Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten

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Es war ei­ni­ge Zeit her, seit Tar­zan die Schwar­zen be­sucht und sich aus der De­ckung des großen Bau­mes über der Pa­li­sa­de die Be­schäf­ti­gun­gen sei­ner Fein­de, de­ren ei­ner Kala er­mor­de­te, wie­der an­ge­se­hen hat­te. Ob­gleich er sie hass­te, ver­schaff­te es ihm doch vie­le Un­ter­hal­tung, ihr täg­li­ches Le­ben im Dor­fe, be­son­ders bei den Tän­zen, zu be­lau­schen, wenn der Feu­er­schein auf den nack­ten Kör­pern spiel­te, die im Ge­tüm­mel des Schein­kampfs spran­gen und sich bo­gen und dreh­ten. Wohl in der Hoff­nung, et­was Der­ar­ti­ges zu se­hen zu be­kom­men, folg­te er ih­nen bis zum Dor­fe, aber er war ent­täuscht. Die­se Nacht fand kein Tanz statt.

Da­für sah Tar­zan aus sei­nem si­che­ren Baum­ver­steck, wie klei­ne Grup­pen, um Feu­er­chen hockend, die Ta­ge­s­er­eig­nis­se be­spra­chen, wäh­rend er in den dunk­le­ren Ecken des Dor­fes ein­zel­ne Paa­re er­späh­te, die mit­ein­an­der lach­ten und schwatz­ten. Und im­mer war ei­ner von dem Paa­re ein jun­ger Mann und das an­de­re ein jun­ges Weib.

Tar­zan neig­te den Kopf auf die Sei­te und über­leg­te. Ehe er in die­ser Nacht in ei­ner Ast­ga­bel des großen Bau­mes am Dor­fe ein­sch­lief, er­füll­te ihn der Ge­dan­ke an Tee­ka und nach­her träum­te er von ihr – von ihr und den jun­gen Schwar­zen, die mit den jun­gen Ne­ger­mäd­chen lach­ten und scherz­ten.

Taug hat­te sich beim Al­le­in­ja­gen et­was von dem üb­ri­gen Stamm ent­fernt. Er strich lang­sam eine Ele­fan­ten­fähr­te ent­lang, als er ent­deck­te, dass sie an eine Stel­le von Pflan­zen ver­wach­sen war. Nun war der er­wach­se­ne Taug ein übel­lau­ni­ges, un­ge­dul­di­ges Tier ge­wor­den. Wenn ihn et­was hin­der­te, dach­te er nur dar­an, das Hin­der­nis durch rohe Kraft und Wild­heit zu be­sei­ti­gen. Als er da­her jetzt den Weg ver­sperrt sah, riss er är­ger­lich an dem Vor­hang aus Zwei­gen, fand sich als­bald in ei­nem wun­der­li­chen Raum und fand wei­ter, dass der Durch­gang ver­sperrt war und dass er trotz hef­tigs­ter An­stren­gung nicht durch­bre­chen konn­te.

Taug biss und schlug nach dem Git­ter und ge­riet zu­letzt in eine fürch­ter­li­che Wut, aber es nütz­te ihm al­les nichts; schließ­lich sah er ein, dass er um­keh­ren muss­te. Aber als er es tun woll­te, fand er zu sei­nem Grimm, dass ein an­de­res Git­ter hin­ter ihm her­ab­ge­fal­len war, wäh­rend er das vor­de­re hat­te nie­der­bre­chen wol­len! Taug saß in der Fal­le. Er kämpf­te ver­zwei­felt bis zur völ­li­gen Er­schöp­fung um sei­ne Frei­heit, aber es war ganz ver­geb­lich.

Am Mor­gen rück­te aus Mbon­gas Dorf eine Ab­tei­lung Schwar­zer nach der tags zu­vor ge­bau­ten Fal­le ab, wäh­rend ein nack­ter jun­ger Rie­se, von der Neu­gier­de der wil­den Ge­schöp­fe er­füllt, in den Zwei­gen über ih­nen schweb­te. Manu, das Äff­chen schnat­ter­te und schalt, als Tar­zan vor­bei­kam, und ob­gleich er die wohl­be­kann­te Ge­stalt des Af­fen­jun­gen nicht fürch­te­te, zog er doch den klei­nen brau­nen Kör­per sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin en­ger an sich. Tar­zan lach­te, als er das sah, aber nach dem La­chen zog eine Wol­ke über sein Ge­sicht und er seufz­te tief.

Ein paar Schrit­te wei­ter stol­zier­te ein Vo­gel in bun­tem Pracht­ge­fie­der vor den be­wun­dern­den Au­gen sei­nes dun­kel­far­bi­gen Weib­chens um­her. Es kam Tar­zan vor, als ob sich al­les im Dschun­gel ver­ei­nigt hät­te, um ihn an Tee­kas Ver­lust zu er­in­nern; sonst hat­te er die­se Din­ge je­den Tag ge­se­hen und sich nichts da­bei ge­dacht.

Als die Schwar­zen die Fal­le er­reich­ten, mach­te Taug einen mäch­ti­gen Aufruhr. Er pack­te die Stan­gen sei­nes Ge­fäng­nis­ses und schüt­tel­te sie wahn­sin­nig, wäh­rend er ohne Auf­hö­ren brüll­te oder schreck­lich knurr­te. Die Schwar­zen wa­ren ganz über­mü­tig vor Freu­de, denn ob­gleich sie ihre Fal­le nicht für die­sen haa­ri­gen Baum­mann ge­baut hat­ten, wa­ren sie doch ent­zückt über ih­ren Fang.

Tar­zan spitz­te die Ohren. Als er die Stim­me ei­nes großen Af­fen hör­te, schlug er rasch einen Bo­gen, bis er un­ter Wind der Fal­le war und such­te in der Luft nach der Wit­te­rung des Ge­fan­ge­nen. Nach kur­z­er Frist drang in sei­ne fei­ne Nase ein ver­trau­ter Ge­ruch, der ihm so untrüg­lich, als es sei­ne Au­gen ge­konnt hät­ten, Taug als den Ge­fan­ge­nen an­gab. Ja­wohl, Taug war es, und zwar al­lein.

Tar­zan lach­te und nä­her­te sich, um fest­zu­stel­len, was die Schwar­zen mit ih­rem Ge­fan­ge­nen vor­hat­ten. Ohne Zwei­fel wür­den sie ihn so­fort tö­ten. Wie­der freu­te sich Tar­zan. Jetzt hat­te er Tee­ka für sich und kei­ner wür­de sie ihm mehr strei­tig ma­chen kön­nen. Er be­ob­ach­te­te noch, wie die Schwar­zen die Zwei­ge vom Kä­fig nah­men, Sei­le an­brach­ten und den Kä­fig nach dem Dor­fe zu die Wild­fähr­te hin­ab­schleif­ten.

Tar­zan war­te­te, bis sein Ne­ben­buh­ler au­ßer Sicht kam, der im­mer an den Git­ter­stä­ben rüt­tel­te und sei­nen Zorn und sei­ne Dro­hun­gen durch Knur­ren kund­gab. Dann wand­te sich der Af­fen­jun­ge um und mach­te sich rasch auf die Su­che nach der Hor­de und nach Tee­ka.

Un­ter­wegs über­rasch­te er Shee­ta und sei­ne Fa­mi­lie auf ei­ner klei­nen, halb­ver­wach­se­nen Lich­tung. Das große Männ­chen lag aus­ge­streckt auf dem Bo­den, wäh­rend das Weib­chen sei­nem Herrn eine Tat­ze über das wil­de Ge­sicht leg­te und ihm den wei­chen, wei­ßen Pelz am Hals be­leck­te.

Tar­zan ver­grö­ßer­te sei­ne Ge­schwin­dig­keit, bis er fast durch den Wald flog und traf bald auf die Hor­de. Er hat­te sie längst er­späht, ehe sie ihn er­blick­ten, denn von al­len Dschun­gel­ge­schöp­fen kam kei­nes lei­ser als Af­fentar­zan. Er sah Kam­ma mit ih­rem Ge­fähr­ten Sei­te an Sei­te, wie sie die be­haar­ten Kör­per an­ein­an­der­rie­ben. Aber er sah Tee­ka al­lein Fut­ter su­chen. Sie soll­te nicht lan­ge al­lein su­chen, dach­te Tar­zan, als er mit ei­nem Sat­ze mit­ten un­ter ih­nen er­schi­en.

Es gab ein ent­setz­tes Ren­nen, und ein Chor är­ger­li­cher und er­schreck­ter Knurr­stim­men er­tön­te, denn Tar­zan hat­te sie über­rascht. Aber es muss­te mehr als nur ein ner­vö­ses Er­schre­cken da­bei sein, sonst war nicht zu er­klä­ren, warum das Haar der Af­fen noch ge­sträubt blieb, ob­wohl sie schon lan­ge die Per­son des An­kömm­lings fest­ge­stellt hat­ten.

Tar­zan fand wie­der, wie schon so oft, dass im­mer sein plötz­li­ches Er­schei­nen un­ter ih­nen sie für lan­ge Zeit völ­lig aus der Fas­sung brach­te und dass sie sich erst be­ru­hig­ten, wenn sie ihn samt und son­ders ein hal­b­es dut­zend­mal oder öf­ter bero­chen hat­ten.

Er dräng­te sich zwi­schen ih­nen durch und ging auf Tee­ka zu; aber als er nä­her­kam, wich die Äf­fin zu­rück. Tee­ka, sag­te er, ich bin Tar­zan. Du ge­hörst Tar­zan. Ich bin dei­net­we­gen ge­kom­men.

Die Äf­fin kam nä­her und be­sah ihn sorg­fäl­tig. End­lich beroch sie ihn, wie um ganz si­cher zu ge­hen.

Wo ist Taug? frag­te sie.

Die Go­man­ga­ni ha­ben ihn, er­wi­der­te Tar­zan. Sie wer­den ihn tö­ten.

Tar­zan sah in den Au­gen des Weib­chens einen Aus­druck von Ver­ste­hen und einen trau­ri­gen Blick, als er ihr Taugs Schick­sal mit­teil­te; aber sie kam ganz nahe her­an und schmieg­te sich an ihn und Tar­zan, Lord Grey­sto­ke, leg­te sei­nen Arm um sie.

Da fuhr er auf, denn er be­merk­te die merk­wür­di­ge Un­stim­mig­keit sei­nes glat­ten, brau­nen Ar­mes ne­ben dem schwar­zen, be­haar­ten Fell sei­ner An­ge­be­te­nen. Er dach­te an die Pfo­te von Shee­tas Weib­chen über Shee­tas Ge­sicht – da war kei­ne Un­stim­mig­keit! Er dach­te, wie der klei­ne Manu sein Weib­chen an sich drück­te und wie ei­nes zu dem an­de­ren zu ge­hö­ren schi­en. Selbst das stol­ze Männ­chen der Vö­gel mit sei­nem hüb­schen Ge­fie­der trug eine ge­wis­se Ähn­lich­keit mit sei­ner ru­hi­ger ge­tön­ten Ge­fähr­tin zur Schau. Auch Numa, der Löwe, war, wenn man sei­ne zot­ti­ge Mäh­ne weg­ließ, das Ge­gen­stück zur Lö­win Sa­bor. Zwi­schen Männ­chen und Weib­chen be­stan­den wohl Un­ter­schie­de, aber nicht so große, wie zwi­schen Tar­zan und Tee­ka.

Tar­zan war ver­wirrt. Ir­gen­det­was stimm­te nicht. Sein Arm rutsch­te von Tee­kas Schul­ter. Ganz lang­sam wich er vor ihr zu­rück. Sie blick­te ihm mit schräg ge­hal­te­nem Kopf nach. Tar­zan er­hob sich zu sei­ner vol­len Grö­ße und schug mit den Fäus­ten auf sei­ne Brust. Er hob den Kopf zum Him­mel, öff­ne­te den Mund und stieß aus der Tie­fe der Lun­gen den wil­den, un­heim­li­chen Kampf­ruf des sieg­rei­chen Af­fen­bul­len her­vor. Der Stamm be­sah ihn mit neu­gie­ri­gen Au­gen. Er hat­te doch nichts er­legt und ein Geg­ner war auch nicht da, um sich durch den wil­den Schrei zur Kampf­toll­heit an­zu­sta­cheln! Nein, es gab wirk­lich kei­ne Ent­schul­di­gung für die­se Stö­rung, sie hiel­ten da­her stets ein Auge auf den Af­fen­menschen ge­rich­tet für den Fall, dass sein Schrei die Vor­be­rei­tung zum Amok­lau­fen war.

Sie be­ob­ach­te­ten noch, wie er sich auf einen na­hen Baum schwang und aus dem Ge­sichts­kreis ver­schwand. Dann ver­ga­ßen ihn alle wie­der; auch Tee­ka.

Mbon­gas schwar­ze Krie­ger ka­men nur lang­sam dem Dor­fe nä­her, denn sie schwitz­ten sehr bei ih­rer an­stren­gen­den Ar­beit und muss­ten oft aus­ru­hen. Je­des Mal, wenn sie den Kä­fig be­weg­ten, knurr­te und brüll­te das wil­de Tier in dem roh­ge­bau­ten Kä­fig und trom­mel­te an den Stä­ben. Es war ein fürch­ter­li­cher Lärm.

Die Schwar­zen hat­ten ih­ren Weg fast be­en­det und ruh­ten zum letz­ten Male aus, ehe sie die Lich­tung er­reich­ten, auf wel­cher ihr Dorf lag. Ein paar wei­te­re Mi­nu­ten wür­den sie aus dem Wal­de ge­bracht ha­ben, und dann wür­de wahr­schein­lich das, was nun kam, nicht ein­ge­tre­ten sein. Eine schwei­gen­de Ge­stalt husch­te über ih­nen durch die Bäu­me. Schar­fe Au­gen prüf­ten den Kä­fig und zähl­ten die Krie­ger. Ein er­find­sa­mes und wa­ge­hal­si­ges Ge­hirn er­wog die Mög­lich­keit des Er­fol­ges, wenn ein ge­wis­ser Plan nö­tig wur­de.

 

Tar­zan be­ob­ach­te­te, wie die Schwar­zen im Schat­ten ruh­ten. Sie wa­ren er­schöpft. Ei­ni­ge schlie­fen be­reits. Er kroch nä­her, hielt schon über ih­nen. Kein Blätt­chen ra­schel­te bei sei­nem be­hut­sa­men Vor­rücken. Mit der un­er­schöpf­li­chen Ge­duld des Raub­tie­res war­te­te er. Jetzt wa­ren nur noch zwei Krie­ger wach und ei­ner der bei­den war be­reits schlaf­trun­ken. Af­fentar­zan zog sich zum An­griff zu­sam­men, als der nicht ein­ge­schla­fe­ne Schwar­ze auf­stand und um den Kä­fig her­um­ging. Der Jun­ge blieb über sei­nem Kopf. Taug folg­te dem Krie­ger mit den Au­gen und knurr­te laut, so­dass Tar­zan fürch­te­te, der Men­schen­af­fe wer­de die Schla­fen­den we­cken.

In ei­nem den Ohren des Ne­gers un­hör­ba­ren Flüs­tern nann­te Tar­zan Taug beim Na­men, emp­fahl ihm Schwei­gen, und Taugs Knur­ren ver­stumm­te.

Der Schwar­ze ging an die Rück­sei­te des Kä­figs, um die Be­fes­ti­gung zu prü­fen, und als er dort stand, stürz­te sich der Af­fen­mensch über ihm vom Bau­me ge­ra­de auf sei­nen Na­cken. Stäh­ler­ne Fin­ger um­klam­mer­ten sei­nen Hals, den Schrei er­sti­ckend, der sich über die Lip­pen des er­schro­cke­nen Man­nes rin­gen woll­te, star­ke Zäh­ne gru­ben sich in sei­ne Schul­ter und kraft­vol­le Bei­ne wan­den sich um sei­nen Rumpf.

Der vor Angst wahn­sin­ni­ge Schwar­ze such­te das stil­le, auf sei­nem Rücken hän­gen­de Et­was los­zu­wer­den. Er warf sich auf den Bo­den und über­kol­ler­te sich, aber die mäch­ti­gen Fin­ger nah­men ih­ren Griff im­mer en­ger und fes­ter. Der Mann riss den Mund weit auf, die ge­schwol­le­ne Zun­ge drück­te sich vor, die Au­gen tra­ten aus den Höh­len, aber die er­bar­mungs­lo­sen Fin­ger ver­stärk­ten ih­ren Druck noch.

Taug war schweig­sa­mer Zeu­ge des Rin­gens. In sei­nem wil­den, klei­nen Hirn frag­te er sich zwei­fel­los, was Tar­zan be­we­gen moch­te, den Schwar­zen an­zu­grei­fen. Taug hat­te we­der den Kampf jüngst mit dem Men­schen­jun­gen noch den Grund dazu ver­ges­sen. Plötz­lich sah er die Ge­stalt des Go­man­ga­ni nach­ge­ben. Ein krampf­haf­tes Zu­cken noch und der Mann lag still. Tar­zan sprang von sei­nem Op­fer auf und lief an die Türe des Kä­figs. Mit sei­nen ge­schick­ten Fin­gern lös­te er die Rie­men, wel­che die Tür an ih­rem Plat­ze hiel­ten. Taug konn­te nur zu­se­hen, hel­fen konn­te er nicht. Gleich dar­auf stieß Tar­zan das Ding ein paar Fuß hoch und Taug kroch her­aus. Der Affe woll­te sich so­fort auf die schla­fen­den Schwar­zen stür­zen, um sein Müt­chen an ih­nen zu küh­len, aber Tar­zan dul­de­te es nicht. Statt des­sen zog der Af­fen­kna­be den be­wusst­lo­sen Schwar­zen in den Kä­fig und lehn­te ihn ge­gen das Sei­ten­git­ter. Dann ließ er die Türe wie­der her­un­ter und be­fes­tig­te die Rie­men, wie sie ge­we­sen wa­ren. Ein ver­gnüg­tes Lä­cheln er­hell­te sei­ne Züge bei die­ser Be­schäf­ti­gung, denn eine sei­ner Lieb­lings­un­ter­hal­tun­gen war es, die Schwar­zen in Mbon­gas Dorf zu pla­gen. Er stell­te sich ih­ren Schre­cken vor, wenn sie beim Er­wa­chen ih­ren to­ten Ka­me­ra­den statt des ein paar Mi­nu­ten vor­her dar­in ge­we­se­nen Men­schen­af­fen im Kä­fig ein­ge­schlos­sen fan­den.

Taug und Tar­zan schwan­gen sich in die Bäu­me, das zot­ti­ge Fell des wil­den Af­fen streif­te die glat­te Haut des eng­li­schen Lord­soh­nes, als sie zu­sam­men durch den Ur­wald zo­gen.

Geh zu Tee­ka zu­rück, sag­te Tar­zan. Sie ge­hört dir. Tar­zan braucht sie nicht.

Hat Tar­zan ein an­de­res Weib­chen ge­fun­den? frag­te Taug.

Der Jun­ge zuck­te die Schul­tern. Die Go­man­ga­ni neh­men eine an­de­re Go­man­ga­ni, Numa der Löwe hat die Lö­win Sa­bor; Shee­ta hat ein Weib­chen von sei­ner Art, so hat es Bara, der Hirsch, und Manu, das Äff­chen. Alle Tie­re und Vö­gel des Dschun­gels fin­den eine Ge­fähr­tin. Nur für Af­fentar­zan gibt es kei­ne. Taug ist ein Affe. Tee­ka ist eine Äf­fin. Geh du zu­rück zu Tee­ka. Tar­zan ist ein Mensch. Er muss al­lein blei­ben.

1 Kriegs­fall, bzw. -grund <<<

Tarzan gefangen

Die schwar­zen Krie­ger ar­bei­te­ten in der feuch­ten Hit­ze müh­sam un­ter den er­sti­cken­den Schat­ten des Dschun­gels. Mit den Spee­ren lo­cker­ten sie den fes­ten dunklen Lehm und die tie­fe Lage ver­mo­der­ter Pflan­zen. Mit ih­ren Fin­ger­nä­geln kratz­ten sie die zer­klei­ner­te Erde aus der Mit­te der ur­al­ten Wald­fähr­te. Oft hiel­ten sie in der Ar­beit an, hock­ten sich auf den Rand der Gru­be, die sie an­leg­ten, ruh­ten sich aus, lach­ten und schwatz­ten. Wäh­rend sie mit ih­ren Spee­ren gru­ben, lehn­ten ihre lan­gen ova­len Schil­de aus di­cker Büf­fel­haut an den na­hen Baum­stäm­men. Ihre glat­te, schwar­ze Haut, un­ter der sich die schö­nen, vol­len Mus­keln in der run­den Form volls­ter Ge­sund­heit straff­ten, glänz­te vom Schweiß.

Eine Rie­dan­ti­lo­pe zog vor­sich­tig auf dem Wege zur Was­ser­stel­le die Fähr­te ent­lang, als ihr das Ge­läch­ter zu Ge­hör kam. Sie stand einen Au­gen­blick bis auf die wit­tern­den Nüs­tern be­we­gungs­los, dann wen­de­te sie sich und floh ge­räusch­los aus der schreck­li­chen Nähe der Men­chen.

Hun­dert Schrit­te da­von ent­fernt im Dickicht des un­durch­dring­li­chen Dschun­gels hob der Löwe Numa sei­nen mas­si­gen Kopf. Numa hat­te heu­te fast bis zum Ta­ge­s­an­bruch ge­fres­sen, so­dass er erst durch den großen Lärm ge­weckt wur­de. Jetzt hob er die Schnau­ze, zog die Luft ein und fing die schar­fe Wit­te­rung des Ried­bocks und die dump­fe des Men­schen auf. Aber Numa war wohl ge­sät­tigt. Mit ei­nem lei­sen, un­zu­frie­de­nen Grun­zen er­hob er sich und schlich da­von.

Bunt­ge­fie­der­te Vö­gel mit hei­se­ren Stim­men schos­sen von Baum zu Baum. Klei­ne Af­fen schwan­gen sich schnat­ternd und schel­tend über den schwar­zen Krie­gern durch die schwan­ken Zwei­ge. Und doch fühl­ten sich die­se al­lein, denn der gleich den Stra­ßen ei­ner Groß­stadt von My­ria­den Le­be­we­sen wim­meln­de Dschun­gel wirkt auf je­den wie der ein­sams­te Fle­cken auf Got­tes großer Welt.

Aber wa­ren sie wirk­lich al­lein?

Über ih­nen wieg­te sich ein grau­äu­gi­ger Jüng­ling auf ei­nem dicht­be­laub­ten Ast und be­wach­te mit re­ger Auf­merk­sam­keit jede ih­rer Be­we­gun­gen. Das zu­rück­ge­hal­te­ne Feu­er des Has­ses glomm un­ter des Jun­gen of­fen­ba­rem Wunsch, her­aus­zu­fin­den, wel­chen Zweck die Ar­beit der Schwar­zen hat­te. Ei­ner so wie die­se da hat­te sei­ne ge­lieb­te Kala ge­tö­tet. Er konn­te nur bit­te­re Feind­schaft für sie he­gen, aber er be­lausch­te sie ger­ne, weil er be­gie­rig war, das Be­neh­men der Men­schen bes­ser ken­nen­zu­ler­nen.

Er sah die Gru­be tiefer wer­den, bis ein großes Loch von der Brei­te der Fähr­te gähn­te – ein Loch, groß ge­nug, um alle sechs Schwar­zen zu­sam­men in sich auf­zu­neh­men. Tar­zan konn­te sich den Zweck ei­ner sol­chen Rie­sen­ar­beit nicht vor­stel­len. Als sie lan­ge Stan­gen schnit­ten, am obe­ren Ende zu­spitz­ten und in Ab­stän­den senk­recht in den Bo­den der Gru­be setz­ten, stieg sein Er­stau­nen. Und als sie dann schwa­che Qu­er­stä­be dar­über leg­ten und mit ei­ner sorg­fäl­tig an­ge­brach­ten Lage aus Blät­tern und Erde ihr Werk je­dem Blick ver­deck­ten, wur­de er nicht klü­ger dar­aus.

Als die Schwar­zen fer­tig wa­ren, be­trach­te­ten sie ihr Werk mit Zei­chen volls­ter Zufrie­den­heit und Tar­zan be­trach­te­te es gleich­falls so. Selbst für sein ge­üb­tes Auge blieb kaum eine Spur da­von, dass die alte Wild­fähr­te in ir­gend­ei­ner Wei­se an­ge­rührt wor­den war.

Der Af­fen­mensch war so sehr in sei­ne Mut­ma­ßun­gen über den Zweck der über­deck­ten Gru­be ver­tieft, dass er die Schwar­zen nach ih­rem Dor­fe ohne die üb­li­che Het­ze ent­kom­men ließ, die ihn zum Schre­cken von Mbon­gas Stamm ge­macht hat­te und für ihn gleich­zei­tig ein Mit­tel zur Ra­che und eine un­er­schöpf­li­che Quel­le der Un­ter­hal­tung dar­stell­te.

Aber wie sehr er sich auch den Kopf zer­brach, er konn­te das Rät­sel der ver­deck­ten Gru­be nicht lö­sen, denn die Sit­ten der Schwar­zen wa­ren für Tar­zan im­mer noch et­was Un­be­kann­tes. Sie wa­ren erst vor kur­z­em in den Dschun­gel ein­ge­wan­dert – die ers­ten ih­rer Gat­tung, um den Tie­ren dort ihre ur­al­te Vor­herr­schaft auf­zu­drän­gen. Für den Lö­wen Numa, für Tan­tor, den Ele­fan­ten, für die großen und die klei­nen Af­fen, für all und je­den der My­ria­den Ge­schöp­fe die­ser rau­en Wild­nis wa­ren die Mit­tel und Wege des Men­schen neu. Sie muss­ten noch vie­les ler­nen, was die­se schwar­zen, haar­lo­sen Ge­schöp­fe be­traf, die auf­recht auf den Hin­ter­pfo­ten gin­gen – und sie lern­ten lang­sam und im­mer zu ih­rem größ­ten Kum­mer.

Bald nach dem Ab­zug der Schwar­zen schwang sich Tar­zan auf die Fähr­te hin­ab. Vor­sich­tig wit­ternd um­kreis­te er die Rän­der der Fal­le. Er hock­te sich hin und kratz­te das Ende ei­nes Qu­er­trä­gers frei. Dann beroch er ihn, be­rühr­te ihn, leg­te den Kopf auf die Sei­te und be­schau­te ihn erst ein paar Mi­nu­ten lang. Schließ­lich brach­te er die Stel­le wie­der sau­ber in Ord­nung, schwang sich hin­auf in die Zwei­ge und mach­te sich auf die Su­che nach sei­nen be­haar­ten Ge­fähr­ten, den großen Af­fen von Ker­schaks Hor­de.

Als ihm da­bei der Löwe Numa über den Weg lief, hielt er einen Au­gen­blick an, warf sei­nem Feind eine wei­che Frucht in das knur­ren­de Ge­sicht und schimpf­te ihn Aas­fres­ser und Bru­der der Hyä­ne Dan­go. Numa starr­te mit sei­nen feu­ri­gen, run­den, gelb­grü­nen Au­gen voll tie­fem Hass auf die tan­zen­de Ge­stalt oben. Sei­ne di­cken Ba­cken zit­ter­ten un­ter lei­sem Knur­ren und die Wut setz­te sei­nen ge­schmei­di­gen Schweif in schar­fe peit­schen­de Be­we­gung. Aber aus al­ter Er­fah­rung wuss­te er, wie zweck­los es war, mit dem Af­fen­menschen auf wei­te Ent­fer­nung zu ver­han­deln, des­we­gen schlug er sich als­bald seit­wärts in die Bü­sche, die ihn den Bli­cken sei­nes Quäl­geis­tes ent­zo­gen.

Tar­zan schnitt sei­nem ab­zie­hen­den Fein­de eine af­fen­ar­ti­ge Gri­mas­se und schrie ihm eine letz­te Dschun­gel­be­lei­di­gung nach, ehe er sei­nen Weg fort­setz­te.

Eine Mei­le wei­ter trug ihm ein Wind­hauch einen schar­fen ver­trau­ten Ge­ruch ganz aus der Nähe in die Nase und gleich dar­auf sah er un­ter sich ein un­ge­heu­res grauschwar­zes Un­ge­tüm ge­ra­de­wegs durch den Dschun­gel sich Bahn bre­chen. Tar­zan griff ne­ben sich und knick­te einen klei­nen Zweig und schon mach­te der wuch­ti­ge Kör­per bei dem plötz­li­chen Knacken halt. Gro­ße Ohren klapp­ten nach vor­ne und ein lan­ger, wei­cher Rüs­sel hob sich, um rasch auf der Su­che nach feind­li­cher Wit­te­rung hin- und her­zu­schwan­ken, wäh­rend zwei schwach­sich­ti­ge, klei­ne Au­gen arg­wöh­nisch aber er­folg­los nach dem Ur­he­ber des Geräusches späh­ten, das sei­nen fried­li­chen Weg ge­stört hat­te.

Tar­zan lach­te laut und kam dicht über den Kopf des Dick­häu­ters.

Tan­tor! Tan­tor! schrie er. Bara, der Hirsch, ist nicht so ängst­lich wie du – du, Tan­tor, der Ele­fant, der größ­te von al­lem Dschun­gel­volk. Du, mit der Stär­ke von eben­so viel Nu­mas als ich Fin­ger und Ze­hen habe! Tan­tor, der die größ­ten Bäu­me aus­rei­ßen kann, du zit­terst vor Angst, wenn ein klei­ner Zweig knackt!

Ein ra­scheln­des Geräusch, das eben­so ein Zei­chen der Ver­ach­tung wie der Er­leich­te­rung sein konn­te, war Tan­tors ein­zi­ge Ant­wort, als er den hoch­er­ho­be­nen Rüs­sel und die Ohren senk­te und sei­nen Schwanz wie­der wie ge­wöhn­lich hän­gen ließ. Nur die Au­gen such­ten wei­ter nach Tar­zan. Tan­tor brauch­te nicht lan­ge zu war­ten, denn eine Se­kun­de spä­ter sprang der Jüng­ling auf den brei­ten Kopf sei­nes al­ten Freun­des her­ab. Dort streck­te er sich lang aus, trom­mel­te mit den Ze­hen auf der Haut und kratz­te mit den Fin­gern die zar­te­ren Stel­len hin­ter den großen Ohren, wäh­rend er Tan­tor den gan­zen Dschun­gel­klatsch er­zähl­te, als ob das große Tier je­des sei­ner Wor­te ver­stün­de.

Tar­zan konn­te Tan­tor vie­les ver­ständ­lich ma­chen und ob­gleich sein Ge­schwätz von der Jagd über die Be­grif­fe des großen, grau­en Dschun­gel-Fürch­te­nichts ging, stand die­ser doch mit fun­keln­den Au­gen und lei­se schwin­gen­dem Rüs­sel, als ob er je­des Wort mit volls­tem Ver­ständ­nis in sich auf­neh­me. In Wirk­lich­keit lieb­te er die an­ge­neh­me freund­li­che Stim­me, die lieb­ko­sen­den Hän­de hin­ter den Ohren und die enge Ver­trau­lich­keit des Freun­des, den er schon so oft auf dem Rücken ge­tra­gen hat­te. Tar­zan hat­te sich einst noch als klei­nes Kind dem großen Tier furcht­los ge­naht, weil er bei dem Dick­häu­ter die glei­chen freund­li­chen Ge­füh­le vor­aus­setz­te, die sein ei­ge­nes Herz er­füll­ten. Tar­zan hat­te in den Jah­ren ih­rer Freund­schaft ent­deckt, dass er eine un­er­klär­li­che Macht be­saß, sei­nen mäch­ti­gen Freund zu lei­ten und zu len­ken. Von so weit her als Tan­tor mit sei­nen schar­fen Ohren die schril­len durch­drin­gen­den Rufe des Af­fen­menschen noch ver­neh­men konn­te, kam er auf des­sen Ruf her­bei, und wenn Tar­zan dann auf sei­nem Kop­fe hock­te, brach Tan­tor in je­der Rich­tung durch den Dschun­gel, die ihn sein Rei­ter zu ge­hen hieß. Es war das Über­ge­wicht des mensch­li­chen Ver­stan­des über den des Tie­res und die Wir­kung war ge­ra­de so, als ob sie bei­de den Grund ge­wusst hät­ten, ob­gleich kei­ner von ih­nen eine Ah­nung da­von hat­te.

 

Eine hal­be Stun­de lang spreiz­te sich Tar­zan dort auf Tan­tors Rücken. Ei­nen Zeit­be­griff kann­ten sie bei­de nicht. Das Le­ben, wie sie es auf­fass­ten, be­stand haupt­säch­lich aus der Auf­ga­be, sich den Ma­gen zu fül­len. Für Tar­zan war die­se Ar­beit we­ni­ger schwer als für Tan­tor, denn Tar­zans Ma­gen war klei­ner und als Om­ni­vo­re, als Al­les­fres­ser, fand er leich­ter Nah­rung. Wenn er die eine Art nicht bald ge­nug fand, gab es im­mer noch vie­le an­de­re, um den Hun­ger zu stil­len. Er war in der Le­bens­wei­se nicht so ei­gen wie Tan­tor, der von ei­ni­gen Bäu­men nur die Rin­de fraß, das Holz wie­der von an­de­ren, wäh­rend ihm wie­der von noch an­de­ren nur das Laub schmeck­te und auch das nur zu be­stimm­ten Jah­res­zei­ten.

In­fol­ge­des­sen muss­te Tan­tor den größ­ten Teil sei­nes Le­bens da­mit zu­brin­gen, sei­nen Ma­gen für die Be­dürf­nis­se sei­ner mäch­ti­gen Mus­keln zu fül­len. So geht es al­len Tie­ren – ihr Le­ben ist mit Nah­rungs­su­che und Ver­dau­ung so voll be­schäf­tigt, dass ih­nen we­nig Zeit für an­de­re Er­wä­gun­gen bleibt. Zwei­fel­los hat sie die­se Be­las­tung ge­hin­dert, sich eben­so rasch wie der Mensch, dem mehr Zeit zum Nach­den­ken über al­les bleibt, wei­ter­zu­ent­wi­ckeln.

Doch ließ sich Tar­zan durch sol­che Ge­dan­ken nur we­nig stö­ren und Tan­tor schon gar nicht. Der ers­te­re wuss­te nur, dass er sich in der Ge­sell­schaft Tan­tors wohl­fühl­te. Wa­rum, wuss­te er nicht. Er ver­stand nicht, dass er als Mensch – als nor­mal emp­fin­den­der, ge­sun­der Mensch – sich nach ei­nem Le­be­we­sen sehn­te, dem er sei­ne Zu­nei­gung schen­ken konn­te. Die Spiel­ge­fähr­ten sei­ner Kind­heit un­ter Ker­schaks Af­fen wa­ren nun­mehr große, mür­ri­sche Bes­ti­en ge­wor­den. Sie konn­ten Vor­lie­be we­der he­gen noch er­we­cken. Mit den jün­ge­ren Af­fen spiel­te Tar­zan noch ge­le­gent­lich und lieb­te sie in rau­er Wei­se, aber als Ka­me­ra­den wa­ren sie we­der be­frie­di­gend noch ru­hig ge­nug. Tan­tor da­ge­gen war ein Berg von Ruhe, Ge­setzt­heit und Zu­ver­läs­sig­keit. Es war eine Er­ho­lung und Be­frie­di­gung, sich auf sei­nem rau­en Schä­del aus­zu­stre­cken und ihm un­kla­re Hoff­nun­gen und Zie­le in sei­ne großen Ohren zu er­zäh­len, die dann so ge­wich­tig und ver­ständ­nis­in­nig vor- und zu­rück­klapp­ten. Seit ihm Kala ge­nom­men war, heg­te Tar­zan von al­lem Dschun­gel­volk für Tan­tor die größ­te Lie­be. Manch­mal hät­te Tar­zan ger­ne ge­wusst, ob Tan­tor die­se Zu­nei­gung er­wi­der­te, aber es war schwer, das her­aus­zu­fin­den.

Die Stim­me des Ma­gens – die drin­gends­te und be­stän­digs­te For­de­rung, wel­che der Dschun­gel kennt – brach­te schließ­lich Tar­zan wie­der auf die Bäu­me und auf die Nah­rungs­su­che, wäh­rend Tan­tor sei­nen un­ter­bro­che­nen Marsch in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung wie­der auf­nahm.

Eine Stun­de lang ging der Af­fen­mensch auf Nah­rung aus. Ein luf­ti­ges Nest gab sei­nen fri­schen, war­men In­halt her. Früch­te, Bee­ren und zar­te Pi­sang­ba­na­nen fan­den ih­ren Platz auf sei­ner Menü­kar­te in der Rei­hen­fol­ge, in wel­cher er auf sie stieß, denn nach sol­cher Nah­rung such­te er nicht erst. Fleisch, Fleisch, Fleisch! Af­fentar­zan jag­te im­mer nach Fleisch; nur be­kam er es manch­mal nicht, wie zum Bei­spiel heu­te. Wäh­rend er den Dschun­gel durch­strich, be­fass­te sich sein leb­haf­ter Geist nicht nur mit sei­ner Jagd, son­dern auch mit vie­len an­de­ren Din­gen. Ge­wohn­heits­mä­ßig rief er sich die Er­eig­nis­se der ver­gan­ge­nen Tage und Stun­den ins Ge­dächt­nis zu­rück. Er er­leb­te wie­der eine Be­geg­nung mit Tan­tor, er dach­te an die gra­ben­den Ne­ger und die merk­wür­di­ge, zu­ge­deck­te Gru­be, die sie zu­rück­ge­las­sen hat­ten. Wie­der und wie­der frag­te er sich, was wohl de­ren Zweck sein könn­te. Er ver­glich sei­ne Wahr­neh­mun­gen und kam da­bei zu Ur­tei­len. Dann ver­glich er sei­ne Ur­tei­le und ge­lang­te zu Schlüs­sen, die wohl nicht im­mer rich­tig wa­ren, aber er ge­brauch­te sein Ge­hirn zu dem Zweck, für wel­chen es Gott be­stimmt hat­te, und da er nicht durch das meist ir­ri­ge Ur­teil an­de­rer vor­her be­ein­flusst war, fiel ihm der rech­te Ge­brauch nicht so schwer.

Und wäh­rend er sich so we­gen der Gru­be den Kopf zer­brach, tauch­te plötz­lich vor sei­nen Au­gen im Geis­te eine mas­si­ge, schwarz­graue Ge­stalt auf, wel­che ge­wich­tig eine Dschun­gel­fähr­te ent­lang tram­pel­te. Im Nu spür­te Tar­zan schlag­ar­tig eine Ge­fahr da­hin­ter. Ent­schluss und Aus­füh­rung fie­len bei dem Af­fen­menschen ge­wöhn­lich zu­sam­men, und schon rann­te er durch die be­laub­ten Zwei­ge da­von, ehe er die Be­deu­tung der Fall­gru­be im Geis­te noch ganz er­fasst hat­te. Von ei­nem we­hen­den Ast zum an­de­ren sich schwin­gend, eil­te er durch die mitt­le­re Ter­ras­se, in wel­cher die Bäu­me am dich­tes­ten mit den Zwei­gen an­ein­an­ders­tie­ßen, dann sprang er wie­der zu Bo­den und schnell­te sich leicht­fü­ßig über den Tep­pich aus ver­mo­der­ten Pflan­zen, bis er wie­der in die Bäu­me hin­auf­klet­ter­te, wenn ihm dich­ter Un­ter­wuchs das ra­sche­re Vor­wärts­kom­men auf dem Bo­den ver­wehr­te.

In sei­ner Hast ver­gaß er alle Vor­sicht. Die War­nung der tie­ri­schen In­stink­te war von der red­li­chen Freund­schaft des Men­schen über­tönt, und so konn­te es kom­men, dass er eine große, baum­lee­re Lich­tung be­trat, ohne vor­her dar­an zu den­ken, ob nichts dort sei, was ihn den Weg strei­tig ma­chen könn­te.

Er war schon halb über die Lich­tung hin­weg, als ge­ra­de vor ihm auf dem Wege in nur we­ni­gen Schrit­ten Ent­fer­nung aus ei­nem Fle­cken großer Grä­ser ein hal­b­es Dut­zend schnat­tern­de Vö­gel auf­flo­gen. Tar­zan schlug sich auf die Sei­te, denn er wuss­te gut ge­nug, was für ein Ge­schöpf die klei­nen Schild­wa­chen ver­rie­ten. Buto, das Nas­horn, raff­te sich auf sei­ne kur­z­en Bei­ne und schoss wü­tend zum An­griff vor. Buto rennt aufs Ge­ra­te­wohl drauf los. Mit sei­nen schlech­ten Au­gen sieht es selbst auf kur­ze Ent­fer­nung nicht viel, und es ist schwer zu ent­schei­den, ob sein irr­sin­ni­ges Drauf­los­stür­zen von sinn­lo­ser Angst beim Flüch­ten oder von dem jäh­zor­ni­gen Cha­rak­ter, den man ihm zu­schreibt, her­rührt. Üb­ri­gens ist das auch für einen, den Buto an­greift, ziem­lich ne­ben­säch­lich, denn wenn er ge­fasst und ge­spießt ist, lässt sich zehn ge­gen eins wet­ten, dass er nach­her we­nig In­ter­es­se für die­se Fra­ge hat.

Heu­te schoss nun Buto zu­fäl­lig ge­ra­de über die we­ni­gen tren­nen­den Schrit­te Gras­flä­che auf Tar­zan los. Er hat­te die Rich­tung nach dem Af­fen­menschen ge­nom­men und griff ihn mit Schnau­fen und Schnar­ren an, als er ihn vor sei­ne schwa­chen Au­gen be­kam. Die klei­nen Nas­horn­vö­gel flat­ter­ten im Krei­se um ih­ren großen Be­schüt­zer, über ein Dut­zend Af­fen drü­ben in den Zwei­gen an der Ecke der Lich­tung schnat­ter­ten und schal­ten, als sie das lau­te Schnar­chen der wü­ten­den Bes­tie er­schreck­te und in Ver­wir­rung in die hö­he­ren Zwei­ge jag­te. Nur Tar­zan schi­en gleich­gül­tig und hei­ter.