichen. Schließlich schien es ihm besser, unterwegs zugrundezugehen als ewig auf dieser Insel bleiben zu müssen. Hier konnte man mit der Landung eines Schiffes überhaupt nicht rechnen, denn sicher war die Insel nicht einmal auf irgendeiner Karte eingezeichnet. Bei dem ersten günstigen Wind machte er das Kanu flott. Noch niemals aber war ein Boot mit solch eigenartigen und schreckengebietenden Insassen unter Segel gegangen: Der wilde »Kapitän« nahm Mugambi, Akut, Sheeta, den Leoparden, und ein Dutzend riesiger Affenmänner vom Stamme Akuts mit sich!

Tarzans furchterregender Tiertrupp

Langsam bewegte sich das schwerbelastete Boot auf die Brandung zu, die zwischen den Felsriffen den Weg nach der offenen See versperrte. Der Westwind kam in der Nähe des Landes noch nicht voll zur Geltung, und so mußten Tarzan, Mugambi und Akut kräftig in die Ruder greifen.

Sheeta schmiegte sich an Tarzans Füße, und es war dem Affenmenschen auch am liebsten, das gefährliche Tier so von den anderen Insassen möglichst fernzuhalten, denn gerade jetzt hätte die geringste Neckerei genügt, um Sheetas reißende Pranken sofort in Bewegung zu sehen. Tarzan selbst fühlte sich völlig sicher, da Sheeta zu ihm immer wie ein Hund zu seinem Herrn aufblickte.

Am Heck saß Mugambi und ihm gegenüber Akut; zwischen diesem und Tarzan hockten die zwölf haarigen Affen; sie blickten mißtrauisch drein und wünschten sich sicher mehr als einmal an ihren sicheren Strand zurück.

Alles ging gut, bis man über die schützenden Klippen hinaus war. Der Wind spannte das Segel, und das Boot, das kaum für solche Fahrt geeignet schien, wurde von den Wogen, die sich immer höher und höher türmten, je weiter man sich vom Lande entfernte, heftig hin und her geworfen.

Die erste schlingernde Bewegung des Bootes war das Zeichen zur Panik, von angsterfüllten Gebärden gesteigert bis zu wildem Kreischen und verzweifeltem Gewimmer. Akut gelang es mit großer Mühe, seine Stammesgenossen für einige Zeit zu beruhigen. Aber als nach einem heftigen Windstoß eine riesige Welle über das Boot hereinzustürzen drohte, da waren alle Bande gelöst: Sie sprangen von ihren Sitzen auf und wären beinahe alle elend ertrunken, ohne daß Akut und Tarzan hätten helfen können. Schließlich brachte man sie aber doch wieder zur Ruhe, und es schien, als hätten sie sich nun auch an das Schaukeln und Schwanken des Bootes gewöhnt, denn eine neue Panik blieb aus.

 

Es kam auch sonst nichts Besonderes vor, der Wind hielt an, und nach zehnstündiger Fahrt konnten die scharfen Augen des Affenmenschen die ersten schwachen Umrisse der Küste erkennen. Ob sie sich gerade der Mündung des Ugambi näherten oder nicht, das ließ sich jetzt in der Dunkelheit nicht feststellen. Tarzan steuerte also durch die Brandung auf die nächstgelegene Landzunge zu. Dort wollte er bis zum Morgen abwarten.

Das Boot fuhr jedoch mit dem Bug auf den Sand der vorgelagerten Untiefe auf, wurde von einer mächtigen Woge an der Breitseite gefaßt und kenterte. Alle Insassen lagen natürlich im gleichen Augenblick im flachen Wasser und suchten in wirrem Durcheinander das rettende Ufer zu erreichen, was auch gelang. Die nächste Sturzwelle brandete über das Boot und hätte es um ein Haar ins Meer zurückgerissen.

Die nassen Affen froren und verbrachten dicht aneinandergekauert den Rest der Nacht. Später krochen sie an Mugambis Lagerfeuer. Da war es doch noch wärmer. Tarzan und Sheeta fürchteten die Dschungel nicht, mochte sie auch noch so sehr in Nacht getaucht sein: Ihr Magen meldete sich schon lange, und so machten sie sich sofort auf die Jagd, mitten hinein in den stockdunklen Wald, der sich vor ihnen breitete.

Wo es möglich war, gingen sie nebeneinander, sonst auch im »Gänsemarsch«, bald der eine, bald der andere voran. Tarzan witterte endlich einen Büffel, und bald hatten sie sich auch an ihr im dichtesten Dschungelgestrüpp schlafendes Opfer herangeschlichen. Ein Fluß war ganz in der Nähe.

Näher und immer näher krochen sie an das ahnungslose Tier, Sheeta von rechts und Tarzan von der anderen Seite, damit er es möglichst gleich mit dem ersten Messerstich ins Herz treffen konnte. Nur durch ganz leises Knurren und Brummen brauchten sich die beiden jetzt miteinander zu verständigen; es ging alles so vor sich, als kenne einer des anderen nächste Bewegung im voraus; wie oft hatten sie in letzter Zeit auch miteinander gejagt.

Einen Augenblick lagen sie noch ganz ruhig im Hinterhalt. Dann sprang Sheeta auf einen leisen Wink des Affenmenschen dem riesigen Büffel auf den Rücken und grub ihm seine Zähne tief in den Nacken. Von Schmerz und Wut gepeitscht, sprang das Tier vom Lager auf, gerade als Tarzan ihm mit ein paar blitzschnellen Messerstichen mehrere tiefe Wunden beigebracht hatte.

Noch konnte der Affenmensch die dicken Haarbüschel seines Opfers packen, da raste es auch schon los, den starken, festgeklammerten Gegner halb mit sich fortschleifend. Auch Sheeta ließ nicht locker: Er verlor keinen Augenblick sein Gleichgewicht auf dem hohen Nackensitz, und immer mehr wühlte sich sein Gebiß dem Rückgrat des Büffels entgegen.

Ungefähr zweihundert Meter trug das Tier unter peinvollem Brüllen seine Doppellast: Da traf ihn der Steindolch tief ins Herz und mit einem letzten schon halb ersterbenden Gebrüll stürzte er kopfüber zu Boden. Nun gab's für Tarzan und Sheeta ein überreiches Mahl. –

Gesättigt zogen sich beide zur Ruhe ins Dickicht zurück: Tarzan schlief, seinen Kopf mit dem dunklen schönen Haar auf Sheetas seidenweiches Fell gebettet.

Kurz nach Tagesanbruch erwachten sie zu neuem Schmausen und kehrten dann zu dem Lagerplatz der anderen an den Strand zurück, um sie zu den Überresten der nächtlichen Beute zu führen.

Man ließ es sich allseits gut schmecken und hockte hernach schlafend beisammen. Tarzan und Mugambi wollten jedoch unterdessen auf jeden Fall den Ugambi-Fluß ausfindig machen. Sie waren auch kaum ein paar hundert Meter vorgedrungen, als sie plötzlich einen breiten Strom gewahrten, in dem der Neger sofort dieselbe Wasserstraße wiedererkannte, die ihn und seine Krieger zu jener unglückseligen Erkundungsfahrt getragen hatte.

Die beiden folgten dem Wasser bis zu seiner Mündung ins Meer. Es stellte sich heraus, daß ihr erster Landungsplatz kaum eine Meile davon entfernt war.

Tarzans Stimmung war wie umgewandelt: Sicher mußte er im Bereiche dieses mächtigen Stromes auf Eingeborene stoßen, ja vielleicht konnte er sogar irgendetwas über Rokoff oder sein Kind in Erfahrung bringen. Denn Rokoff würde sich ja, nachdem er Tarzan auf der Insel seinem Schicksal überlassen hatte, so schnell als irgend möglich das Kind vom Halse geschafft haben.

Er brachte also sofort mit Mugambis Hilfe das Boot zu Wasser – keine Kleinigkeit bei der hohen Brandung, die unablässig in unverminderter Stärke gegen den Strand heranschoß. Doch man rang sich durch und hielt dann gleich auf die Ugambimündung zu, ohne sich erst allzuweit von der Küste abtreiben zu lassen.

Ein neues Hindernis tauchte auf: Es galt die wild aufeinanderprallenden Strömungen von Strom und stetig anrollender See zu durchqueren, was ihnen auch unter geschickter Benutzung der Wasserwirbel in der Nähe des Ufers gelang. Die Dunkelheit brach schon herein, als sie unweit der Schlafstätte ihrer Genossen landeten.

Das Boot wurde an einem überhängenden Ast festgebunden, und dann ging es in die Dschungel, wo sie bald einigen ihrer Affen begegneten, die sich an Früchten gütlich taten; der Büffel mußte nicht weit davon liegen.

Von Sheeta war nichts zu sehen, er kam auch die ganze Nacht nicht zurück. Tarzan dachte sich gleich, daß der Leopard auf die Suche nach Artgenossen war.

Früh am nächsten Morgen führte der Affenmensch seine ganze Horde an den Strom; schrille Rufe jagte er über die Dschungel, als er dem seltsamen Gefolge voranschritt. Gleich darauf vernahm er schon eine schwache Antwort, von weit, weit her schien sie zu kommen. Nach einer halben Stunde tauchte mit einem Male Sheetas geschmeidiger Leib aus der Dschungel auf, gerade als die anderen ziemlich unsicher in das leicht auf den Wellen schaukelnde Kanu kletterten.

Das große Raubtier schmiegte sich mit wohlig gekrümmtem Rücken und unter zufriedenem Schnurren wie ein Kätzchen an den Affenmenschen. Auf einen Wink seines Herrn sprang es behend an seinen alten Platz ins Boot.

Endlich waren alle Insassen verstaut. Zwei Affen fehlten indessen, doch verhallten Tarzans und Akuts Rufe ohne jede Antwort. Nach einer ganzen Stunde vergeblichen Wartens setzte sich das Boot endlich in Fahrt. Tarzan war überzeugt, daß die beiden sich absichtlich gedrückt hatten, zumal sie sich schon drüben auf der Insel am meisten gegen die Beteiligung an der Fahrt sträubten und von den Schrecken und Ängsten der Seereise am meisten mitgenommen worden waren.

*

Als man gegen Abend an Land ging, um die nötige Nahrung auszutreiben, hatte ein nackter Wilder für ein paar Minuten aus dem dichten Ufergebüsch den seltsamen Ankömmlingen zugeschaut. Noch ehe ihn jemand vom Boot aus entdeckt haben konnte, hatte er sich stromaufwärts aus dem Staube gemacht.

Wie ein gehetztes Wild folgte er seinem schmalen Pfad und zitternd vor Erregung über das, was er gesehen, stürzte er zu den Seinen, deren Dorf nur einige Meilen von dem neuen Landungs- und Jagdplatz der Tarzan-Horde entfernt war.

Es kommt wieder ein Weißer, schrie er sofort dem Häuptling zu, der vor dem Eingang zu seiner Rundhütte hockte. Wieder ein Weißer und mit ihm viele, viele Krieger. Sie kommen in einem großen Boot, sie werden morden und plündern wie der mit dem schwarzen Bart, der neulich erst über uns herfiel.

Kaviri stand auf. Er hatte noch unter einem bösen Denkzettel des Weißen zu leiden und sein wildes Herz schlug sofort Flammen.

Trommelwirbel hallte durch das Dorf, zu den Jägern in die Wälder und zu den Frauen auf den Feldern. Alarm!

Bemalte und mit Federn geschmückte Krieger füllten bald darauf sieben stattliche Boote, lange Speere starrten über die Fluten, es ging zum Kampf.

Fast lautlos glitten die Boote dahin, die Ruder geführt von starken Armen prächtiger ebenholzschwarzer Gesellen.

Kein Tamtam, kein Hornruf. Denn Kaviri war ein kluger Kämpfer, nichts sollte den großen Plan zerstören. Wie ein Dieb in der Nacht wollte er mit seinen sieben Booten über den weißen Mann hereinbrechen, und, noch ehe der Weiße mit seinen unheimlichen »Feuerspritzen« die Reihen der Schwarzen gelichtet haben konnte, mußte er der Übermacht bereits unterlegen sein.

Kaviris Boot war an der Spitze. In einer scharfen Biegung des Stromes wurde es plötzlich von der wilden Strömung gefaßt und noch ehe man sich recht versah, war man auf den verhaßten Feind gestoßen.

Den weißen Mann im Bug des entgegenkommenden Bootes sehen und der Zusammenstoß, das war eins. Seine Krieger sprangen auf, Geschrei gellte über die Fluten, und ein Hagel von langen Speeren überschüttete die Insassen des feindlichen Bootes.

Doch schon im nächsten Augenblick hätte Kaviri alles, was er an Perlen und Schmuck und sonst noch besaß, darangegeben, wenn er sicher in seinem Dorfe fern vom Schuß hätte sitzen können. Was war das für eine furchtbare Meute da drüben? Gleich nach dem Zusammenprall der Boote war Akuts wilde Affenhorde unter lautem Gebrüll emporgeschnellt und hatte mit weit ausgestreckten zottigen Armen Kaviris Kriegern die drohenden Speere aus den Händen gerissen.

Entsetzen packte die Schar der Schwarzen, doch blieb kein anderer Ausweg als Kampf bis zum Äußersten.

Die anderen Boote nahten, alles brannte darauf, den Feind zu vernichten, denn sie vermuteten nur einen Weißen und seine Träger.

Sie umzingelten Tarzans Boot – – Doch als sie die wahre Natur des Feindes erkannten, wendeten sie rasch ihre Boote und suchten das andere Ufer zu gewinnen. Die Insassen eines Bootes hatten jedoch anscheinend nicht erkannt, daß man es statt mit Menschen mit Raubtieren zu tun bekommen würde: Sie drehten bei. Nur ein unmerklicher Laut von Tarzans Lippen, und Sheeta und Akut sprangen mit markerschütterndem Gebrüll hinüber. Der Irrtum war nicht mehr gut zu machen: Der Leopard räumte fürchterlich unter ihnen auf und Akut nicht minder.

Kaviri hatte selbst mit den in sein Boot eingedrungenen Tierriesen genug zu tun und konnte seinen Leuten keinerlei Hilfe bringen: Ein riesenhafter, fast dämonischer Weißer hatte ihm, dem mächtigen Kaviri, wie einem neugeborenen Kind den Speer aus der Hand gerissen, und nun mußte er gar noch sehen, wie die zottigen Ungeheuer mit seinen tapfer kämpfenden Kriegern fertig wurden.

Kaviri wehrte sich mit allen Kräften, denn er fühlte, daß es hier auf Tod und Leben ging: Sie sollten es teuer erkaufen! Doch nur zu bald mußte er begreifen, daß auch seine äußersten Anstrengungen in Nichts zerrannen angesichts der übermenschlichen Muskelgewalt und katzenartigen Behendigkeit jener unheimlichen Kreatur, die ihn auf die Sohle des Bootes niederzwang.

Mit einem rasenden Wirbel in Kaviris Kopfe begann es, ringsum schien sich alles in unbegreiflichem Durcheinander zu drehen, es wurde ihm schwarz vor den Augen, in qualvollen Krümmungen rang er nach Atem, und es schien, als müßte er für immer erledigt sein. Ohnmächtig rollte er zu Boden ... Als er seine Augen zum ersten Male wieder ausschlug, flackerte ein Ausdruck höchsten Erstaunens über sein Antlitz. Also nicht tot? dachte er. Wie er gleich bemerkte, hatte man ihn auf dem Boden seines eigenen Kampfbootes festgebunden. Ein großer Leopard in hockender Stellung starrte zu ihm nieder.

Kaviri schloß vor Entsetzen die Augen; in der nächsten Sekunde schon würde dies grimmige Tier über ihn herstürzen und so wenigstens dieser qualvollen Schreckensfahrt ein Ende machen.

Und als sich die scharfen Krallen und Zähne des Raubtieres nun doch nicht erlösend in seinen todbereiten zitternden Leib eingruben, wagte er zögernd, noch einmal die Augen zu öffnen.

Neben dem Leoparden kauerte jetzt der weiße Riese, der ihn vorhin gepackt hatte. Er hielt ein Ruder in seiner starken Hand. Hinter ihm saßen einige Krieger Kaviris. Sie mußten sich ordentlich ins Zeug legen, um das schwerbeladene Boot voranzubringen. Außerdem hockte am Boden noch eine Reihe zottiger Affen.

Als Tarzan bemerkte, daß der Häuptling wieder bei Bewußtsein war, sprach er ihn sofort an:

Deine Krieger erzählen mir, du seiest der Häuptling eines großen Stammes. Du heißt Kaviri?

Ja, erwiderte der Schwarze

Warum hast du uns angegriffen? Ich kam als Freund und in Frieden.

Vor drei Monaten war es, da kaum auch ein weißer Mann »in friedlicher Absicht«. Und kaum hatten wir ihn mit einer Ziege, mit Früchten und Milch beschenkt, als er mit seinen Feuerbüchsen schrecklich unter meinem Stamm aufräumte. Nicht genug damit, schleppte er auch noch alle unsere Ziegen und viele junge Männer und Weiber mit fort.

 

Ich bin nicht wie dieser andere, entgegnete Tarzan. Hättest du uns nicht überfallen, wäre euch kein Haar gekrümmt worden. Nun beschreibe mir, wie jener ruchlose Weiße aussah. Ich suche nach einem, der mir Böses getan hat. Vielleicht ist es derselbe.

Er hatte ein finsteres Gesicht mit einem großen schwarzen Bart und er war ein Schuft, – ja ein ganz durchtriebener Schurke!

Hatte er ein kleines weißes Kind bei sich? fragte Tarzan weiter.

Der Herzschlag schien ihm bei dieser bangen Frage zu stocken. Was würde der Schwarze jetzt antworten?

Nein, Bwana, erwiderte Kaviri, das weiße Kind war nicht bei diesem Mann –, es kam mit den anderen – ...

Den anderen? Welchen anderen? schrie Tarzan ihn an.

Mit denen, die der Schurke verfolgte. Das waren ein weißer Mann, eine Frau mit dem Kinde und sechs Mosula als Träger.

Sie zogen stromaufwärts, etwa drei Tage, bevor jener weiße Schuft erschien. Ich glaube, er verfolgte sie.

Ein weißer Mann, eine Frau, ein Kind? Tarzan zerbrach sich förmlich den Kopf. Das Kind, das mußte der kleine Jack sein. Aber die Frau – und der Mann? Sollte sich einer von Rokoffs Handlangern mit irgendeinem Weibe, das doch den Russen auf seiner Fahrt übers Meer begleitet haben mußte, zusammengetan haben, um das Kind Rokoffs Rache zu entziehen?

Lagen die Dinge so, dann kam das Kind wohl wieder in zivilisierte Länder. Man forderte dann den Lohn für die Rettung oder man würde den Kleinen bei sich behalten, bis das Lösegeld irgend woher aufgetrieben war.

Nun hatte Rokoff sie aber offenbar weit ins Land hinein vor sich hergejagt. Tarzan war überzeugt, daß er sie irgendwo im Bereiche des großen wilden Stromes noch einholen könnte, es sei denn ... – und das kam ihm wahrscheinlicher vor – die Kannibalen weiter oben am Ugambi würden die Flüchtenden gefangen und gemordet haben. Dieses Ergebnis entsprach dann auch ganz Rokoffs Wünschen.

Während der Unterhaltung mit Kaviri schossen die Boote schnell durch die Fluten dahin, dem Heimatdorf der Schwarzen entgegen. Die überlebenden Krieger Kaviris füllten drei Boote. Ab und zu nur wagte man von dort ein paar angsterfüllte Seitenblicke nach dem führenden Boot mit seinen unheimlichen Insassen: Akut und dessen im Kampfe auf acht Affen zusammengeschmolzene Horde, Sheeta, der Leopard, Tarzan und Mugambi. Nie im Leben war man solch furchtbarer Schar begegnet, ja man rechnete jeden Augenblick damit, daß ein paar von diesen Ungeheuern sich herüberstürzten und alles in Fetzen rissen. Und in der Tat konnten Tarzan, Mugambi und Akut die brummenden und knurrenden Tiere kaum soweit bändigen, daß nicht der eine oder andere plötzlich nach den nackten glänzenden Leibern in den Nachbarbooten mit langem Arm ausschlug.

Überdies waren die Tiere durch die ihnen unangenehmen Ruderbewegungen und die allzu offensichtliche Angst der Schwarzen an sich schon besonders gereizt.

Man wollte die Fahrt nur kurz unterbrechen, um in Kaviris Dorf die von den Schwarzen herbeizuschaffenden Nahrungsmittel einzunehmen. Außerdem sollte der Häuptling etwa ein Dutzend Männer zum Rudern des Tarzan-Bootes bestimmen. Kaviri war heilfroh, daß der Affenmensch anscheinend sich mit der Erfüllung dieses einen Wunsches begnügen wollte. Je schneller er also zum Ziele kam, um so eher mußte er diese furchtbare Gesellschaft los werden. Doch sein Versprechen war leichter gemacht als erfüllt! Kaum hatten nämlich seine Leute beim Landen erfaßt, um was es sich handelte, da waren sie auch schon alle wie weggeblasen: Wer sich nicht gleich gedrückt hatte, machte sich mit einer geradezu erstaunlichen Fixigkeit in der Richtung der Dschungel aus dem Staube! Und als Kaviri die Begleiter Tarzans endlich aussuchen wollte, sah er sich von allen seinen Stammesgenossen verlassen. Das ganze Dorf war leer.

Tarzan konnte sich eines belustigten Lächelns nicht erwehren. Man scheint hier etwas Angst zu haben, uns zu begleiten, sagte er spottend. Bleib' aber ruhig hier, Kaviri. Du sollst sehen, deine Leute werden bald in Scharen herbeiströmen!

Der Affenmensch rief seine Horde heran, befahl Mugambi, mit Kaviri im Dorfe zurückzubleiben, und machte sich mit Sheeta und den Affen auf den Weg in die nahe Dschungel.

Eine halbe Stunde verging, und nur all die Geräusche, die tagaus, tagein gleichsam als Zeugen der üppigen Lebensfülle aus den wilden Wäldern ringsum herüberhallten, brachen die ungewöhnliche Stille, die jetzt über dem Dorfe lag. Ja es schien, als würde die Einsamkeit der Zurückgebliebenen eben dadurch nur noch gesteigert. Mugambi und Kaviri harrten also gespannt der Dinge, die da kommen sollten ...

Mit einem Male drang ein furchtbarer, gewaltiger Schrei an ihr Ohr. Mugambi erkannte trotz der immerhin weiten Entfernung, daß der Affenmensch zum Kampfe rief. Und fast unmittelbar darauf erscholl aus allen Ecken und Enden im weiten Halbkreis um die zaungesicherte Siedlung der gleiche wilde Kampfschrei, hier und da vermischt mit dem Gebrüll eines hungrigen Leoparden.

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